こんにちは & Guten Tag

Von Kristin Kopf

Ich habe ja die Suchan­frage katakana guten tag kür­zlich zum Anlass genom­men, ein bißchen was über japanis­che Schrift­sys­teme zu schreiben. Dabei habe ich geschrieben:

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. […] Das wird nor­maler­weise so geschrieben:今日は.

Nun stimmt es auf jeden Fall, dass 今日は (sehr oft auch in Hira­gana-Schrei­bung: こんにちは) benutzt wird, um jeman­den zu grüßen. Die Form heißt aber wörtlich nur ‘dieser Tag, heute’ oder ‘was diesen Tag/heute bet­rifft’. 今 (こん) kon ste­ht für ‘dies’ und 日 (にち) nichi für ‘Tag’. 日 heißt übri­gens auch noch ‘Sonne’ und ist ein Teil des Wortes Japan: 日本 nihon (‘Son­nenur­sprung, ‑basis’).

Das は ist eine Par­tikel. (Ja, in der Sprach­wis­senschaft ist es die Par­tikel, Mehrzahl die Par­tikeln.) Japanis­che Par­tikeln zeigen die Funk­tion eines Wortes in einem Satz an. Sie sind also so ähn­lich wie Kasusendun­gen, nur dass sie nicht direkt am Wort kleben, son­dern am Ende der betr­e­f­fend­en Wort­gruppe (“Nom­i­nalphrase”) ste­hen. Es gibt eine Par­tikel, die das Sub­jekt markiert (が ga) und eine, die das Objekt markiert (を o). Es gibt auch eine, die eine Gen­i­tivkon­struk­tion bilden kann (の no) und noch eine Menge mehr mit anderen Funk­tio­nen. Hier mal ein Satz:

追いかけていた。
Hund SUBJ Katze OBJ ver­fol­gte

Ein Hund ver­fol­gte eine Katze.’

Die Par­tikel は hat eine inter­es­sante Funk­tion: Sie ist ein Topikmarker.

Weil das Top­ik im Deutschen meis­tens auch gle­ichzeit­ig das Sub­jekt des Satzes ist, haben deutsche Japanis­chlerner­In­nen oft enorme Prob­leme damit, den Unter­schied zwis­chen der Sub­jek­t­par­tikel が und der Top­ik­par­tikel は zu ver­ste­hen. Ganz grob vere­in­facht markiert die Top­ik­par­tikel den Teil des Satzes, über den eine Aus­sage getrof­fen wird. Wenn sich z.B. in ein­er Runde Leute vorstellen und man sagt 私クリスチーンです (ich TOP Kristin bin) ‘Ich bin Kristin’ dann benutzt man は um zu beto­nen, dass es jet­zt um einen selb­st geht. Also als wür­den sich im Deutschen Hanspeter, Car­o­line, Fritz und Bet­ti­na schon vorgestellt haben und dann sage ich “Ja, und ich bin Kristin” oder “Ich bin Kristin”. Dabei betont man also den Gegen­satz zu allen anderen. Das ist nur eine Funk­tion des Top­iks, ich belasse es jet­zt aber mal dabei.

Als Hil­f­skon­struk­tion um den Unter­schied zum Sub­jekt deut­lich zu machen, benutzt man beim Erk­lären oft die Wen­dung was X bet­rifft … Das allerd­ings ist nicht beson­ders ele­gant und keine gute deutsche Über­set­zung des japanis­chen Satzes.

Bei 今日は ist das は ein Hin­weis darauf, dass es sich wahrschein­lich ein­mal um einen Satzteil gehan­delt hat, man mit­tler­weile aber nur noch den Anfang sagt – das, worüber man eine Aus­sage tre­f­fen will. Ich habe lei­der kein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch für’s Japanis­che (und wenn, kön­nte ich es wohl nicht lesen), aber ich habe ein bißchen gegooglet und z.B. diese Erk­lärung gefunden:

btw, こんにちは does actu­al­ly just mean Today.…..
It’s adop­tion as a greet­ing is cus­tom­ary; it is used as an entry into a conversation:
こんいちは、どうですか?
So, how are you / how are things today?
The abbre­vi­a­tion to its use as a greet­ing sim­i­lar to Hel­lo or Good Day is an adopt­ed custom.

Danach kommt es also von Wie geht’s heute? Da im sel­ben Ein­trag aber ein Fehler steckt, was Guten Mor­gen bet­rifft, bin ich noch etwas skep­tisch, ob’s wirk­lich von genau dieser Kon­struk­tion kommt. Dass da aber mal was gewe­sen sein muss, halte ich für ziem­lich sicher.

Guten Tag im Deutschen hat ja auch einen Teil seines Satzes ver­loren, näm­lich so etwas wie Ich wün­sche dir einen guten Tag! Und sog­ar das guten geht oft unter. Das passiert übri­gens in vie­len Sprachen und ist ganz natür­lich: Oft gebrauchte Grüße müssen kurz sein, man kann ja nicht immer den Riese­naufwand eines ganzen Satzes betreiben.

Ein Gedanke zu „こんにちは & Guten Tag

  1. Ichundso

    [quote]Ganz grob vere­in­facht markiert die Top­ik­par­tikel den Teil des Satzes, über den eine Aus­sage getrof­fen wird. Wenn sich z.B. in ein­er Runde Leute vorstellen und man sagt 私はクリスチーンです (ich TOP Kristin bin) ‘Ich bin Kristin’ dann benutzt man は um zu beto­nen, dass es jet­zt um einen selb­st geht. Also als wür­den sich im Deutschen Hanspeter, Car­o­line, Fritz und Bet­ti­na schon vorgestellt haben und dann sage ich “Ja, und ich bin Kristin” oder “Ich bin Kristin”. Dabei betont man also den Gegen­satz zu allen anderen.[/quote]
    Das mag der groben Vere­in­fachung zum Opfer gefall­en sein, aber ich finde den Absatz recht unglück­lich for­muliert; beim The­ma GA vs WA herrscht ja all­ge­mein gern Verwirrung.
    WA ist näm­lich genau nicht beto­nend, das Gegen­teil ist der Fall, der Fokus wird auf den nach­fol­gen­den Teil gelenkt. Beto­nend wäre GA. Ein kurzes Beispiel:

    Jemand sucht in ein­er Menge besagte Kristin und frägt (ja, ich bin Bay­er und es heißt “frägt”! :3) verse­hentlich die falsche Per­son. Daraufhin meldet sich die richtige Kristin wahlweise mit “watashi ga kristin desu!” oder eher mit dem etwas natür­licheren “kristin wa watashi desu.” Im ersten Falle wird watashi markiert durch GA und betont, daß die eigene Per­son und nicht jemand anders diese Kristin ist. Im zweit­en Falle wird Kristin top­ikalisiert und damit die Beto­nung auf das nach­fol­gende gelenkt, also wiederum auf das watashi.

    Vielle­icht war das auch so gemeint und ich habe das nur falsch ver­standen (mein Deutsch hat dur­chaus etwas gelit­ten, voll schlimm diese Tren­nung von der traut­en Heimat). In diesem Falle Verzei­hung für das allzu pen­e­trante Besserwissen^^’

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