Sprachschmuggler in der Wikipedia?

Von Anatol Stefanowitsch

In mein­er gestri­gen Lau­da­tio zum Anglizis­mus des Jahres 2012, Crowd­fund­ing, sprach ich meine Ver­mu­tung an, dass die vere­inzelt zu find­ende Ein­deutschung „Schwarm­fi­nanzierung“ eine Wortschöp­fung von Anglizis­muskri­tik­ern sei, die diese über den Wikipedia-Ein­trag zum Crowd­fund­ing zunächst in den jour­nal­is­tis­chen Sprachge­brauch eingeschleust hät­ten. Diese Ver­mu­tung stützt sich auf die Tat­sache, das die früh­este Ver­wen­dung, des Wortes, die ich find­en kann, eben aus diesem Wikipedia-Ein­trag, genauer, in der Artikelver­sion vom 23. März 2011 stammt. Einge­tra­gen wurde es von einem anony­men Nutzer, weshalb die Wikipedia-Soft­ware nur die IP-Adresse des Bear­beit­ers doku­men­tiert. Eine Über­prü­fung der Bear­beitun­gen, die unter dieser IP-Adresse im sel­ben Zeitraum vorgenom­men wur­den, zeigt, dass außer­dem das Schlag­wort „Schwarm­fi­nanzierung“ mit ein­er Weit­er­leitung auf den Artikel zu Crowd­fund­ing angelegt und das Wort Schwarm­fi­nanzierung in den Ein­trag zu ein­er bes­timmten Crowd­fund­ing­plat­tform hinein redigiert wur­den. Dass es sich bei dem anony­men Nutzer um einen Sprachkri­tik­er auf Sprach­säu­berungsmis­sion han­delte, schließe ich daraus, dass das Wort „Schwarm­fi­nanzierung“ im Anglizis­menin­dex des Vere­ins Deutsche Sprache ste­ht (dazu gle­ich mehr).

Der Wikipedi­an­er Aal­fons griff diese Über­legung auf und stellte sie auf ein­er inter­nen Wikipedia-Seite zur Diskus­sion. Auch dort kon­nte man keinen Beleg für das Wort find­en, der zeitlich vor dem März 2011 liegt. Ein ander­er Wikipedi­an­er wies aber darauf hin, dass der Begriff „Schwar­maus­lagerung“ für Crowd­sourc­ing schon länger in der Wikipedia ste­he und es sich bei „Schwarm­fi­nanzierung“ ana­log dazu um eine nahe liegende Über­set­zung han­dle. Nun wusste ich zufäl­lig, dass auch das Wort Schwar­maus­lagerung im Anglizis­menin­dex ste­ht. Das allein hätte mich noch nicht stutzig gemacht, aber — noch deut­lich­er als im Fall von Schwarm­fi­nanzierung — ist Schwar­maus­lagerung durch eine gewisse Sper­rigkeit gekennze­ich­net, die für Eigen­schöp­fun­gen der Anglizis­men­feinde vom Vere­in Deutsche Sprache nicht untyp­isch ist. Ich hegte also sofort den Ver­dacht, dass man auch dieses Wort über die Wikipedia in den Sprachge­brauch ein­schleusen wollte. Und tat­säch­lich zeigt sich auch hier, dass das Wort von einem anony­men Nutzer einge­tra­gen wurde, und ein Klick auf die IP-Adresse zeigt das bere­its von Schwarm­fi­nanzierung ver­traute Muster.

Und zwar nicht nur für das Wort Schwar­maus­lagerung, son­dern gle­ich noch für zwei weit­ere Wörter, näm­lich Off­shoring und Sun­rise Peri­od (ein­er Beze­ich­nung für die frühe Phase der Ver­gabe von Inter­net­do­main­na­men, in der Marken­in­hab­er ihre Ansprüche anmelden kön­nen). Für ersteres wurde allerd­ings nicht die Vorschlag Aus­lagerung aus dem Anglizis­menin­dex einge­tra­gen, son­dern der in der wirtschaftswis­senschaftlichen Fach­lit­er­atur schon seit den siebziger Jahren gebräuch­liche Begriff Aus­landsver­lagerung. Für let­zteres wurde eben­falls nicht der Vorschlag des Anglizis­menin­dex (Start­phase, Vorzugsphase) gewählt, son­dern Vor­recht­phase. Dabei kön­nte es sich eben­falls um eine Eigen­schöp­fung han­deln, denn auch hier finde ich keine Tre­f­fer, die zeitlich vor dem Wikipedia-Ein­trag (vom 28. Jan­u­ar 2008) liegen. Allerd­ings find­et sich das Wort vere­inzelt sog­ar in Tex­ten der offiziellen Inter­net-Namen­sagen­tur ICANN.

Es scheint also, als ob hier eine oder mehr Per­so­n­en die Wikipedia nutzen, um Begriffs­bil­dung zu betreiben und die Begriffe auf diesem beque­men Weg unter die Leute zu brin­gen. Wie sys­tem­a­tisch dieses Vorge­hen ist, lässt sich für mich schw­er fest­stellen. In den oben beschriebe­nen Fällen ist das sprach­liche Muster aber immer „Ein(e) [ENGLISCHES WORT] bzw. [(ERFUNDENES) DEUTSCHES WORT] ist…“. Ich habe deshalb per Google nach [“ein * bzw. * ist” site:wikipedia.org] gesucht und tat­säch­lich eine Rei­he von Artikeln gefun­den, in denen nach dem gle­ichem Muster leicht merk­würdi­ge bis abso­lut zweifel­hafte Ein­deutschun­gen einge­baut wur­den (z.B. Anonymisier­er, Tastschirm, Düf­fel­man­tel und Sand­bret­tern). In vie­len Fällen steckt dahin­ter ein Wikipedi­an­er namens „Stern“, der in seinem Nutzer­pro­fil angibt, Anglizis­men in der Wikipedia bekämpfen zu wollen, in anderen Fällen wer­den die Bear­beitun­gen anonym durchge­führt, wobei die IP-Adressen häu­fig nach Berlin führen (wo auch „Stern“ laut Nutzer­pro­fil wohnt).

Egal, ob ein­er oder mehrere Nutzer dahin­ter­steck­en, die Wikipedia wird hier ent­ge­gen ihrer eige­nen Prinzip­i­en zur Bil­dung und Bekan­nt­machung von Begrif­f­en ver­wen­det. Und zwar teil­weise sehr erfol­gre­ich — Journalist/innen sehen eben häu­fig als erstes in die Wikipedia, ger­ade wenn sie über neue, noch weit­ge­hend unbekan­nte Dinge schreiben. Dort find­en sie dann deutsche Wörter und da sie keinen Grund haben, an der Authen­tiz­ität dieser Wörter zu zweifeln, ver­wen­den sie sie und führen sie damit in den Sprachge­brauch ein.

Ist das legit­im? Wie gesagt, es wider­spricht den Leitlin­ien der Wikipedia (und auch all­ge­meinen Vorstel­lun­gen davon, was eine Enzyk­lopädie leis­ten sollte). Aus sprach­planer­isch­er Sicht ist es aber ein äußerst geschick­tes Vorge­hen. Wie ich vor eini­gen Jahren ein­mal geschrieben habe, gibt es für Anglizis­men­jäger nur einen Weg, gegen die ver­has­sten Lehn­wörter vorzuge­hen: Sie müssen Alter­na­tiv­en erfind­en (was sie ja, z.B. mit dem Anglizis­menin­dex aus­giebig tun) und — und das ist der entschei­dende Punkt, diese dann so häu­fig in natür­lichen kom­mu­nika­tiv­en Zusam­men­hän­gen ver­wen­den, dass andere Mit­glieder der Sprachge­mein­schaft sie übernehmen. Das ist schwierig, denn es bedeutet, dass man sich zunächst eine kom­mu­nika­tive Bühne schaf­fen muss, auf der einem möglichst viele Men­schen zuhören — schwierig für den durch­schnit­tlichen Sprachnörgler.

Indem die Wörter aber ein­fach von ein­er Art Ein­deutschungs­gueril­la in die Wikipedia eingeschleust wer­den, gelan­gen sie auf direk­tem Wege in den Sprachge­brauch von Men­schen, die eine solche Bühne bere­its haben — Journalist/innen, Autor/innen usw. Die tra­gen dann die Wörter in den all­ge­meinen Sprachge­brauch hinein. Und wenn nach ein paar Monat­en oder Jahren jeman­dem auf­fällt, dass es das Wort eigentlich gar nicht gab, gibt es keinen Grund mehr, es aus der Wikipedia zu löschen, da sich ja inzwis­chen aus­re­ichend Belege ange­sam­melt haben, die eine Erwäh­nung des Wortes in der Wikipedia rechtfertigen.

Ich sage das nicht gerne, aber: Eins zu Null, liebe Sprachnörgler.

33 Gedanken zu „Sprachschmuggler in der Wikipedia?

  1. TMB

    Ist das­selbe wie beim “Beitragser­such” (o.ä.), das vor Jahren den guten alten Call for papers erset­zen sollte. 😉

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  2. Dierk

    Ist ja nicht so, als würde der Ein­trag in die WP sowie die Ver­wen­dung durch faule Nichtrecher­chier­er genü­gen, damit die Sprachge­mein­schaft ein Wort über­wiegend gutheißt. Und wenn sie es tut, spricht einiges dafür, dass jenes neue Wort vielle­icht nicht so schlecht ist.

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Ungewöhn­lich unkri­tisch heute, lieber Dierk? Aber was inter­es­sant ist: Mit­tels der erfun­de­nen Wörter lässt sich nachvol­lziehen, wer seine Infor­ma­tio­nen direkt aus der Wikipedia bezieht!

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  3. muellermanfred

    Der „Fak­ten­schaff-Fak­tor“ der Wikipedia läßt sich überdies ganz pri­ma dazu ver­wen­den, mißliebige Diskus­sio­nen zu been­den. Auch wenn manche Edits nicht lange über­leben: Es genügt, wenn sie ein­mal drin­ste­hen, wenn man’s braucht. Perfide.

    Über die „Schwarm­fi­nanzierung“ kann ich nur den Kopf schüt­teln. Es gibt spätestens seit dem 19. Jahrhun­dert einen einge­führten Begriff dafür: Sub­skrip­tion (ja, nicht sehr deutsch, ich weiß). Der Pana­ma-Kanal z.B. war ein riesiges Crowd­fund­ing-Pro­jekt – gut, kein beson­ders erfol­gre­ich­es, weil alle ihr Geld ver­loren, aber nun ein neues Wort für so etwas kreieren zu wollen, zeugt auch von einem Man­gel an Bildung.

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  4. Lalia Tuk

    Die Sprach­schmug­gler gibt es doch über­all, Mar­ketingabteilun­gen wis­sen, wie das geht. So hat uns die Fir­ma Canon vor Jahren mit dem Begriff “Voll­for­mat” (en: ‘full frame sen­sor’) für einen dig­i­tal­en Kam­erasen­sor beglückt, der endlich das nor­male Klein­bild­for­mat herkömm­lich­er Spiegel­re­flexkam­eras ere­ichte. Zuvor gab es in dem Bere­ich nur kleinere. Ich habe mich immer gefragt, ob Mit­telfor­matkam­eras dann wohl “Übervollformat”-Sensoren haben. Oder was auch immer… Jeden­falls ist der Begriff inzwis­chen etabliert — durch Werbung.

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  5. TVLuke

    Dann ist es ja vielle­icht gar keine Ver­schwörung der Sprach­nör­gler son­dern inves­tiga­tiv­er Meta-Journalismus?

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  6. klappnase

    Ist das legitim?”

    Mein­er Ansicht nach ja, auf jeden Fall. Allerd­ings auch ziem­lich lächerlich.

    Wenn ein paar Voll­honks mit ihrer Zeit nichts besseres anz­u­fan­gen wis­sen, als grössten­teils extrem alberne Ein­deutschun­gen von ihnen unlieb­samen Anglizis­men in die Wikiedia einzuschleusen, die am Ende — abge­se­hen von eini­gen ver­sprengten “Sekten“mitgliedern — prak­tisch eh nie­mand übern­immt, sollte man ihnen den Spass vielle­icht ein­fach lassen. Jeden­falls sollte das imho auss­chliesslich die Sorge der Wikipedi­aner­In­nen sein. Und ver­mut­lich hat man dort noch ganz andere Prob­leme mit Troll-edits.

    Da jet­zt Edit­wars zu starten oder zu ver­suchen, die Wikipedi­apolizei auf der­lei Vorgänge anzuset­zen ver­schafft diesen Trollen nur eine Aufmerk­samkeit, die ihnen eigentlich nicht zukommt.

    Ich empfehle sich hier die gle­iche Gelassen­heit zuzule­gen, die man auch jedem Anglizis­men­has­s­er angesichts von “Sale” und “Shit­storm” anrat­en würde.

    Und Dierk gebe ich Recht, wenn eine dieser Ein­deutschun­gen tat­säch­lich in den Sprachge­brauch überge­ht, wo ist dann das Prob­lem? Auch die hier (zu Recht) abge­feierten Anglizis­men des Jahres waren bis vor kurzem noch Wörter die es “eigentlich gar nicht gab”.

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  7. Sascha Lobo

    Am Prinzip, neue Worte zu erfind­en, sehe ich nichts schlecht­es (mit der Aus­nahme von Hassworten). 

    Hier bin ich Anhänger des Sprach­dar­win­is­mus. Die Worte, die sich durch­set­zen, waren die richti­gen, egal woher sie stam­men. Langfristig ist das auch das beste Argu­ment gegen Sprach­be­wahrer. Insofern: erfind­et neue Worte, streut sie, so gut ihr kön­nt — und lasst die Wort­spiele beginnen.

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  8. Sven

    Als Beispiel kann der Kom­men­tar auf der ersten Seite im heuti­gen Tagesspiegel gel­ten. Der Artikel fängt mit ein­er durchwach­se­nen Kri­tik am Anglizis­mus an um dann kurz vorm Ende die Schwarm­fi­nanzierung als Gegen­beispiel auszupacken.
    Ich war über die Schwarm­fi­nanzierung nicht ver­wun­dert, so dass ich annehme, dass ich das Wort schon ein­mal gehört oder gele­sen habe, denn ich kenne den Wikipedi­aein­trag _nicht_ und inter­essiere mich nicht wirk­lich für das Thema.

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  9. Kristin Kopf

    Also ich find’s cool! Wir wer­fen der Anti-Anglizis­men-Partei ja immer vor, dass ihre Vorschläge auf dem Reißbrett entste­hen und sie kein Ver­ständ­nis davon haben, wie sich Sprache verän­dert (näm­lich durch BenutzerIn­nen statt durch Verord­ner­In­nen). Jet­zt kön­nen die Wörter mal getestet wer­den, möge das Bessere gewin­nen! (Was ja dur­chaus ab und an eine Ein­deutschung sein kann.)

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  10. tina

    Da ich einen zu bewahren­den Urzu­s­tand (wie wohl die meis­ten hier) nicht annehme, muss ich mich zäh­neknirschend der “was macht das schon”-Partei anschließen. Mit ein­er großen Ein­schränkung, die im Artikel ohne­hin erwäh­nt wurde: Angemessen ist das nicht, nein, eine Enzyk­lopädie sollte eher Infor­ma­tio­nen über Beste­hen­des liefern, als… Und da wird es eben wieder schwierig. “Neu­tral” wird ein Text nie sein, nichtein­mal, wenn wikipediesk ein ganz­er Schwarm ver­sucht, die eigene Lieblingsper­spek­tive mit einzubrin­gen. Oder durch den Aufruf, aus anderen Sprachen als dem Englis­chen zu über­set­zen (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:%C3%9Cbersetzungen#Kulturelle_Aspekte, wenn das auch schauder­haft for­muliert ist).
    – Egal, worum es geht, For­mulierun­gen, ein­seit­ige Darstel­lun­gen, die herrschende Lösch­poli­tik for­men dieses Bild des Beste­hen­den ganz mas­siv. Wie wir es nen­nen, scheint da auf den ersten Blick recht egal, solange auf diese Art keine irgen­deine Gruppe diskri­m­inieren­den Beze­ich­nun­gen oder soziale Prob­leme ver­schleiernde Euphemis­men ver­bre­it­et wer­den. Nun hat auch das wieder eine Gren­ze: Den Ein­druck zu erweck­en, es gäbe im Deutschen ja eh für alles Wörter, die Anglizis­men wären unnötig und hät­ten wegen Ver­drän­gen der (neu erfun­de­nen) deutschen Vari­ante keine Daseins­berech­ti­gung, weil Kul­turver­fall ein­self, ist mehr, als ein Wort in Umlauf zu brin­gen, das sind Ein­stel­lun­gen, die ich prob­lema­tisch finde und nicht auf der­art sub­tile Weise irgend­wo herumkriechen sehen möchte. (Wie wäre es mit ein­er “===Begriff­s­ri­tik=== Sprachnörgler_innen sagen XYZ, das ist komisch, weil.”-Sektion?)

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  11. Elka Sloan

    Wie definieren Sie, ob es ein Wort “tat­säch­lich gibt”, Herr Stefanowitsch?

    Warum soll es ncht legit­im sein, sich bei neuen Worten darum zu bemühen, deutsche Äquiv­a­lente zu finden? 

    Schwar­maus­lagerung” ist übri­gens eine falsche Über­set­zung von Crowd­sourc­ing — ich gebe Ihnen uneingeschränkt Recht, wenn Sie sagen, dass Sprach­nör­gler, wie Sie sie nen­nen, erst­mal wis­sen soll­ten, von was sie da eigentlich reden. 

    Ihre pauschale Verurteilung dieser Bemühun­gen kann ich aber nicht teilen. Ich habe grade mal in ein paar Ver­anstal­tun­gen auf der CeBIT hineinge­hört und ich muss sagen, dass mich die dort in die Welt posaunte Sprache ziem­lich ankotzt — zum Einen natür­lich, weil so offen­sichtlich ihr einziger Zweck das Self-Aggran­diz­ing der jew­eili­gen Sprech­er ist, aber zum Anderen auch wegen der sinn­los in die Welt gespuck­ten Angizis­men. Erin­nern Sie sich an den Text, mit dem Jil Sander 1997 den Titel Sprach­pan­scherin des Jahres gewon­nen hat? 

    Wo ist die Gren­ze zwis­chen Sprach­nör­gler­tum und ästhetisch motiviert­er Sorge um die eigene Sprache?

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  12. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

    @muellermanfred: Sub­skrip­tion ist ein schönes und nüt­zlich­es Wort, es deckt aber die Bedeu­tung von Crowd­fund­ing nur zum Teil ab.

    @Laila Tuk: Nein, wenn eine Mar­ketingabteilung einen Begriff prägt, tut sie das als Sprach­be­nutzer. Wenn eine Enzyk­lopädie das tut, tut sie so, als gebe sie etablierten Sprachge­brauch wieder.

    @Elka Sloan: Zeigen Sie mir doch bitte, wo im Text ich das über­haupt „verurteile“, geschweige denn „pauschal“

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  13. Andreas

    Da sehe ich keine Gren­ze, Frau Sloan. Bei­de leg­en indi­vidu­elles Empfind­en als Maßstab an (Sprecher-)gesellschaftliche Real­itäten an und erwarten nor­ma­tive Autorität. Und im Sinne des oben erwäh­n­ten Sprach­dar­win­is­mus sollte man schauen, welche Steine des Anstoßes aus Jil Sanders Text (ich kenne ihn nicht) es in den All­t­ag geschafft haben. Ein ähn­lich­es Schick­sal würde ich für die CeBIT-Wörter erwarten — wenn sie es verdienen.

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  14. Erbloggtes

    Sprache ist Aus­druck von Machtver­hält­nis­sen. Wenn eine PR-Agen­tur einen Begriff etabliert, zeigt das ihre Macht über unser Denken.
    Die Wikipedia hat Macht. Sich diese Macht für eigene Zwecke anzueignen, um etwa einen Kreuz­zug gegen bes­timmte Wörter zu führen, ist moralisch ver­w­er­flich. Denn das ist nicht “ihr Job”.
    Glück­licher­weise erlaubt die Wikipedia mit einigem Aufwand die Rück­ver­fol­gung solch­er Instru­men­tal­isierun­gen. Bravo!

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    1. Susanne Flach

      @Erbloggtes: Naja, ich würde die Rolle eines/r Wikipedianer/in nicht über­be­w­erten bzw. de[ss|r]en Ein­fluss (es ist ja nicht die Wikipedia, genau­so wenig wie die Sprache — das sind bei­des Kollek­tivw­erke). Würde in der näch­sten Zeit die Leute ver­mehrt Schwarz­fi­nanzierung statt Crowd­fund­ing sagen, würde die Umleitung doch ein­fach umgekehrt wer­den kön­nen. Und selb­st die größte PR-Agen­tur kann nichts etablieren, was nicht von der Sprachge­mein­schaft als nüt­zlich und notwendig ange­se­hen wird.

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  15. Christoph Päper

    Die Herkun­ft­sprache eines Begriffes ist fast immer völ­lig unin­ter­es­sant, trotz­dem ist Ein­deutschung nicht gle­ich Anglizis­menkri­tik oder Sprachnörgelei.

    In der homo­ge­nen Experten-Experten-Kom­mu­nika­tion ist inter­na­tionale Ver­ständi­gung wichtiger als intu­itives Ver­ständ­nis, schließlich muss nor­maler­weise mit dem Begriff auch das dahin­ter ste­hende Wis­sen erlernt wer­den. Über­set­zung wäre nur weit­er­er Ballast.

    In der het­ero­ge­nen Experten-Experten-Kommunikation
    (z.B. zwis­chen Infor­matik­ern und Elek­trotech­nikern, aber viel schlim­mer unter Geistes- und Gesellschaftswis­senschaftlern ver­schieden­er Diszi­plinen oder Schulen) gilt ähn­lich­es, allerd­ings muss hier mitunter das Wis­sen nicht neu erwor­ben wer­den, son­dern ein Bezug zur eige­nen Exper­tise hergestellt wer­den. Es geht also um einen Brück­en­schlag durch Aliasi­den­ti­fizierung und nur wenn die scheit­ert, muss der Neol­o­gis­mus entwed­er über­nom­men oder kon­form zur eige­nen Nomen­klatur über­set­zt wer­den. Bei beste­hen­dem Alias (ob aus der­sel­ben Sprache oder nicht) wird der jew­eils fremde Begriff stets die Kon­no­ta­tion „das, was die anderen darunter ver­ste­hen“ tragen.

    In der Experten-Laien-Kom­mu­nika­tion ist es eine Frage der Höflichkeit desjeni­gen mit Wis­sensvor­sprung, Fachter­mi­ni in die Begriff­swelt (und mglw. Sprache) sein­er Ziel­gruppe zu über­set­zen, um bess­er ver­standen zu wer­den. Darin (Über­set­zen und Höflichkeit) sind die meis­ten Experten allerd­ings schlecht und zwin­gen darum dem Pub­likum ihr Vok­ab­u­lar auf, ohne dass ein eigentlich­er Wis­senstrans­fer stat­tfind­et. Der ist für vieles – ger­ade im Tagesjour­nal­is­mus – aber auch gar nicht nötig, solange ein Begriff lediglich als Stich­wort (Label, Marke) für etwas dient, dessen Details man nicht ken­nt (d.h. nicht ver­ste­hen kann, braucht oder will), über das man aber im Kon­text sprechen muss, wozu eine ver­flachte, wom­öglich gegenüber dem Ursprung ver­fälschte Inten­sion aus­re­icht, darum ist Aussprech­barkeit und Rechtschreib­barkeit oft wichtiger (Akro­nyme wer­den bspw. leichter akzep­tiert). Es liegt allerd­ings auch im Eigen­nutz der Experten, ihre Fach­sprache nicht zu offen­siv der Öffentlichkeit aufzuzwin­gen, denn allzu leicht wird ein pop­ulär gewor­den­er Begriff dadurch kon­t­a­miniert und ambig, sodass er schließlich im Jar­gon durch ein neues ein­deutiges Wort aus­ge­tauscht wer­den muss.

    In der Laien-Laien-Kom­mu­nika­tion wird sich üblicher­weise die Ter­mi­nolo­gie etablieren, die (von Experten) in der medi­alen Öffentlichkeit geprägt wurde. Nur wenn den Laien ver­schiedene Alter­na­tiv­en als akzept­abel ange­boten wur­den, kann sich der all­ge­meine vom speziellen Sprachge­brauch unter­schei­den. Da Experten dies allerd­ings häu­fig nicht leis­ten (kön­nen), kom­men die Mit­tler ins Spiel. Das sind Pub­lizis­ten, Jour­nal­is­ten, Poli­tik­er, Promi­nente, … – kurzum alle, die Kom­pe­tenz durch Präsenz (ide­al­er­weise) ergänzen oder (üblicher­weise) erset­zen. Sie kön­nen den Experten das Über­set­zen abnehmen, sich dabei mglw. von Laien inspiri­eren lassen, und so den Sprachge­brauch beeinflussen.

    Wikipedia-Autoren sind eine spezielle Art Mit­tler, denn trotz ihrer indi­vidu­ell weit­ge­hen­den Anonymität, oft ver­bun­den mit fehlen­dem Kom­pe­ten­z­nach­weis, sind sie kollek­tiv äußerst präsent und kom­pe­tent, also ein­flussre­ich – auch sprach­lich. Der deskrip­tive Pro­duk­tion­sansatz ein­er Enzyk­lopädie (wie eines Wörter­buch­es oder ein­er Gram­matik) ist zwar löblich und zwin­gend, doch bringt es unsere Natur mit sich, dass sie trotz­dem präskrip­tiv rezip­iert wer­den wird. Das heißt für diese The­ma: wenn der über­set­zte, ggf. frei erfun­dene Alter­na­tivbe­griff sich nicht im WP-Artikel find­et, kann er sich auch nicht (oder nur schw­er) so weit durch­set­zen, dass er aufgenom­men wer­den würde. Es gibt schlicht keine andere auch annäh­ernd ähn­lich effek­tive Plat­tform, über die Einzelne den vie­len Mit­tlern sprach­liche Alter­na­tiv­en anbi­eten könnten.

    Ich habe selb­st mal ver­sucht, in einem WP-Artikel den eingedeutscht­en Begriff zu ergänzen, unter dem ich das The­ma in einem Presseartikel primär ken­nen­gel­ernt hat­te, doch heute taucht der im Text nicht­mal mehr auf, obwohl der Artikel sog­ar zwis­chen­zeitlich sein Lem­ma gewech­selt hat­te und eine Weit­er­leitung existiert. Es hängt immer von den Überzeu­gun­gen und Vor­ein­genom­men­heit­en der Haup­tau­toren bzw. ‑pfleger ab, ob sel­tenere Alter­na­tiv­en aufgenom­men wer­den. Ich weiß nicht, ob oder was die bessere Lösung wäre; vielle­icht eine Neol­o­gis­mus-Infobox in Artikeln zu rezen­ten Themen.

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  16. Anonymisiert

    Zumin­d­est das Beispiel mit dem Anonymisier­er halte ich für abso­lut unzutr­e­f­fend. “Anonymisier­er” war auch in der Fach­sprache lange vor der Ein­deutschungsak­tion in Wikipedia im Juni 2006 weit ver­bre­it­et. Von ein­er merk­würdi­gen oder zweifel­haften Ein­deutschung, gar über Wikipedia selb­st, kann hier keine Rede sein:

    Heise Juli 2005

    Golem.de August 2004

    Vor­lesung IT-Sicher­heits­man­age­ment TU-Regens­burg Mai 2004

    Unab­hängiges Lan­deszen­trum für Daten­schutz Schleswig-Hol­stein Dezem­ber 2000

    Es lassen sich hier sog­ar Spuren bis ins let­zte Jahrtausend zurück­ver­fol­gen. Wenn “Anonymisierungs­di­enst” zu sper­rig war, hat man halt auf “Anonymisier­er” zurückgegriffen.

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  17. Pingback: Eindeutschungsguerilla | Wortistik

  18. Elka Sloan

    @andreas
    hier ist der Jil Sander Text auch zur all­ge­meinen Erbau­ung, denn es ist gut wenn man sich sein­er erin­nert, während man über Anglizis­men debattiert. 

    Tun Sie sich da die buzz words hinein, die so von wel­tret­ten­den Inter­net-Unternehmern gebraucht wer­den, und Sie haben das, was ich gestern bei CeBIT-Präsen­ta­tio­nen mit­gekriegt habe:

    Ich habe vielle­icht etwas Weltverbessern­des. Mein Leben ist eine giv­ing-sto­ry. Ich habe ver­standen, dass man con­tem­po­rary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tai­lored-Geschichte mit neuen Tech­nolo­gien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coor­di­nat­ed con­cept entschei­dend, die Idee, dass man viele Teile ein­er col­lec­tion miteinan­der com­bi­nen kann. Aber die audi­ence hat das alles von Anfang an auch sup­port­ed. Der prob­lem­be­wusste Men­sch von heute kann diese Sachen, diese refined Qual­itäten mit spir­it eben auch appre­ci­at­en. Allerd­ings geht unser voice auch auf bes­timmte Ziel­grup­pen. Wer Ladyis­ches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effort­less, das mag­ic meines Stils.”

    @Stefanowitsch
    Nein, natür­lich “verurteilen” Sie nichts und schon gar nicht “pauschal”. Sie tun nur Alles was Sie kön­nen, um her­auszufind­en, wer diese Sprach­nör­gler sind,diese Ein­deutschungs­gueril­la, der Sie so ungern ein 1:0 zugestehen … 

    Sie polemisieren, das ist ja auch ok, aber seien Sie hin­ter­her doch bitte nicht schein­heilig. Ihre Wort­wahl impliziert zumin­d­est, dass Sie die disku­tierten Aktiv­itäten nicht gutheißen, und zwar pauschal. Die Kampfmeta­pher 1:0 tut ein Übriges.

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  19. WFHG

    Habe nicht alle Kom­mentare gele­sen, darum vielle­icht was Dop­peltes: Es ist mir vol­lkom­men schleier­haft, wie die dazu kom­men “Schwarm­fi­nanzierung” für ein deutsches Wort zu hal­ten. “Schwar­ment­gelt” kön­nte man ja noch ger­ade so durchge­hen lassen, aber Finanzierung? Ich bitt’ Sie recht ..

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  20. Detlef Guertler

    @Elka Sloan
    “Im Sinne des oben erwäh­n­ten Sprach­dar­win­is­mus sollte man schauen, welche Steine des Anstoßes aus Jil Sanders Text es in den All­t­ag geschafft haben”, schrieb Andreas. Also schauen Sie doch ein­fach mal hin: Welch­er der hier von Jil Sander ver­wen­de­ten Anglizis­men hat es Ihrer Auf­fas­sung nach in den All­t­ag geschafft?
    Nach meinem Sprachge­fühl irgend etwas zwis­chen 0,5 und 2: “sup­port­en” als Verb glaube ich schon mehrfach gehört (oder gar ver­wen­det zu haben), und statt “searchen” wird heute üblicher­weise “googeln” ver­wen­det, was Sprach­nör­gler häu­fig für einen Anglizis­mus hal­ten. Zu welchem Ergeb­nis kom­men Sie? Und ist dieses Ergeb­nis so bedrohlich für die deutsche Sprache, dass es Under­cov­er-Aktio­nen gegen die Wikipedia-Regeln rechtfertigt?

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  21. Elka Sloan

    @detlef guertler
    Ich halte die deutsche Sprache nicht für bedro­ht. Ich gebrauche tagtäglich Anglizis­men. Mir geht es um Sprachäs­thetik, und darum, dass Men­schen die inhaltlich nichts zu sagen haben, dann doch bitte auch nicht glauben sollen, die schick­en neuen Wörter, mit denen sie um sich wer­fen, wür­den ihre Sprach­ab­son­derun­gen zu bahn­brechen­den Aus­sagen machen. 

    Die Wikipedia-Regeln sind sich­er wichtig, aber vielle­icht haben diese Men­schen sie ja mis­sachtet, weil sie sich nicht namentlich für ihre Ein­deutschungsver­suche beschimpfen lassen wollen.

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  22. klappnase

    @Elka Sloan:
    “Die Wikipedia-Regeln sind sich­er wichtig, aber vielle­icht haben diese Men­schen sie ja mis­sachtet, weil sie sich nicht namentlich für ihre Ein­deutschungsver­suche beschimpfen lassen wollen.”

    Wenn sie sich an die Wikipedia-Regeln gehal­ten hät­ten, gäbe es aber keine “Ein­deutschungsver­suche” für die irgend jemand sie beschimpfen kön­nte. Das Prob­lem ist doch nicht, dass jemand anonym bleibt, son­dern dass der Zweck der Wikipedia nicht ist neu erfun­dene Begriffe in die Sprache einzuführen, son­dern bere­its vorhan­dene Begriffe zu beschreiben.

    Und “Sprachäs­thetik” ist eben immer eine sehr sub­jek­tive Angele­gen­heit, möglicher­weise hat das eitle Geschwafel eines Cebit-Dampf­plaud­er­ers für andere Men­schen dur­chaus ästhetis­chen Wert, wer weiss das schon so genau? Und wer aufge­blase­nen schlaumeierischen Blödsinn daher­labern will der wird das immer tun, egal ob mit oder ohne Anglizis­men, sich drüber ärg­ern nützt da nichts.
    Wenn einen das “Geschwafel” (ob echt oder nur emp­fun­den) sein­er Mit­men­schen nervt hil­ft am Ende nur das alte Hausmittel:
    “Gar nicht ignorieren” 🙂

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