Die Filosofie der Ih-Mehl

Von Anatol Stefanowitsch

In meinem Beitrag zur ver­sanden­den Sprache zitiere ich einen hypo­thetis­chen Satz, den Abend­blatt-Chefredak­teur Matthias Iken als Beispiel für die Über­frach­tung der deutschen Sprache mit Anglizis­men verwendet:

Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net surft, per Fla­trate Soft­ware down­load­et, seine E‑Mails checkt, in Dat­ing­clubs mit Sin­gles chat­tet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.

Ich beze­ichne diesen Satz dort als einen „durch und durch … deutsche[n] Satz … von der Wort­stel­lung über die Flex­ion­sendun­gen der Lehn­wörter bin hin zu deren Bedeutung“.

In einem Kom­men­tar zu dem Beitrag weist mich mein Ham­burg­er Kol­lege (und ehe­ma­liger Pro­fes­sor) Wolf­gang Börn­er san­ft aber bes­timmt zurecht:

Die Inte­gra­tion von Lehn­wörtern ist noch nicht voll­ständig, wenn sie nach den Regeln der aufnehmenden Sprache flek­tiert wer­den. Lehn­wörter brin­gen in Alpha­bet­sprachen auch neue Graphem-Phonem-Beziehun­gen mit, die die Orthogra­phie-Regeln mit Aus­nah­men befracht­en. Richtig inte­gri­ert ist der Beispiel­satz mit Inter­net, Fla­trate usw. erst, wenn er so geschrieben wird: „Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net sörft, per Flet­tre­ht Soft­wehr daun­lo­hdet, seine I‑Mehls scheckt, in Det­ing­clubs mit Sin­gels schet­tet, Hitts in die Scharts wohtet oder klew­er schoppt — er tut dies muttersprachbefreit.“

Ob man ihm bezüglich der Frage der Inte­gra­tion Recht gibt, hängt davon ab, ob man die Orthografie als Bestandteil der Sprache betra­chtet. The­o­retis­che Sprach­wis­senschaftler tun dies nor­maler­weise nicht, da die Rechtschrei­bung ein­er Sprache beliebig geän­dert wer­den kön­nte, ohne dass das Sprach­sys­tem dadurch bee­in­flusst würde. Ange­wandte Sprach­wis­senschaftler sehen das anders: Da sie sich nicht nur mit dem Sprach­sys­tem son­dern auch mit der Sprache in ihrem gesellschaftlichen Kon­text befassen, ist die Orthografie eine vorgegebene Norm, die der einzelne Sprech­er eben­sowenig bee­in­flussen kann, wie die Aussprache oder die Gram­matik. Da ich mal eher the­o­retisch, mal eher ange­wandt denke, würde ich ihm also mal zus­tim­men, mal nicht.

Worin man Börn­er auf jeden Fall zus­tim­men kann, ist sein grund­sät­zlich­er Hin­weis bezüglich der Buch­staben-Laut-Zuord­nung. Die englis­chen Lehn­wörter, die wir seit Ende des 19. Jahrhun­derts in den deutschen Wortschatz importieren, brin­gen natür­liche ihre eige­nen Beziehun­gen zwis­chen Laut­en und Buch­staben mit. Ein Kind, das heute die deutsche Schrift­sprache erlernt, muss zum Beispiel ver­ste­hen, dass das lange E (also [eː]) in fair [feːɐ], Mail [meːl] und Train­er [treːnɐ] nicht, wie son­st, als ‹eh› (z.B. sehr), ‹ee› (Teer), ‹e› (schw­er) oder ‹ä› (Bär) geschrieben wird, son­dern als ‹ai› (ich gehe hier von Börn­ers und mein­er nord­deutschen Aussprache aus).

Aber wie die genan­nten Beispiele zeigen, muss das Kind ja auch ohne die englis­chen Lehn­wörter schon vier ver­schiedene Schreib­weisen für ‹e› ler­nen — macht eine zusät­zliche Möglichkeit da wirk­lich etwas aus?

Man kön­nte nun argu­men­tieren, dass das Prob­lem nicht die zusät­zliche Schreib­weise ist, son­dern die Tat­sache, dass ‹ai› nor­maler­weise [aı] aus­ge­sprochen wird, näm­lich in Mai, Hain, Hai, Waise, Laie, Saite, Thai­land, Kai und Rain­er. Das Kind muss also ler­nen, dass ‹ai› manch­mal als [aı] und manch­mal als [eː] aus­ge­sprochen wird. Aber auch das ist nichts Lehn­wort­spez­i­fis­ches – das Kind muss ja auch lenr­nen, dass ‹a›, ‹e›, ‹i›, ‹o›, ‹u›, ‹ä›, ‹ö›, ‹ü› und ‹y› manch­mal „lang“ und manch­mal „kurz“ aus­ge­sprochen werden.

Mit anderen Worten: die deutsche Rechtschrei­bung ist auch ohne Lehn­wörter schon eine Katas­tro­phe, und das, obwohl sie von allen Aspek­ten der deutschen Sprache der einzige ist, der sich tat­säch­lich von oben herab regeln ließe. Kurioser­weise sind es aber häu­fig ger­ade die Lehn­wort­geg­n­er, die sich ein­er Ein­deutschung der Schreib­weise von Fremd­wörtern ver­weigern. Ich erin­nere mich noch gut an (echte und erfun­dene) Vorschläge der Rechtschreibkom­mis­sion zur Ein­deutschung von Schreib­weisen wie Filosofie, Füsik, Scheff und Schof­för — aus der Ecke der Sprach­schützer löste das ein Geschrei aus, als ob das Abend­land untergin­ge. Die kul­turelle Iden­tität der Wörter, ihr edler griechis­ch­er bzw. franzö­sis­ch­er Charak­ter würde dadurch ver­loren gehen.

Man muss sich also entschei­den — möchte man Wörter mit ein­er schriftlich-kul­turellen Iden­tität haben, oder zieht man eine züstemaatiše Ortoograafii vor? Bei­des zusam­men geht nicht.

37 Gedanken zu „Die Filosofie der Ih-Mehl

  1. buntklicker.de

    Buch­staben-Phonem-Zuord­nung hin oder her, Lehn­wörter aus dem Englis­chen brin­gen vor allen Din­gen neue Laute und vor allem Lautkom­bi­na­tio­nen mit. Ger­ade die Fla­trate ist ein gutes Beispiel; wenn ich dieses Wort benutze, sage ich defin­i­tiv nicht “Flet­tre­ht”, son­dern eher “Fläträit”, wobei der einzige Laut, der genau­so klingt wie im Deutschen, das “F” ist. Alle anderen Laute bzw. Lautkom­bi­na­tio­nen klin­gen etwas anders als im Deutschen. Das macht in meinen Augen diese Lehn­wörter viel eher zu Fremd­kör­pern im deutschen Sprach­fluß; es dauert halt etwas, bis sich auch die Aussprache verlschlis­sen hat. Der “Train­er”, ver­gle­ich­sweise ein Frühankömm­ling, wird weit häu­figer als “Trehn­er” deutsch aus­ge­sprochen als der Neuzu­gang “Fla­trate”.

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  2. Patrick Schulz

    Ein paar Gedanken, die mir beim Lesen spon­tan durch den Kopf schossen:

    Ist Buch­staben-Laut-Zuord­nung eigentlich das­selbe wie Graphem-Phonem-Korrespondenz?

    Spielt bei der Frage nach ein­er Ver­schriftlichung von Anglizismen/Lehnwörtern generell eher Graphem-Phonem-Kor­re­spon­denz oder Phonem­Graphem-Kor­re­spon­denz eine Rolle, oder bei­des? (Zumin­d­est in der Psy­cholin­guis­tik wird bei­des unterschieden)

    Spricht man im Nord­deutschen das <a> in „Orthographie“ tat­säch­lich lang?

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  3. Lars von Karstedt

    @ Patrick Schulz: Die Dop­pel­vokale in Ana­tols Refor­morthogra­phie beziehen sich nicht auf die Vokallänge, son­dern auf die Vokalqual­ität: offenes o = o, geschlossenes o = oo etc. Entsprechend ist offen­bar “Tief­schwa” = a, das offene a = aa.

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  4. Christoph Päper

    Wenn Prof. Börn­er den Satz ernst meint, ist sein Wis­sen zur The­o­rie und Prax­is der Alpha­bet-Orthogra­phie lei­der ein wenig naiv. Ich gehe ihm zugute davon aus, dass er lediglich im hiesi­gen informellen Kon­text plaka­tiv sein wollte, denn wie hier im Beitrag angeris­sen gibt es in der Orthogra­phie – selb­st ein­er regelmäßig von ein­er Autorität aktu­al­isierten wie der spanis­chen – keine uni­versell gülti­gen ein­fachen Sprech-Schreib- oder Schreib-Sprech-Beziehun­gen. Nichts­destotrotz gibt es Beziehun­gen, die den Rege­lap­pa­rat bilden. (Der com­put­er­lin­guis­tisch-ana­lytis­che Ansatz von Sproat ist bspw. inter­es­sant.) Die Sys­tem­atik der deutschen Rechtschrei­bung ist dabei im Ver­gle­ich nicht­mal beson­ders kom­plex, aber trotz­dem von nie­man­dem voll­ständig und nur von weni­gen gut genug ver­standen, um sie anderen erk­lären zu kön­nen. Selb­st mit einem Peter Eisen­berg muss man dies­bezüglich nicht durchgängig ein­er Mei­n­ung sein. 

    In vie­len Fällen ist es also nicht hil­fre­ich, wenn einzelne eine eingedeutschte Schrei­bung vorschla­gen. (Natür­lich gibt es auch solche, bei denen die Wahl unstrit­tig wäre.) Es geht nur durch Abwarten und Beobacht­en. Mein (genau­so dilet­tan­tis­ch­er, etwas ety­mol­o­gis­cher­er) Ansatz wäre im Übrigen:

    Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net sörft, per Flätret Soft­wär daun­lodet, seine E‑Meels scheckt, in Dät­ingklubs mit Sin­gels schät­tet, Hits in die Scharts votet oder klever schoppt …“

    (Man kön­nte auch für Reyt, Meyl, Deyt­ing sein, ana­log zu ey Alter, boah ey. Wenn ich die Schrei­bung frei oktroyieren dürfte, sähe das etwas anders aus.)

    Dass die Schrei­bung der Lehn­wörter an das beste­hende Sys­tem oder aber das Sys­tem an die neuen Wörter angepasst wer­den muss, bevor man von voller Inte­gra­tion reden kann, sollte klar sein. Phyrrh die klas­sizis­tis­chen Sprachen haben wir entsprechende Anpas­sun­gen, weswe­gen sich bspw. griechis­che Wörter behar­rlich weigern, sich dem Rumpf­sys­tem deutsch­er Ortografie anzu­passen. Latein brauchte wenige Adap­tio­nen, da unsere Regeln ohne­hin über­wiegend von seinen abgeleit­et wur­den, sodass nur – und das erst vor kaum 100 Jahren – die C‑Ambiguität beseit­igt wurde. Viele franzö­sis­che und englis­che – daneben gibt es keine weit­eren nen­nenswerten Quell­sprachen – Lehn­wörter, die oft wiederum aufs Griechis­che oder Latein zurück­führen, wirken im Schrift­bild (wie im Sprach­fluss) weit­er­hin als Fremd­kör­p­er. Beson­ders für Gal­lizis­men und beson­ders für die Schrift gilt dies schon seit ver­hält­nis­mäßig langer Zeit. Hätte die Rechtschreiben­twick­lung des 20. Jahrhun­derts auch nur ansatzweise noch die Dynamik des 19. besessen, gäbe es auf unseren Tas­taturen heute vielle­icht keine Tas­ten für ^, ´ und – mglw. auch nicht für ß.

    Die Pro­fes­sion­al­isierung der Textpro­duk­tion und die ansteigende Reich­weite mit ein­herge­hend höher­er Zahl von Adres­sat­en musste jedoch zwangsläu­fig zu der Erstar­rung führen. Erst heute, da mit­tels Medi­en­tech­nik und ‑struk­tur mehr Schreiber wahrgenom­men wer­den kön­nen, entste­ht wieder die Möglichkeit größer­er Änderun­gen. Noch ist aber das Bewusst­sein, dass Abwe­ichun­gen von der Stan­dard­schrei­bung (der Kon­text- oder Lehn­prache) in Ord­nung sind, unter den kom­pe­ten­ten Schreiber-Lesern nicht beson­ders ver­bre­it­et, sodass die (im besten Sinne der Wörter) naiv­en oder arro­gan­ten Neu­bil­dun­gen besten­falls belächelt wer­den – auch ich bin zu kon­ser­v­a­tiv-elitär, um nix neben oder gar statt nichts im Wörter­buch akzep­tieren zu wollen, um mal von der Beschränkung auf Lehn­wörter wegzukommen.

    PS: Gibt es eine sozi­olin­guis­tis­che Formel, die abhängig von ver­füg­baren Kom­mu­nika­tions- und Verkehrsmit­teln (inkl. Sied­lungsstruk­tur) und der Zahl bzw. dem Ver­hält­nis von Pro­duzen­ten und Rezip­i­en­ten (tw. bil­dungs- und finan­z­ab­hängig) bes­timmt, wieviele „Sprachen“ in einem Gebi­et oder ein­er Pop­u­la­tion existieren kön­nen? Das mag jet­zt naiv von mir sein, aber ich glaube, dass man das Dialek­tkon­tin­u­um viel­er verteil­ter klein­er Dör­fer genau­so wie die hochkod­i­fizierte Kul­tur- und Ver­wal­tungssprache eines zen­tral ges­teuerten Imperi­ums oder die Hil­f­ssprache ein­er glob­al ver­net­zten Wis­senschaft beschreiben kön­nen müsste.

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  5. janwo

    Da unser Ortogra-Vieh aber doch ohne­hin eher von den Aus­nah­men als den Regeln so fett zu sein scheint, kommt es auf die Lehn­wortschrei­bung im Grunde nicht an. Wir haben auch ohne Ih-Mehl viel zu viele Möglichkeit­en, einem lan­gen [i:] eine Schrei­bung zu verpassen.

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  6. Anatol Stefanowitsch

    Warum nicht gleich:

    Veeà hoitè baišpi­ilsvaise duàx das intànät söàft, peà fle­treet soft­veeà daun­lood­et, zainè meels čekt, in deetiǧk­lubs mit siǧls četèt, hits in dii čaats vootèt odà klevà šopt — eà tuut diis mutàšpraaxbèfrait.

    Oder etwas mor­pho­phone­mis­ch­er und mit Rück­sicht auf rho­tis­che Dialekte:

    Vér hœte byšpílsvyse durx das inter­net sörft, per fletrét soft­vér [ODER: sof­t­uér] dwn­lódet, zyne méls čekt, in détiǧk­lubs mit siǧls četet, hits in dí čarts vótet odr klevr šopt — er tút dís mutršpràxbe­fryt. [ei/ai = y, au = w, eu/oi = œ] 

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  7. Nina

    Es wurde ja schon ange­sprochen: Die Tran­skrip­tion von Lehn­wörtern ist schon auf­grund der unter­schiedlichen Phonetik inner­halb des Deutschen schwierig. “Chat­ten” bzw. “Chat” würde ich auf keinen Fall mit “schet­ten” bzw. “schet” tran­skri­bieren, das entspricht auch nicht der kor­rek­ten englis­chen Aussprache, son­dern mit “tschet­ten” bzw. “tschet”. Wenn man das aber tut, bekommt man ein Prob­lem mit der Ver­wechlsung mit “jet­ten” bzw. “Jet”, die ja genau so aus­ge­sprochen wer­den. Ein nicht unbe­d­ingt gravieren­des Prob­lem, aber eines, das sich den­noch ver­mei­den ließe, wenn man nicht herumpanscht.

    Von den alteinge­sesse­nen Wörtern fällt mir sofort die “Chemie” ein. In Öster­re­ich würde daraus die “Kemie”, wohinge­gen weite Teile Deutsch­lands “Chemie” (mit weichem ch) oder “Schemie” schrieben. Hier ließe sich mit Sicher­heit keine ein­heitliche Lösung find­en, denn irgen­dein­er Seite würde auf jeden Fall die unge­wohnte Aussprache orthographisch aufgezwun­gen — oder aber es gäbe wieder die Aufteilung in “deutsches Deutsch” und “öster­re­ichis­ches Deutsch”, wodurch aus einem bis dato allen ver­ständlichen Wort ein unver­ständlich­es würde (kein Öster­re­ich­er wüsste etwas mit “Schemie” anz­u­fan­gen, kein Deutsch­er etwas mit “Kemie”).

    Ich bin weniger wegen meines Erzkon­ser­v­a­tivis­mus gegen die über­triebene vere­in­heitlichende Tran­skripi­ton von Lehn­wörtern, son­dern auf­grund der all­ge­meinen Ver­ständlichkeit. Bei der Filosofie ist es mir ehrlich gesagt egal, weil das Wort noch erkennbar bleibt. Beim Kätschap muss ich aber schon dreimal nach­le­sen, um zu begreifen, was hier eigentlich gemeint ist. Und man tut den Schülern auch keinen Gefall­en, wenn sie ein und das­selbe Wort in zwei Schreib­weisen ler­nen müssen.

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  8. DrNI@AM

    @Nina: Chat­ten oder Jet­ten? Also unter­schiedliche Wörter mit (mehr oder min­der) iden­tis­ch­er Aussprache. Das kommt öfter vor… Ortogra­phienör­gler sind zum Beispiel gerne empört, wenn jemand “dass” und “das” öfter ver­wech­selt – dabei ver­wech­selt die Per­son wom­öglich nicht das Wort, son­dern nur die Schreib­weise. Die Englän­der nörgeln über “it’s” vs. “its”, wobei anscheinend Ersteres auch noch eine his­torische Form von Zweit­erem ist.

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  9. Nina

    @ DrNI@AM: Ich geste­he, ich gehöre zu bei­der Arten von Nör­glern, sowohl was dass/das bet­rifft, als auch it’s/its (let­zteres aber nur, wenn die Ver­wech­slung von englis­chen Mut­ter­sprach­lern began­gen wird). Obwohl ich mitunter natür­lich auch Tippfehler mache, finde ich ger­ade die Häu­fung von dass/­das-Fehlern in Zeitun­gen schreck­lich. Kein Wun­der, dass (sic) so viele Leute dann die doch recht sim­ple Regel, an der sich auch durch die Neue Deutsche Rechtschrei­bung nichts geän­dert hat, nicht begreifen.

    Ich schätze, jed­er hat sein sprach­lich­es Hüh­n­er­auge an ander­er Stelle. Während die einen an die Decke gehen, wenn sie einen (auch ver­meintlichen) Anglizis­mus erspähen, tue ich es u.a. bei dass-Fehlern. Aber wie jed­er kann ich meine per­sön­liche Empfind­lichkeit natür­lich bess­er argu­men­tieren, als alle anderen. 😉

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  10. Nörgler

    Mit Ver­laub, aber die Flex­ion­sendun­gen kom­men mir nicht “durch und durch deutsch” vor. Vielmehr fällt die Häu­figkeit des Plural‑s stark ins Auge (E‑Mails, Dat­ing­clubs, Sin­gles, Hits, Charts).

    Und was soll es heißen, daß auch die Bedeu­tung der “Lehn­wörter” deutsch sei?

    Die Tran­skrip­tio­nen von Her­rn Böh­mer (übri­gens: was ist eigentlich ein “ehe­ma­liger Pro­fes­sor”?) überzeu­gen mich auch nicht. Es müßte doch wohl eher tscheckt, Dat­ingklup­ps oder Dat­ingk­lapps, tschet­tet, Tscharts und kleww­er geschrieben werden.

    Und warum eigentlich nicht Flätre­ht und Tschäten, was der ursprünglichen englis­chen Aussprache näher käme, ohne deutschen Ausspracheregeln zu widersprechen?

    Im übri­gen stimme ich buntklicker.de zu, daß es nicht so sehr auf die Schrei­bung als auf die Aussprache ankommt. Eine Ein­deutschung der Schrei­bung kommt erst in Frage, wenn auch die Aussprache vol­lkom­men eingedeutscht ist. Son­st wider­spräche die Schrei­bung der häu­fig zwis­chen englisch und deutsch schwank­enden Aussprache. Angesichts zunehmend ver­bre­it­eter Englis­chken­nt­nisse ist eine voll­ständi­ge phonetis­che und orthographis­che Ein­deutschung (Inte­gra­tion) neuer Fremd­wörter, wie bei Streik oder Keks, kaum noch zu erwarten.

    Ob sich die Rechtschrei­bung in einem demokratis­chen Staat so ein­fach “von oben herab” regeln läßt, möchte ich bezweifeln. Jeden­falls ist es nicht der einzige Bere­ich, der sich “von oben herab” zumin­d­est bee­in­flussen läßt. So sind Ende des 19. Jahrhun­derts viele Fremd­wörter im Post- und Bahn­bere­ich amtlich durch deutsche erset­zt wor­den. Davon haben sich viele auch im all­ge­meinen Sprachge­brauch durchgesetzt.

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  11. Patrick Schulz

    Der s‑Plural ist eine pro­duk­tive Möglichkeit den Plur­al im Deutschen zu bilden (pro­duk­tiv im dem Sinne, dass er bei Neuschöp­fun­gen bevorzugt ver­wen­det wird). Das hat unter anderem pho­nol­o­gis­che Gründe, so ist der sonst­wo-Fall der Plu­ral­bil­dung bei Nomen, die auf Vokal enden, das ‑s. Selb­st wenn das Plural‑s ein gram­matikalis­ch­er Anglizis­mus ist, so muss er schon vor sehr langer Zeit entlehnt sein und gesellt sich auf eine Stufe mit Sport oder Tun­nel (was ich allerd­ings bezwei­fle, also dass es das Plural‑s aus dem Englis­chen entlehnt wurde).

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  12. giardino

    Für mich deckt sich die Beobach­tung aus dem vor­let­zten Absatz auf wun­der­same Weise mit der Art, wie auch Men­schen behan­delt wer­den. Die, die von Immi­granten laut und wieder­holt Inte­gra­tions­be­mühun­gen anmah­nen, sind nach mein­er Beobach­tung meist auch diejeni­gen, die selb­st längst einge­bürg­erte Men­schen immer noch als “Türken”, “Syr­er” etc. beze­ich­nen (eventuell leicht abgeschwächt mit “Deutsch-” als Deter­mi­nans) und ihnen damit den let­zten Schritt der Inte­gra­tion selb­st ver­weigern, näm­lich die Ununterscheidbarkeit.

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  13. Achim

    Der Aspekt, dass sich durch die Auf­nahme von Lehn­wörtern das Laut­sys­tem verän­dert, ist hier mein­er Mei­n­ung nach zu kurz gekom­men. Englis­che Lehn­wörter brin­gen uns [s] im Sil­be­nan­laut (Song, Soft­ware, Sex, sur­fen), den Diph­thong [εi] (Mail — wie schon bemerkt, ist der Train­er inzwis­chen nicht nur einge­bürg­ert, son­dern auch assim­i­liert..). Das anlau­t­ende [s] scheint bleiben zu wollen, mal sehen, was mit [εi] passiert.

    Frühere Gen­er­a­tio­nen mussten mit nasalierten Vokalen und [lj] aus dem Franzö­sis­chen fer­tig­w­er­den. Die Assim­i­lierung ist hier unter­schiedlich fort­geschrit­ten. Da die Quelle “Englisch” heutzu­tage deut­lich mehr Men­schen zugänglich ist als im 19. Jahdt. die Quelle “Franzö­sisch”, gehe ich davon aus, dass sich das Laut­sys­tem des deutschen hier anpassen wird. Bzw. dass die schon vol­l­zo­ge­nen Anpas­sun­gen von Dauer sein werden.

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  14. Dierk

    Was bitte sehr wäre die ‘deutsche’ Aussprache? Da gäbe es u.a. das Schwäbis­che, diverse niederdeutsche Aussprachen, Bay­erisch, Rheinisch … Nicht zu sprechen von Vari­etäten wie Schwyz­erdütsch oder Ale­man­nisch. Tja, und dann wäre da die [ver­mutete] Lautre­al­i­sa­tion älteren Ursprungs, wie Mit­tel- oder Althochdeutsch.

    Die Lautwieder­gabe im Schrift­bild wäre noch ein­mal ein geson­dert­er Bere­ich; mich stört in dieser Art Diskus­sion ohne­hin immer, wie sehr Sprache und Schrift ver­mis­cht wer­den. Die für bes­timmte Laute genutzten Buch­staben sind nur eine Krücke — wie sich auch an der recht großen Anzahl Rechtschreibfehler zeigt, die Schreiblern­er [aber auch aus­gel­ernte] machen. So manche Laut-Schrift­sym­bol-Kom­bi, die wir Deutschen als richtig anse­hen, wäre in ein­er anderen Sprach-Schrift-Kul­tur falsch. Das passiert bei kontin­gen­ten Prozessen.

    Was wiederum Demokratie, also ein poli­tis­ches Sys­tem, mit Schrei­bung zu tun hat, bleibt mir ver­schlossen. Sowohl die Rechtschreibre­form von 1902 als auch die let­zten zwis­chen 1996 und 2002 [?] sind von oben herab verord­net wor­den. Übri­gens nicht, wie einige Dumm­schreiber mein­ten, jedem Indi­vidu­um, son­dern staatlichen Stellen, die schon aus juris­tis­chen Grün­den eine nor­mal­isierte Rechtschrei­bung benöti­gen. Demokratie ist höch­stens eine Auswirkung dessen, was als Symp­tom indi­vidu­elle Schrei­bung bein­hal­tet, nicht umgekehrt.

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  15. Bernhard

    @Achim: Was in Ham­burg mit dem [ε͡i] passiert ist, sieht man an der [eː]-Diskussion im Hauptblogtext. 

    Ich wäre ja dafür, die Schrei­bung min­i­mal inva­siv in „Mäil“ und „Träin­er“, „Soft- und Hard­wäre“ zu ändern (vielle­icht sollte man sich auch noch etwas für stumme s und s wie in Tr[ɛː]ner ein­fall­en lassen?). Damit wäre die Aussprache klar und die Etü­molo­gie erahn­bar. Allerd­ings passt das natür­lich nicht zur Aussprache der Mehlsprech­er; aber denen ist graphisch eh nicht zu helfen.

    (Fußnote: Wir Rhein­län­der real­isieren tat­säch­lich öfters mal ein [ɛː] – wer will schon K[eː]se essen?)

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  16. Gareth

    Nör­gler, dann müssten Sie sich ja auch an Omas und Autos stören, die auch das ver­meintliche “undeutsche” s zur Plu­ral­bil­dung nutzen. Wenn man für jeman­den votet oder einen gepimpten Wagen fährt, sind die Wörter doch wun­der­bar ins Deutsche integriert.

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  17. Nörgler

    @Gareth:

    Wie kom­men Sie darauf, daß ich mich daran störe?

    Woran ich mich störte, das war nur die apodik­tis­che Behaup­tung, der fragliche Satz sei ein “durch und durch deutsch­er Satz”.

    Zu votet: Zur voll­ständi­gen Inte­gra­tion fehlt nur noch die Schrei­bung “wotet” o. dgl. Ein Verb “woten” oder “woht­en” oder “wooten” würde sich natür­lich wun­der­bar ins Deutsche ein­passen. Nur: wozu ein solch­es Wort, wenn wir schon das alt­be­währte “wählen” haben?

    Auch ein Verb “pim­pen, pimpte, gepimpt” würde ohne weit­eres ins Deutsche passen, zumal ihm die neg­a­tiv­en Assozi­a­tio­nen im Englis­chen wohl fehlen wür­den. Aber was ist eigentlich ein “gepimpter Wagen”? Ver­mut­lich nicht ein “zuge­hal­tener Wagen”, aber vielle­icht ein “aufge­motzter Wagen”? Jeden­falls gehört “to pimp” im hier mut­maßlich gemein­ten Sinn auch im Englis­chen nicht zum etablierten Wortschatz. Ob es sich im Englis­chen durch­set­zt oder wie viele Mod­ewörter wieder ver­schwindet, bleibt abzuwarten.

    Bleibt die Frage: Welche schmer­zlich emp­fun­dene Lücke im deutschen Wortschatz würde ein Verb “pim­pen” endlich schließen?

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  18. Nörgler

    @Anatol Ste­fanow­itsch:

    Wenn die deutsche Rechtschrei­bung eine Katas­tro­phe ist, weil die armen Kinder ler­nen müssen, wann ein Vokal kurz und wann er lang gesprochen wird, wieso wären dann četen und ǰeten eine “echte Rechtschreibre­form”? Wie soll man daraus erse­hen, daß das e (in ver­ball­horn­ter deutsch­er Aussprache) kurz gesprochen wird? Die gegen­wär­tige deutsche Rechtschrei­bung kennze­ich­net in den meis­ten Fällen (wenn auch nicht immer) doch ganz gut, wann eine Silbe lang und wann sie kurz aus­ge­sprochen wird.

    Unsere bedauern­swerten Abkömm­linge müssen ja oben­drein noch ler­nen, wie die deutschen Wörter betont wer­den. Eine Min­i­mal­forderung an eine “echte Rechtschreibre­form” wäre dem­nach die Ein­führung von Betonungszeichen.

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  19. Makri

    Wieso wären dann četen und ǰeten eine “echte Rechtschreibre­form”? Wie soll man daraus erse­hen, daß das e (in ver­ball­horn­ter deutsch­er Aussprache) kurz gesprochen wird?

    Weil da, wenn der Vokal lang wäre, oder oder geschrieben würde… Und falls nun jemand sagt, wo bleiben dann die Gem­i­nat­en: Wenn man als Gem­i­naten­sprech­er das Vorhan­den­sein ein­er solchen an der Länge des Vokals davor abli­est, funk­tion­iert das ein­deutig — umgekehrt ist dem nicht so.

    Beto­nung ist im Deutschen ein eher geringes Prob­lem und fast immer mor­phol­o­gisch determiniert.

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  20. E.S.

    Zu Nr. 18

    Bleibt die Frage: Welche schmer­zlich emp­fun­dene Lücke im deutschen Wortschatz würde ein Verb “pim­pen” endlich schließen?

    Wir ver­wen­den viele (bis­lang uner­hörte) Wörter nicht, um Lück­en im Wortschatz zu schließen. Da gibt es viele andere Motive: orig­inell sein, witzig sein, sparsam sein, präzise sein, … Und wir ver­wen­den mit densel­ben Motiv­en manch­mal auch Wörter, die es schon gibt, in neuar­ti­gen Verwendungsweisen.

    Wir”, das sind die Sprech­er, die beim Sprachge­brauch ohne Blick auf den Wortschatz des Deutschen han­deln, son­dern ihre ganz kleinen, alltäglichen Ziele ver­fol­gen, woraus dann wie von unsicht­bar­er Hand der wohlsortierte deutsche Wortschatz entsteht …

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  21. Patrick Schulz

    Was ist eigentlich Rechtschrei­bung? Eine arbi­träre, von Oben getätigte Fes­tle­gung, wie ein Wort zu schreiben ist. Nehmen wir an, dass die Duden-Redak­tion fes­tlegt, was richtig geschrieben ist, so inte­gri­ert sie ein englisch- oder sonst­wie-sprachiges Wort in dem Moment ins Deutsche, in dem sie es in den Duden aufn­immt, und zwar egal, wie es let­ztlich geschrieben ist und ob es zur schein­bar etablierten Buch­staben-Laut-Zuord­nung passt.

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  22. Gareth

    Nör­gler, ist die Rechtschrei­bung für sie das Maß aller Dinge? Wieso wäre voten erst inte­gri­ert, wenn man es mit w schriebe? Empfind­en Sie die Schreib­weisen der Wörter vari­ieren oder ver­siert auch als störend oder “fremd”?

    Zwis­chen voten und wählen gibt es außer­dem einen Bedeu­tung­sun­ter­schied, wenn auch nur nuanciert. Ich kann etwas in die Charts voten (z.B. tele­fonisch bei einem Radiosender, hier kön­nte man auch wählen benutzen) oder aber bei ein­er Fernsehsendung für jeman­den voten (hier hat es die Bedeu­tung von abstim­men), wohinge­gen wohl kaum jemand Für wen votest du bei der Bun­destagswahl? sagen würde. Es ist also nicht ein­fach nur wählen.

    Und pim­pen würde ich hier in der Tat für auf­motzen benutzen, nur dass gepimpt halt gewisse pop­kul­turelle Assozi­a­tio­nen weckt, was bei auf­motzen nicht der Fall ist. Ob es im Englis­chen etabliert ist, oder auch da nur mit einem pop­kul­turellen Phänomen ein­herge­ht, hat ja mit dem Gebrauch im Deutschen nichts zu tun. Übri­gens auch nicht mit schmer­zlichen Lücken.

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  23. Nörgler

    Gareth:

    Natür­lich ist die Rechtschrei­bung für mich nicht das Maß aller Dinge. Wie kom­men Sie über­haupt darauf?

    Aus­gangspunkt der Diskus­sion war doch die Behaup­tung von “Ex-Pro­fes­sor” Börn­er, daß Wörter erst bei ein­er den deutschen Schreibge­wohn­heit­en angepaßten Schreib­weise als inte­gri­ert beze­ich­net wer­den kön­nen. Ich habe daran Zweifel angemeldet, da ich die Aussprache für wichtiger halte. Außer­dem habe ich gewisse Inkon­se­quen­zen bei den “Tran­skrip­tio­nen” des Her­rn Börn­er kritisiert.

    In deutschen Wörtern wird der w‑Laut nun ein­mal als w geschrieben. Schon deshalb ist “voten” eben nicht vol­lkom­men inte­gri­ert, eben­sowenig wie das ältere “votieren”. “Vari­ieren” und “ver­siert” empfinde ich dur­chaus als “fremd”, nicht nur wegen des v, son­dern auch wegen der Endung ‑ieren. Wenn Sie sagen, daß kaum jemand “Für wen votest du bei der Bun­destagswahl?” sagen würde, bestätigt das meine Ansicht, daß “voten” eben nicht inte­gri­ert ist.

    Man kann doch dur­chaus “etwas in die Charts wählen“und “für jeman­den stim­men”. Wozu also “voten”?

    Im übri­gen dreht sich die Diskus­sion im Kreise, wenn man nicht genauer fes­tlegt, was man unter “Inte­gra­tion” ver­ste­ht. Früher beze­ich­nete man als “Lehn­wort” oder als “inte­gri­ert” diejeni­gen Wörter, deren fremde Herkun­ft nicht mehr emp­fun­den wird, also etwa Kloster, Fen­ster, Abt, Streik usw. Dazu reicht aber die Anpas­sung an die deutsche Laut-Buch­staben-Zuord­nung bei weit­em nicht aus. Nehmen wir etwa die hier benutzten Wörter “arbi­trär” oder gar “Arbi­trar­ität”. Deren Laut-Buch­staben-Zuord­nung entspricht vol­lkom­men der deutschen. Das einzig ungewöhn­liche daran ist die Beto­nung der End­silbe. Aber auch ohne dem wäre sich jed­er Deutsche vol­lkom­men darüber im Klaren, daß es sich um “Fremd­wörter” han­delt. Sie passen eben nicht in die Gewohn­heit­en der deutschen Wortbildung.

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  24. Nörgler

    @Makri:

    Weil da, wenn der Vokal lang wäre, oder oder geschrieben würde…

    Was wollen Sie damit sagen?

    Gibt es unter den Deutschen über­haupt “Gem­i­naten­sprech­er” (von Einzelfällen bei Zusam­menset­zun­gen mal abgesehen)?

    Im übri­gen habe ich nicht behauptet, daß die Beto­nung im Deutschen ein schw­er­wiegen­des Prob­lem wäre. Tat­sache ist aber, daß die deutsche Rechtschrei­bung z.B. nicht zwis­chen überset­zen und überset­zen unter­schei­den kann. Das ist zwar auch nicht so wichtig, aber sollte eine “echte Rechtschreibre­form” (was immer das auch sein mag) das nicht vielle­icht doch können?

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  25. Makri

    Ups, ich hat­te vergessen, dass das Sys­tem hier Buch­staben in eck­i­gen Klam­mern ver­schluck­en würde. Ich hat­te “é oder ê oder ee” geschrieben, nur eben, als Grapheme, eingeklammert.

    eine “echte Rechtschreibre­form” (was immer das auch sein mag)

    Also so schw­er ist doch nun wirk­lich nicht zu errat­en, dass damit eine Reform gemeint ist, die aus der deutschen Rechtschrei­bung eine gescheite solche machen würde…

    Was man wegen der Beto­nung wohl sin­nvoll machen kön­nte, wenn man das möchte, ist, wie manche roman­is­chen Sprachen vorzuge­hen und von einem gewis­sen Stan­dard abwe­ichende Akzente zukennze­ich­nen; zum Beispiel kön­nte man dann Kurz­vokale ein­fach schreiben, speziell betonte Kurz­vokale mit Gravis, Lang­vokale mit Akut und uner­wartet betonte Lang­vokale mit Zirkum­flex. Oder natür­lich Beto­nung mit Akut anzeigen, wenn man Lang­vokale durch Dop­pelschrei­bung darstellt.

    [Anmerkung A.S.: Buch­staben in spitzen Klam­mern wer­den von Word­Press als HTML-Tags inter­pretiert und nicht angezeigt. Um trotz­dem spitze Klam­mern zu bekom­men, kann man entwed­er ein­fache ‹franzö­sis­che Anführungsze­ichen› oder die HTML-Tags &lt; und &gt; verwenden.]

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  26. Gareth

    Wenn Sie sagen, daß kaum jemand “Für wen votest du bei der Bun­destagswahl?” sagen würde, bestätigt das meine Ansicht, daß “voten” eben nicht inte­gri­ert ist.

    Nein, das hat mit dem Inte­gri­ert­sein gar nichts zu tun. Das habe ich ange­führt, um zu zeigen, dass die bei­den Ver­ben voten und wählen in ihrer Bedeu­tung eben nicht iden­tisch sind. voten hat je nach Kon­text die Bedeu­tung von wählen oder abstim­men, umfasst aber gle­ichzeit­ig nicht alle Nuan­cen des Verbs wählen, z.B. wie oben aufge­führt nicht die Ver­wen­dung im poli­tis­chen Kon­text. Der Vor­wurf, man würde hier ein deutsches Verb ein­fach durch ein Lehn­wort aus dem Englis­chen erset­zen, ist also schief.

    Vari­ieren” und “ver­siert” empfinde ich dur­chaus als “fremd”, nicht nur wegen des v, son­dern auch wegen der Endung ‑ieren.

    Wörter, die mit v geschrieben wer­den und am Anfang auch /v/ gesprochen wer­den, gibt es doch im Deutschen schon seit hun­derten von Jahren. Selb­st wenn z.B. die Vase aus dem Franzö­sis­chen entlehnt wurde, wird das doch heute von den Sprech­ern nicht mehr als Fremd­wort bzw. “fremdes” Wort wahrgenom­men, Rechtschrei­bung hin oder her.

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  27. Nörgler

    @Gareth:

    Natür­lich sind Wörter wie “Vase”, oder auch “vage”, schon sehr weit­ge­hend inte­gri­ert. Ob sie völ­lig inte­gri­ert sind, hängt von der Def­i­n­i­tion an. Und über Def­i­n­i­tio­nen will ich hier nicht stre­it­en. Jeden­falls sind die schon seit rel­a­tiv langem Teil des deutschen Wortschatzes.

    Das kann man über “voten” aber ganz bes­timmt nicht sagen. Ich denke, dieses Wort wird nur in einem bes­timmten Milieu und auch dort nur in einem bes­timmten (“pop­kul­turellen”) Zusam­men­hang, der sich ohne­hin durch exzes­siv­en Gebrauch von Anglizis­men ausze­ich­net, gebraucht. Das ist der Grund, warum manche vielle­icht “in die Charts voten”, aber niemals “in den Bun­destag voten” sagen würden.

    Ich habe auch nicht behauptet, daß “voten” und “wählen” in jed­er Ver­wen­dung bedeu­tungsi­den­tisch wären, son­dern nur, daß man anstelle von “in die Charts voten” genau­sogut (oder bess­er) auch “in die Charts wählen” sagen kann. In ander­er Ver­wen­dung sagt man im Deutschen “abstim­men”, “stim­men für” o. dgl. Jeden­falls fällt mir keine denkbare Ver­wen­dung von “voten” ein, wo man nicht auch ein gängiges deutsches Wort ver­wen­den kann. Bei “Vase” ist das schon ganz anders. Da fällt mir auf Anhieb jeden­falls kein deutsches Wort ein.

    Vielle­icht wird “voten” eines Tages wirk­lich in den all­ge­meinen deutschen Wortschatz einge­hen, vielle­icht wird es, wie viele Mod­ewörter in Vergessen­heit ger­at­en. Warten wir’s ab.

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  28. Nörgler

    Noch ein Nachtrag:

    Falls “voten” wirk­lich ein­mal in den deutschen Wortschatz einge­hen sollte, wird es eines Tages Rechtschreibre­former geben, die (im Sinne ein­er “echt­en Rechtschreibre­form”) vorschla­gen wer­den, das Wort doch bess­er “woten” zu schreiben, so wie sie ja schon heute lieber “Filosofie” und “forne” schreiben möcht­en. Schließlich ist es doch eine Zumu­tung an unsere lieben Kleinen, sich zwei Schrei­bun­gen für den w‑Laut und drei für den f‑Laut merken zu müssen.

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  29. Makri

    Falls “voten” wirk­lich ein­mal in den deutschen Wortschatz einge­hen sollte, wird es eines Tages Rechtschreibre­former geben, die (im Sinne ein­er “echt­en Rechtschreibre­form”) vorschla­gen wer­den, das Wort doch bess­er “woten” zu schreiben

    Also ich per­sön­lich würde eher vorschla­gen, “wollen” doch “volen” zu schreiben. 😉

    Schließlich ist es doch eine Zumu­tung an unsere lieben Kleinen, sich zwei Schrei­bun­gen für den w‑Laut und drei für den f‑Laut merken zu müssen.

    Ist es. Ins­beson­dere, wenn diese bei­den Men­gen nicht ein­mal dis­junkt sind!

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  30. Gareth

    Nör­gler, ich habe nie abgestrit­ten, dass voten auf bes­timmte Milieus (hier übri­gens ein schönes Beispiel für einen deutschen s‑Plural) beschränkt ist. Ich bin mir ziem­lich sich­er, dass meine Eltern es nicht benutzen. Ver­mut­lich hört man es auf Musik­sendern oder bei Cast­ing­shows auch häu­figer als bei Kul­tur- oder Poli­tik­sendun­gen auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen. Ich nehme hier gar keine Wer­tung in “gut” oder “schlecht” vor, weil ich nicht über den Sinn von Lehn­wörtern disku­tieren mag. 

    Es ist schlichtweg Tat­sache, dass das Englis­che to vote als voten ein­wand­frei ins mor­phol­o­gis­che Sys­tem des Deutschen über­nom­men wurde (Für wen votest du dies­mal?, Ihr habt gevotet und das ist euer Ergeb­nis! etc.). Sie müssen das Wort nicht gut find­en und brauchen es auch nicht zu benutzen, aber sich gegen ein Wort zu wehren, das bere­its Ein­gang in die Sprache gefun­den hat (und mit dieser sim­plen Fest­stel­lung mache ich keine Aus­sage über seine Ver­bre­itung oder Lan­glebigkeit), ist zweck­los. Und dabei kön­nen wir es dann ja jet­zt auch belassen.

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  31. David Marjanović

    Oder etwas mor­pho­phone­mis­ch­er und mit Rück­sicht auf rho­tis­che Dialekte:

    Ich muss sagen, ich bin tief beein­druckt. Das funk­tion­iert ja wirklich.

    Nör­gler, dann müssten Sie sich ja auch an Omas und Autos stören, die auch das ver­meintliche “undeutsche” s zur Plu­ral­bil­dung nutzen.

    (Meine Oma ver­wen­det dieses s, zumin­d­est im Dialekt, tat­säch­lich nicht: a Auto, zwa Auto, drei Auto…)

    Nör­gler, dann müssten Sie sich ja auch an Omas und Autos stören, die auch das ver­meintliche “undeutsche” s zur Plu­ral­bil­dung nutzen.

    Gibt es unter den Deutschen über­haupt “Gem­i­naten­sprech­er” (von Einzelfällen bei Zusam­menset­zun­gen mal abgesehen)?

    Die Bay­ern vielle­icht. Ich (Öster­re­ich­er) spreche dop­pelt geschriebene Kon­so­nan­ten (außer bb, dd, gg, die ja in Wörtern hochdeutschen Ursprungs gar nicht vorkom­men) tat­säch­lich etwas länger aus; das ist für mich auch der Unter­schied zwis­chen s und ss/ß und der zwis­chen zwei Sorten von ch (rauchen reimt sich bei mir nicht auf tauchen). Anders gesagt, eine betonte Silbe (in der Schrift­sprache – der Dialekt ist wieder eine andere Geschichte!) hat entwed­er einen lan­gen Vokal oder einen leicht ver­längerten Kon­so­nan­ten, oder (in gewis­sen Fällen mit ß und ch) bei­des. (Oder 2 oder mehr Kon­so­nan­ten.) Daher trifft die Sil­ben­ge­lenk­the­o­rie bei mir zu; und ng und sch, die vor 1000 Jahren Kon­so­nan­ten­clus­ter waren, sind immer noch “lang”.

    Richtig lange Kon­so­nan­ten, so lang wie auf Ital­ienisch oder Finnisch, gibt es in der Schweiz.

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  32. David Marjanović

    Wie mehrere andere hier wun­dert es mich sehr, dass Prof.* Börn­er das englis­che ch franzö­sisch ausspricht. Liegt tat­säch­lich eine Ver­wech­slung mit dem Franzö­sis­chen vor? Oder gibt es etwa tief­sitzende niederdeutsche Gründe (so wie dafür, dass die meis­ten Deutschen pf am Wor­tan­fang als [f] aussprechen)…?

    * Wieso “ehe­ma­liger”? Ist er nicht habilitiert?

    Antworten
  33. David Marjanović

    Und schon wieder dieses ange­bliche down­load­en. Sagt das wirk­lich jemand außer Microsoft? Ich kenne noch immer nur herun­ter­laden in freier Wildbahn.

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  34. Nörgler

    @David Mar­janović (#34):

    Da ist der Duden aber ander­er Mei­n­ung. Er führt down­load­en auf und belehrt uns oben­drein, daß es “ich habe down­ge­load­et” heißen müsse.

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  35. Doppel-V

    Der Beitrag gefällt mir sehr gut. Keine Angst vorm Eindeutschen!

    Meine Artikel zum Thema:

    - Einen Schritt weit­er: Die neue neue Rechtschrei­bung (http://doppelv.wordpress.com/2009/11/26/ein-schritt-weiter-die-neue-neue-rechtschreibung/)

    - Fogel, Fater, Fin­ster­n­is: Ein Gedanke für einen sys­tem­a­tis­cheren Gebrauch des Graphems ‘v’ in der deutschen Sprache (http://doppelv.wordpress.com/2008/06/10/fogel-fater-finsternis-ein-gedanke-fur-einen-systematischeren-gebrauch-des-graphems-in-der-deutschen-sprache/)

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