Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Nor­maler­weise würde es eine regionale Pressemel­dung über einen Vor­trag zu Ort­sna­men nicht in unsere Press­eschau schaf­fen, aber dieses Zitat ist dann doch zu schön um es zu ignorieren:

Wie ver­quer Sprache und Begriffe manch­mal ver­wen­det, inter­pretiert und umgedeutet wer­den, wird Gün­ter Schüt­tler an markan­ten Beispie­len erläutern und, da es auch um Flur­na­men geht, eine fotografis­che Run­dum-Pro­jek­tion mit­brin­gen. So kön­nen die Zuhör­er vom „Hain­rich“ übers Rein­heimer Beck­en blick­en, Plätze und ihre Beze­ich­nun­gen zuord­nen. Dabei will Schüt­tler nicht als Sprach­wis­senschaftler auftreten, son­dern ver­ständlich und nachvol­lziehbar in die Welt der Namen und Beze­ich­nun­gen ein­tauchen und dar­legen, woher sie kom­men, wie Men­schen sie ver­wen­den und welchem Wan­del sie durch die Geschichte hin­durch unter­wor­fen waren.

Wir hof­fen, dass es uns hier im Bre­mer Sprach­blog auch weit­er­hin gelin­gen wird, als Sprach­wis­senschaftler und ver­ständlich und nachvol­lziehbar aufzutreten…

Auf das Par­kett des nationalen Medi­en­in­ter­ess­es hat es wieder ein­mal ein Bre­mer Sprach­wis­senschaftler geschafft, dies­mal in Mal­ta: gle­ich bei­de großen mal­tesichen Tageszeitun­gen, die Times of Mal­ta und der Mal­ta Inde­pen­dent haben über die Ini­tia­tive unseres Thomas Stolz berichtet, ein inter­na­tionales Insti­tut zur Erforschung des Mal­te­sis­chen einzuricht­en. Über die Ini­tia­tive hat Andreas ja am Don­ner­stag schon berichtet und wer mehr wis­sen will, sollte sich das Inter­view im Inde­pen­dent durch­le­sen. Ich will hier nur kurz auf ein stolzsches Zitat aus der Times of Mal­ta eingehen:

Obwohl viele Mal­teser abwech­sel­nd Englisch und Mal­te­sisch sprechen, gibt es einen großen Teil, der nur Mal­te­sisch spricht. Auch ist mir aufge­fall­en, dass einige Men­schen, die mit ihren Kindern Englisch sprechen, ins Mal­te­sis­che wech­seln, wenn die Diskus­sion hitziger wird und ihre Kinder nicht auf sie hören wollen. Inter­es­san­ter­weise hören die Kinder auf sie, wenn sie Mal­te­sisch sprechen“, beobachtete er.

Eine inter­es­sante Frage: Gilt das auch in Deutsch­land? Gehorcht uns unsere Jugend deshalb nicht mehr, weil wir unsere Sprache mit zuvie­len „Anglizis­men“ angere­ichert haben? Wür­den sie wieder auf uns hören, wenn wir rein­stes Althochdeutsch mit ihnen sprechen würden?

Und von der nationalen Presse zurück zur regionalen. Der Dia­mond­back, die Stu­den­ten­zeitschrift der Uni­ver­si­ty of Mary­land, berichtet von Drehar­beit­en für den Film Nation­al Trea­sure II: Book of Secrets mit Nicholas Cage, speziell über eine Szene, die auf dem Cam­pus der UM gedreht wurde:

Die Sta­tis­ten, die von etwa fünf Uhr mor­gens bis acht Uhr abends da waren, wur­den angewiesen, herumzu­lungern, Foot­ball zu spie­len oder zu skate­boar­d­en um einen lebendi­gen Hin­ter­grund darzustellen. Die [gedrehte] Szene han­delt von einem Gespräch zwis­chen den Haupt­fig­uren nach­dem sie einen Lin­guis­tikpro­fes­sor an der Uni­ver­sität aufge­sucht haben.

Das ist sehr begrüßenswert! Nicht das Herum­lungern im Hin­ter­grund, natür­lich, son­dern die Tat­sache, dass in dem Film ein Lin­guis­tikpro­fes­sor vorkommt. Wenn es nach mir gin­ge, sollte in allen Fil­men min­destens ein Lin­guis­tikpro­fes­sor vorkom­men — oder wenig­stens in allen Nicholas-Cage-Fil­men. Wer einen Film­pro­duzen­ten in Hol­ly­wood ken­nt, lasse ihn bitte wis­sen, dass man mich über das Bre­mer Sprach­blog buchen kann (mein Wun­sch, Wirtschaftsmin­is­ter zu wer­den, hat sich näm­lich bis­lang nicht erfüllt).

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

6 Gedanken zu „Presseschau

  1. David Marjanović

    das Bre­mer Sprachblog

    Das Blog?!? Warum kriegen alle englis­chen Fremd­wörter in Deutsch­land und Öster­re­ich ver­schiedene Geschlechter? In Ö: der Blog. Und das Cola und das E‑Mail.

    ~:-|

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  2. Anatol Stefanowitsch

    Als guter Deutsch­er habe ich mich bei der Wahl des Artikels natür­lich an den Duden gehal­ten, der sieht das Neu­trum als Nor­mal­fall („erlaubt“ aber auch Maskulinum):

    1. Blog, das, auch: der; ‑s, ‑s [engl. blog, gek. aus: weblog, →Weblog] (EDV Jar­gon): Weblog.

    Damit bildet der Duden ziem­lich genau die tat­säch­liche Ver­wen­dung ab: wenn man den Google-Häu­figkeit­en traut, ist das Ver­hält­nis auf .de-Seit­en unge­fähr 3:2 („das Blog“: 940.000, „der Blog“: 619.000). In Öster­re­ich sieht es tat­säch­lich anders aus, das Maskulinum gewin­nt auf .at-Seit­en mit 5:4 („das Blog“: 16.300, „der Blog“: 20.000). Noch extremer ist es in der Schweiz, wo das Maskulinum das Neu­trum mit mehr als 2:1 besiegt („das Blog“: 22.200, „der Blog“: 48.600).

    Es gibt also in allen drei Län­dern Vari­a­tion, mit unter­schiedlich starken Präferen­zen in die eine oder andere Richtung.

    Warum das so ist — da bin ich über­fragt. Bei der Fes­tle­gung des Genus für Fremd­wörter spie­len ver­schiedene Fak­toren eine Rolle, z.B. die Bedeu­tung (welchen Genus haben bedeu­tungsähn­liche Wörter im Deutschen) und der Klang (welchen Genus haben laut­lich ähn­liche Wörter im Deutschen). Ein Blog ist ja ein „Net­z­tage­buch“ oder „Net­zlog­buch“ — bei­des Neu­tra. Ander­er­seits klingt es wie „Block“ (und eine gewisse Bedeu­tungsähn­lichkeit mit dem „Schreib­block“ ist vielle­icht zusät­zlich vorhan­den) — ein Maskulinum.

    Die Fak­toren Bedeu­tung und Klang wider­sprechen sich hier also und die Sprech­er müssen sich rel­a­tiv beliebig entschei­den und da hat sich in Öster­re­ich und der Schweiz eine Mehrheit für das laut­liche Kri­teri­um entsch­ieden, in Deutsch­land eine Mehre­it für das bedeu­tungs­be­zo­gene. Ob das eine all­ge­meine Ten­denz ist, müsste man unter­suchen (falls es noch nie­mand getan hat).

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  3. David Marjanović

    Es gibt also in allen drei Län­dern Vari­a­tion, mit unter­schiedlich starken Präferen­zen in die eine oder andere Richtung.

    Aha. Bin ich also in meine eigene Falle getappt und habe zuviel ver­all­ge­mein­ert. Vie­len Dank!

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  4. David Marjanović

    Das hätte ich natür­lich viel, viel früher schreiben sollen…

    Ander­er­seits klingt es wie „Block“

    Äh… nein, tut es nicht. Das Orig­i­nal, [bl̪ɒg]~[b̥l̪ɒˑg], deutsche ich bis zu [b̥l̻ɔːg̊] ein, aber das klingt noch immer nicht wie [b̥l̻ɔkˑ].

    Sind Bund und bunt für Sie Homo­phone? Oder deutsch Tag und rus­sisch так (“so”)? Für mich nicht.

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  5. Anonymous

    Für die Frage zum Gehorchen nach Sprach­wech­sel habe ich eine zumin­d­est mir ein­leuch­t­ende The­o­rie: Es stellt die Ern­sthaftigkeit der elter­lichen Forderun­gen her­aus, ist also qua­si als zweite Stufe im Unbe­d­ingth­eitsmodus. Da dies all­ge­mein so ver­wen­det wird, genau wie z.B. auch gewisse Floskeln a la “Pass auf, jet­zt …” oder “…, son­st setzt’s was!” ver­wen­det wer­den, ist dies auch für die Kinder ein Sig­nal, dass in diesem Punkt aller Wahrschein­lichkeit nicht nachgegeben wer­den wird. Im Gegen­satz zu diesen Sig­nalphrasen würde ich es allerd­ings noch auf eine Zwis­chen­stufe vor dem Schimpfen oder absolut(istisch)en Elter­lichkeit­en sehen.

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