Schlagwort-Archive: Spanisch

Die Moschee des Kolumbus

Von Anatol Stefanowitsch

Haben mus­lim­is­che Seefahrer Ameri­ka ent­deckt, wie es der türkische Min­is­ter­präsi­dent Erdoğan behauptet? Nein, natür­lich nicht. Die Ure­in­wohn­er Amerikas haben Ameri­ka ent­deckt, und zwar vor über fün­fzehn­tausend Jahren, als es noch keine Mus­lime gab. Aber, und das meint Erdoğan ja, haben mus­lim­is­che Seefahrer Ameri­ka vor Christoph Kolum­bus besucht? Erdoğans Beleg für seine Behaup­tung ist eine Moschee, die Kolum­bus ange­blich auf einem Hügel an der kuban­is­chen Küste gese­hen habe und die er in seinem Schiff­stage­buch erwähnt.

Die AFP-Pressemel­dung, die bish­er alle deutschen Medi­en ein­hel­lig über­nom­men haben (z.B. ntv), führt diese Behaup­tung auf einen „umstrit­te­nen Artikel“ des His­torik­ers Youssef Mroueh von 1996 zurück und berichtet, dass der mit sein­er Inter­pre­ta­tion von Kolum­bus’ Tage­buchein­trag nicht auf bre­ite Zus­tim­mung stößt: Weit­er­lesen

Keine Kreativität bitte, wir sind Muttersprachler

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich an einem Son­ntag­mor­gen aus ein­er all­ge­meinen Unzufrieden­heit mit dem Zus­tand unser­er Gesellschaft (und aus etwas Langeweile) den fol­gen­den Satz getwittert:

  1. La rev­olu­ción es enfer­ma.

Das ist eine Abwand­lung des vor allem in Lateinameri­ka häu­fig zitierten rev­o­lu­tionären Sinnspruchs La rev­olu­ción es eter­na – etwa „Die Rev­o­lu­tion ist ewig (d.h. geht immer weit­er)“ –, ((Es stammt möglicher­weise ursprünglich vom mexikanis­chen Poli­tik­er Rodol­fo Sánchez Tabo­da [siehe hier], es find­et sich aber häu­fig, z.B. bei Raúl Cas­tro (im Futur) oder bei Hugo Chávez.)) nur, dass ich eben eter­na („ewig“) durch enfer­ma („krank“) erset­zt habe. Zwei mein­er Follower/innen waren nicht nur wach, son­dern auch spanis­che Muttersprachler/innen, und bei­de wiesen darauf hin, dass ich statt es hätte está schreiben müssen:

  1. La rev­olu­ción está enfer­ma. Weit­er­lesen

[Lesetipp] Der Geschichtenerzähler

Von Kristin Kopf

Dass Mario Var­gas Llosa den Lit­er­aturnobel­preis gewon­nen hat, erin­nert mich prompt an meine Semes­ter in der Kom­para­tis­tik. Ich denke das Sem­i­nar hieß “Interkul­turelles Erzählen”, ich hielt dort mein erstes und (hof­fentlich mit viel Abstand) grauen­haftestes Unirefer­at und ein Buch ist mir sehr, sehr ein­drück­lich in Erin­nerung geblieben: “Der Geschicht­en­erzäh­ler” (span. “El Hablador”) von obge­nan­ntem Llosa. Die Erzäh­lung spielt in Peru, ganz beson­ders im Regen­wald bei den Machiguen­ga und am besten man ver­rät vorher so gut wie gar nichts drüber. Der Sch­plock-Bezug? Das SIL kommt am Rande vor. (Eher unschme­ichel­haft, wenn ich mich recht entsinne.)

Ich werde diese Erin­nerung zum Anlass nehmen, das Buch endlich mal wieder zu lesen – will noch jemand? Dann würd ich gle­ich zwei Exem­plare bestellen.

[Lesetipp] Kleine Auslese

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit habe ich einiges gele­sen, was ich euch nicht unver­linkt lassen will …

Lost in Trans­la­tion von Lera Borodit­sky (die auf dem Foto irgend­wie an Bones erinnert) …

… han­delt davon, ob Sprache die Art und Weise bee­in­flusst, wie wir denken. Die Autorin ist Psy­cholo­gin und hat eine ganze Menge span­nende Exper­i­mente zu solchen Fragestel­lun­gen gemacht, deren Ergeb­nisse in diesen Text ein­fließen. Wirk­lich sehr empfehlenswert. Auch wer sich nicht so für die The­o­rie dahin­ter inter­essiert, wird eine Menge faszinierende Details über Sprachen entdecken.

Do the lan­guages we speak shape the way we think? Do they mere­ly express thoughts, or do the struc­tures in lan­guages (with­out our knowl­edge or con­sent) shape the very thoughts we wish to express?

(Gefun­den bei Lan­guage Log.)

Von Duden-DNA und ein­er Außerirdis­chen­sprache von Stephan Matthiesen …

… ist eine ganz ungewöhn­liche Art von Artikel: ein Bericht über einen wis­senschaftlichen Work­shop (“Lan­guage as an Evo­lu­tion­ary Sys­tem”). Matthiesen gibt einen Überblick über die ver­schiede­nen Stand­punk­te und Forschungsan­sätze und liefert am Ende sog­ar Links und Lit­er­aturhin­weise: Respekt.

Ob und wie sich das Konzept Evo­lu­tion auf Sprache über­tra­gen lässt, ist noch völ­lig offen. Ein Work­shop brachte kür­zlich ver­schiedene Ansätze zusam­men: Was formt unsere Sprachen?

(Via André auf Face­book und Andre per Mail.)

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In eigener Sache

Von Kristin Kopf

Gestern habe ich meine Mag­is­ter­ar­beit angemeldet: “Flex­ion­sklassen diachron und dialek­tal: Das Sys­tem der Sub­stan­tivk­lassen im Ale­man­nis­chen

Und nicht nur weil der Kom­men­tar der Sach­bear­bei­t­erin im Dekanat lautete “Äh, ja. Schön geschrieben, das kann ich gut abtip­pen”, will ich noch ein bißchen mehr dazu sagen:

1. Flexionsklassen & Substantivklassen

Darum ging es schon ein­mal in Oh Herz Jesu, meine Kasus! Ganz kurz gesagt: Flex­ion­sklassen gibt es für alle flek­tieren­den Wortarten.

Für Ver­ben heißt die Flex­ion auch Kon­ju­ga­tion. Ver­ben besitzen im Deutschen je nach Numerus (Ein- oder Mehrzahl), Per­son (1., 2., 3.), Tem­pus (Präsens, Prä­ter­i­tum, …), Modus (Indika­tiv, Kon­junk­tiv, Imper­a­tiv) ver­schiedene For­men. Alle ver­schiede­nen For­men eines Verbs zusam­mengenom­men nen­nt man Par­a­dig­ma. Alle Ver­ben, die auf die gle­iche Weise kon­jugiert wer­den, gehören zusam­men zu ein­er Klasse. Das ist für das Deutsche nicht so leicht einzuteilen, bei Sprachen wie Spanisch geht es bess­er: Die Infini­tiven­dung Vokal+r beste­ht bei manchen Ver­ben aus i+r, bei anderen aus a+r oder e+r. Je nach Vokal wird anders konjugiert.

Bei Sub­stan­tiv­en spricht man von Dek­li­na­tion. Ein Sub­stan­tiv benötigt im Deutschen die Infor­ma­tio­nen Kasus (Nom­i­na­tiv, Gen­i­tiv, Dativ, Akkusativ), Genus (maskulin, fem­i­nin, neu­trum), Numerus (Sin­gu­lar, Plur­al) und Definitheit (bes­timmt, unbes­timmt). Genus und Definitheit wer­den nur am Artikel markiert, Kasus und Numerus sowohl am Sub­stan­tiv als auch am Artikel.

Die Sub­stan­tivk­lassen wer­den im Deutschen also an Kasus und Numerus fest­gemacht. Im Gen­i­tiv kön­nen Sub­stan­tive z.B. auf -(e)s enden (des Mannes), oder auf -(e)n (des Bären), oder völ­lig endungs­los sein (der Frau_). Im Plur­al gibt es unglaublich viele Möglichkeit­en: die Männer, die Frauen, die Nächte, die Autos, die Nägel, die Wagen, … Die Sub­stan­tivk­lassen teilt man durch die Kom­bi­na­tion von Gen­i­tiv Sin­gu­lar und Nom­i­na­tiv Plur­al ein. Alle Sub­stan­tive, die diese bei­den For­men auf die gle­iche Weise bilden, bilden auch alle anderen For­men iden­tisch. Eine sehr schöne Über­sicht find­et Ihr auf canoo.net.

2. Diachron & dialektal

Diachron (oder diachro­nisch) kommt von griechisch dia ‘(hin)durch’ und chronos ‘Zeit’. Das Adjek­tiv beze­ich­net eine Vorge­hensweise, bei der man Sprache über einen län­geren Zeitraum hin­weg (Jahrhun­derte, nicht Tage) betra­chtet und die Verän­derun­gen unter­sucht. In meinem Fall werde ich schauen, wie die Sub­stan­tive im Althochdeutschen eingeteilt waren und wie und warum sich diese Ein­teilung zum Neuhochdeutschen hin verän­dert hat. Das Gegen­stück zu diachron ist syn­chron, die Betra­ch­tung eines Sprach­sys­tems zu einem bes­timmten Zeitpunkt.

Dialek­tal bezieht sich auf Punkt 3:

3. Alemannisch

Im Ale­man­nis­chen unter­schei­den sich die Klassen sowohl vom althochdeutschen als auch vom neuhochdeutschen Sys­tem. Es gibt zum Beispiel keinen Gen­i­tiv mehr, der Plu­ral­mark­er alleine bes­timmt über die Sub­stan­tivk­lasse. Ich unter­suche zwei Orts­di­alek­te im ale­man­nis­chen Sprachraum und schaue, wie die Klassen da eingeteilt sind.

Ein paar Aspek­te zum The­ma find­et Ihr auch schon auf dem Schplock:

Europawahl ist Sprachenwahl?

Von Kristin Kopf

So, alle Wahllokale geschlossen? Dann kann ich ja.

Ich saß let­zte Woche rat­los vor dem Europawahlzettel, fasziniert von all den kreativ­en Parteien. Nicht gewählt, aber mit Inter­esse zur Ken­nt­nis genom­men habe ich die Partei auf dem Lis­ten­platz 24:

Europawahl 2009

Europawahl 2009

(Die auf 25 war aber auch lustig.)

Ich habe die deutsche Home­page von EDE gefun­den – komis­cher­weise scheint es sie nicht auf Esperan­to zu geben (dafür aber ihre europäis­che Seite). Die Poli­tik scheint eigentlich nur darin zu beste­hen, für Demokratie zu sein (nicht sehr pro­fil­bildend) und Esperan­to als Sprache der europäis­chen Ver­ständi­gung vorantreiben zu wollen. Die Begrün­dung für let­zteres ist die, dass eine Nation­al­sprache als Hauptver­ständi­gungssprache deren Mut­ter­sprach­ler über Gebühr bevorzugt. Mit Esperan­to macht man es also laut EDE für alle schw­er­er und somit fair­er, weil alle eine Fremd­sprache sprechen. Die Frage ist allerd­ings, ob es wirk­lich für alle gle­ich schw­er würde, oder ob nicht doch wieder bes­timmte Mut­ter­sprach­ler bevorzugt würden …

Das Ler­nen [von Esperan­to] wird zudem dadurch noch weit­er vere­in­facht, dass die Wort­stämme vor allem aus roman­is­chen und ger­man­is­chen Sprachen entlehnt sind. Somit ver­ste­ht der durch­schnit­tlich gebildete deutsche Lern­er einen erhe­blichen Teil des Wortschatzes – ganz ohne Ler­naufwand.” (Quelle, Her­vorhe­bun­gen von mir)

So, das ist also fair? Ja, viele Sprachen, die in Europa gesprochen wer­den, sind ger­man­is­che oder roman­is­che Sprachen. Aber bei weit­em nicht alle. Es gibt in der EU näm­lich auch fol­gende Amtssprachen (Region­al- und Min­der­heit­en­sprachen berück­sichtige ich gar nicht erst):

  • Slaw­ischen Sprachen (Pol­nisch, Tschechisch, Bul­gar­isch, Slowakisch, Slowenisch, Kroat­isch – let­zteres nur als regionale Amtssprache in Österreich)
  • Irisch-Gälisch, eine keltische Sprache, gesprochen in Irland und diverse keltische Sprachen in Großbritannien
  • Baltische Sprachen (Let­tisch und Litauisch)
  • Griechisch, das einen eige­nen Sprachzweig bildet, gesprochen in Griechen­land und auf Zypern
  • Bask­isch, gesprochen in Spanien, eine isolierte Sprache (d.h. dass keine mit dem Bask­ischen ver­wandten Sprachen existieren) – ist allerd­ings nur eine regionale Amtssprache
  • Malti, gesprochen auf Mal­ta, eine semi­tische Sprache
  • Est­nisch, Finnisch, Ungarisch, die finno-ugrischen Sprachen
  • Türkisch, gesprochen auf Zypern, eine Turk­sprache

Hier noch ein­mal visu­al­isiert – die “Rand­grup­pen” sind klar zu erkennen:

2009-06-07-NichtgermromEuropa3

(mod­i­fiziert nach Wikipedia)

Ich will nie­man­dem das Esperan­to schlechtre­den, dazu ver­ste­he ich auch viel zu wenig davon – aber dass es eine “neu­trale” Sprache geben kann, die für Sprech­er aller Sprachen in der EU mit einem ähn­lichen Ler­naufwand ver­bun­den ist, bezwei­fle ich dann doch. Und dass es jet­zt noch eine Chance hat, zur EU-Sprache aufzusteigen, erst recht. Nichts­destotrotz eine inter­es­sante Sprache, in die es sich dur­chaus lohnt, mal reinzuschnuppern:

[Ostern] Ostern

Von Kristin Kopf

Ostern ist nicht nur ety­mol­o­gisch inter­es­sant, son­dern auch vom Wort­ma­te­r­i­al her: Es gab ein­mal einen Sin­gu­lar, die Oster, heute ist aber nur noch der Plur­al Ostern gebräuch­lich. Den man gele­gentlich auch wieder als Sin­gu­lar ver­wen­den kann: das Ostern.

Ostern 1987 - noch kein Interesse an Etymologien

Ostern 1987 – noch kein Inter­esse an Etymologien

Woher das Wort kommt, ist nicht so ein­deutig. Es ist auf jeden Fall ver­wandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrschein­lich auf eine vorchristliche Got­theit der Mor­gen­röte, auf jeden Fall aber auf das Länger­w­er­den der Tage und den Früh­ling. Mor­gen­röte, Aufer­ste­hung, der Weg war nicht weit und die Über­tra­gung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mit­tel­hochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übri­gens früher ein­mal ôster­mânôth, ange­blich so benan­nt durch Karl den Großen. (Zu den Monat­sna­men auch: Wun­der­land Deutsch.)

Die europäis­chen Sprachen sind, was Ostern ange­ht, nicht so variantenreich:

  • Das Englis­che hält es mit dem Deutschen (East­er).
  • Die meis­ten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuver­läs­sige Quelle habe), und zwar die Beze­ich­nung des jüdis­chen Pes­sach-Festes, mit dem Ostern nicht von unge­fähr zeitlich und kausal in Bezug ste­ht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pas­cua), Finnisch (Pääsiäi­nen), Franzö­sisch (Pâques), Ital­ienisch (Pasqua), Nieder­ländisch (Pasen), Nor­wegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Rus­sisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
  • Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusam­menset­zung wahrschein­lich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeu­tung stammt nur aus dem Inter­net, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fas­ten­zeit ist da näm­lich vorbei.
  • Mit Bezug auf die Nacht, wie an Wei­h­nacht­en auch, gibt es ‘große Nacht’ im Pol­nis­chen (Wielka­noc) und Tschechis­chen (Velikonoce). Im Let­tis­chen (Liel­d­ien­as) ist hinge­gen der Tag groß.

Hier gibt es übri­gens eine ganze Samm­lung von Oster­beze­ich­nun­gen in ver­schiede­nen Sprachen.

[Ostern] Karfreitag

Von Kristin Kopf

Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kum­mer aus­drückt, mit dem es am Grün­don­ner­stag nichts wurde. Kar- geht auf althochdeutsch kara ‘Kum­mer, Sorge’ zurück (übri­gens ver­wandt mit dem englis­chen care). Ein Blick in Grimms Wörter­buch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht all­ge­mein einen trau­ri­gen Tag beze­ich­nete, son­dern einen ganz bes­timmten trau­ri­gen Tag: den “tag an welchem ein ver­stor­ben­er unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichen­mahl gehal­ten wird” (DWB). Im Zim­brischen, ein­er deutschen Sprachin­sel in Ital­ien, hat es diese Bedeu­tung noch heute.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Der Kar­fre­itag ist also ein­fach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mit­tel­hochdeutschen hieß der Tag karvrî­tac oder schlicht kar­tac.

Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:

  • heiliger Fre­itag’: Spanisch (Viernes San­to), Franzö­sisch (Ven­dre­di saint), Ital­ienisch (Ven­erdì San­to)
  • guter Fre­itag’: Nieder­ländisch (Goede Vri­jdag), Englisch (Good Fri­day) – Zumin­d­est im Englis­chen kommt es von der ursprünglichen Bedeu­tung ‘heilig’.
  • großer Fre­itag’: Rus­sisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Pol­nisch (Wiel­ki Piątek), Ungarisch (Nagypén­tek), Est­nisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
  • Lei­dens­fre­itag’: Rumänisch (Vinerea Patim­ilor)
  • langer Fre­itag’: Schwedisch (Långfreda­gen), Dänisch (Langfredag), Nor­wegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäper­jan­tai) – Im Englis­chen scheint es auch ein­mal einen Long Fri­day gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”.  Ob das die richtige Ety­molo­gie ist, weiß ich allerd­ings nicht.

[Ostern] Gründonnerstag

Von Kristin Kopf

So, jet­zt wird hier mal wieder ein bißchen ety­mol­o­gisiert! Die Kar­woche bietet dafür ja wirk­lich mehr als genug Gele­gen­heit – los geht’s mit dem Grün­don­ner­stag. In mein­er Kind­heit wurde immer behauptet, das Erst­glied gehe auf mit­tel­hochdeutsch grî­nen ‘den Mund weinend/knurrend/winselnd/lachend verziehen’ zurück und drücke qua­si die Trau­rigkeit über die Gefan­gen­nahme Jesu aus. Weil greinen im Ale­man­nis­chen heute noch ein das Wort für ‘weinen’ ist, erschien mir diese Erk­lärung immer sehr einleuchtend.

2009-04-09-grunDoch Kluge hat eine Über­raschung parat: Im Mit­tel­hochdeutschen gab es die Fügung der grüene don­er­stac bere­its und somit einen ein­deuti­gen Bezug zur Farbe Grün. Aber was hat das Grün mit diesem Tag zu tun? Kluge und die Grimms sagen: In religiös­er Hin­sicht kaum etwas.

die deu­tung von gr. bleibt umstrit­ten, doch ist der name sichtlich eher volk­sthüm­lichen als kirch­lichen gepräges (DWB)

Bei­de bieten als mögliche Erk­lärung an, dass es Brauch war, an diesem Tag (grüne) Kräuter zu essen:

das reich und vielfältig entwick­elte brauchthum am gr., der genusz heil­brin­gen­der kräuter, das grün­don­ner­stag­sei (ant­laszei), der gr. als ter­min der säens und pflanzens u. s. w., […], läszt wie bei ostern an einen nach­hall vorchristlich­er übung denken; ob ihm, wie HOLTZMANN […] ver­mutet, ein Donars­fest im mai zugrunde liegt, bleibt uner­weis­lich (DWB)

Ist die schöne The­o­rie vom Greinen also wirk­lich nicht zu ret­ten? Muss der Grün­don­ner­stag den Hei­den über­lassen wer­den? In den kryp­tis­chen Lit­er­at­u­rangaben Kluges find­et sich doch noch ein Mini­hin­weis auf eine alter­na­tive Ety­molo­gie mit einem ganz ähn­lich klin­gen­den Wort – momen­tan habe ich aber keine Zeit (Habe ich erwäh­nt, dass ich sche­in­frei bin?), die entsprechen­den Zeitschriften und Büch­er herauszusuchen:

HWDA 3 (1931), 1186 f. Anders (Umdeu­tung von ahd. grun stm./stf. ‘Jam­mer, Unglück’): H. Jeske SW 11 (1986), 82–109; LM 4 (1989), 1752 f.”

Let­ztlich bleibt also rät­sel­haft, wie der Tag zu sein­er Farbe kam. Ich habe mich mal in anderen Sprachen Europas umge­se­hen um her­auszufind­en, was noch als Benen­nungsmo­tiv dienen kann:

  • ‘heiliger Don­ner­stag’: Spanisch (Jueves San­to), Ital­ienisch (giovedì san­to), Franzö­sisch (jeu­di saint), Rus­sisch (свято́й четве́рг)
  • großer Don­ner­stag’: Pol­nisch (Wiel­ki Czwartek), Ungarisch (Nagyc­sütörtök), Est­nisch (Suur nel­japäev), Rumänisch (Joia Mare)
  • weißer Don­ner­stag’: Nieder­ländisch (Witte Don­derdag) – wahrschein­lich wegen der litur­gis­chen Farbe Weiß.
  • Fußwaschungs­don­ner­stag’: Englisch (Maun­dy Thurs­day)
  • Reini­gungs­don­ner­stag’: Schwedisch (Skär­tors­da­gen), Nor­wegisch (Skjær­tors­dag), Dänisch (Skær­tors­dag) – schwed. skära und seine Entsprechun­gen heißen eigentlich ‘schnei­den’, haben hier aber wohl eine andere Bedeu­tung.

Aber der grüne Don­ner­stag ist doch nicht ganz einmalig:

  • Tschechisch: Zelený čtvrtek. Die tschechis­che Wikipedia sug­geriert irgen­deine Art von deutschem Ein­fluss (inklu­sive greinen), aber mehr kon­nte ich nicht errat­en. Wenn hier jemand Tschechisch kann … [break­ing news: Meine Fre­undin Esther hat’s über­set­zt: Der zitierte Bischof behauptet tat­säch­lich, es käme vom deutschen Grein­don­ner­stag, der durch Lautver­tauschung zum Grün­don­ner­stag gewor­den sei. Quellen gibt er dazu aber keine an, es ist also Vor­sicht geboten. Auch lustig: In Tschechien scheint man am Grün­don­ner­stag tra­di­tionell Spinat zu essen.]
  • Rumänisch: Joia Verde. Ist neben Joia Mare (s.o.) in meinen Wörter­buch angegeben. Ich kön­nte mir einen deutschen Ein­fluss über die Sieben­bürg­er Sach­sen gut vorstellen, will mich aber nicht zu weit aus dem Fen­ster lehnen.

Beze­ich­nun­gen in weit­eren Sprachen her­zlich willkom­men! Jens ja Lin­da, wie ist es mit Finnisch? Ich bilde mir ein, die Wort­gren­ze gefun­den zu haben (Kiiras|torstai), komme aber man­gels Struk­tur­wis­sen nicht auf die Nen­n­form des Erstglieds.