Kein Anglizismus ist illegal!

Von Anatol Stefanowitsch

Anlässlich der Koali­tionsver­hand­lun­gen wird ja dieser Tage wieder über die Frage disku­tiert, ob die deutsche Sprache ins Grundge­setz aufgenom­men wer­den soll. Dabei wird, wie immer, wenn dieses The­ma auf der Tage­sor­d­nung ste­ht, viel unin­formiertes und unüber­legtes Zeug gere­det. Beson­ders arg treibt es in dieser Hin­sicht die Glosse eines gewis­sen Peter Bauer im Net­z­por­tal der WAZ.

Die Glosse fängt sehr merk­würdig an:

So weit sind wir jet­zt also, dass die deutsche Sprache durch Auf­nahme ins Grundge­setz geschützt wer­den soll — so wie Men­schen, Meisen und Mücken.

Ich weiß ja, dass viele Jour­nal­is­ten Allit­er­a­tio­nen lieben, aber Meisen und Mück­en im Grundge­setz sind doch eine etwas verkrampfte Anspielung auf den Tier­schutz (ich ver­mute, dass es um den gehen soll).

Vor allem aber fragt man sich, wie der Autor auf die Idee kommt, die deutsche Sprache solle durch die Auf­nahme ins Grundge­setz geschützt wer­den. Sie soll in Artikel 3 als Staatssprache fest­geschrieben wer­den (so der Vorschlag, der seit Jahren her­vorgekramt wird, wenn es eigentlich Wichtigeres zu disku­tieren gäbe). Dort ste­ht bis­lang schon, dass unsere Haupt­stadt Berlin und die Bun­des­flagge Schwarz-Rot-Gold sind — wed­er die Stadt noch die Flagge sollen dadurch geschützt, son­dern lediglich fest­gelegt werden.

Der Autor ist aber überzeugt, dass es hier nur um Sprach­schutz gehen kann:

Aber wie son­st sollen wir uns vor der Flut des Neudeutschen ret­ten, die uns für das Mobil­funk­tele­fon den Begriff „Handy” ein­trichtert, obwohl das Wort in englis­chsprachi­gen Län­dern eher Dil­do meint. Oder nehmen wir Welt­fir­men. die ihr Strom­leitungsnetz „net” nen­nen, obwohl es „grid” laut­en müsste. Nein, wir kön­nen dem kün­fti­gen Außen­min­is­ter nur beipflicht­en, wenn er inner­halb der Repub­lik nur mit deutsch­er Zunge (welch her­rlich alt­modis­ch­er Aus­druck) reden will.

Wir soll­ten eine Samm­lung imag­inär­er englis­ch­er Bedeu­tun­gen für Lehn­wörter anle­gen, oder hat jemand schon ein­mal gehört, dass ein Dil­do auf Englisch als „Handy“ beze­ich­net wird? Und warum glaubt der Autor, dass die Fes­tle­gung ein­er Staatssprache ein Lehn­wortver­bot bein­hal­ten oder Konz­erne dazu verpflicht­en würde, Lehn­wörter nur genau­so zu ver­wen­den, wie das in der Ursprungssprache der Fall ist? Handy bleibt mit oder ohne Grundge­setz ein deutsches Wort für das griechisch-lateinis­che Mobil­tele­fon.

Dann ver­sucht der Autor, ein biss­chen risqué und dabei auch noch lustig zu werden:

Denn wir hat­ten dieser Tage endgültig den Kaf­fee auf (was wir vor­sicht­shal­ber nicht mit „we had the cof­fee up” über­set­zen wollen). Das war, als uns eine ver­meintliche Dame des öffentlich-rechtlichen Fernse­hens zu später Stunde zur Teil­nahme an ein­er „After Show Par­ty” ein­lud. Völ­lig ver­schreckt zappten wir weit­er — denn ganz ehrlich gesagt: Der Hin­tern der Dame intessierte uns über­haupt nicht.

Als Zehn­jähriger Sech­sjähriger Vier­jähriger hätte ich über dieses Wort­spiel vielle­icht auch kurz gekichert (aber nur vielle­icht). Ety­mol­o­gisch fällt der Scherz übri­gens kom­plett in sich zusam­men. Das deutsche Sub­stan­tiv After („Ende des Mast­darms“) und die englis­che Prä­po­si­tion after („nach“) haben den sel­ben Ursprung. Das altenglis­che aefter und das althochdeutsche aftar waren eng ver­wandte Prä­po­si­tio­nen, die bei­de „nach, hin­ter“ bedeuteten. Im Englis­chen ist die Prä­po­si­tion bis heute erhal­ten geblieben, im Deutschen ist die Prä­po­si­tion ver­schwun­den, nach­dem das Sub­stan­tiv daraus abgeleit­et wor­den war.

Die althochdeutsche Prä­po­si­tion über­lebt aber bis heute im über das Niederdeutsche in die Schiff­fahrtssprache einge­gan­gene Wort achtern (den Laut­wan­del von [f] zu [x] (dem ‹ch›-Laut) und umgekehrt fand ich übri­gens schon immer faszinierend, weil artiku­la­torisch nicht ganz nachvol­lziehbar, aftar > achtern ist ein schönes Beispiel, das mir bis­lang nicht aufge­fall­en war).

Mit dem after in After-Show-Par­ty kommt also nur ein Wort in die deutsche Sprache zurück, das wir schon ein­mal besessen haben. Aber anstatt der englis­chen Sprachge­mein­schaft dafür dankbar zu sein, dass die für uns so gut darauf aufgepasst hat, offen­bart der Autor seine völ­lige Unken­nt­nis der rechtlichen Stel­lung des Deutschen in Deutschland:

Sollte es mit der Sprach-Flucht ins Grundge­setz klap­pen, müsste zumin­d­est der Staat deutsch zu uns sprechen. Was aber auch Bedenken zeit­igt, denken wir an „ord­nungs­be­hördliche Verord­nun­gen” wie: „Betreten des Dienst­weges verboten.“

Das muss der Staat heute schon. Denn dass unsere Amtssprache Deutsch ist, regeln die Ver­wal­tungsver­fahrens­ge­set­ze. Und ich ver­ste­he auch, dass der Autor sich hier irgend­wie noch über Behör­den­deutsch lustig machen möchte, aber sein Beispiel ist mäßig überzeu­gend. Eine ord­nungs­be­hördliche Verord­nung ist eine Verord­nung ein­er Ord­nungs­be­hörde — wie son­st sollte man sie also nennen?

 

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39 Gedanken zu „Kein Anglizismus ist illegal!

  1. Gareth

    […] oder hat jemand schon ein­mal gehört, dass ein Dil­do auf Englisch als „Handy“ beze­ich­net wird?

    In der Tat nicht, da bekä­men Aus­sagen wie He’s a handy man ja eine ganz neue Bedeu­tung. Aber schön, wenn die WAZ sich etwas zusammenfantasiert.

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  2. Peer

    Inter­es­sant auch, dass sich der Autor im sel­ben Satz über einen Anglizis­mus “After-Show-Par­ty” lustig macht und dabei einen anderen “zap­pen” verwendet…

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  3. suz

    Sein Beispiel der “After-Show-Par­ty” zeigt irgend­wie auch, dass die Anglizis­ten­jäger anscheinend auch keine in Sich geschlossene Gruppe sind (wenn ich gnädig bin — son­st würde ich sagen, sie sind inkon­se­quent). Ein­er­seits mok­ieren sie sich per­ma­nent über Back-Shops, des “Back” im Sinne von “hin­ten” wegen. Jet­zt haben wir mit “After-Show-Par­ty” kein “Mis­chmasch” und fix, ist das auch nicht recht.

    mit deutsch­er Zunge” ein her­rlich alt­modis­ch­er Aus­druck? Da sieht man sehr schön, wie sich das Sprachge­fühl unter­schei­det, von mir aus auch wan­delt. Ich halte das kon­textab­hängig für unsäglich ausgeblasenen.

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  4. suz

    Ups, mag an der Uhrzeit liegen, der Aus­druck ist natür­lich aufgeblasen. (Und dass man “sich” nicht “Sich” schreibt, sollte auch mir klar sein…). Deshalb verordne ich mir noch ne Tasse Kaffee!

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  5. Bernd

    Ist Schiff-farts-sprache ein neues denglis­ches Wort? (Um im Humorver­ständ­nis des WAZ-Autors zu bleiben.)

    [AS: Ist kor­rigiert, danke.]

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  6. Nina

    Mich würde wirk­lich inter­essieren, wie der Autor auf die absurde Idee kommt, ein Dil­do hieße im Englis­chen “handy”. Das höre bzw. lese ich hier zum ersten Mal.

    Des weit­eren wüsste ich gerne, woher der Begriff “Dil­do” eigentlich kommt.

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  7. Sigrune

    @Nina:

    zuerst ein­mal gibt es offen­sichtlich keine gesicherte Herkun­ft des Wortes, siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Dildo#Etymology

    Auch ich finde die Über­set­zung von “handy” — “dil­do” inter­es­sant. Immer­hin, es gibt tat­säch­lich einen Dil­do, der “Handy” heißt: http://www.milando.net/preisvergleich/black-dildo-handy–232886.htm

    Vielle­icht war der Urhe­ber dieser Über­set­zung auf dieser Seite unterwegs.

    Außer­dem gibt es natür­lich bere­its seit Jahren eine ganze Rei­he von Witzeleien und Geschicht­en (die Fre­un­den und Fre­undin­nen von Fre­un­den passiert sind), die Verbindun­gen von Handys mit Vibra­tionsalarm zu Vibra­toren her­stellen. Auch das halte ich angesichts des Niveaus und der Ver­schraubtheit der Witzchen und Wort­spiele dieser WAZ-Glosse für eine denkbare Erklärung.

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  8. juliana

    Das eigentlich Lächer­liche an der Debat­te um die Grundge­set­zän­derung ist tat­säch­lich die Vorstel­lung, eine ver­fas­sungsmäßige Fes­tle­gung würde etwas am Sprachge­brauch der Deutschen Bahn, der Wer­be­tex­ter, der Jugendlichen, der Wichtigtuer und Kul­tur­banau­sen (die ja bekan­ntlich seit vie­len Jahren gemein­sam am Unter­gang der deutschen Sprache arbeit­en) ändern. Aber der Autor dieser Glosse ist ja nicht allein. In der Online-Aus­gabe der Bild-Zeitung wird Michael Glos zitiert: “Bun­deswirtschaftsmin­is­ter Michael Glos von der CSU (Deutschnoten „gut“ und „sehr gut“) zu BamS: „Die ständi­ge Ver­hun­zung der deutschen Sprache – übri­gens auch in vie­len Papieren hier im Wirtschaftsmin­is­teri­um – durch Anglizis­men wie ‚upge­grad­ed‘, Abkürzun­gen und Wortschöp­fun­gen wie ‚gen­der main­stream­ing‘ ärg­ert mich. Wenn Goethe und Schiller hören kön­nten, wie heute gesprochen und geschrieben wird, wür­den sie sich im Grabe umdrehen.“ (http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/12/07/deutsche-sprache/verankerung-im-grundgesetz.html) Man kann sich des Ein­drucks nicht erwehren, dass sich sog­ar die Bild-Zeitung über Her­rn Glos lustig macht (Deutschnoten “gut” und “sehr gut”!!). 

    Aber wenn man schon kein Gespür dafür hat, was lächer­lich ist und was nicht, warum guckt man dann nicht ein­fach mal ganz humor­los auf die Fak­ten? Man kön­nte z.B. die sprach­lichen Zustände in Län­dern, in denen das Deutsche in der Ver­fas­sung ver­ankert ist, anguck­en (Öster­re­ich und die Schweiz beispiel­sweise) und fest­stellen, dass auch dort Anglizis­men ver­wen­det wer­den. Oder man kön­nte über­legen, welche Dinge bere­its im Grundge­setz fest­geschrieben sind und wie sehr diese der Real­ität des All­t­ags entsprechen.

    Trotz­dem, eine Umfrage der Bild hat ergeben, dass 73 Prozent der Deutschen dafür sind, der deutschen Sprache Ver­fas­sungsrang zu geben. Und zu denen muss man noch die im Grab rotieren­den Her­ren Goethe und Schiller dazunehmen.

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  9. Ulf Runge

    ich freue mich jet­zt schon darauf, wenn Deutsch2.0 endlich ins Grundge­setz kommt und der Reclam-Ver­lag und über­haupt alle Ver­lage auch unsere Klas­sik­er (Goethe und Schiller wur­den soeben genannnt) in GG-kon­former Fas­sung erscheinen. Müssen.

    Das schafft Arbeitsplätze. 

    Mein Job-Tick­et wird dann endlich Weg-zur-Arbeit-Dauer­fahrkarte heißen.

    Mein Espres­so (Latin­is­men sind doch ähn­lich schändlich wie Angliszis­men, oder?) wird endlich

    Schnell­druck-Kaf­fee genan­nt wer­den müssen.

    Die Autover­sicher­er wer­den endlich eine zen­tralen Heißleitung einrichten.

    Und mein WLAN-Adapter wird kurz und bündig Draht­los-Nah­bere­ich­snet­zw­erk-Anpass­er genan­nt wer­den wollen.

    Und Angliszis­men, jawoll (bitte mit teutsch­er Zunge zu beto­nen!), wer­den dann Englisch-Welt-Begriffe heißen. 

    Ich hoffe nur, dass die Zusam­menge­hver­hand­lun­gen bald been­det sind, ohne dass unsere Ver­fas­sung größeren Schaden nimmt.

    Schön, dass es diesen Net­zw­erk-Holzk­lotz (bevor jet­zt alle such­maschin­suchen: Blog) gibt!

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  10. Gareth

    Goethe und Schiller rotieren sich­er schon alleine deshalb in ihren Gräbern, weil sie ständig von Sprach­puris­ten für ihre Zwecke miss­braucht wer­den. Ich bin auch dafür, endlich zum Deutschen des frühen 19. Jahrhun­derts zurückkehren.

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  11. Frank Oswalt

    @Ulf Runge: “such­maschin­suchen”, da steckt aber noch der pseudow­elt­män­nis­che Gal­lizis­mus “machine” drin. “suchvor­rich­tung­suchen” wäre da bess­er, oder warum die Such­mas­chine nicht ein­fach “Such­er” nen­nen, dann bekom­men wir “such­er­suchen”.

    Antworten
  12. Ulf Runge

    @Frank Oswalt: Such­er­suchen, das ist klasse. Doch wenn ich’s recht bedenken, müsste es eigentlich heißen Finderfinden. 

    Bei dem Weg (!): Das Zeichen, mit dem ich meine Anmerkung ein­geleit­et habe, ist natür­lich das Bei-Zeichen! 

    🙂 (Und das ist ein Lächlein)

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  13. David Marjanović

    den Laut­wan­del von [f] zu [x] (dem ‹ch›-Laut) und umgekehrt fand ich übri­gens schon immer faszinierend, weil artiku­la­torisch nicht ganz nachvollziehbar

    Artiku­la­torisch nicht, aber akustisch. Unter­schei­det sich in Wirk­lichkeit nicht von dem von [r] zu [ʀ].

    Von [x] zu [f] geht übri­gens auch. Das ist im Englis­chen (laugh, dwarf) und im Rumänis­chen stel­len­weise passiert.

    Läch­lein

    <Krampf>

    HUAAAAAAAAAAARRRRRRRRRRRRGGGG!!!

    The gog­gles! They do nothing!

    Antworten
  14. Anatol Stefanowitsch

    David Mar­janović (#15),

    Artiku­la­torisch nicht, aber akustisch.

    Ja, das stimmt, aber daraus eine Moti­va­tion für den Laut­wan­del abzuleit­en, ist nicht ganz ein­fach, vor allem da sich [f] und [x] auch audi­torisch ja nicht ähneln. Es ist tat­säch­lich nur die For­man­ten­struk­tur, die eine gewisse Ähn­lichkeit aufweist, aber über welchen Mech­a­nis­mus sollte die auf den Laut­wan­del ein­wirken? Ich habe vor vie­len Jahren mal ange­fan­gen, eine Arbeit über dieses The­ma zu schreiben und dabei auch die Lit­er­atur gesichtet, in der auch nichts Kluges dazu stand. Falls jemand neuere Lit­er­atur dazu ken­nt oder weit­ere Sprachen ken­nt, in denen ein Wan­del von [f] zu [x] oder umgekehrt stattge­fun­den hat, wäre ich für entsprechende Hin­weise dankbar.

    Antworten
  15. Makri

    vor allem da sich [f] und [x] auch audi­torisch ja nicht ähneln. 

    Wie wäre denn audi­torische Ähn­lichkeit im Gegen­satz zu akustis­ch­er aufzufassen?

    Es ist tat­säch­lich nur die For­man­ten­struk­tur, die eine gewisse Ähn­lichkeit aufweist, aber über welchen Mech­a­nis­mus sollte die auf den Laut­wan­del einwirken?

    Mir fällt nur das banale “ein Kind ver­hört sich”, nach­dem die Sprech­er irgend­wie ange­fan­gen haben, [f] und [x] vor Kon­so­nan­ten sehr ähn­lich zu artikulieren, ein.

    Wenn’s um Beispiele geht, müsste man doch in Küm­mels “Kon­so­nan­ten­wan­del” fündig werden.

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  16. Thomas Müller

    Herr Ste­fanow­itsch, Sie sind unfair — immer­hin beze­ich­net der Autor die schlim­men Anglizis­men als “Neudeutsch”. Es ist doch schon mal ein Fortschritt, wenn Wörter wie Handy als Deutsche klas­si­fiziert wer­den, statt als Englisch oder Denglisch. 🙂

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  17. Makri

    Ich bemerke ger­ade, ich habe mich oben unver­ständlich aus­ge­drückt: Ich meinte “… vor Kon­so­nan­ten ähn­lich klin­gend zu artikulieren.”

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  18. David Marjanović

    vor allem da sich [f] und [x] auch audi­torisch ja nicht ähneln.

    1) Doch, tun sie, wenn man den Mund ein biss­chen zu weit auf­macht. Ich empfehle auch, den biden­tal­en Frika­tiv zu pro­bieren (obwohl der nur in ein­er Sprache weltweit doku­men­tiert ist); der ist meinem Ein­druck nach audi­torisch unge­fähr in der Mitte.

    2) Wenn man nur einen dieser Laute in sein­er Sprache hat, beste­ht keine Ver­wech­slungs­ge­fahr. Wenn man bei­de hat, aber ein­er sel­ten ist (und [x] ist im Niederdeutschen und Mittelenglischen/Schottischen deut­lich sel­tener als [f]), beste­ht in der Prax­is auch keine. (Im Nieder­ländis­chen, das diese Lautver­schiebung in – mir scheint – vie­len Wörtern aufweist, ist es jet­zt vielle­icht nicht mehr so.)

    Mir fällt nur das banale “ein Kind ver­hört sich” […] ein

    Bei sel­te­nen Wörtern kann das natür­lich passieren.

    Hier sind Beispiele von [f] zu [x] und zurück. Allerd­ings sind da auch welche von [xʷ] zu [f] dabei; da kön­nte man sagen, die zählen nicht, weil sie sich artiku­la­torisch stärk­er ähneln.

    Antworten
  19. Makri

    Bei sel­te­nen Wörtern kann das natür­lich passieren.

    Das würde jeden­falls [fʊxt͡sg] als anscheinen­den Einzelfall in bairischen Dialek­ten erk­lären; obwohl das nun nicht unbe­d­ingt soo sel­ten ist.

    Aber im Grunde muss doch auch der völ­lige Zusam­men­fall auf ein sozusagen fun­da­men­taleres Ver­hören zurück­zuführen sein: Während das Kind seine Phonolo­gie fes­tlegt, befind­et es /f/ und /x/, die sich vorher schon in der Sprachge­mein­schaft phonetisch angenähert haben, für nicht dis­tink­tiv und denkt sich zum Beispiel bei einem gehörten [f], dass das nur ein etwas komisch klin­gen­des [x] ist.

    Wäre inter­es­sant, zu sehen, der Kon­trast zwis­chen [x] und [f] zu denen gehört, die Kinder schein­bar ange­boren per­fekt beherrschen, oder zu denen, die zuerst schlecht sind und erst durch Input trainiert wer­den müssen, und ganz generell, ob irgen­deine Kor­re­la­tion zwis­chen sowas und der Wahrschein­lichkeit eines Über­gangs zwis­chen den Phone­men besteht.

    Anders kann ich mir aber jeden­falls diesen — aber auch über­haupt jeden — Phonemzusam­men­fall nicht vorstellen.

    Aber vielle­icht haben Leute, die sich mit sowas befassen, einen Weg erdacht, der jet­zt mein­er Intu­ition grad nicht zugänglich war.

    Antworten
  20. Gareth

    2) Wenn man nur einen dieser Laute in sein­er Sprache hat, beste­ht keine Ver­wech­slungs­ge­fahr. Wenn man bei­de hat, aber ein­er sel­ten ist (und [x] ist im Niederdeutschen und Mittelenglischen/Schottischen deut­lich sel­tener als [f]), beste­ht in der Prax­is auch keine. (Im Nieder­ländis­chen, das diese Lautver­schiebung in – mir scheint – vie­len Wörtern aufweist, ist es jet­zt vielle­icht nicht mehr so.)

    Beim Nieder­ländis­chen muss man zusät­zlich bedenken, dass in einem nicht unbe­de­te­un­den Teil des Sprachge­bi­ets gar kein [x] vorkommt, son­dern stattdessen [ç] real­isiert wird.

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  21. Anatol Stefanowitsch

    David Mar­janović (#21),

    danke für den Link zu Cul­vers Blog! In mein­er abge­broch­enen Arbeit hat­te ich als einzig sin­n­machende artiku­la­torische Moti­va­tion die Zwis­chen­schritte [xʷ] und [ɸ] pos­tuliert, also [x] > [xʷ] > [ɸ] > [f] (ana­log auch für [ç] zu [f]). Der umgekehrte Weg ist zumin­d­est für [x] irgend­wie weniger plau­si­bel, aber sich­er nicht unmöglich. Die kan­tone­sis­chen Beispiele sind hier sehr inter­es­sant. Mein­er Mei­n­ung nach muss unbe­d­ingt eine artiku­la­torische Moti­va­tion her, die The­o­rie des „Ver­hörens“ leuchtet mir nicht ein, vor allem, da es bei den betrof­fe­nen Wörtern häu­fig um häu­fige Wörter geht (z.B. engl. laugh, cough, enough, draught, etc.). Und wie gesagt, [x] und [f] klin­gen nicht wirk­lich ähn­lich. Inter­es­sant ist der Kom­men­tar meines ehe­ma­li­gen Kom­mili­to­nen Sér­gio Meira auf Cul­vers Blog zur Rolle der oberen Fre­quenzbere­iche, aber ob und wie man sie in eine plau­si­ble The­o­rie des vor­liegen­den Kon­so­nan­ten­wan­dels ein­bauen soll, ist mir im Moment noch nicht klar, denn Sprach­wan­del find­et ja nicht haupt­säch­lich am Tele­fon statt.

    Antworten
  22. Maren

    Bun­de­shaupt­stadt und Bun­des­flagge sind in Art. 22 GG fest­gelegt, nicht in Art. 3 GG (das ist der Gle­ich­heits­grund­satz). Dass die Sprach­schuet­zer “Deutsch als Amtssprache” in Art. 22 GG ver­ankern wollen, ist im Uebri­gen schon ein Anze­ichen fuer die Albern­heit dieser Dauerde­bat­te — man kann sich naem­lich dur­chaus fra­gen, warum Haupt­stadt und Flagge nicht ein­fachge­set­zlich geregelt wer­den koen­nen. Anders gesagt: Art. 22 GG ist der ver­fas­sungsrechtliche Spielplatz fuer diejeni­gen, die meinen, dass der Schutz des “Deutsch­tums” durch neue Vorschriften im Grundge­setz befo­erdert wuerde.

    Anson­sten: spot on!

    Antworten
  23. Oliver

    Auch mit ist über­triebenes Denglisch ein Dorn im Auge. Aber ob Telekom und Bahn dann wegen ihres Sprachge­brauch­es vors Ver­fas­sungs­gericht gez­er­rt wer­den sollen? Da hat unser Land doch wirk­lich drän­gen­dere Probleme. 

    Es muss ein­fach ein Bewußt­sein für den ver­ant­wor­tungsvollen Umgang mit der deutschen Sprache geschaf­fen wer­den. Aber für viele ist es offen­bar nicht leicht, die Bal­ance auf dem schmalen Grat zwis­chen sin­nvollem Fremd­wort­ge­brauch und manieris­tis­chem Newspeak zu finden.

    Antworten
  24. jen

    @ Oliv­er:

    Es muss ein­fach ein Bewußt­sein für den ver­ant­wor­tungsvollen Umgang mit der deutschen Sprache geschaf­fen wer­den.” — das glaube ich nicht. Wer sollte denn fes­tle­gen, was “ver­ant­wor­tungsvoll” ist? Das wäre doch total sub­jek­tiv. Ihrem Kom­men­tar nach zu urteilen, gehört dazu dann nicht, Freude am Aus­druck in und an der deutschen Sprache an sich zu haben, wenn das nicht gram­matikalisch kor­rekt und ohne die viel zitierten “unnöti­gen Anglizis­men” passiert. Fax­en! 😉 Jed­er hat das Recht, sich auszu­drück­en wie er will; ob er dann ver­standen wird, ist eine andere Frage. Und was ver­ant­wor­tungsvoll ist und was nicht, kann jed­er nur für sich selb­st fes­tle­gen. Davon abge­se­hen, dass dieses Wort auch so drama­tisch klingt, und — ja, als ob die deutsche Sprache unterge­hen würde, wenn sich jemand ihrer unver­ant­wor­tungsvoll bedi­ent… wir wis­sen doch alle, dass das nie passieren wird.

    Antworten
  25. David Marjanović

    Das würde jeden­falls [fʊxt͡sg] als anscheinen­den Einzelfall in bairischen Dialek­ten erk­lären; obwohl das nun nicht unbe­d­ingt soo sel­ten ist.

    Auf diesen Fall (und den iden­tis­chen von “15”), bemerke ich erst jet­zt, trifft vielle­icht die [xʷ]-Idee zu (mein ach- und mein uch-Laut sind nicht genau iden­tisch, allerd­ings bei­de trotz­dem weit von [xʷ] ent­fer­nt). Und laugh, cough, enough, draught schreibt man alle mit u; wie gut ist die mit­te­lenglis­che Aussprache bekannt?

    Aber dwarf

    Antworten
  26. Gareth

    Ich bin kein Experte, aber mir hat man damals im Sprach­wan­delsem­i­nar erzählt, dass man laugh im Mit­te­lenglis­chen /laʊx/ aus­ge­sprochen habe.

    Antworten
  27. Marc Schütz

    > Das würde jeden­falls [fʊxt͡sg] als anscheinen­den Einzelfall in bairischen Dialekten

    > erk­lären; obwohl das nun nicht unbe­d­ingt soo sel­ten ist.

    Das halte ich eher für eine Analo­giebil­dung zu “sechzig”/“sechzehn”. Ähn­lich­es ist WIMRE wohl auch in anderen indoeu­ropäis­chen Sprachen passiert.

    Antworten
  28. Makri

    Diese Art von prak­tisch unmo­tiviert­er Analo­gie war mir schon immer ein wenig sus­pekt. Was heißt “WIMRE”? Ist das etwas, das kodiert, wo man konkrete Beispiele herkriegen könnte? 😉

    Antworten
  29. Marc Schütz

    Wenn Ich Mich Recht Erin­nere. Auf die schnelle hab ich diesen Post auf der Lin­guist LIST gefunden:

    http://linguistlist.org/issues/5/5–931.html#2

    Als Beispiele wer­den dort engl. four/five statt reg­ulär *whour sowie russ. dev’at’ “neun” wie des’at’ “zehn” angeführt.

    Sicher­lich kann man Analo­gie als Pseu­do-Erk­lärung miss­brauchen, aber die Frage ist halt, was es in diesen Fällen son­st sein sollte. Ein Laut­wan­del, der nur jew­eils ein Wort bet­rifft, kommt wohl nicht in Frage.

    Antworten
  30. David Marjanović

    Das halte ich eher für eine Analo­giebil­dung zu “sechzig”/”sechzehn”.

    <facepalm>

    Aber natür­lich. Analo­giebil­dun­gen zwis­chen Zahlwörtern sind extrem häu­fig (und das nicht nur in indoeu­ropäis­chen Sprachen).

    Aber dwarf

    Noch bess­er: shaft “Schacht”. (“Schaft” heißt auch shaft, aber das ist was Anderes.)

    Antworten
  31. BMayer

    als einzig sin­n­machende artiku­la­torische Moti­va­tion die Zwis­chen­schritte [xʷ] und [ɸ] pos­tuliert, also [x] > [xʷ] > [ɸ] > [f] (ana­log auch für [ç] zu [f]). Der umgekehrte Weg ist zumin­d­est für [x] irgend­wie weniger plau­si­bel, aber sich­er nicht unmöglich.”

    Das ver­ste­he ich nicht ganz. Muß bei einem Sprach­wan­del denn unbe­d­ingt der Artiku­la­tion­sort sta­bil bleiben? Wech­sel des Artikual­tion­sortes bei sta­bil­er Artiku­la­tion­sart gibt es doch auch son­st. Ein Über­gang der die Orte einan­der annähert scheint mir gar nicht nötig. Mir fällt jet­zt spon­tan der Über­gang von indoeu­ropäisch [dh-] zu lat. [f-] (z.B. felix ggüber gr. θηλύς; wohl über [bh], das sich im Lat. genau­so entwick­elt, vgl. ferre : got. bairan und gr. phero) oder die Real­isierung von engl. stl. “th” bei Sprech­ern von Sprachen ohne den­tal­en Frika­tiv als [f] ein. Im Spanis­chen ist übri­gens lat. f im Anlaut geschwun­den, und die Schrei­bung “h” (hac­er

    Antworten
  32. BMayer

    Ich bitte um Entschuldigung, da ist etwas unter den Tisch gefallen:

    und die Schrei­bung “h” (hac­er aus facere) läßt doch wohl auf einen tek­tal­en Frika­tiv als Über­gang schließen (? Ich kenne mich in der Laut­geschichte des Spanis­chen nicht so aus). Es ist allerd­ings sehr auf­fäl­lig, daß dieser Umsprung des Artiku­la­tion­sortes, wenn ich die Diskus­sion richtig überblicke, nur Affrikat­en und Frika­tive betrifft.

    Her­zliche Grüße

    B.M.

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  33. David Marjanović

    Die fol­gende Lautver­schiebung, leicht vere­in­facht, wird für die ital­is­chen Sprachen angenom­men: [bʱ dʱ gʱ] → [pʰ tʰ kʰ] → [ɸ θ x] → [f f f]. Aus der vor­let­zten Stufe haben die lati­no­faliskischen Sprachen (im Unter­schied zu den oskisch-umbrischen) zwis­chen Vokalen [β ð ɣ] gemacht, die sich dann zu [b d g] weit­er­en­twick­elt haben.

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  34. BMayer

    Danke für die Präzisierung; die Rei­he gilt aber nicht für den Anlaut (deshalb schrieb ich [dh-]), wo sich die idg. Aspi­rat­en bis zum Lateinis­chen anders entwick­eln. Z.B. entsprechen nhd. Garten und gr. khor­tos lat. hor­tus (eben­so ‑hen­dere und ‑gin­nen; (h)anser und Gans/gr. khên) ; also ist doch idg. [gh-] zu rekon­stru­ieren, oder nicht? Die let­zte Klam­mer müßte also [f f h] (nicht [b d g]) heißen. [f-] ergeben allerd­ings auch die aspiri­erten Labiove­lare wie in fundere/gießen und ‑fendere/gr. theino.

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