Glückstopf

Von Anatol Stefanowitsch

Die Aktion Lebendi­ges Deutsch hat in diesem Monat ange­blich 2700 Vorschläge erhal­ten. Das wären zehn­mal mehr als in den let­zen Monat­en. Ich sage nicht, dass ich an diesen wun­der­samen Zuwachs nicht so recht glauben mag, ich sage nur, dass es ein wun­der­samer Zuwachs wäre. Aber wie dem auch sei, geholfen hat diese ange­bliche Flut von Vorschlä­gen nicht:

Unter den 2700 Vorschlä­gen für „Jack­pot“ hat sich die Jury für „Glück­stopf“ entschieden.

Die Aktionäre betreiben die Wort­suche ja als Pri­vatvergnü­gen, da kön­nen sie sich natür­lich entschei­den, für was sie wollen. Ich würde, wenn ich über­haupt einen Anlass sähe, das schöne Wort Jack­pot zu erset­zen, die Entschei­dung lieber der Sprachge­mein­schaft über­lassen und meinen Hin­weis vom let­zten Monat wieder­holen, dass es den Gewin­ntopf gibt, der es im Zusam­men­hang mit Lot­to­gewin­nen immer­hin auf 1270 Google-Tre­f­fer bringt. Der Glück­stopf bringt es hier ger­ade ein­mal auf 116 G‑Treffer. Gewin­ntopf ist für mein Sprachge­fühl auch die tre­f­fend­ere Über­set­zung, denn ein Jack­pot ist ja auch dann ein Jack­pot, wenn nie­mand das Glück hat, ihn zu gewin­nen. Das entschei­dende Merk­mal des Jack­pot ist, dass in ihm nicht vergebene Gewinne gesam­melt wer­den — das Ber­tels­mann-Wörter­buch definiert ihn deshalb als „Sam­melka­sse bei Lot­te­rien mit früheren, noch nicht vergebe­nen Preis­geldern“, und bietet mit dem Begriff Sam­melka­sse eine weit­ere sprach­liche Alter­na­tive an.

Das Wörter­buch erwäh­nt auch die zweite wichtige Bedeu­tung des Wortes Jack­pot: „gemein­samer Spielein­satz beim Pok­ern“. Für diese Ver­wen­dung haben die Sprach­blogleser ramses101, Chat Atkins, Ulf Runge und Wolf­gang Hömig-Groß in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag den ety­mol­o­gisch sauber abgeleit­eten Begriff Unter­topf entwickelt.

Die Aktionäre machen ja auch jeden Monat unge­fragt einen eige­nen Vorschlag, und der zeigt dies­mal sowohl Fan­tasielosigkeit als auch, wes Geistes Kind die Her­ren wirk­lich sind:

Im Feb­ru­ar macht die Aktion „Lebendi­ges Deutsch“ den Vorschlag, den „Ser­vice Point“ der Deutschen Bahn endlich wieder „Auskun­ft“ zu nen­nen — wie er schon 150 Jahre geheißen hat.

Wenn es 150 Jahre lang so war, dann muss es ja richtig sein. Die Ver­gan­gen­heit hat immer Recht! Ich will das mit dem Ser­vice Point nicht noch ein­mal erk­lären und ver­weise deshalb auf diesen Beitrag. Hier will ich nur darauf hin­weisen, dass der Begriff Ser­vice Point nichts mit mehr oder weniger lebendi­gem Deutsch zu tun hat. Es ist der Name ein­er Dien­stleis­tung des Pri­vatun­ternehmens Deutsche Bahn, und die kann ihre Dien­stleis­tun­gen nen­nen, wie sie will.

Über das Such­wort dieses Monats will ich keine Vorher­sagen machen:

Im Feb­ru­ar sucht die Aktion „Lebendi­ges Deutsch“ ein grif­figes deutsches Wort für „hot­line“.

Ich bin mir sich­er, die Sprach­blogleser wer­den eine angemessene Alter­na­tive entwickeln.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

12 Gedanken zu „Glückstopf

  1. Wolfgang Hömig-Groß

    Ich habe schon einen Vorschlag für “Hot­line”: Ser­vi­ce­point. Ein schönes deutesches Wort …

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  2. Andreas

    Hal­lo zusam­men, ein weit­eres deutsches Wort für ‘Jack­pot’ ist mit ‘Pott’ in Gebrauch (Das kenne ich noch aus mein­er Jugendzeit). In Verbindung mit ‘gewon­nen’ zum Beispiel meldet Google 1410 Treffer.

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  3. David Marjanović

    Hal­lo zusam­men, ein weit­eres deutsches Wort für ‘Jack­pot’ ist mit ‘Pott’ in Gebrauch

    Das würde aber außer­halb von niederdeutschen Lan­den nie­mand merken, dass das deutsch sein soll.

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  4. Christoph Päper

    Warum sollen der Pott oder Topf – ich sehe keinen Bedarf für ein Prä­fix – beim Karten­spiel und der beim Lot­to unbe­d­ingt in jed­er Sprache mit dem­sel­ben Wort beze­ich­net wer­den? Auch bei den Hot­lines gibt es so viele ver­schiedene, dass kaum eine wahre 1:1‑Übersetzung zu find­en ist, auch wenn die Ver­anstal­ter gerne eine hätten.

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  5. Tobias

    Hal­lo,

    gute Idee, mal die Ver­bre­itung von Glück­stopf und seinen Syn­ony­men mit Google zu unter­suchen. Mir ist aufge­fall­en, dass seit der Veröf­fentlichung bei “Aktion Lebendi­ges Deutsch” in vie­len Mel­dun­gen “Glück­stopf” im zweit­en Satz ein­er “Jackpot”-Meldung ver­wen­det wird. Offen­sichtlich beste­ht genü­gend Bedarf nach Jackpot-Alternativen.

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  6. Anatol Stefanowitsch

    Tobias, ich glaube, da täuscht Ihr Ein­druck ein wenig: wenn man die Seit­en abzieht, bei denen es um die „Aktion Lebendi­ges Deutsch“ geht, find­et man auf deutschen Web­seit­en das Wort Glück­stopf ger­ade ein­mal 1.490 Mal, wobei es sich sel­ten auf Jack­pötte bezieht, son­dern meis­tens auf einen Märchen­ti­tel oder ein chi­ne­sis­ches Rezept. Das Wort Jack­pot find­et sich dage­gen 379.000 Mal, die schon lange existierende Alter­na­tive Gewin­ntopf immer­hin 3,220 Mal. Hat sich an diesem Zahlen­ver­hält­nis seit dem Vorschlag der ALD irgen­det­was geän­dert? Kaum: Google-News find­et für den let­zten Monat 187 Tre­f­fer für Jack­pot, drei Tre­f­fer für Glück­stopf, von denen sich zwei auf Lostöpfe beziehen und ein­er auf die Aktion Lebendi­ges Deutsch. Es gibt also keinen einzi­gen rel­e­van­ten Tre­f­fer. Für Gewin­ntopf find­et sich immer­hin ein rel­e­van­ter Tre­f­fer. Offen­sichtlich beste­ht kein­er­lei Bedarf an der Aktion Lebendi­ges Deutsch und ihren immer miss­lun­generen Vorschlägen…

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