Schlagwort-Archive: Diskriminierende Sprache

Sprachbrocken 12/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Von ein­er Zeitschrift, die nach einem mächti­gen weißen Mann benan­nt ist, erwarten wir, dass sie die Befind­lichkeit­en mächtiger weißer Män­ner ver­tritt, und der CICERO erfüllt diese Erwartun­gen immer wieder in vor­bildlich­ster Weise. Im April hat man(n) sog­ar das Titelthe­ma ganz der Unter­drück­ung mächtiger weißer Män­ner gewid­met. Und der grausamen Mech­a­nis­men, mit­tels der­er sie unter­drückt wer­den – dem „Veg­gie Day“, zum Beispiel, der den Fleis­chess­er im Manne unter­drückt, in dem ihm vorgeschla­gen wird, an einem Tag in der Woche auf Fleisch zu verzicht­en. Oder Uni­sex-Toi­let­ten, die den het­ero­sex­uellen, cis-gegen­derten Mann im Manne unter­drück­en, indem sie ein­fach nur da sind. Aber das grausam­ste Unter­drück­ungswerkzeug von allen ist natür­lich die Sprache, die den Ver­bal­lib­ertären im Manne zu „schrill­sten PC-Blüten“ – wo habe ich nur kür­zlich schon ein­mal das Wort „schrill“ gele­sen? – zwingt. Bei den Bele­gen für diese schrillen PC-Blüten ver­mis­cht man(n) munter wün­schenswerte, aber nicht-exis­tente Beispiele gerechter Sprache wie Bürg­er­meis­terIn­nenkan­di­datIn (350 Google-Tre­f­fer, alle­samt auf Seit­en, die sich über „Polit­i­cal Cor­rect­ness“ beöm­meln) mit mächtigeweißemän­ner­hu­mori­gen Pseudobeispie­len gerechter Sprache wie Max­i­malpig­men­tierte. Außer­dem wird viel gejam­mert. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 5/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Dass die tra­di­tionellen Medi­en ins­ge­samt mit dem The­ma All­t­ags­sex­is­mus hoff­nungs­los über­fordert sind, haben sie ja zur Genüge bewiesen, aber der HESSISCHE RUNDFUNK hat sich offen­bar vorgenom­men, in merk­be­fre­ite Zonen vorzu­drin­gen, die nie ein Men­sch zuvor betreten hat. Clau­dia Saut­ter erk­lärt uns dort, dass das Ganze qua­si nur ein sprach­lich­es Prob­lem sei: Früher (ach, früher!) da habe es „eine Sprache der Erotik [gegeben] die alle ver­standen.“ Aber irgend­wie ist uns diese „öffentlich anerkan­nte Sprache der Erotik“ ver­loren gegan­gen. „Män­ner und Frauen in Deutsch­land“ wüssten schlicht nicht mehr, „wie man sich geistre­ich Anzüglichkeit­en“ sage, ohne gle­ich die „medi­ale Sit­ten­polizei“ auf dem Hals zu haben. All­ge­meine Rat­losigkeit herrscht dies­bezüglich auch bei der Bil­dredak­tion des HR: „Wie sollte ‘Mann’ das Dekol­leté ein­er Frau würdi­gen?“ fragt die Bil­dun­ter­schrift des Fotos eines (kopflosen) Dekol­letés, mit dem der Beitrag vorher­sag­bar, ja unver­mei­dlich illus­tri­ert wird. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 1/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin ein wenig ent­täuscht: Da beugt sich ein Ver­lag dem Mei­n­ung­ster­ror der Gut­men­schen und zer­stört unwider­bringich einen bis dato sakrosank­ten Text, ein unverzicht­bares Zeitzeug­nis der deutschen Mytholo­gie, und das deutsche Feuil­leton schweigt. Kein weißer Rit­ter, der zum End­kampf um die Mei­n­ung­shoheit — entschuldigung, Mei­n­ungs­frei­heit (Freud­sche Fehlleis­tung, ist mir so durchgerutscht) bläst, nie­mand, der, wenn er das Abend­land schon nicht vor dem Unter­gang bewahren kann, wenig­stens mit fliegen­den Druck­fah­nen mit ihm untergeht.

[Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.] Weit­er­lesen

Für Gott und Pippi Langstrumpf

Von Anatol Stefanowitsch

Man kann — und muss — Kristi­na Schröder für vieles kri­tisieren — ihren schiefen Extrem­is­mus­be­griff und die Fol­gen, die der für die Förderung von Ini­ti­atven gegen Recht­sex­trem­is­mus hat­te, ihren leicht­fer­ti­gen Umgang mit recht­spop­ulis­tis­chen Schlag­worten wie dem von der „deutschen­feindlichen Gewalt“ und maskulis­tis­chen wie dem von der „jun­gen­feindlichen Päd­a­gogik“, und ganz all­ge­mein natür­lich ihre oft antifem­i­nis­tis­che und antie­manzi­pa­torische Welt­sicht, wie sie z.B. in ihrem Buch „Danke, emanzip­iert sind wir sel­ber: Abschied vom Dik­tat der Rol­len­bilder“ zum Aus­druck kommt.

Darüber ver­gisst man dann leicht, dass ihre konkreten fam­i­lien­poli­tis­chen Posi­tio­nen deut­lich pro­gres­siv­er sind als die der Mehrheit ihrer Partei (was ja auch der Grund ist, warum sie sich mit diesen Posi­tio­nen nie durch­set­zen kann).

[Hin­weis: Im fol­gen­den Text wer­den Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache zitiert.] Weit­er­lesen

Flüchtlinge und Geflüchtete

Von Anatol Stefanowitsch

Vorschläge für sen­si­ble Sprachregelun­gen tre­f­fen sel­ten auf Gegen­liebe. Im Gegen­teil: Sie ziehen Vor­würfe von „Zen­sur“, „Denkver­boten“ und natür­lich „poli­tis­ch­er Kor­rek­theit“ an, wie das Licht die Mot­ten. ((Mit „poli­tis­ch­er Kor­rek­theit“ meinen diejeni­gen, die sie anderen vor­w­er­fen, natür­lich nichts Gutes und die Meta­pher vom Licht (der Ver­nun­ft) und den Mot­ten (aus der ~kiste der Geschichte) gefällt mir immer bess­er, je öfter ich sie lese.))

So auch bei dem Vorschlag, Flüchtlinge lieber als Geflüchtete zu beze­ich­nen. Dieser Vorschlag ist nicht völ­lig neu, aber er erre­icht immer wieder mal eine bre­it­ere Öffentlichkeit, z.B. während des No-Bor­der-Camps in Köln im Juni oder während der aktuellen als Refugee Camp beze­ich­neten Demon­stra­tio­nen.

Warum diese (oder irgen­deine andere) Sprachregelung sin­nvoll sein kön­nte, fra­gen die Geg­n­er poli­tis­ch­er Kor­rek­theit nie: für sie ist klar, dass jede Sprachregelung erstens über­flüs­sig und zweit­ens ein schw­er­er Fall von Sprachver­hun­zung ist. Über­flüs­sig, weil das Wort, um das es jew­eils geht, doch völ­lig unprob­lema­tisch sei, und Sprachver­hun­zung, weil für sie jede unge­wohnte For­mulierung eine ästhetis­che Gefahr darstellt. Sehen wir uns deshalb diese zwei Aspek­te anhand des Begriff­s­paars Flüchtlinge/Geflüchtete näher an, denn es lassen sich daran die Über­legun­gen verdeut­lichen, die bei Vorschlä­gen für Sprachregelun­gen immer eine Rolle spie­len. [Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache]. Weit­er­lesen

Sprache und Plattformneutralität

Von Anatol Stefanowitsch

Mein Vor­trag „Sprache und Plat­tform­neu­tral­ität“, in dem ich über einige Aspek­te von Ungle­ich­heit und Diskri­m­inierung von Sprache spreche, ist auf YouTube ver­füg­bar. Ich ver­linke ihn hier nur noch ein­mal, um einen Ort für die Lit­er­aturliste und für kleine inhaltliche Kor­rek­turen zu haben.

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Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn ich mein­er Tochter früher die Büch­er Pip­pi Langstrumpf geht an Bord und Pip­pi auf Taka-Tuka-Land vorge­le­sen habe, sah ich mich zu redak­tionellen Änderun­gen gezwun­gen: Die Büch­er enthal­ten eine Rei­he ras­sis­tis­ch­er Aus­drücke, die ich beim Vor­lesen stillschweigend durch annäh­ernd neu­trale Wörter erset­zt habe.

[Hin­weis: Der fol­gende Beitrag enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.} Weit­er­lesen

Gerechte Sprache und Sprachpurismus

Von Anatol Stefanowitsch

Ich werde immer wieder dafür kri­tisiert, dass ich mich um poli­tisch kor­rek­te Sprache bemühe (siehe z.B. hier, hier und hier), obwohl dies doch im direk­ten Gegen­satz zu mein­er Grundüberzeu­gung stünde, dass ein nor­ma­tives Herange­hen an Sprache sinn­los und falsch sei. Sehr klar hat diese Kri­tik Sprachlogleser Gre­gor in einem Kom­men­tar zu meinem Beitrag über das Wort Rehkid formuliert:

Ich finde diesen Blog dur­chaus inter­es­sant und rel­e­vant, und obwohl ich per­sön­lich dur­chaus für eine behut­same Sprach­pflege bin, kann ich vieles, was hier gesagt wird, nachvollziehen.

Ich finde nur, dass A.S. zwei Rollen ein­nimmt, die er aus mein­er Sicht etwas sauber­er tren­nen sollte.

Ein­er­seits tritt er uns als der entspan­nte Sprachex­perte ent­ge­gen, der übereifrigen Sprach­puris­ten die Sinnlosigkeit ihres Treibens auf wis­senschaftlich fundierte Weise vorhält.

Ander­er­seits ist er selb­st engagiert­er Sprach­poli­tik­er, der bes­timmte Posi­tio­nen zum The­ma Sprache von seinen Nor­men her polemisch kri­tisiert und andere pos­i­tiv darstellt.

Bei­des ist legit­im. Allerd­ings fände ich es fair­er, wenn er offen sagen würde „ich lehne von mein­er gesellschaft­spoli­tis­chen Posi­tion her das Bemühen ab, die deutsche Sprache von Anglizis­men zu reini­gen, weil dieses Bestreben his­torisch oft mit nation­al­is­tis­chem Gedankengut gepaart war und bin für eine poli­tisch kor­rek­te Sprache, weil diese Diskri­m­inierung ent­ge­gen­wirken kann“ (oder so ähn­lich). Anstatt dessen wech­selt er je nach Bedarf zwis­chen der Rolle des neu­tralen Experten, der das Tun ander­er analysiert, und des Sprach­poli­tik­ers, der uns seine eigene Mei­n­ung unter­jubeln will.

Wenn ich mich nicht irre, habe ich auf diese Kri­tik noch nie eine aus­führliche Antwort gegeben. Höch­ste Zeit also.

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Pippi Langstrumpf, N****prinzessin

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn die Bewohn­er ein­er Süd­seein­sel in einem Kinder­buch aus den vierziger Jahren mit einem krassen ras­sis­tis­chen Aus­druck beze­ich­net wer­den, muss man das dann hin­nehmen oder darf man bei ein­er Neuau­flage sprach­lich ein­greifen? Wäre es eine zeit­gemäße Mod­ernisierung, solche Wörter durch neu­trale Begriffe zu erset­zen, oder wäre das über­triebene „Polit­i­cal Cor­rect­ness“, Zen­sur, ein Ein­griff in ein unan­tast­bares Kunstwerk?

[Hin­weis: Der fol­gende Text und die Kom­mentare enthal­ten Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache]
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Legosexismus

Von Anatol Stefanowitsch

Ich wollte heute für meine Töchter Legomän­nchen kaufen, und musste die erschreck­ende Fest­stel­lung machen, dass diese mit über­wälti­gen­der Mehrheit genau das sind: Män­nchen. Es gab über­haupt nur drei weib­liche Legofig­uren: eine junge Dame in einem spießi­gen geblümten Oberteil, die auf ein­er Bank sitzt und Musik aus einem Ghet­to­blaster hört (Erde an Lego: Bitte ein­mal „iPod“ googeln), eine Tochter aus gutem Hause, die auf einem Pferd neben einem lan­drover­ar­ti­gen Auto mit Pfer­dean­hänger sitzt, und eine Milch­magd mit ein­er Kuh auf einem Bauern­hof. Let­ztere ist im Lego-Uni­ver­sum — oder dem Teil, der ger­ade beim näch­sten Karstadt herum­ste­ht — die einzige Frau, die ein­er Beschäf­ti­gung nachge­ht. Alle anderen Beruf­stäti­gen sind Män­ner: von Sach­bear­beit­ern mit Aktenkof­fer über Piloten, Inge­nieure, Polizis­ten, Feuer­wehrmän­ner, Bauar­beit­er und Müllmän­ner bis zu Pirat­en und futur­is­tis­chen „Pow­er Miners.“

[Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beschrei­bun­gen ras­sis­tis­ch­er Stereo­type und (durch Sternchen entschärfte) Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache. Einige Kom­mentare enthal­ten Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.] Weit­er­lesen