Attachmentieren

Von Anatol Stefanowitsch

In der Kat­e­gorie „Richtet euch nach meinen Worten, nicht nach meinen Tat­en“ regt sich dieser Tage wieder ein­mal jemand über Angliszis­men auf, der seine Ratschläge eigentlich lieber selb­st in die Tat umset­zen sollte. Der „Klein Report“ (das Dep­pen­leerze­ichen überse­hen wir geflissentlich), ein Schweiz­er Medi­en­di­enst, ver­wen­det im Menü sein­er Web­seite fol­gende Lehn­wörter: Home, News, Links, Newslet­ter (2 Mal) und Handy-Flash. Alles gebräuch­liche Begriffe, aber für alle gäbe es deutsche Entsprechun­gen. Aber nur, weil man sich sel­ber mit vollen Hän­den beim englis­chen Wortschatz bedi­ent, möchte man das anderen nicht zugeste­hen:

Der lieb- und sor­glose Umgang mit englis­chen Sprach­brock­en in der deutschen Sprache führt mitunter zu selt­samen, um nicht zu sagen grotesken Kon­struk­tio­nen. An englis­che Lehn­wörter, auf Deutsch dek­lin­iert und kon­jugiert, haben wir uns ja mit­tler­weile gewöh­nen müssen.

(Wäre es bess­er, wenn diese Wörter nicht nach deutschem Muster dek­lin­iert würden?)

Oder wer ärg­ert sich noch über „stylis­che“ Klei­der, „upge­gradete“ Flug­pas­sagiere (oder darfs auch geup­gradet sein?) oder „gelay­outete“ Texte?

(Ich nicht. Aber an den nicht-dek­lin­ierte Vari­anten styl­ish Klei­der, upgrad­ed Flug­pas­sagiere und lay­out­ed Texte würde ich ver­mut­lich hängenbleiben.)

So weit, so hässlich.

(Ja, nun. Auch nicht hässlich­er als Handy-Flash oder sämtliche News…)

Neueste Errun­gen­schaft, die am Mon­tag den Klein Report zu über­raschen (wenn auch nicht zu erfreuen) ver­mochte, war das E‑Mail mit ein­er „attach­men­tierten“ Information.

Dass es sich dabei nicht um einen Tippfehler han­delt, wird einige Zeilen weit­er unten ein­deutig, wo von einem „eben­falls attach­men­tierten Anzeigen­tarif“ die Rede war.

Also, mir gefällt das Wort eigentlich ganz gut. Etwas zu lang und umständlich, vielle­icht, aber auf jeden Fall nicht schlechter als die deutschen Alter­na­tiv­en ange­hängt, ange­fügt oder beige­fügt. Ich for­muliere selb­st Sätze häu­fig um, um stattdessen das Sub­stan­tiv Anhang zu ver­wen­den. Ich bezwei­fle, dass ich dem­nächst auch vom Attach­men­tieren reden werde, aber ich ver­ste­he, was den ange­blichen Autor der ange­blichen Email zu dieser Wortschöp­fung bewogen hat. Nicht so die Damen und Her­ren vom „Klein Report“:

Bei allem Respekt vor solch kreativem Umgang mit der Sprache: Vor so viel Sprach­folter wen­den wir uns fas­sungs­los ab und wün­schen dem Ver­fass­er einen nächte­lan­gen Alp­traum mit toben­den Duden-Bän­den mit „attach­men­tierten“ Peitschen.

(Woher kom­men eigentlich immer diese Gewalt­phan­tasien der Sprachnörgler?)

Der Duden ken­nt das Wort attach­men­tieren übri­gens nicht, aber er ken­nt ein ähn­lich­es Wort:

at|ta|chie|ren <aus fr. attach­er „fest­machen, anschließen, zuord­nen“>: 1. (ver­al­tet) zuteilen (Heerw.). 2. sich -: (ver­al­tet) sich anschließen.

Da dieses Wort „ver­al­tet“ ist, kön­nten wir es nicht mit der Bedeu­tung „an eine Email anhän­gen“ wieder­beleben? Es ist kürz­er als attach­men­tieren und es hat einen ein­wand­frei franzö­sis­chen Stamm­baum, dürfte also die Anglizis­men­jäger nicht weit­er stören.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

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