Versandende Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu schafft es ein Sprach­nör­gler, so aus­führlich und unin­formiert daneben­zu­greifen, dass ich mich bei allen guten Vorsätzen nicht daran hin­dern kann, aus­führlich darauf zu antworten. Sprach­blogleser Dierk weist in einem Kom­men­tar auf eine Glosse des stel­lvertre­tenden Chefredak­teurs des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hin, für die das gilt.

Iken fängt eigentlich sehr schön an:

Es war in der Sand­kiste, als ich die Hoff­nung für die deutsche Sprache wieder­fand. Mein Sohn baute eifrig an sein­er Sand­burg, eine kleine Plas­tikkelle in der Hand, und glät­tete die Zin­nen. “Ich kelle”, erk­lärte der Drei­jährige mit freud­e­strahlen­der Miene, und ich weiß nicht, was ihn glück­lich­er machte: seine Sand- oder seine Wortschöpfung.

Ikens Vater­stolz ist berechtigt, men­schlich und nachvol­lziehbar. Ich kenne und teile seine Begeis­terung für kindliche Sprach­schöp­fun­gen. Wir sind da auf der gle­ichen Wellenlänge.

Das ändert sich aber im näch­sten Absatz. Ab hier sind wir nicht­mal mehr im sel­ben Fre­quenzband. Wir sind sog­ar in weit auseinan­der­liegen­den Bere­ichen des elek­tro­mag­netis­chen Spektrums.

Lei­der ver­sandet dieser kreative Umgang mit der deutschen Sprache mehr und mehr. Auch wenn das Klagelied zum heuti­gen Tag der deutschen Sprache alt­back­en klin­gen mag, es bleibt ein Ohrwurm.

Der kreative Umgang mit der deutschen Sprache ver­sandet! Jet­zt sind sich­er alle ges­pan­nt auf die Evi­denz, die Iken für seine Behaup­tung präsen­tieren wird:

Ein­er Allens­bach-Umfrage zufolge fürcht­en 65 Prozent der Bun­des­bürg­er, die deutsche Sprache dro­he zu verkom­men. Bei den über 60-Jähri­gen sind sog­ar 73 Prozent pessimistisch.

Ja, wenn die Leute das in ein­er Mei­n­ung­sum­frage sagen, dann muss es natür­lich so sein! Wahrheit­en wer­den ja grund­sät­zlich durch Mehrheitsmei­n­un­gen fest­gelegt. Auf die selbe Art lässt sich beweisen, dass wir eine Seele haben — aber lei­der auch, dass es kein Leben nach dem Tod gibt.

Aber ich schweife ab. Es gibt doch sicher­lich noch mehr Belege für Ikens Behaup­tung? Aber natürlich:

Wer den Anglizis­men und dem Denglisch dieser Tage lauscht, ahnt, dass Kul­turpes­simis­mus sel­ten so berechtigt war. In dem baby­lonis­chen Sprachgewirr unser­er Repub­lik bleibt längst nicht nur die Kreativ­ität und das Ver­ständ­nis auf der Strecke, son­dern eine gesamte kul­tur­prä­gende Hochsprache — das Deutsche.

Baby­lonis­ches Sprachgewirr (da passt mein religiös­er Exkurs ja doch…)! Beispiele gefäl­lig? Bitteschön:

Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net surft, per Fla­trate Soft­ware down­load­et, seine E‑Mails checkt, in Dat­ing­clubs mit Sin­gles chat­tet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.

Wer was durch was macht? Was per was? Seine was? Wo mit wem was tut? Was was in was tut oder wie was macht? Ich ver­ste­he gar nichts mehr…

Vor allem ver­ste­he ich nicht, wie Iken in hof­fende Verzück­ung ger­at­en kann, wenn sein Sohn aus dem Sub­stan­tiv Kelle das Verb kellen ableit­et, aber in bib­lis­che Verzwei­flung gerät, wenn die deutsche Sprachge­mein­schaft englis­che Lehn­wörter mor­phol­o­gisch ein­wand­frei in deutsche Beu­gungsmuster inte­gri­ert. Ob man Lehn­wörter nun mag oder nicht, es muss einem doch auf­fall­en, dass die eben zitierte Pas­sage durch und durch ein deutsch­er Satz ist — von der Wort­stel­lung über die Flex­ion­sendun­gen der Lehn­wörter bin hin zu deren Bedeu­tung (die in allen Fällen enger ist, als in der Geber­sprache Englisch). Ich kön­nte mir kein besseres Beispiel für die struk­turelle Integrität der deutschen Sprache vorstellen als Ikens Satz.

Über­sprin­gen wir den näch­sten Absatz, in dem Iken die Schuld am Sprachver­fall der Wer­bein­dus­trie und dem Jugendlichkeitswahn der Deutschen zuschiebt und machen wir noch einen Ver­such, zu ver­ste­hen, was an Lehn­wörtern so schreck­lich ist:

Wann und wie immer ein neues Pro­dukt auf den Markt kommt, eines hat es schon von Werk aus: einen englis­chen Begriff. Nach dem Wort “Fernbe­di­enung” kam nichts mehr, was sich aus sich selb­st her­aus erk­lärt. Elek­trogroßmärk­te geben eigene Wörter­büch­er von A(ccess) bis Z(ip) her­aus, um selb­st noch zu ver­ste­hen, was hin­ter ihren neuen Pro­duk­ten namens Back­bone, D‑Sub oder Blu-Ray steckt.

Iken nähert sich hier fast ein­er Art Ein­sicht: Wenn eine Sprachge­mein­schaft Pro­duk­te, Tech­nolo­gien und Prak­tiken von ein­er anderen Sprachge­mein­schaft übern­immt, übern­immt sie typ­is­cher­weise auch deren Wörter für diese Dinge. Das ist eine offen­sichtliche Lösung für ein kom­mu­nika­tives Prob­lem, es ist ein­fach, es kostet nichts und deshalb haben Sprachge­mein­schaften das schon immer so gemacht (und wer glaubt, die Académie Française sei ein Beispiel dafür, dass es auch anders gin­ge, der muss sich ein­fach mal anhören, wie Fran­zosen tat­säch­lich reden).

Was er nicht ver­ste­ht — und damit ist er unter Sprach­nör­glern völ­lig unauf­fäl­lig — ist, dass es nicht zum Ver­ständ­nis beiträgt, die Lehn­wörter zu über­set­zen, oder auch ganz neue Wörter zu schaf­fen. Wenn ich nicht weiß, was eine Fernbe­di­enung ist, dann kann ich es aus dem Wort nicht ableit­en. Das Wort kön­nte auch einen Kell­ner beze­ich­nen, der nicht am sel­ben Ort sein muss, wie ich, um mir mein Essen zu servieren (ana­log zum Fern­heil­er), oder einen Kell­ner, der weit laufen muss, um mir mein Bier zu brin­gen (ana­log zum Fer­n­fahrer). Wenn ich aber weiß, was eine Fernbe­di­enung ist, dann ist es auch egal, ob ich sie Remote Con­trol, télé­com­mande, man­do a dis­tan­cia, uza­k­tan kuman­da oder eben Fernbe­di­enung nenne. Ich muss es mir in jedem Fall merken, so wie ich mir merken muss, dass ein Baum Baum, ein Hund Hund und ein VDS-ler Sprach­nör­gler heißt.

Als Leser denkt man sich, was als näch­stes kommt. Schein­lehn­wörter, oder? Richtig:

Mitunter erfind­en sie gar neue Begriffe, die nur englisch anmuten müssen. Handy, Beam­er, Home­train­er oder Mail­box mögen importiert klin­gen, sind aber Unsinn, made in Ger­many. Wer in den USA oder Eng­land mit diesen Begrif­f­en hantiert, macht sich schnell lächer­lich. Unübertrof­fen der deutsche Her­steller eines Ruck­sacks, der diesem weltweit ver­stande­nen deutschen Wort den modis­chen Titel body bag umhängte. Blöd nur, dass body bag Leichen­sack bedeutet. Und auch der Dress Man sollte in Großbri­tan­nien erst ein­mal ein Wörter­buch benutzen, bevor er sich so vorstellt — dort bedeutet Dress Man Transvestit.

Handy.

Nochmal Handy.

Beam­er.

Body­bag.

Mail­box soll eine deutsche Erfind­ung sein? Iken spielt hier möglicher­weise auf die Tat­sache an, dass Bul­letin Board Sys­tems in Deutsch­land manch­mal als Mail­box beze­ich­net wer­den. Aber made in Ger­many ist der Begriff deshalb nicht. Die elek­tro­n­is­chen Post­fäch­er der Nutzer in einem Bul­letin-Board-Sys­tem heißen im englis­chen Sprachraum, na, wie wohl? Richtig: mail­box. Und wieso? Richtig, weil Briefkästen und echte (physikalisch existierende) Post­fäch­er im Englis­chen eben mail­box heißen. Man müsste also schon sehr spezial­isierte Diskurse führen, um sich als Deutsch­er mit dem Wort mail­box im englis­chen Sprachraum lächer­lich zu machen.

Und bei Home­train­er ist mir völ­lig schleier­haft, worauf Iken hin­auswill. Eine deutsche Erfind­ung ist das Wort nicht.

Dann fol­gen ein paar Absätze, in denen er sich über Dorffeste aufregt, die Event heißen, über Nordic Walk­ing (sowohl das Wort als auch die Aktiv­ität), über Vanil­la Lat­te to go und, das darf natür­lich nicht fehlen, über die Deutsche Bahn. Aber auch über die Kul­turschaf­fend­en (Lit­er­atur­fes­ti­val Har­bourfront), die Medi­en (Morn­ing-Show und Super­chart) und die Finanzbranche (Twin-Win-Anlei­hen) ist er unglücklich.

Zum Abschluss wird er dann aber versöhnlich:

Längst gibt es so viele Anglizis­men, dass diese Polemik der Zeitung auch als bibelschw­er­er Son­der­druck beiliegen könnte.

(Warum diese ständi­gen bib­lis­chen Anspielungen?)

Aber jed­er Furor benötigt Ein­halt — und wir wollen nicht päp­stlich­er wer­den als der Papst. Pop­corn muss nicht zum Puff­mais wer­den und auch der Sport nicht zu den Leibesübun­gen zurückkehren.

Das ist sehr großzügig. Nur: Warum? Was ist an Pop­corn und Sport bess­er als an E‑Mail, Mail­box oder Har­bourfront. Mit welch­er Logik ver­schont Iken aus­gerech­net diese Wörter? Man ver­mutet, dass da sein per­sön­lich­er Geschmack eine Rolle spielt, und der tut (genau wie mein­er oder Ihrer) nichts zur Sache.

Dann wird er noch großzügiger:

Sprache lebt und verän­dert sich. Das geht in Ordnung.

(Irgend­wo in luftiger Höhe atmet der deutsche Sprachgeist auf. Er hat­te Angst, Iken würde ihm sein Tun gle­ich ganz verbieten).

Aber alles, was lebt, hat Respekt ver­di­ent. Etwas mehr Respekt, etwas mehr Schöpfer­kraft, etwas mehr Spaß an der eige­nen Sprache hat das Deutsche, haben die Deutschen bit­ter nötig.

Aber wir haben Spaß, Herr Iken! Während Sie noch über den Body Bag sin­nieren, spie­len wir mit unser­er Mut­ter­sprache in E‑Mails, auf Bul­letin Boards, im Chat, am Handy, beim Shop­pen. Wir benutzen dazu sog­ar Lehn­tech­nolo­gien und dazuge­hörige Lehn­wörter, die Sie noch gar nicht ken­nen! Instant Mes­sag­ing, Skype, Twit­ter, Wikis, Social Book­marks, Mas­sive­ly Mul­ti­play­er Online Games, Google Wave, Peer-To-Peer, und manch­mal reden wir sog­ar offline miteinander!

Gut, dass zumin­d­est die Jugend­sprache noch geistre­ich ist und uns mit Begrif­f­en wie Daten­zäpfchen (für USB-Stick ) oder Stock­en­ten (für Nordic Walk­ing) den Spiegel vorhält. Möglicher­weise sind schon bald denglis­che Ver­wirrun­gen nicht mehr top­mod­ern, son­dern nur noch altmodisch.

Jugend­sprache.

Zu wün­schen wäre es. Wie sagte Alt­bun­de­spräsi­dent Gus­tav Heine­mann: „Deutsch ist eine schwierige Mut­ter­sprache. Aber es ist unsere Muttersprache.“

Nein, das hat Heine­mann nie gesagt, ein Kleingeist war er nicht. Iken ver­wech­selt das hier­mit: „Es gibt schwierige Vater­län­der. Eines von ihnen ist Deutsch­land. Aber es ist unser Vater­land.“ (Link).

Aber er hat noch etwas Tief­sin­nigeres gesagt: „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau“ (Link). So geht es mir mit der „deutschen Sprache“: Ich liebe nicht sie, son­dern die Men­schen, mit denen ich in ihr kom­mu­nizieren kann. Woher sie sich ihre Wörter besorgt, ist mir dabei völ­lig egal.

[Nach­trag: Matthias Iken hat auf diesen Beitrag sportlich reagiert und mich ein­ge­laden, mich mit mein­er Mei­n­ung den Leser/innen des Ham­burg­er Abend­blatts zu stellen. Das Ergeb­nis find­et man auf Seite 4 der Druck­aus­gabe vom 18. Sep­tem­ber 2009 und hier.]

21 Gedanken zu „Versandende Sprache

  1. Dierk

    Neben­bei bemerkt, Herr Iken argu­men­tiert inkon­sis­tent. Auf der einen Seite freut er sich über die Pro­duk­tiv­ität seines Kindes, wenn es um den kreativ­en Umgang mit der Sprache geht, ja, er fordert es zum Ende ja sog­ar — ‘mehr Schöpfer­kraft’. Aber zwis­chen­durch regt er sich über die, ange­blichen, rein deutschen Schöp­fun­gen mit englis­chem haut gout auf.

    Gut, er benutzt ja auch Wörter wie ‘Furor’ und hätte ver­mut­lich wenig einzuwen­den gegen meinen Miss­brauch des Franzö­sis­chen oder weit­er lateinisch anmu­tende Ter­mi­ni wie ‘kreativ’ … Dafür ken­nt er dann das Konzept der Fach­sprache nicht, auc in Ord­nung, HA’ler halt.

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  2. David Marjanović

    Dann fol­gen ein paar Absätze, in denen er sich über Dorffeste aufregt, die Event heißen

    Das ist auch tat­säch­lich lächer­lich. Nur, würde man sie Ereig­nis nen­nen, wäre das min­destens genau­so lächerlich…

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  3. Christoph Päper

    Wenn eine Sprachge­mein­schaft Pro­duk­te, Tech­nolo­gien und Prak­tiken von ein­er anderen Sprachge­mein­schaft übern­immt, übern­immt sie typ­is­cher­weise auch deren Wörter für diese Dinge.

    Ein Prob­lem mag sein, dass diese Geber­sprachge­mein­schaften nicht (mehr) aus Völk­ern mit ver­schiede­nen Mut­ter­sprachen beste­hen, son­dern aus transna­tionalen sozialen Grup­pen mit ein­er allen gemeinen Hil­f­ssprache (zusät­zlich natür­lich fach­sprach­liche Ele­mente). Diese Grup­pen sind u.a. die Tech­niker, die Wis­senschaftler, die Poli­tik­er oder die Wer­ber – alles (gefühlte) natür­liche Feinde des Jour­nal­is­ten und des „kleinen Mannes“ sowie des Schrift­stellers und über­haupt fast jeden „Geis­teswis­senschaftlers“.

    Ich muss [Fernbe­di­enung] mir in jedem Fall merken, so wie ich mir merken muss, dass ein Baum Baum, ein Hund Hund und ein VDS-ler Sprach­nör­gler heißt.

    Naja, die Arbi­trar­ität von zusam­menge­set­zten oder abgeleit­eten Wörtern hat schon eine andere Qual­ität als die von Basislexemen.

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  4. DrNI@AM

    »Zu wün­schen wäre es. Wie sagte Alt­bun­de­spräsi­dent Gus­tav Heine­mann: „Deutsch ist eine schwierige Mut­ter­sprache. Aber es ist unsere Muttersprache.“«

    Gibt es über­haupt schwierige Mut­ter­sprachen? Da man sie ja qua­si automa­tisch lernt, also mit der Mut­ter­milch auf­saugt, sind sie auch nie schwierig. Ich habe mich noch nicht aus­giebig mit Erst­sprach­en­er­werb befasst, aber meines Wis­sens ist dabei die Rei­hen­folge der erlern­ten Struk­turen über die meis­ten Sprachen hin­weg gle­ich, das einzige was abwe­icht ist die Zeit­dauer, in der diese erlernt wer­den. Wobei Abwe­ichung hier auch eher Wochen und Monate als Jahre bedeutet.

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  5. Tobias Baumgarten

    Eine großar­tige Replik!

    Ich mag es beson­ders, wie der chro­nis­chen Angst einiger Leute vor der Verän­derung ihrer Sprache der viel natür­lichere evo­lu­tionäre Gedanke ent­ge­genge­hal­ten wird: Entwick­lung ist nichts, vor dem man Angst haben müsste. Diesen angenehmen Grund­ton hört man auch in vie­len anderen Beiträ­gen her­aus. Denn, auch wenn man immer wieder über unpassend ins Englis­che über­tra­gene Begriffe stolpert: für manche Aus­drücke haben wir ein­fach kein adäquates deutsches Pen­dant oder dieses ist inzwis­chen gar nicht mehr im Gebrauch. Und warum sollte man dann nicht den vielgescholte­nen Anglizis­mus übernehmen?

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  6. E.S.

    Inter­es­sant sind auch einige Kom­mentare zur Online-Fas­sung des Iken-Beitrages beim Ham­burg­er Abendblatt:

    Wir müssen uns damit anfre­un­den, dass die Sprache lebendig ist.”

    … jede Sprache bedi­ent sich aus anderen Sprachen — sei es aus Zweck­mäßigkeit, sei es, weil es ger­ade schick (oder bess­er “chic”?) ist.”

    Gibt es auf dem Bre­mer Sprach­blog irgend­wo schon klärende Worte zum Ver­hält­nis von Sprache und Sprech­ern (oder Sprachen­twick­lung und Sprecher­ak­tiv­itäten) und zu den Meta­phern, die dafür gebräuch­lich sind?

    (Ich schlen­dere grade erst im Archiv herum.)

    E.S.

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  7. Makri

    Zum Beitrag 4, es gibt zwis­chen Extremen auf der Skala der schw­eren beziehungsweise leicht­en Mut­ter­sprachen dur­chaus Abwe­ichun­gen im Bere­ich von Jahren — wenn man den Mor­pholo­gieer­werb bei Rus­sisch und Finnisch gegenüber­stellt zum Beispiel. Lei­der finde ich ger­ade nicht mehr, wo ich das gele­sen habe, und kann daher nicht sagen, wieviele Jahre es waren, aber: mehrere. Das ist auch nicht weit­er ver­wun­der­lich, da ein rus­sis­ches Kind von allzu vie­len Wörtern allzu viele For­men wirk­lich gehört haben muss, während das finnis­che viel gefahrlos­er extrapolieren kann.

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  8. Carlos Franke

    Wer Anglizis­men als schlichtweg böse betra­chtet, irrt sich natür­lich (genau wie es ein Irrtum wäre, spielerisches und unide­ol­o­gis­ches Verdeutschen von Fremd­wörtern zu ver­teufeln und mit den „Sprach­nör­glern” in einen Topf zu wer­fen). Aber nach­fühlen kann man doch Manch­es, ins­beson­dere wieso Her­rn Iken „Pop­corn” und „Sport” bess­er gefall­en als manche anderen Anglizis­men: Sie lassen sich näm­lich klan­glich ein­wand­frei in deutsche Sätze ein­bauen, weisen keinen dem Deutschen frem­den Laut oder Rhyth­mus auf, jeden­falls in ihrer heute üblichen Aussprache. Für die meis­ten anderen aufgezählten Beispiele gilt das nicht.

    Generell wird dem charak­ter­is­tis­chen Klang von Sprachen in Diskus­sio­nen um Sprach­pflege für mein Empfind­en zu wenig Beach­tung geschenkt. Mir per­sön­lich ist ein Wort wie „browsen” gle­ich viel sym­pa­this­ch­er, wenn ich es „brausen” aussprechen darf.

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  9. Peer

    Wäre es kreativ­er gewe­sen, wenn die Worte aus dem spanis­chen oder französ­sichem entlehnt gewe­sen wären? Ver­mut­lich ja…

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  10. Wentus

    Fremd­wörter, die als Fachaus­drücke gebraucht wer­den, gren­zen die umgangssprach­liche Bedeu­tung auf einen Teilaspekt ein und erweit­ern es eventuell in eine andere Rich­tung. Alle Kri­tik­er, die meinen, es durch eine umgangssprach­liche Entsprechung erset­zen zu kön­nen, ken­nen schlicht die Bedeu­tung nicht kor­rekt, weil sie den entsprechen­den Wis­sens­bere­ich nicht ver­ste­hen. Ein Verzicht auf solche Fremd­wörter würde also einen Man­gel an tre­f­fend­en Beschrei­bun­gen bedeuten.

    Christoph Päper hat die unter­schiedlichen Grup­pen von Sprech­ern her­vorge­hoben und das leit­et zu der Frage: Wie kann sich ein Sprach­nör­gler eigentlich anmaßen, die Wörter aus einem ihm frem­den Wis­sens­bere­ich zu beurteilen?

    Peer möchte mehr Ursprungssprachen für neue Fremd­wörter ver­wen­den. Auch Dierk hat darauf hingewiesen, dass Latein und Franzö­sisch leichter akzep­tiert wer­den. Wahrschein­lich wird die Her­leitung aus anderen Sprachen als Englisch in der Zukun­ft sog­ar nötig wer­den, weil uns son­st in ein­er ständig kom­plex­er wer­den­den Welt die Wörter fehlen werden.

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  11. Wolfgang Börner

    Lieber Herr Ste­fanow­itsch, die Inte­gra­tion von Lehn­wörtern ist noch nicht voll­ständig, wenn sie nach den Regeln der aufnehmenden Sprache flek­tiert wer­den. Lehn­wörter brin­gen in Alpha­bet­sprachen auch neue Graphem-Phonem-Beziehun­gen mit, die die Orthogra­phie-Regeln mit Aus­nah­men befracht­en. Richtig inte­gri­ert ist der Beispiel­satz mit Inter­net, Fla­trate usw. erst, wenn er so geschrieben wird: “Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net sörft, per Flet­tre­ht Soft­wehr daun­lo­hdet, seine I‑Mehls scheckt, in Det­ing­clubs mit Sin­gels schet­tet, Hitts in die Scharts wohtet oder klew­er schoppt — er tut dies mut­ter­sprach­be­fre­it.” So geht das Rus­sis­che vor und erspart seinen Sprech­ern eine Menge Schreibprob­leme. Her­zliche Grüße WB

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  12. Makri

    Die Orthogra­phie ist nicht Teil der Sprache an sich; wenn, dann sollte man doch eher auf das Vorkom­men von Fremd­phone­men acht­en… Und das ist für viele Sprech­er bei “Soft­ware” nicht mehr gegeben, obwohl es dur­chaus auch welche gibt, die es noch mit [w] sprechen. Bei mir zum Beispiel ist das Wort halb inte­gri­ert: Ich spreche es meis­tens mit [w], aber das /r/ real­isiere ich immer dem Deutschen gemäß.

    Rus­sisch hat auch eine andere Schrift, wom­it automa­tisch eine Nei­gung zur phonetis­cheren Schrei­bung gegeben ist; man kann Latein­schrift ein­fach nicht sin­nvoll in die kyril­lis­che tran­skri­bieren, und den Lehn­wörtern ihre Latein­schrift zu lassen, geht natür­lich niht.

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  13. Peer

    Ich bin kein Spezial­ist also muss ich Her­rn Börn­er mal fra­gen: “Ren­de­vous” ist also noch nicht voll­ständig inte­gri­ert? Und “Beige”? Und Häm­or­rhi­den? Und gilt die hochdeutsche Sprache oder bemühen sich Schwaben immer noch um die Inte­gra­tion deutsch­er Worte in ihre Sprache?

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  14. Christoph Päper

    Die Tat­sache, dass Peer zwei von drei eige­nen Beispie­len (Häm­orrhoiden und Rendezvous) „falsch“ schreibt, sollte Indiz genug sein, dass viele alt­bekan­nte Lehn­wörter noch nicht voll­ständig in die deutsche Sprache inte­gri­ert sind.

    Als Kind – ich glaube Ende der Grund­schulzeit – wusste ich nicht, was /baigə/ sein soll, die Farbe schrieb ich 〈besch〉. Lehn­wörter, deren Schrift­bild ins Deutsche passt, aber anders gele­sen wer­den wollen, sind prob­lema­tis­ch­er als solche, die man gle­ich anhand ihrer unge­wohn­ten Gestalt erken­nt (zB.〈*bêge〉). Oder ander­srum: deutsch aussprech­bare Wörter wie /be:ʃ/ sind ein Prob­lem, wenn sie unge­wohnt ver­schriftet werden.

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  15. Peer

    Ich hat­te befürchtet, das kein­er wüsste was ich meinte, wenn ich “besch” geschrieben hätte 😉

    Aber Christoph hat recht: Diese Wörter sind noch nicht voll­ständig an die deutsche Schrift­sprache angepasst. Ist das schlimm? Gut? Jeden­falls liest man erstaunlich wenig über Ren­dezvous und viel über Events…

    Dabei fall­en mir franzö­sis­che Wörter viel schwieriger, weil das englis­che irgend­wie bekan­nter ist udn sich mir die kor­rek­te Schreib­weise schneller erschließt (Wie schreibt man noch Schikoree? 😉 )

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  16. Makri

    Die Tat­sache, dass Peer zwei von drei eige­nen Beispie­len (Häm­or­rhoiden und Ren­dezvous) „falsch“ schreibt, sollte Indiz genug sein, dass viele alt­bekan­nte Lehn­wörter noch nicht voll­ständig in die deutsche Sprache inte­gri­ert sind.

    Das ist mir nun aber gar nicht einsichtig.

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  17. Peer

    Makri: Ganz ein­fach: “Ren­dezvous” ist ja nun auch kein deutsches Wort — und laut Her­rn Börn­er ist ein Wort erst inti­gri­ert, wenn es sich auch an die deutsche Rechtschrei­bung angepasst hat. Das tritt nun aber für viele franzö­sis­chstäm­mige Wörter nicht zu — eigentlich noch weniger als für deutsche.

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  18. Makri

    und laut Her­rn Börn­er ist ein Wort erst inti­gri­ert, wenn es sich auch an die deutsche Rechtschrei­bung angepasst hat.

    Wenn die Aus­sage tat­säch­lich auf dieser Annahme beruhte, dann ist es kein Wun­der, dass ich sie nicht ver­standen habe, da ich besagte Annahme für unange­bracht halte.;)

    Aber eigen­tich wäre doch nicht ein­mal dann die Fehlschrei­bung eein Indiz für Nicht-Inte­gra­tion, son­dern wenig­stens eines für Hal­binte­gra­tion: Was nicht geschrieben wurde, waren ja Buch­staben, die keinem Laut in der deutschen Aussprache entsprechen!

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  19. Gregor

    Vielle­icht haben Sie diese Frage schon oft beant­wortet, Herr Ste­fanow­itsch, aber in diesem Falle ist mir Ihre Antwort ent­gan­gen, wofür ich um Verzei­hung bitte. 

    Zu den Argu­menten gegen Anglizis­men gehört auch, daß diese häu­fig zum Vor­spiegeln von Kom­pe­tenz oder zum Auf­pep­pen von Banal­itäten ver­wen­det wird. Wer (wie ich) in der Wirtschaft tätig ist, ist täglich mit Man­ag­er-Kaud­er­welsch kon­fron­tiert, der aus mein­er Sicht eine ähn­liche Funk­tion hat wie Balzrituale bei Tieren. Häu­fig wird der Man­gel an Inhalt mit einem Hagel von dynamisch klin­gen­den Phrasen verdeckt, von denen nicht alle, aber sehr viele Anglizis­men sind. Find­en Sie das nicht kri­tik­würdig? Indem man sich über solche Dumm­schwätzer lustig macht, ent­larvt man doch ihr Blendw­erk, im Sinne von “Der Kaiser ist ja nackt”. Oder sehen Sie das anders?

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  20. amfenster

    Ich bin zwar nicht Ana­tol Ste­fanow­itsch, aber weiß auch eine Antwort:

    Über dummes Geschwätz sollte man sich lustig machen, weil es dummes Geschwätz ist, nicht weil es sich möglicher­weise aus Anglizis­men zusammensetzt.

    Gock­el-Anglizis­men sind näm­lich nur ein­er von unge­fähr drölfzighun­der­tun­dein­vier­tel Möglichkeit­en, dummzuschwätzen.

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