Archiv der Kategorie: Altes Sprachlog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem alten Sprachlog auf der SciLogs-Plat­tform (2010–2012)

Sind Piratinnen Piraten?

Von Anatol Stefanowitsch

In einem Text, in dem ständig über eine oder mehrere gemis­cht­geschlechtliche Per­so­n­en­grup­pen gere­det wird, muss man eine Lösung dafür find­en, wie diese zu beze­ich­nen sind. Vor diesem Prob­lem ste­ht im Moment die Piraten­partei mit ihrer Satzung, in der durchgängig von Pirat­en die Rede ist, obwohl natür­lich auch Piratin­nen gemeint sind. Eine Rei­he von Liq­uid-Feed­back-Ini­ti­ta­tiv­en befasst sich aktuell mit der Frage, wie dieses Prob­lem zu lösen ist, und Miri­am Seyf­far­th hat mich über Twit­ter gefragt, wie ich diese Ini­ti­ta­tiv­en bew­erte und ob ich bessere Vorschläge habe.

Natür­lich nutze ich die Gele­gen­heit gerne, dieses all­ge­meine Prob­lem anhand der Satzung der Piraten­partei und der erwäh­n­ten Ini­ti­ta­tiv­en zu diskutieren.

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Sprachbrocken 21.2/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Die Bibel ist nicht nur eins der am meis­ten verkauften und am wenig­sten gele­se­nen, son­dern auch eins der am häu­fig­sten über­set­zten Büch­er. In über 400 Sprachen ist sie über­tra­gen wor­den, und seit kurzem, so meldet die Süd­deutsche Zeitung, zählt zu diesen Sprachen auch die Sprache der kanadis­chen Inu­it. Ein­fach war es wohl nicht, diese Über­set­zung anzufer­ti­gen, denn das Inuk­ti­tut hat keine Wörter für zen­trale bib­lis­che Konzepte wie den „Esel“ auf dem Jesus reit­et, die „Schäfchen“ (wie die Fol­low­er des „guten Hirten“ ja gerne beze­ich­net wer­den), das „Kamel“ oder die „Palme“. Man kön­nte sich nun fra­gen, was diese Konzepte eigentlich zur Botschaft des guten Buch­es beitra­gen und ob es nicht ark­tis­che Äquiv­a­lente gibt, die den Zweck eben­sogut erfüllen. Aber stattdessen entsch­ied man sich für Para­phrasen: Der Esel wurde zum „Tier, das lange Ohren hat“, der gute Hirte (ange­blich) zum „Babysit­ter für Schlit­ten­hunde“ und das Schaf zum „Tier mit gekräusel­tem Haar“. Das Kamel und die Palme blieben unüber­set­zt, wobei unklar bleibt, was gegen das „Tier mit den zwei Fet­tk­lopsen auf dem Rück­en“ oder den „Baum, der wie ein umge­drehter Wis­chmop aussieht“ sprach.

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Sprachbrocken 21.1/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Manch­mal quäle ich mich ja etwas, um für diese Kolumne inter­es­sante oder kuriose Mel­dun­gen über Sprache und Sprachen zusam­men­zuk­lauben, aber diese Woche war die Aus­beute so reich­haltig, dass sie für zwei Mal Sprach­brock­en reicht. Und da ich zur Zeit son­st nicht viel schreibe, bekom­men die geschätzen Leser/innen des Sprachlogs deshalb heute und mor­gen eine Por­tion. Der erste Gang ste­ht dabei ganz im Zeichen unser­er Fre­unde vom Vere­in Deutsche Sprache, die ihr fehlen­des Wis­sen über Sprache ja stets sehr lobenswert durch lin­guis­tis­che Igno­ranz wettmachen.

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Sprachbrocken 19–20/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Da gibt es eine winzige sprach­liche Min­der­heit, die sich nicht nur weigert, die Sprache der Mehrheit zu ler­nen, son­dern die es sog­ar geschafft hat, ihre Sprache durch Geset­ze schützen zu lassen. Und jet­zt beschw­ert sich diese Min­der­heit, die nur knapp 0,7 Prozent der Bevölkerung stellt, dass die Ret­tungsstellen nicht rund um die Uhr mit Leuten beset­zt sind, die ihre Sprache sprechen.

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Sprachbrocken 18/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Wer mehrere Sprachen spricht, hat nicht nur mehr Gesprächspartner/innen, son­dern auch ein feineres Gehör. Das haben, wie man so schön sagt, amerikanis­che Wis­senschaftler her­aus­ge­fun­den (das Forschung­steam aus vier Frauen und einem Mann wird in der dpa-Mel­dung übri­gens kon­se­quent mit dem maskulinum „US-Forsch­er“ beze­ich­net — der klare Beweis dafür, dass es ein gener­isches Maskulinum sex­is­tis­che Sprache gibt). Es han­delt sich übri­gens um eine neu­rol­o­gis­che Studie mit spanisch-englis­chsprachig aufgewach­se­nen Teenagern, die zeigt, dass die Silbe da, die die Ver­suchsper­so­n­en in ein­er Train­ingsphase mehrfach vorge­spielt beka­men, bei den bilin­gualen Ver­suchsper­so­n­en unter durch Hin­ter­grundgeräusche erschw­erten Hörbe­d­i­n­un­gen eine deut­lichere Reak­tion im Hirn­stamm her­vor­rief als bei der mono­lin­gualen Kon­troll­gruppe (die Studie gibt es hier).

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Sag mir was du siezt

Von Anatol Stefanowitsch

Die Apotheken Umschau (sie schreibt sich wirk­lich so, was mich nicht weit­er stört, was ich aber trotz­dem gesagt haben will, falls es andere stört, die dann näm­lich wis­sen, dass es mich nicht stört) veröf­fentlicht jeden Monat eine repräsen­ta­tive Umfrage zu aktuellen The­men wie„Opfer des Jo-Jo-Effek­ts: Frauen oft von neuen Diät­meth­o­d­en ent­täuscht — Jede Zweite nahm rasch wieder zu“, „Trend zum rasierten Mann: Män­ner — vor allem die jün­geren — ent­fer­nen nicht mehr nur den Bart“, „Tal­is­man im Täschchen: Glücks­bringer sind Frauen­sache“ oder„Riskantes Fieber­messen mit Glas: Jed­er Vierte in Deutsch­land benutzt noch ein herkömm­lich­es Ther­mome­ter“ – ein regel­recht­es kleines Fen­ster in die deutsche Volksseele.

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Sprachbrocken 17/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Da macht man sich ein biss­chen über die ange­bliche Mod­ell­haftigkeit des Lateinis­chen lustig und schlägt vor, doch lieber mod­erne Fremd­sprachen oder Piratisch zu ler­nen, und kurz darauf disku­tiert die deutsche Medi­en­land­schaft auf bre­it­er Ebene über die Sprache der alten Römer. Wie Der West­en berichtet, find­et plöt­zlich auch die Bun­desvere­ini­gung der Deutschen Arbeit­ge­berver­bände, dass der Latei­n­un­ter­richt nicht dazu taugt, die Schüler/innen zu zukün­fti­gen „Beschäftigten“ auszu­bilden. Und was tut der Vor­sitzende des Alt­philolo­gen­ver­ban­des, von dem die Idee der Mod­ell­haftigkeit stammt? Er stimmt zu: „Wer Rich­tung Wirtschaft denkt, ist mit aus­ge­fal­l­enen Sprachen wie Ara­bisch oder Chi­ne­sisch bess­er beraten.“

Und Rich­tung Wirtschaft denkt ja schließlich ganz Deutschland.

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Nackt im Schatten

Von Anatol Stefanowitsch

Schon mehrfach haben mich meine Co-Blog­ger Joachim Schulz (Quan­ten­welt) und Dierk Haa­sis (Con Text) gebeten, doch mal etwas über die englis­chen Wort­paare shadow/shade bzw. naked/nude zu schreiben (wer sich für welch­es Wort­paar inter­essiert hat, dürfte offen­sichtlich sein). Ich hätte ihnen den Gefall­en auch schon längst getan, nur ist mir nie eine inter­es­sante Per­spek­tive dazu einge­fall­en. Es sind eben Fälle, in denen es im Englis­chen zwei Wörter gibt, wo das Deutsche nur eins hat (nackt, bzw. Schatten).

Ein inter­es­santes The­ma wäre die Frage, ob das Englis­che grund­sät­zlich feinere Bedeu­tung­sun­ter­schei­dun­gen trifft, als andere (europäis­che) Sprachen. Ich habe diese Behaup­tung ab und zu während meines Studi­ums oder von Kolleg/innen gehört, und völ­lig unplau­si­bel ist sie nicht. Das Englis­che stand während der mehrere Hun­dert Jahre währen­den nor­man­nis­chen Besatzung in einem engen Kon­takt zum Franzö­sis­chen und hat in dieser Zeit außergewöhn­lich viele Lehn­wörter aufgenom­men, ohne die schon vorhan­de­nen Wörter auszu­sortieren; der englis­che Wortschatz ist deswe­gen an vie­len Stellen umfan­gre­ich­er als bei Sprachen mit wenig Lehngut, und das müsste ja eine Aus­d­if­feren­zierung von Bedeu­tun­gen mit sich brin­gen. Aber das tat­säch­lich zu unter­suchen, würde den Rah­men dieses Blogs natür­lich sprengen.

Weniger inter­es­sant schien es mir, die Bedeu­tung­sun­ter­schiede ein­fach zu erk­lären. Das Sprachlog ist schließlich kein Wörter­buch: Wenn Dierk und Joachim den Bedeu­tung­sun­ter­schied zwis­chen nude und naked oder shad­ow und shade wis­sen wollen, sollen sie ihn nach­schla­gen. Dachte ich zumin­d­est, bis ich das selb­st getan habe. Denn Wörter­büch­er helfen nicht unbe­d­ingt weiter.

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Sprachbrocken 16/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Dass die deutsche Sprache ver­fällt, ist eine trau­rige Tat­sache, an der wir in den Sprach­brock­en nur schw­er vor­beikom­men. In Cot­tbus beispiel­sweise, erfahren wir in einem Leser­brief in der Lausitzer Rund­schau, wird Deutsch nur noch zu Hause gesprochen — in der Öffentlichkeit bedi­ent man sich nur noch der „Sprache der Vere­inigten Staat­en von Ameri­ka“ (wom­it ver­mut­lich Englisch gemeint ist). So wer­den „deutsche iden­titätss­tif­tende Werte unter den Tisch gekehrt“.

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