Von einer Zeitschrift, die nach einem mächtigen weißen Mann benannt ist, erwarten wir, dass sie die Befindlichkeiten mächtiger weißer Männer vertritt, und der CICERO erfüllt diese Erwartungen immer wieder in vorbildlichster Weise. Im April hat man(n) sogar das Titelthema ganz der Unterdrückung mächtiger weißer Männer gewidmet. Und der grausamen Mechanismen, mittels derer sie unterdrückt werden – dem „Veggie Day“, zum Beispiel, der den Fleischesser im Manne unterdrückt, in dem ihm vorgeschlagen wird, an einem Tag in der Woche auf Fleisch zu verzichten. Oder Unisex-Toiletten, die den heterosexuellen, cis-gegenderten Mann im Manne unterdrücken, indem sie einfach nur da sind. Aber das grausamste Unterdrückungswerkzeug von allen ist natürlich die Sprache, die den Verballibertären im Manne zu „schrillsten PC-Blüten“ – wo habe ich nur kürzlich schon einmal das Wort „schrill“ gelesen? – zwingt. Bei den Belegen für diese schrillen PC-Blüten vermischt man(n) munter wünschenswerte, aber nicht-existente Beispiele gerechter Sprache wie BürgermeisterInnenkandidatIn (350 Google-Treffer, allesamt auf Seiten, die sich über „Political Correctness“ beömmeln) mit mächtigeweißemännerhumorigen Pseudobeispielen gerechter Sprache wie Maximalpigmentierte. Außerdem wird viel gejammert. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Diskriminierende Sprache
Sprachbrocken 5/2013
Dass die traditionellen Medien insgesamt mit dem Thema Alltagssexismus hoffnungslos überfordert sind, haben sie ja zur Genüge bewiesen, aber der HESSISCHE RUNDFUNK hat sich offenbar vorgenommen, in merkbefreite Zonen vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor betreten hat. Claudia Sautter erklärt uns dort, dass das Ganze quasi nur ein sprachliches Problem sei: Früher (ach, früher!) da habe es „eine Sprache der Erotik [gegeben] die alle verstanden.“ Aber irgendwie ist uns diese „öffentlich anerkannte Sprache der Erotik“ verloren gegangen. „Männer und Frauen in Deutschland“ wüssten schlicht nicht mehr, „wie man sich geistreich Anzüglichkeiten“ sage, ohne gleich die „mediale Sittenpolizei“ auf dem Hals zu haben. Allgemeine Ratlosigkeit herrscht diesbezüglich auch bei der Bildredaktion des HR: „Wie sollte ‘Mann’ das Dekolleté einer Frau würdigen?“ fragt die Bildunterschrift des Fotos eines (kopflosen) Dekolletés, mit dem der Beitrag vorhersagbar, ja unvermeidlich illustriert wird. Weiterlesen
Sprachbrocken 1/2013
Ich bin ein wenig enttäuscht: Da beugt sich ein Verlag dem Meinungsterror der Gutmenschen und zerstört unwiderbringich einen bis dato sakrosankten Text, ein unverzichtbares Zeitzeugnis der deutschen Mythologie, und das deutsche Feuilleton schweigt. Kein weißer Ritter, der zum Endkampf um die Meinungshoheit — entschuldigung, Meinungsfreiheit (Freudsche Fehlleistung, ist mir so durchgerutscht) bläst, niemand, der, wenn er das Abendland schon nicht vor dem Untergang bewahren kann, wenigstens mit fliegenden Druckfahnen mit ihm untergeht.
[Hinweis: Der folgende Text enthält Beispiele rassistischer Sprache.] Weiterlesen
Für Gott und Pippi Langstrumpf
Man kann — und muss — Kristina Schröder für vieles kritisieren — ihren schiefen Extremismusbegriff und die Folgen, die der für die Förderung von Initiatven gegen Rechtsextremismus hatte, ihren leichtfertigen Umgang mit rechtspopulistischen Schlagworten wie dem von der „deutschenfeindlichen Gewalt“ und maskulistischen wie dem von der „jungenfeindlichen Pädagogik“, und ganz allgemein natürlich ihre oft antifeministische und antiemanzipatorische Weltsicht, wie sie z.B. in ihrem Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber: Abschied vom Diktat der Rollenbilder“ zum Ausdruck kommt.
Darüber vergisst man dann leicht, dass ihre konkreten familienpolitischen Positionen deutlich progressiver sind als die der Mehrheit ihrer Partei (was ja auch der Grund ist, warum sie sich mit diesen Positionen nie durchsetzen kann).
[Hinweis: Im folgenden Text werden Beispiele rassistischer Sprache zitiert.] Weiterlesen
Flüchtlinge und Geflüchtete
Vorschläge für sensible Sprachregelungen treffen selten auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Sie ziehen Vorwürfe von „Zensur“, „Denkverboten“ und natürlich „politischer Korrektheit“ an, wie das Licht die Motten. ((Mit „politischer Korrektheit“ meinen diejenigen, die sie anderen vorwerfen, natürlich nichts Gutes und die Metapher vom Licht (der Vernunft) und den Motten (aus der ~kiste der Geschichte) gefällt mir immer besser, je öfter ich sie lese.))
So auch bei dem Vorschlag, Flüchtlinge lieber als Geflüchtete zu bezeichnen. Dieser Vorschlag ist nicht völlig neu, aber er erreicht immer wieder mal eine breitere Öffentlichkeit, z.B. während des No-Border-Camps in Köln im Juni oder während der aktuellen als Refugee Camp bezeichneten Demonstrationen.
Warum diese (oder irgendeine andere) Sprachregelung sinnvoll sein könnte, fragen die Gegner politischer Korrektheit nie: für sie ist klar, dass jede Sprachregelung erstens überflüssig und zweitens ein schwerer Fall von Sprachverhunzung ist. Überflüssig, weil das Wort, um das es jeweils geht, doch völlig unproblematisch sei, und Sprachverhunzung, weil für sie jede ungewohnte Formulierung eine ästhetische Gefahr darstellt. Sehen wir uns deshalb diese zwei Aspekte anhand des Begriffspaars Flüchtlinge/Geflüchtete näher an, denn es lassen sich daran die Überlegungen verdeutlichen, die bei Vorschlägen für Sprachregelungen immer eine Rolle spielen. [Hinweis: Der folgende Text enthält Beispiele rassistischer Sprache]. Weiterlesen
Sprache und Plattformneutralität
Mein Vortrag „Sprache und Plattformneutralität“, in dem ich über einige Aspekte von Ungleichheit und Diskriminierung von Sprache spreche, ist auf YouTube verfügbar. Ich verlinke ihn hier nur noch einmal, um einen Ort für die Literaturliste und für kleine inhaltliche Korrekturen zu haben.
Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem
Wenn ich meiner Tochter früher die Bücher Pippi Langstrumpf geht an Bord und Pippi auf Taka-Tuka-Land vorgelesen habe, sah ich mich zu redaktionellen Änderungen gezwungen: Die Bücher enthalten eine Reihe rassistischer Ausdrücke, die ich beim Vorlesen stillschweigend durch annähernd neutrale Wörter ersetzt habe.
[Hinweis: Der folgende Beitrag enthält Beispiele rassistischer Sprache.} Weiterlesen
Gerechte Sprache und Sprachpurismus
Ich werde immer wieder dafür kritisiert, dass ich mich um politisch korrekte Sprache bemühe (siehe z.B. hier, hier und hier), obwohl dies doch im direkten Gegensatz zu meiner Grundüberzeugung stünde, dass ein normatives Herangehen an Sprache sinnlos und falsch sei. Sehr klar hat diese Kritik Sprachlogleser Gregor in einem Kommentar zu meinem Beitrag über das Wort Rehkid formuliert:
Ich finde diesen Blog durchaus interessant und relevant, und obwohl ich persönlich durchaus für eine behutsame Sprachpflege bin, kann ich vieles, was hier gesagt wird, nachvollziehen.
Ich finde nur, dass A.S. zwei Rollen einnimmt, die er aus meiner Sicht etwas sauberer trennen sollte.
Einerseits tritt er uns als der entspannte Sprachexperte entgegen, der übereifrigen Sprachpuristen die Sinnlosigkeit ihres Treibens auf wissenschaftlich fundierte Weise vorhält.
Andererseits ist er selbst engagierter Sprachpolitiker, der bestimmte Positionen zum Thema Sprache von seinen Normen her polemisch kritisiert und andere positiv darstellt.
Beides ist legitim. Allerdings fände ich es fairer, wenn er offen sagen würde „ich lehne von meiner gesellschaftspolitischen Position her das Bemühen ab, die deutsche Sprache von Anglizismen zu reinigen, weil dieses Bestreben historisch oft mit nationalistischem Gedankengut gepaart war und bin für eine politisch korrekte Sprache, weil diese Diskriminierung entgegenwirken kann“ (oder so ähnlich). Anstatt dessen wechselt er je nach Bedarf zwischen der Rolle des neutralen Experten, der das Tun anderer analysiert, und des Sprachpolitikers, der uns seine eigene Meinung unterjubeln will.
Wenn ich mich nicht irre, habe ich auf diese Kritik noch nie eine ausführliche Antwort gegeben. Höchste Zeit also.
Pippi Langstrumpf, N****prinzessin
Wenn die Bewohner einer Südseeinsel in einem Kinderbuch aus den vierziger Jahren mit einem krassen rassistischen Ausdruck bezeichnet werden, muss man das dann hinnehmen oder darf man bei einer Neuauflage sprachlich eingreifen? Wäre es eine zeitgemäße Modernisierung, solche Wörter durch neutrale Begriffe zu ersetzen, oder wäre das übertriebene „Political Correctness“, Zensur, ein Eingriff in ein unantastbares Kunstwerk?
[Hinweis: Der folgende Text und die Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache]
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Legosexismus
Ich wollte heute für meine Töchter Legomännchen kaufen, und musste die erschreckende Feststellung machen, dass diese mit überwältigender Mehrheit genau das sind: Männchen. Es gab überhaupt nur drei weibliche Legofiguren: eine junge Dame in einem spießigen geblümten Oberteil, die auf einer Bank sitzt und Musik aus einem Ghettoblaster hört (Erde an Lego: Bitte einmal „iPod“ googeln), eine Tochter aus gutem Hause, die auf einem Pferd neben einem landroverartigen Auto mit Pferdeanhänger sitzt, und eine Milchmagd mit einer Kuh auf einem Bauernhof. Letztere ist im Lego-Universum — oder dem Teil, der gerade beim nächsten Karstadt herumsteht — die einzige Frau, die einer Beschäftigung nachgeht. Alle anderen Berufstätigen sind Männer: von Sachbearbeitern mit Aktenkoffer über Piloten, Ingenieure, Polizisten, Feuerwehrmänner, Bauarbeiter und Müllmänner bis zu Piraten und futuristischen „Power Miners.“
[Hinweis: Der folgende Text enthält Beschreibungen rassistischer Stereotype und (durch Sternchen entschärfte) Beispiele rassistischer Sprache. Einige Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache.] Weiterlesen