Dialektcharts

Von Anatol Stefanowitsch

Das Allens­bach-Insti­tut hat eine inter­es­sante Umfrage zum Zus­tand und zur Wahrnehmung deutsch­er Dialek­te durchge­führt, auf die ich in den näch­sten Tagen noch ein­mal aus­führlich­er zurück­kom­men werde. Heute möchte ich aber nicht aus­führlich über die Umfrage selb­st sprechen, son­dern über die Schlagzeilen, mit denen die Zeitun­gen sie verkauft haben.

Die Agen­turen haben in ihren Schlagzeilen offen­sichtlich auf den (ver­meintlichen) Sieger konzen­tri­ert — „Bay­erisch ist die beliebteste deutsche Mundart“ titelt die AFP und Asso­ci­at­ed Press meldet „Bay­erisch ist der beliebteste deutsche Dialekt“. Viele Zeitun­gen im deutschsprachi­gen Raum haben diese Schlagzeilen über­nom­men, z.B. die WELT, die Ful­daer Zeitung und die Neue Zürich­er Zeitung.

Andere haben die Über­schriften leicht abge­wan­delt: „Auch außer­halb von Bay­ern wird bay­erisch gern gehört“, melden z.B. Han­dels­blatt, Mit­teldeutsche Zeitung und Thüringis­che Lan­deszeitung, der Mannheimer Mor­gen kürzt das zu „Bay­erisch gern gehört“ ab und der Münch­n­er Merkur und das Ober­bay­erische Volks­blatt stellen das sen­sa­tion­slüstern zu „Gern gehört: Bay­erisch­er Dialekt“ um. 

Über­haupt greifen vor allem die bay­erischen Zeitun­gen die Nachricht mit Begeis­terung auf und übertreiben dabei auch gerne: „Ganz Deutsch­land ste­ht auf den bay­erischen Dialekt“, behauptet z.B. die Augs­burg­er Allgemeine.

Tat­säch­lich ist die Lage etwas dif­feren­ziert­er, aber das lässt nur die Schlagzeile der Köl­nis­chen Rund­schau erah­nen, die übriges auch die einzige Zeitung ist, die die kor­rek­te Beze­ich­nung des bay­erischen Dialek­ts ver­wen­det: „Bairisch: Man liebt es oder has­st es“. Denn während Bairisch mit 35 Prozent die Liste der beliebtesten Dialek­te anführt, kommt es in der Liste der unbe­liebtesten Dialek­te mit 21 Prozent immer­hin auf Platz 2.

In eini­gen Gegen­den konzen­tri­eren die Zeitun­gen sich aber lieber auf den Dialekt der eige­nen Region, egal, wie der in der Studie wegkommt: „Plattdeutsch ist nicht nur im Nor­den beliebt“, berichtet das Ham­burg­er Abend­blatt, und „Umfrage: Plattdeutsch nicht nur im Nor­den beliebt“, die Welt. Und in der Tat lan­det das nord­deutsche Platt mit 29 Prozent auf der Liste der beliebten Dialek­te nur knapp hin­ter dem Bairischen, und anders als Let­zteres scheint es nicht so stark zu polar­isieren — nur 8 Prozent mögen es nicht.

Die Säch­sis­che Zeitung redet nicht um den heißen Brei herum: „Säch­sisch ist der unbe­liebteste deutsche Dialekt“, heißt es dort mit bewun­dern­swert­er Lakonie, und da das Säch­sis­che die Liste der unbe­liebtesten Dialek­te mit 54 Prozent mit großem Abstand anführt, gibt es wohl auch nicht viel zu beschöni­gen. Auch die Schwaben nehmen ihre Nieder­lage gelassen in Kauf: „Schwäbisch mögen wenige“, teilt die Badis­che Zeitung ihren Lesern knapp und auf den Punkt gebracht mit.

Die Hes­sen, deren Mundart deut­lich schlechter abschnei­det, als die der Schwaben, sind etwas ges­pal­tener. Der Gießen­er Anzeiger ringt sich zu einem „Hes­sis­ch­er Dialekt nicht beson­ders beliebt“ durch, und die Franken­berg­er Zeitung scherzt sog­ar „Ebbel­woi und Hand­käs — Hes­sisch ‚net‘ beson­ders beliebt“. Die Frank­furter All­ge­meine Zeitung ist dage­gen empört und richtet diese Empörung völ­lig unver­mit­telt gegen die Haupt­stadt: „Sog­ar Berliner­isch beliebter als Hes­sisch“. Ja, liebe Hes­sen, das muss hart sein. Aber immer­hin habt ihr die Sach­sen knapp geschlagen.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

11 Gedanken zu „Dialektcharts

  1. Thomas Paulwitz

    Jo mei. Inter­es­sant finde ich diese Speku­la­tion der Allens­bach­er: „Vielle­icht hat das Beson­dere am bay­erischen Dialekt u.a. auch mit dem sprach­lichen Selb­st­be­wusst­sein der Bay­ern zu tun.“ Es wäre schön, wenn diese Ver­mu­tung mit Tat­sachen erhärtet wer­den könnte.

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  2. Jens

    Auch die Schwaben nehmen ihre Nieder­lage gelassen in Kauf: „Schwäbisch mögen wenige“, teilt die Badis­che Zeitung ihren Lesern knapp und auf den Punkt gebracht mit.

    Den Satz kapiere ich nicht. Wenn die Badis­che Zeitung das schreibt, ist das doch wohl eher schaden­froh denn gelassen …

    Jeden­falls aber sagt das Zitat über­haupt nichts darüber aus, wie die Schwaben das Umfrageergeb­nis sehen.

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  3. Hedemann

    Dabei ist “Platt” bzw. Niederdeutsch ja nicht mal ein Dialekt im engeren Sinne. Aber das ist ja jet­zt auch egal. Ver­mut­lich meinen die Befragten auch noch nicht mal Niederdeutsch, son­dern das im Nor­den durch niederdeutsche Ein­flüsse gefärbte Hochdeutsch, ins­beson­dere wohl in der Ham­burg­er Ausprägung.

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  4. Frank Oswalt

    @Jens: ich schätze mal, die Reich­weite der Badis­chen Zeitung ist nicht an Dialek­t­gren­zen gebun­den. Außer­dem — wen kümmert’s, ihr Verlierer 🙂

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  5. buntklicker.de

    Berliner­isch” gibt es übri­gens nicht, die kor­rek­te Beze­ich­nung ist “Berlin­isch”.

    @Jens: Die Gelassen­heit drückt sich eher in der sach­lichen Aus­druck­sweise und der Abwe­sen­heit von Entrüs­tung aus. 🙂

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  6. polilla

    Inter­es­sant für die Deutung/Bewertung der Ergeb­nisse dieser Umfrage fände ich ja auch die Frage, welche klan­glichen Vorstel­lun­gen die Befragten von den jew­eili­gen Dialek­ten haben und wie sehr diese mit tat­säch­lichen region­al­sprach­lichen Real­itäten übere­in­stim­men — schließlich begeg­net man ja diversen Dialek­ten auch häu­fig in stil­isiert­er Form (bsp.weise in den Medi­en um bes­timmte stereo­typ­isierte Charak­tere zu schaf­fen) und in ver­schiede­nen Aus­prä­gungs­for­men an (Stichw. Dialek­tkon­tin­ua etc.). Und zudem stellt sich natür­lich die Frage, wie bekan­nt bzw. UNbekan­nt bes­timmte Dialek­te den ProbandIn­nen sind — ich z.B. habe keine Ahnung, wie eigentlich West­fälisch klingt, was aber nicht notwendi­ger­weise heißt, dass ich es nicht mögen würde, wenn ich es zu hören bekäme…

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  7. Anatol Stefanowitsch

    Frank, das mit der Reich­weite war auch mein Gedanke, aber schlampig for­muliert war es trotz­dem von mir. Aber mein Ein­druck, dass die Schwaben ihr schlecht­es Abschnei­den gelassen sehen, hat sich inzwis­chen bestätigt — die Stuttgarter Zeitung stellt in ihrer Über­schrift fest: „Schwäbisch ist nicht son­der­lich beliebt“. Auch die Saar­län­der haben inzwis­chen ihr Schick­sal akzep­tiert: der Saar­ländis­che Rund­funk titelt „Saar­brück­en: ‚Saar­ländisch‘ nicht beson­ders beliebt“.

    Hede­mann, Bun­tk­lick­er, die Auswahl der Spach­va­ri­etäten und deren Beze­ich­nun­gen in der Allens­bach­er-Studie kann man in der Tat hin­ter­fra­gen. Ich schreibe dazu später mehr.

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  8. Jens

    ich z.B. habe keine Ahnung, wie eigentlich West­fälisch klingt”

    Sehr charak­ter­is­tisch ist beispiel­sweise die Aussprache von “Kirche”,

    Auch “ebent” etc. sind IMO charak­ter­is­tisch für die Gegend (in Köln kom­men die aber wohl auch vor).

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  9. NvonX

    @Jens: Schön, dass das Sprach­blog jet­zt auch seinen Haus­troll hat. Ich wollte mir mal dein Blog anse­hen, bin aber schnell vor Langeweile eingeschlafen. Da gibt es inhaltsmäßig noch viel Nachbesserungs­be­darf, bevor du es dir leis­ten kannst, dich hier mit deinen ständi­gen Hin­weisen auf irgendwelche unwichti­gen Flüchtigkeits­fehler wichtig zu machen.

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  10. David Marjanović

    Berliner­isch” gibt es übri­gens nicht, die kor­rek­te Beze­ich­nung ist “Berlin­isch”.

    😮

    What next? Hannöversch?

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