Blogspektrogramm 20/2015

Von Kristin Kopf

Diese Woche geht es im Spek­tro­gramm recht monothe­ma­tisch, aber keineswegs lang­weilig, fast nur um Dialek­te und sprach­liche Vari­a­tion — und am Ende gibts noch einen tollen Audi­olink zu Namen. Viel Spaß!

  • Vor­let­zte Woche haben wir ja ein Inter­view zu deutschen Dialek­ten mit Ste­fan Elspaß ver­linkt — der SPIEGEL hat das The­ma kurzzeit­ig für sich ent­deckt und noch einen Artikel über das Image von Dialek­ten veröf­fentlicht: »Wie aus­tauschbar die Zuschrei­bun­gen von Dialekt und Hochsprache sind, zeigt ein Pro­jekt von Plew­nias Kol­le­gen an der Uni­ver­sität Mannheim. Sie spiel­ten Schülern in Tansa­nia ohne Deutschken­nt­nisse Sprach­proben von Plattdeutsch‑, Saar­ländisch- und Hochdeutschsprech­ern vor. Die Teil­nehmer der Unter­suchung bew­erteten die Hochdeutschsprech­er durch­weg als kom­pe­ten­ter — wenn der Dialekt als solch­er beze­ich­net wurde.«
  • Und aus der gle­ichen Quelle gibts auch einen Mit­mach­link: Das unter­halt­same Dialek­tquiz Grüezi, Moin, Servus! von SPIEGEL und TAGESANZEIGER ist Ihnen vielle­icht schon über den Weg gelaufen. Sie ver­rat­en, was Fußball­spie­len bei Ihnen heißt und wie man sagt, wenn man eine Klasse­nar­beit schreibt — das Quiz rät, wo Sie herkom­men. Und zwar gar nicht schlecht. Oder? (Es gibt übri­gens auch eine App, die noch zusät­zliche Fea­tures hat.)
  • Wenn wir schon bei Dialek­ten sind: Was macht der Gruß Moin eigentlich in der Schweiz? WORTGESCHICHTEN hat es sich ange­se­hen: »Let­zthin wurde die Redak­tion ange­fragt, warum man denn das «bern­deutsche» Gruss­wort moin im Idi­otikon nicht finde. Nun, da moin also defin­i­tiv in der Schweiz angekom­men ist, darf es auch eine unser­er Wort­geschicht­en beanspruchen!«
  • Wie kann vergön­nen zwei völ­lig gegen­sät­zliche Dinge beze­ich­nen? FRAGEN SIE DR. BOPP weiß die Antwort: »Ich ver­mute, dass der NZZ eine dialek­tale Bedeu­tung von vergön­nen in die Tas­tatur gerutscht ist. In eini­gen Dialek­ten bedeutet vergön­nen näm­lich nicht gön­nen, gewähren, son­dern im Gegen­teil nicht gön­nen, miss­gön­nen
  • ABC Aus­tralia hat eine sehr span­nende Serie zu Namen: Tiger Webb sieht sich inter­es­sante Aspek­te zu Ruf­na­men, Fam­i­li­en­na­men, selb­st­gewählten Namen und Ort­sna­men an und spricht auf  unter­halt­same Weise mit allen möglichen Men­schen darüber: »What do our names say about us? From expec­tant par­ents ago­nis­ing over what to call their chil­dren to econ­o­mists using sur­names as a mea­sure­ment of track­ing soci­etal inequal­i­ty, Giv­en Names reveals the hid­den sto­ries behind some­thing all of us have, yet rarely think twice about. Find out what would lead musi­cians and authors to dis­guise their real names, and check in with the sur­pris­ing his­to­ry of place names – where an unas­sum­ing Queens­land beach might have links to pro­to-sci­ence fic­tion nov­els, Nazi mys­ti­cism, and a pop­u­lar salty meat extract.«

9 Gedanken zu „Blogspektrogramm 20/2015

  1. Mycroft

    Der Artikel über das Image von Dialek­ten ist ja witzig! Natür­lich ist es reine Machtwillkür, ähh, his­torisch gewach­sen, wenn man sagt: “Die Sprache in der Gegend von x ist jet­zt Stan­dard­sprache, und der Rest ist Dialekt.”
    Aber Men­schen in Tansa­nia rat­en zu lassen, welch­es Deutsch “richtiger” ist? Wenn man vorher sagt, welch­es die “richtige” Antwort ist, kriegt man eben die zu hören, wenn nicht, dann nicht. Ver­mut­lich würde genau das­selbe passieren, wenn man in Deutsch­land eine Klasse über chi­ne­sis­che Dialek­te befragt. Oder über Swahili-Dialek­te. Oder ara­bis­che. Oderoderoder.
    Ist ja lustig, aber ohne jede Aussagekraft.
    Gegen­test: Man spielt Men­schen ohne jede Deutschken­nt­nis einen Satz auf Hochdeutsch vor, dann densel­ben Satz mit falschen Gram­matike, und dann densel­ben Satz mit falsch­er Wort­wahl, aber alles “hochdeutsch” ausgesprochen.
    Würde irgendw­er erwarten, dass jemand ohne Deutschken­nt­nisse den richti­gen Satz erken­nen könne? (Errat­en schon.)

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  2. rolf

    Es geht darum, dass Leute die Kom­pe­tenz von Sprech­ern ein­schätzen soll­ten, ohne den Inhalt des Gesproch­enen zu ver­ste­hen. Also nur nach klan­glichen Kri­te­rien. Wenn man ihnen sagte, ein Text sei im Dialekt gesprochen, bew­erteten sie den Sprech­er als weniger kom­pe­tent, als wenn man behauptete, er würde die Stan­dard­sprache benutzen.

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  3. Mycroft

    Das habe ich schon ver­standen, aber erstens, wieso sollte der Klang der Aussprache ein Kri­teri­um für die Kom­pe­tenz der Sprechen­den sein? Wird die “Hochsprache” eines Lan­des nach ästhetis­chen Merk­malen aus­gewählt? Wieso nicht die Mundart der Gegend, wo die Leute die schön­ste Hand­schrift haben? Oder das leck­er­ste Essen kochen?

    Und selb­st, wenn eine “schöne” Aussprache ein Kom­pe­ten­zkri­teri­um wäre, dieser Test ist im Grunde folgender:
    Leute, deren eigene Kom­pe­tenz in der fraglichen Sache objek­tiv gle­ich Null ist, sollen sich zu der Kom­pe­tenz von Leuten äußern, deren Kom­pe­tenz größer als Null ist. (Würde sich Deutsche ohne Vorken­nt­nisse zutrauen, die kom­pe­ten­testen SwahilisprecherIn­nen zu erkennen?).
    Ein­er Gruppe dieser Leute wird eine Antwort vorgegeben, ein­er anderen nicht. Man hätte vllt. noch eine dritte Gruppe nehmen sollen, und der dann sagen, dass das saar­ländis­che Beispiel die Hochsprache sei.

    Die Gruppe ohne vorgegebene Antwort ratet ein­fach, die Gruppe mit vorgegeben­er Antwort gibt die vorgegebene Antwort.

    Umgekehrt, wenn bei­de Grup­pen gesagt hät­ten, dass die saar­ländisch sprechende Per­son ihrer Mei­n­ung nach die kom­pe­ten­testen Deutschsprachi­gen seien, was hätte das bewiesen? Oder man spielt bei dem Test spaße­shal­ber einen nieder­ländis­chen Satz vor; falls die TansanierIn­nen keinen Unter­schied erkan­nten, wäre das der Beweis, dass das Nieder­ländis­che und das Deutsche keine zwei ver­schiede­nen Sprachen sind?

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  4. Sebastian

    Die einzig richtige Antwort der Proban­den wäre aus diesem Grund zu sagen: Kom­pe­tenz und Sprachk­lang? Das hat doch über­haupt nichts miteinan­der zu tun, die Frage lässt sich nicht beantworten.

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  5. gnaddrig

    @ Mycroft:
    Umgekehrt, wenn bei­de Grup­pen gesagt hät­ten, dass die saar­ländisch sprechende Per­son ihrer Mei­n­ung nach die kom­pe­ten­testen Deutschsprachi­gen seien, was hätte das bewiesen? 

    Nichts anderes als die Ver­anstal­tung so schon gezeigt hat: Dass näm­lich kein Zusam­men­hang zwis­chen Dialekt bzw. Hochsprache und Intel­li­genz, Bil­dung, Kom­pe­tenz oder so beste­ht. Und dass offen­bar auch in Tansa­nia die Mei­n­ung ver­bre­it­et ist, Hochsprache sei bess­er oder wertvoller als Dialekt oder sei Zeichen beson­der­er Kom­pe­tenz. Das gibt die Befra­gung aber jet­zt auch schon her.

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  6. gnaddrig

    Ups, da habe ich zu kurz gele­sen. Ich hat­te “gele­sen”, dass in dem Szenario Saar­ländisch als Hochsprache augegeben wor­den wäre und sie Saar­ländis­chsprech­er deshalb für kom­pe­ten­ter gehal­ten hät­ten. Nur so macht der zweite Teil meines Kom­men­tars (ab “Und dass offen­bar auch…”) über­haupt Sinn…

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  7. Mycroft

    Die Ver­anstal­tung zeigt für mich nichts, als das Tansanierin­nen höfliche Men­schen sind. Wenn Deutschsprachige ihnen sagen: “Hören Sie, so und so klingt unsere Hochsprache.”, dann sagen sie: “Ja, das klingt doch gebildet.” (Ob sie uns hin­ter­her aus­lachen, sei mal dahingestellt.) Es beweist gar nichts, selb­st, wenn man mit dem Ergeb­nis zufrieden ist. Wenn man TansanierIn­nen fragt, ob es der, die oder das Nutel­la heißt, und ihnen die präferierte Antwort gibt, wer­den die höflicher­weise zus­tim­men, und man hat diesen Stre­it auch nicht gelöst.

    Mit “Kom­pe­tenz” kann hier ja nur “Sprachkom­pe­tenz” gemeint sein, nicht Intel­li­genz oder Bil­dung. Dialek­t­sprech­er ver­ste­hen hochsprach­liche Sätze i.d.R. prob­lem­los. Also fehlt es ihnen nicht an Wis­sen und Ver­stand. Umgekehrt sieht die Sache schon anders aus. Eigentlich sind die nicht-Dialek­t­sprechen­den ja dümmer.

    Neben­bei, Deutsche, die glauben, Dialekt wäre ein Symp­tom oder eine Ursache von Dummheit, wird man mit dem Urteil von Swahilisprachi­gen sowieso nicht erre­ichen. Die erre­icht man ja nicht ein­mal mit dem Urteil von Bay­ern, Franken, Schwaben, Hes­sen, Sach­sen, Öster­re­ich­ern, Berlin­ern, Baden, Hamburgern…*g

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  8. Pingback: Zuckersüß 158 | Zuckerbäckerei

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