ß

Von Anatol Stefanowitsch

Corax hat vor ein paar Tagen in einem Kom­men­tar darauf hingewiesen, aber der Anlass erfordert ein offizielles Willkom­men: das deutsche Alpha­bet hat einen neuen Buch­staben.

großes "ß"

großes “ß”

Das seit über hun­dert Jahren disku­tierte ver­sale („große“) Eszett wurde schon Anfang April in den Uni­code aufgenom­men — in der Ver­sion 5.1 des inter­na­tionalen Stan­dards für Zeichen­sätze hat es die Posi­tion U+1E9E erhal­ten. Am 23. Juni hat die ISO das neue Zeichen nun auch zur inter­na­tionalen Norm mit der Kennze­ich­nung ISO/IEC 10646 erhoben.

Eine neue Rechtschreibre­form ist für das große Eszett bis­lang nicht geplant, die offiziellen Regeln wollen das ß in der Großschrei­bung nach wie vor durch SS erset­zt sehen.

Wer das neue Zeichen trotz­dem schon ver­wen­den will, dem sei der freie und kosten­lose Zeichen­satz Lin­ux Lib­er­tine emp­fohlen, ein sehr ansehn­lich­er True­Type-Zeichen­satz, der natür­lich trotz seines Namens auch unter Max OS X, Win­dows und anderen TTF-fähi­gen Betrieb­ssys­te­men läuft.

Um das neue Zeichen auch tat­säch­lich tip­pen zu kön­nen, muss man natür­lich seine Tas­taturbele­gung anpassen oder einen entsprechen­den Treiber instal­lieren. Bei Signo­gra­phie gibt es entsprechende Tas­taturtreiber für Mac OS X und Windows.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

16 Gedanken zu „ß

  1. buntklicker.de

    Wieso hat das deutsche Alpha­bet einen neuen Buch­staben, nur weil die ISO irgend­was zur Norm erhebt? Hat die ISO irgen­deine Legit­i­ma­tion, über das deutsche Alpha­bet zu befinden?

    Das ist ja noch absur­der, als würde ich mir von der KMK vorschreiben lassen, wie ich meine Mut­ter­sprache zu schreiben habe …

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  2. Frank Oswalt

    @Buntklicker: “Hat die ISO irgen­deine Legit­i­ma­tion, über das deutsche Alpha­bet zu befinden?”

    Ja.

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  3. buntklicker.de

    @Frank: Aha. Welche? Das würde mich interessieren.

    Ich bin ja kein Sprach­wis­senschaftler, deswe­gen ver­wende ich bes­timmt die falsche Ter­mi­nolo­gie, aber für mich hat nur die Gemein­schaft der Sprach­be­nutzer die Legit­i­ma­tion, die Sprache (in all ihren Facett­ten) zu verän­dern. Hätte sich ein großes “ß” im Gebrauch einge­bürg­ert, kön­nten und soll­ten Insti­tu­tio­nen wie die ISO den verän­derten Sprachge­brauch “nach­mormieren”. Keineswegs aber kann und sollte Sprach­nor­mung ver­suchen, den Sta­tus Quo ini­tia­tiv zu verän­dern. (Ich glaube ver­standen zu haben, daß unser Gast­ge­ber grund­sät­zlich in ähn­liche Rich­tun­gen denkt.)

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  4. nochfrüher?

    So neu ist das nicht: Das Ver­sal-Eszett “…wurde sog­ar in den 1960er Jahren auf dem Buchein­band der Duden-Aus­gabe (Der große Duden) der ehe­ma­li­gen DDR ver­wen­det…” (http://www.gunnardonis.de/typografie1.html)

    und ist wurde in Bleisatzschriften seit min­destens 1909 gefunden.

    Sich­er gibt es noch frühere Vorkom­men. @ Ste­fanow­itsch: Wie wäre es mit einem Preisauss­chreiben für das älteste nachgewiesene Versal-Eszett?

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  5. Anatol Stefanowitsch

    Bun­tk­lick­er, in Bezug auf Orthografie bin ich wed­er Präskrip­tivist noch Deskrip­tivist, son­dern Agnos­tik­er mit gele­gentlich­er Ten­denz zum Apathik­er. Ich sehe vernün­ftige, prak­tis­che Gründe für eine ein­heitliche (von mir aus staatlich verord­nete) Rechtschrei­bung, aber ander­er­seits habe ich großes Ver­trauen in die Macht des unge­ord­neten Sprachge­brauchs. Auf den aktuellen Fall bezo­gen muss ich aber sagen, wenn schon alle anderen Buch­staben als Majuskel und Minuskel existieren, warum sollte das Eszett eine Aus­nahme sein? Insofern begrüße ich das ver­sale Eszett und werde es ver­wen­den, sobald mein Lieblingsze­ichen­satz Lib­er­a­tion es beinhaltet.

    Nochfrüher?, die Geschichte des ver­salen Eszett ist so gut doku­men­tiert, dass ich bezwei­fle, dass da eine neue Ent­deck­ung kom­men würde.

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  6. Christian

    Ich freue mich sehr über den neuen alten Buch­staben, und mit mir sich­er die typografis­che Welt. Wenn ein Wort, dass mit Eszett geschrieben wird, dieses in Ver­salien auf ein­mal ver­liert, wirkt das immer sehr selt­sam und ver­wirrend, zumin­d­est für mich. Maße = MASSE. @ Bun­tk­lick­er: Diejeni­gen, die das am meis­ten bet­rifft, sind die Typografen. Viele von denen haben sich ein großes Eszett gewün­scht. Jet­zt haben Sie es bekom­men. Mit den Sprach­be­nutzern hat das wohl eher weniger zu tun, insofern man die Typografen und Design­er nicht auch als Sprach­be­nutzer beze­ich­net. Zudem bleibt es ja nach wie vor dabei, dass das Doppel‑S bei Ver­sialien geschrieben wer­den muss, zumin­d­est von dem, der sich an die amtliche Regelung hal­ten will (§ 25 E3).

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  7. David Marjanović

    Bleibt nur noch zu hof­fen, dass sich die Form mit der Spitze oben rechts nicht durch­set­zt. Wäääh.

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  8. Frank Oswalt

    @Buntklicker: die Bun­desre­pub­lik hat das Deutsche Insti­tut für Nor­mung damit beauf­tragt, deutsche Nor­men zu entwick­eln, festzule­gen und zu überwachen, diese Nor­men in der ISO zu vertreten und umgekehrt ISO-Nor­men in deutsche Nor­men zu über­führen. Die ISO ist ein Zusam­men­schluss nationaler Nor­mungsin­sti­tu­tio­nen, erhält seine Legit­i­ma­tion also unter anderem vom DIN, das sie wiederum vom Bun­destag hat.

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  9. Jochen

    Ich halte das wie­der­mal für eine völ­lig über­flüs­sige Entschei­dung! Hat sich jemand schon­mal über­legt, was die Imple­men­tierung kostet? Wie­der­mal eine neue Ver­sion der Zeichen­sätze, viel­licht noch neue Key­boards usw.

    DAS IST SINNLOSE GELDVERSCHWENDUNG!

    Die Lokalisierung ist eine der grossen Erb­sün­den in der IT. Kostet unendlich Geld und bringt nur bed­ingt was. Bess­er wäre gewe­sen alles US 7 BIT ASCII umzustellen.

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  10. Guido M.

    Hal­lo,

    Zitat:

    Zitat Ende

    Das sehe ich nicht so. Eine Norm ist kein Gesetz! Deshalb kann wed­er das DIN noch die ISO etwas “vorschreiben”.

    Es bleibt einem frei sich an die Nor­men (DIN/ISO) zu hal­ten oder nicht. Genau­so wie man sich nicht an den Duden bzgl. der Rechtschrei­bung halte muss(!).

    Natür­lich wird man schw­er aneck­en wenn man sich nicht an den Duden hält, und das nicht nur in der Schule. Aber genau­so kann ich zum Beispiel Schrauben pro­duzieren die nicht dem DIN-Stan­dard entsprechen, nur dann hat man ein Prob­lem seinen Käufern zu erk­lären, das die Schrauben trotz­dem passen. Was man, wenn man DIN-gerecht pro­duziert, nicht hat.

    Es mag sein das sich der deutsche Bun­destag bzgl. Alpha­bet an die ISO bzw. an das DIN hält, aber ist unser Alpha­bet eine Norm?

    Sehe das so wie “Bun­tk­lick­er”, Zitat: Zitat Ende

    Ich denke es ist die Gesellschaft für deutsche Sprache? Sie hat doch auch die neue Rechtschrei­bung eingeführt?

    Fre­undliche Grüße

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  11. Wolfgang Hömig-Groß

    Ich hätte mal eine prak­tis­che Frage: Habe Font und Treiber instal­liert, kor­rek­te Tas­taturbele­gung und Schrif­tart aus­gewählt (diesen Tipp brauche ich also nicht), bekomme aber ums Ver­reck­en kein Versal‑ß zu sehen — bei mir erscheint das spanis­che, auf dem Kopf ste­hende Frageze­ichen. Liegt das an Word 2003? Klappt aber (mit ALT­GR-SHIFT‑ß …) auch in keinem anderen bei mir instal­lierten Programm.

    Weiß jemand Rat?

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  12. David Marjanović

    Die Lokalisierung ist eine der grossen Erb­sün­den in der IT. Kostet unendlich Geld und bringt nur bed­ingt was. Bess­er wäre gewe­sen[,] alles [auf] US 7 BIT ASCII umzustellen.

    Doch nicht im Ernst.

    Liegt das an Word 2003?

    Kann gut sein.

    die Gesellschaft für deutsche Sprache […] hat doch auch die neue Rechtschrei­bung eingeführt

    Äh… nein…

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  13. papa_tj

    @Wolfgang Hörnig-Groß:

    Es wäre ver­mut­lich einen Ver­such wert, den Sys­temze­ichen­satz auf UTF‑8 zu stellen.

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  14. Wolfgang Hömig-Groß

    Allerd­ings funk­tion­iert es auch in Pow­er­point 2007 nicht — und das ist ja der let­zte Schrei von MS …

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  15. Anatol Stefanowitsch

    Herr Hömig-Groß,

    Word 2003? Ist das so etwas ähn­lich­es wie OpenOf­fice Writer?

    Nein, ern­sthaft: haben Sie ver­sucht, das Eszett über “Son­derze­ichen ein­fü­gen” (oder wie der entsprechende Menüpunkt bei Word heißt) einzufü­gen? Wenn das nicht geht, liegt es an Word oder Win­dows, wenn es geht, liegt es ver­mut­lich am Treiber.

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  16. Wolfgang Hömig-Groß

    So, jet­zt kommt die Auflösung:

    Alles mein Fehler, denn irgend­wie habe ich die falsche Schrif­tart instal­liert, Lib­er­a­tion statt Lib­er­tine. Obwohl ich ja eigentlich nur dem Link im Post gefol­gt bin. Und mit Lib­er­tine gehts …

    @papa_tj: klang inter­es­sant, aber obwohl ich meine, mit XP recht hur­tig zu sein, habe ich eine solche Option nir­gend­wo gefun­den. In eini­gen Edi­toren kann ich das ver­stellen, aber nicht sys­temweit. Egal, war ja auch was anderes …

    @AS: Word 2003 ist tat­säch­lich so was Ähn­lich­es wie Writer — weiß ich zufäl­lig genau, weil ich pri­vat auch OpenOf­fice benutze 😉

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