Anglizismus 2013: Publikumsabstimmung

Von Anatol Stefanowitsch

Fast drei Monate lang hat die Jury Nominierun­gen gesichtet und die aus­sicht­sre­ich­sten Wortkan­di­dat­en aus­führlich auf ihre Tauglichkeit geprüft, Anglizis­mus des Jahres 2013 zu wer­den. Aus fast hun­dert Bewer­bun­gen wur­den zunächst die sechzehn Wörter aus­gewählt, die den Kri­te­rien am besten entsprachen, die also a) ganz oder teil­weise aus englis­chem Wort­ma­te­r­i­al beste­hen, b) im Jahr 2013 in den Sprachge­brauch ein­er bre­it­eren Öffentlichkeit gelangt sind, und c) auf inter­es­sante Weise eine Lücke im deutschen Wortschatz füllen. Nach ein­er aus­führlichen Diskus­sion dieser sechzehn Wörter schickt die Jury nun elf Kan­di­dat­en in die Endrunde. Während sie hin­ter ver­schlosse­nen Türen hitzig debat­tiert, um pünk­tlich am 28. Jan­u­ar 2014 das Ergeb­nis verkün­den zu kön­nen, läuft bis Don­ner­stag auch die Pub­likumsab­stim­mung, bei der Sie Ihren per­sön­lichen Liebling wählen können.

Hier noch ein­mal die elf Wortkan­di­dat­en im Überblick, mit Links zu den entsprechen­den Blog­beiträ­gen im Sprachlog und lexiko­grafieblog und dem Faz­it der Jurymit­glieder, die sich das jew­eilige Wort näher ange­se­hen haben.

  1. Big Data: „Big Datajeden­falls ist 2013 in den Massen­me­di­en und in der Diskus­sion angekom­men. Gram­ma­tisch muss sich noch zeigen, ob eine weit­ere Inte­gra­tion dieses Aus­drucks ins Deutsche möglich und notwendig ist; inhaltlich beste­ht jeden­falls aktuelles Inter­esse an dem The­ma. Somit ein recht guter Kan­di­dat für denAnglizis­mus des Jahres 2013!“ (M. Mann)
  2. Cyber–: „Neben dem klaren Häu­figkeit­sanstieg von Wörtern mit Cyber– sind die zunehmende Inte­gra­tion sowie die Bedeu­tungsver­schiebung ein klar­er Hin­weis darauf, dass es sich bei dem Prä­fix trotz seines Alters um ein dynamis­ches und aktuelles sprach­lich­es Phänomen han­delt. Ich halte es deshalb für einen sehr viel stärk­eren Kan­di­dat­en, als es vielle­icht zunächst den Anschein hat­te.“ (A. Stefanowitsch)
  3. Fake-: „Ob es 2013 war, das primär für die Ver­bre­itung im Bewusst­sein ein­er bre­it­en Sprachöf­fentlichkeit ver­ant­wortlich war — das würde ich so nicht unter­schreiben. Es ist ja ver­bre­it­et, aber hat sich über Jahre schle­ichend aus­ge­bre­it­et… [V]ermutlich dürften es alle Kan­di­dat­en außer Nomen, Ver­ben und Adjek­tiv­en immer schw­er haben, dieses Kri­teri­um vol­lauf zu erfüllen. Ein Funk­tion­se­le­ment braucht sozusagen Inku­ba­tion­szeit. Geben wir sie ihm.“ (S. Flach)
  4. –gate: „Die gate–Bil­dun­gen wer­den immer kur­zlebiger, weil sie oft unwichtige Ereignisse beze­ich­nen und so schnell wieder vergessen sind, wie sie aufkom­men. Ger­ade durch die Ausweitung auf Ereignisse von kurz­er Rel­e­vanz wird … der Ein­satzbere­ich für -gate viel größer, es kön­nen also bedeu­tend mehr Bil­dun­gen entste­hen als zuvor, die Pro­duk­tiv­ität des Suf­fix­es steigt. Ich würde ihm daher dieses Jahr eine echte Chance ein­räu­men.“ (K. Kopf)
  5. Hash­tag: „Wurde es zunächst als rein­er Ver­schlag­wor­tungsmech­a­nis­mus betra­chtet, so bilde­ten sich darauf basierend bald Hash­tags her­aus, die einen Tweet kom­men­tierten … oder in einen Zusam­men­hang einord­neten… Diese prag­ma­tis­chen Funk­tio­nen find­en sich nun auch in der gesproch­enen Sprache, wo sie dazu dienen, eine Erzäh­lung zu bew­erten oder zu rah­men… Hash­tag als Anglizis­mus des Jahres 2013? #dafür.“ (K. Kopf)
  6. Pay­wall: „Was die Fre­quen­zsteigerung ange­ht, hat Pay­wall dieses Jahr nichts zu bieten… Ich halte Pay­wall für ein sehr inter­es­santes Wort – und zwar ger­ade wegen sein­er Entsprechung Bezahlschranke. Die ist jedoch der zweite Grund, warum ich Pay­wall als Anglizis­mus des Jahres 2013 keine Chan­cen ein­räume. Wenn ich wild spekulieren darf: Ich ver­mute, dass die Hochzeit (langes o!) von Pay­wall schon vor­bei ist.“ (K. Kopf)
  7. per­for­men: „Kan­di­dat per­for­men [ist] voll­ständig etabliert, sog­ar in tra­di­tionellen Kon­tex­ten (und Medi­en). Es ist auch unprob­lema­tisch inte­gri­ert ins deutsche Sys­tem, ver­hält sich syn­tak­tisch anders als seine ange­blichen Syn­onyme und hat eine Lücke beset­zt… Und trotz­dem fehlt irgend­wie das gewisse Etwas, dieses kribbel­nde fre­quenzbasierte AdJ-Wahl-Aha-Erleb­nis, das Alle­in­stel­lungsmerk­mal 2013. “ (S. Flach)
  8. Self­ie: „Für unsere Wahl hat [Self­ie] das gewisse Etwas, die kul­turelle Bedeu­tung, die Ver­bre­itung im Sprachge­brauch, … die lin­guis­tis­che Verzück­ung bei self por­trait > self­ie, die Pro­duk­tiv­ität bei der Bil­dung von Ableitun­gen und Kom­posi­ta, und natür­lich die Benen­nung eines Konzepts, was schon alt ist, aber bish­er keinen eige­nen Begriff hat­te. Aber — es fehlt ein wenig der Beitrag spez­i­fisch fürs Deutsche…“ (S.Flach)
  9. Thigh Gap: „Aus­nahm­sweise würde ich dafür plädieren, das deutsche Ober­schenkel­lücke zu ver­wen­den, denn Thigh Gap klingt als englis­ches Lehn­wort mehr nach glam­ourösem Mod­e­trend als nach ein­er neu­tralen Beschrei­bung eines anatomis­chen Zwis­chen­raums. Am Ende zählt [aber], wofür die Sprachge­mein­schaft sich entschei­det. Ich würde Thigh Gap deshalb als Außen­seit­er im Ren­nen um den Anglizis­mus des Jahres einord­nen, aber nicht als chan­cen­los.“ (A. Stefanowitsch)
  10. Veg­gie Day: „Dafür spricht, dass er durch die kon­tro­verse Berichter­stat­tung wirk­lich hohen Bekan­ntheits­grad erlangt hat [und] dass es einen all­ge­meinen Trend zu bewusster­er Ernährung gibt…. Dage­gen spricht, dass der Aus­druck als poli­tis­ches Schlag­wort wohl keine große Zukun­ft mehr hat, da er seit dem Grü­nen-Debakel als rel­a­tiv tot gel­ten muss [und] dass “eher” deutsche Alter­na­tiv­en ger­ade deswe­gen evtl. bevorzugt gewählt wer­den“ (M. Mann)
  11. Whistle­blow­er: „[Die] Diskus­sion um Whistleblower/innen wird sich­er so schnell nicht ver­s­tum­men…. Die Forderung nach mehr Trans­parenz von Seit­en der Öffentlichkeit wächst, und … das Whistle­blow­ing [wird] auch nach Snow­den eine wichtige Rolle spie­len. Insofern dürfte uns das Wort Whistleblower/in langfristig erhal­ten bleiben.“ (A. Stefanowitsch)

(Cross­post von Anglizis­mus des Jahres.)

3 Gedanken zu „Anglizismus 2013: Publikumsabstimmung

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