Heames trinkt Dajeeling

Von Kristin Kopf

2009-06-02-DababerAls der Empfänger des Amer­zon-Paketes und ich am Son­ntag Tee tranken, kon­nten wir noch nicht ahnen, was das Leben auf der Rech­nung für uns bere­i­thielt: Das Gegen­stück zum Hermes-Boten.

Wie bere­its erk­lärt, wird das /r/ im Deutschen oft fast wie ein [a] aus­ge­sprochen. Wenn vor dem /r/ aber bere­its ein [a] ste­ht, ver­schmilzt es qua­si mit ihm1:

(1) Rhabarber → Rhababer

Das nicht mehr hör­bare r wurde in diesem Fall entsprechend auch nicht geschrieben.

Ähn­lich, aber nicht ganz iden­tisch, ver­hält es sich mit

(2) Darjeel­ing → Dajeel­ing

Hier kön­nte wieder das deutsche Phänomen ver­ant­wortlich sein, es kann aber auch sein, dass wir die r-lose Aussprache schon mit dem Wort zusam­men entlehnt haben.

Der Name der Teesorte kommt von der gle­ich­nami­gen Region und Stadt in Indi­en (auf Deutsch <Dar­jil­ing> geschrieben). Die spricht man auch im Orig­i­nal, d.h. im Nepali, mit einem r-Laut aus: Bei Wikipedia hören. Auch ein amerikanis­chen Wörter­buch wie Mer­ri­am-Web­ster hat ein­deutig ein r dort.

Wir haben das Wort aber höchst­wahrschein­lich von den Briten über­nom­men – fragt sich also, wie es in Eng­land aus­ge­sprochen wurde und wird. Aha: ohne r (hier bei Youtube, 0:44).

Dafür gibt es einen ein­fachen Grund: “rho­tis­che” und “nicht-rho­tis­che” Vari­etäten. (Die Beze­ich­nung stammt vom griechis­chen Buch­staben Rho <ρ>, der unserem <r> entspricht.)

In rho­tis­chen Vari­etäten des Englis­chen wird das <r> immer aus­ge­sprochen, in nicht-rho­tis­chen Vari­etäten hinge­gen nur manch­mal. Und zwar immer dann, wenn es vor einem Vokal ste­ht, der zur sel­ben Silbe gehört: In rich wird es gesprochen (weil ein Vokal, das i, fol­gt), in guard aber nicht (weil ein Kon­so­nant, das d, fol­gt).

Dar­jeel­ing beste­ht nun aus drei Sil­ben: Dar|jee|ling. Das r ste­ht also am Sil­be­nende, nicht vor einem Vokal. Dementsprechend wird es in nicht-rho­tis­chen Vari­etäten des Englis­chen nicht aus­ge­sprochen. Und wie sind die jet­zt verteilt?

(Quelle: Wikipedia)

Es gibt zwar Gegen­den in den USA, wo man das /r/ nicht real­isiert (hier rot) … (Quelle: Wikipedia)

(Quelle: Wikipedia)

… und welche in Eng­land, wo man es real­isiert … (Quelle: Wikipedia)


… aber die Faus­tregel lautet: Im Stan­dard Amer­i­can Eng­lish über­all r, in der Received Pro­noun­ci­a­tion (dem Stan­dard­bri­tisch) nicht, genau­sowenig im aus­tralis­chen Englisch.

Man spricht davon, dass das r in Eng­land “ver­loreng­ing”. Die Amerikan­er hat­ten qua­si Glück, sie sind vor dem r-Ver­lust aus­ge­wan­dert und haben es entsprechend behal­ten. Die Sprech­er der US-Regio­nen ohne r haben es wahrschein­lich aus Pres­tige­grün­den abgelegt.

Viele Aus­tralier in spe hinge­gen kon­nten kein r mehr exportieren – sie stammten in erster Lin­ie aus Lon­don und Umge­bung, wo der Dialekt schon nicht mehr rho­tisch war. Durch die enge Bindung Aus­traliens an Großbri­tan­nien wurde die britis­che Aussprache als Norm ange­se­hen, wodurch das r natür­lich erst recht nicht mehr Fuß fassen konnte.

Alles klar?

Was ist jet­zt also mit dem Tee? Egal ob wir ihn britisch oder deutsch aussprechen, es wird ein Dajeel­ing draus und der Schreibfehler liegt auf der Hand. Nur die amerikanis­che Aussprache kön­nte sich­er davor schützen – ob sie einen Stil­bruch darstellt, soll aber lieber jemand anders entscheiden.

Fußnote:
1 Das passiert natür­lich nicht bei allen Sprecherin­nen! Ich bilde mir z.B. ein, dass ich da noch den Hauch eines r habe, und generell in süd­deutschen Dialek­ten ist es oft präsent.

5 Gedanken zu „Heames trinkt Dajeeling

  1. Mirko

    Wobei a statt r viel niedlich­er klingt. Aber eigentlich wollte ich diesen Ein­trag dazu ver­wen­den, auf den Film Dar­jeel­ing Lim­it­ed aufmerk­sam zu machen. Der dürfte deinen Geschmack eigentlich sehr gut tre­f­fen. Hat aber nichts mit Sprache als Wis­senschaft zu tun — höch­stens mit der Unfähigkeit, miteinan­der zu kommunizieren.

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    1. Kristin Beitragsautor

      Will ich schon lange sehen, wurde mir auch schon ander­weit­ig emp­fohlen. Muss mich jet­zt endlich mal gegen den Amer­zon­paketempfänger durchsetzen 😉

      Edit: Du bist übri­gens eines der klas­sis­chen a‑Beispiele. Mir klingt noch im Ohr: “Eß endlich deine Wuaaaast!” Über den Niedlichkeits­fak­tor lässt sich streiten.

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      1. Mirko

        Ver­dammt, damit ver­rätst du auch noch auf beina­he dezente Weise meinen Plan, den Imper­a­tiv abzuschaffen!

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  2. Patrick

    lol… Wenn ich die erste Karte richtig inter­pretiere, sprechen die meis­ten Nix­en und Fis­chmän­ner vor der Küste Neueng­lands kein /r/ 😀

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    1. Kristin Beitragsautor

      *hehe* Das siehst Du vol­lkom­men richtig. Auch Fis­ch­er, die sich verse­hentlich in diese Gewäss­er verir­ren, ver­lieren ihr r ganz plötzlich.

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