Fragliche Unterwürfigkeit

Von Anatol Stefanowitsch

Ein Mem geht um unter den Sprach­nör­glern — das Mem der lin­guis­tic sub­mis­sive­ness („sprach­liche Unter­wür­figkeit“). Mit diesem Begriff, behaupten die Anglizis­men­jäger und Deutschbe­wahrer häu­fig, beze­ich­net die in Lon­don erscheinende Times die Entlehnung englis­ch­er Wörter ins Deutsche. Ein paar Zitate:

Denglisch ver­sprüht nicht mehr den Duft der großen, weit­en Welt. Ästeth­ic Nails (kein Druck­fehler!) heißt ein Berlin­er Kos­metik­stu­dio! Die Lon­don­er Times nen­nt solche Anbiederei “sprach­liche Unter­w­er­fung” (lin­guis­tic sub­mis­sive­ness). [Haus der Deutschen Sprache, ohne Datum]

Zudem hat diese denglis­che Ver­balerotik zu tun mit Selb­stver­leug­nung, zumin­d­est mit Selb­stvergessen­heit. Die Lon­don­er „Times“ nen­nt die Anglo­manie der Deutschen „lin­guis­tic sub­mis­sive­ness“. Und lebte Win­ston Churchill noch, er würde mit Blick auf diese sprach­liche Unter­wür­figkeit der Deutschen seinen alten Spruch her­vorkra­men: „Die Deutschen — man hat sie entwed­er an der Gurgel oder zu Füßen.“ [Lehrerver­band, 2007]

Eine für die kul­turelle Zukun­ft des Lan­des ger­adezu gefährliche Vari­ante wahn­hafter Selb­stver­leug­nung ist das, was Angel­sach­sen als “lin­guis­tic sub­mis­sive­ness” (so nan­nte es die Lon­don­er “Times”) der Deutschen belächeln. Immer mehr deutschsprachige Fachzeitschriften und Fachkon­gresse ver­lan­gen von Mitar­beit­ern und Vor­tra­gen­den Beiträge in englis­ch­er Sprache, selb­st wenn das deutschsprachige Pub­likum über­wiegt und die The­men der deutschsprachi­gen Kul­tur zuge­ord­net sind. [Spiegel Online, 2. Okto­ber 2006]

Leicht angewidert nen­nt die Lon­don­er Times unsere Liebe­di­enerei “lin­guis­tic sub­mis­sive­ness”, sprach­liche Unter­w­er­fung. An den Anglizis­men, die unsere Sprache gar­nieren, wäre nichts auszuset­zen, stün­den sie nicht als Symp­tom für ein Lei­den, das nicht so triv­ial ist, wie es zunächst erscheint. [baer-coach.de, 13. Sep­tem­ber 2006]

Häu­fig wird sog­ar behauptet, die englis­chsprachige Presse ins­ge­samt ver­wende diesen Begriff:

Die englis­chen Kol­le­gen wun­dern sich und lächeln über den Eifer ihrer deutschen Konz­ern­her­ren, alles deutsch Anmu­tende mit grim­miger Kon­se­quenz zu ver­mei­den. Sie haben für dieses Phänomen längst einen Begriff parat: “lin­guis­tic sub­mis­sive­ness”! In Bezug auf Unternehmen meint das die frei­willige Preis­gabe der unternehmen­skul­turellen Deu­tung­shoheit in falschem Ver­ständ­nis des Gebots der kul­turellen Diver­sität. [Han­dels­blatt, 24. Novem­ber 2009]

Mehr als 31 000 Mit­glieder set­zen sich im Ver­band Deutsche Sprache (VDS) seit über 10 Jahren für die Erhal­tung der sprach­lichen und kul­turellen Vielfalt Europas ein. Gegen „sprach­liche Unter­w­er­fung”, wie es die englis­che Presse („lin­guis­tic sub­mis­sive­ness”) nen­nt, wehrt sich auch die VDS-Gruppe im Kreis Siegen-Wittgen­stein, „Wortre­ich 57”. [Der West­en, 13. Sep­tem­ber 2008]

Wieder andere ver­all­ge­mein­ern gle­ich auf „den Englän­der“, „die Englän­der“, oder gar „Englän­der und Amerikaner“:

Was sie vorhät­ten, richte sich nicht gegen die unent­behrliche Welt­sprache Englisch, wohl aber gegen die deutsche Unart, sich in dem Maß, wie man sich für die eigene Sprache geniert, der frem­den anzu­biedern, ein Vor­gang, den der Englän­der lin­guis­tic sub­mis­sive­ness nen­nt und sehr bestaunt. [Süd­deutsche, 6. Feb­ru­ar 2006]

Glaubt irgend jemand wirk­lich, daß ein Aus­län­der uns bewun­dert, weil wir unsere Sprache verge­walti­gen? Im Gegen­teil: Jed­er Aus­län­der wird uns deswe­gen belächeln. Die Englän­der nen­nen diese kriecherische Anbiederung an die englis­che Sprache “lin­guis­tic sub­mis­sive­ness” (sprach­liche Unter­wür­figkeit). [mahnert-online.de, ohne Datum]

Es bedeutet in den Ohren der Englän­der und Amerikan­er (dort vor allem) “lin­guis­tic sub­mis­sive­ness”, sprach­liche Unter­w­er­fung, Arschkriecherei, oder wie immer man dies aus­drück­en möchte. [stoehlker.ch, 5. Sep­tem­ber 2005]

Die lin­guis­tic sub­mis­sive­ness scheint also ein geflügeltes Wort zu sein, mit dem die englis­chsprachige Welt unsere englis­chen Lehn­wörter bestaunt, ver­achtet und belächelt. Dann müsste es ja jede Menge Tre­f­fer für diesen Begriff auf britis­chen und amerikanis­chen Web­seit­en geben. Sehen wir uns die doch ein­mal an.

Hier sind die Ergeb­nisse für .us-Web­seit­en (beein­druck­ende null Tre­f­fer), und hier die für .uk-Web­seit­en (ein ganz­er Tre­f­fer, das sind immer­hin unendlich mal mehr als auf den amerikanis­chen Seiten).

Aber dieser eine Tre­f­fer hat es dafür bes­timmt in sich, oder? Wir Deutschen wer­den darin so gründlich bestaunt, belächelt und abschätzig abge­tan, dass der Rest der englis­chsprachi­gen Welt nur noch beifäl­lig nick­en kon­nte und darüber vergessen hat, den Begriff selb­st zu verwenden?

Nun, das ist eine Inter­pre­ta­tions­frage. Wenn die englis­chsprachige Welt die Deutschen als „Iren“ beze­ich­net und Anglizis­men als „soft ‘a’ in words like ‘David’ and ‘gate’“, wenn ein User aus Belfast namens „Guy Wise“ ober­ster Repräsen­tant aller englis­chen Mut­ter­sprach­ler ist, und wenn ein Kom­men­tar­bere­ich auf ein­er Seite über englis­che Dialek­te der Ort ist, an dem Lehn­wörter im Deutschen disku­tiert wer­den, dann — ja, dann bekom­men wir Deutschen dort richtig was auf die Mütze:

In North­ern Ire­land we use a soft ‘a’ in words like ‘David’ and ‘gate’. The same sound is heard in ‘eight’. It resem­bles the mid­dle of the word ‘hear’ in stan­dard Eng­lish. We are aware that it is very dis­tinc­tive, so when some­one from North­ern Ire­land trans­ports to Eng­land it is, prob­a­bly, the first lin­guis­tic casu­al­ty in the effort to sup­press the, per­ceived, infe­ri­or­i­ty of one’s dialect. One finds the alter­ation in the speech of Glo­ria Hun­ni­ford who has excused her speech on the weak grounds of nec­es­sary clar­i­ty. It is prob­a­bly true to say that most peo­ple in North­ern Ire­land hate to hear this lin­guis­tic sub­mis­sive­ness. [Guy Wise, ohne Datum]

Wenn das alles aber nicht so ist und Guy Wise hier wirk­lich nur von Iren spricht, die ihre Aussprache verän­dern, wenn sie nach Eng­land umsiedeln, dann haben die Sprach­nör­gler uns ganz umson­st in Angst und Schreck­en vor dem Hohn der englis­chsprachi­gen Welt versetzt.

Dann inter­essieren sich die Englän­der und Amerikan­er möglicher­weise gar nicht genug für uns, um sich mit der Entwick­lung unseres Wortschatzes auseinanderzusetzen.

Dann ist die ganze mark­tschreierische, apoka­lyp­tis­che, größen­wahnsin­nige, kul­turpes­simistis­che, sprach­puris­tis­che und deutschtümel­nde Nör­gler­schar ver­mut­lich wieder ein­mal auf ihren Obernör­gler, den Vor­sitzen­den des Vere­ins Deutsche Sprache, Wal­ter Krämer, hereingefallen.

Der ver­wen­det diesen Begriff seit Jahren in sein­er Stan­dard­glosse zum Sprachver­fall, z.B. in der Forschung & Lehre 10/2000 (PDF, 6,7 MB). Vor eini­gen Jahren hat er eine Ver­sion dieser Glosse in einem regionalen Rund­brief der „Katholis­chen Män­ner und Frauen im Bund Neudeutsch­land“ veröf­fentlicht. Die entschei­dende Pas­sage lautet:

Es ist vor allem diese „lin­guis­tic sub­mis­sive­ness“ (so die Lon­don­er Times), die die in Deutsch­land grassierende Anglizitis zu ein­er so pein­lichen und würde­losen Affäre macht — man fühlt sich angeschleimt und aus­ländis­chen Gästen gegenüber oft beschämt („Bin ich hier in Chica­go oder wo?“ — Kom­men­tar eines pol­nis­chen Gast­wissenschaftlers auf dem „air­port“ Düs­sel­dorf). [Wal­ter Krämer (2005) Mod­ern Talk­ing auf Pseu­do-Englisch — Gefährden Anglizis­men die deutsche Sprache?. Rund­brief Bund Neudeutsch­land KMF Nord­baden 1, S. 7, online z.B. hier]

Und dieser Beitrag, der im Prinzip nur einen Ritt durch die gesam­meltem Nar­reteien des Sprach­puris­mus darstellt, wird sei­ther immer wieder gerne zitiert und weit­ergegeben — in diesem Jahr hat er es sog­ar in das Online-Mate­r­i­al des Klett-Ver­lags zum Zen­tral­abitur geschafft (PDF, 52 KB).

Gut, aber wenig­stens die Lon­don­er Times ver­wen­det den Begriff doch sich­er sehr häufig?

Allerd­ings. Eine Suche im Archiv der Zeitung liefert einen ganzen Tre­f­fer (das entspricht immer­hin sein­er Ver­wen­dung­shäu­figkeit im ganzen britis­chen Internet)!

Aber der stammt sich­er aus jüng­ster Zeit, ist an ein­er wichti­gen Stelle erschienen und von einem ein­flussre­ichen britis­chen Denker ver­fasst worden?

Ja. Wenn der 16. Juni 1960 ein bran­dak­tuelles Datum, eine Kuriositätenkolumne ein wichtiger Ort und ein namen­los­er Kor­re­spon­dent ein wichtiger Denker sind, dann hat uns die Times vor den Augen der Welt so richtig bloßgestellt. Davon erholen wir uns erst, wenn wir alle englis­chen Lehn­wörter aus unsere Sprache ent­fer­nt und durch die her­vor­ra­gen­den Vorschläge des VDS erset­zt haben.

Ich scheue für die Sprachblogleser/innen ja keine Kosten und habe den betr­e­f­fend­en Artikel zum Schnäp­pchen­preis von €5.95 erwor­ben. Ich werde ihn hier in den näch­sten Tagen rezen­sier­ern. Soviel kann ich schon jet­zt ver­sprechen: Es han­delt sich um ein Meis­ter­w­erk scharf­sin­niger Sprach­beobach­tun­gen, eine wahrhaft würdi­ge Haup­tquelle für die sprach­masochis­tis­chen Phan­tastereien des Wal­ter Krämer.

27 Gedanken zu „Fragliche Unterwürfigkeit

  1. Bernd

    Auch wenn ich Ihrer Argu­men­ta­tion im Großen und Ganzen zus­timme, finde ich doch, dass Sie sich einen method­is­chen Fehler geleis­tet haben. Man darf, denke ich nicht den alleini­gen Zusam­men­hang zwis­chen .us-Domains und amerikanis­chem Sprachge­brauch her­stellen (Ich kenne zum Beispiel gar keine Seite die .us benutzt.) Für .com gibt es aber auch nur 41 Tre­f­fer, die man dann natür­lich nach ihrer Herkun­ft unter­suchen müsste.

    Antworten
  2. Marco

    Großar­tig! Danke für die Suche nach dem Ursprung der „lin­guis­tic submissiveness“.

    Um die Diskus­sion mal etwas anzuschieben: Ist das ganze nicht para­dox, dass der VDS seine Argu­men­ta­tion GEGEN die Ver­wen­dung von Lehn­wörtern mit einem englis­chen Begriff unter­mauern muss, welche in Folge stärkere Ver­bre­itung in den deutschen Medi­en gefun­den hat? Vielle­icht hätte man doch von sprach­lich­er Unter­w­er­fung reden sollen und den englis­chen Begriff/das Orig­i­nalz­i­tat lieber nur beige­fügt, der Voll­ständigkeit halber. ;))

    Nungut, das Kind ist bere­its im Brun­nen und wir ver­danken dem VDS ein neues, dur­chaus schönes Lehn­wort. Finde ich. 😛

    Antworten
  3. Besserwisser

    >Ergeb­nisse für .us-Web­seit­en (beein­druck­ende null Treffer)

    Ahem… In den USA sind die meis­ten Web­sites unter den gener­ischen Domains .com, .org, .net, . edu und .gov reg­istri­ert, oft inhaltlich überlappend.

    Guck­stu:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Top-Level-Domain

    http://www.denic.de/hintergrund/statistiken/internationale-domainstatistik.html

    Die tat­säch­lich in (oder bess­er: von Bürg­ern der) USA gehosteten Seit­en zu fil­tern dürfte nicht mehr triv­ial sein.

    Antworten
  4. Anatol Stefanowitsch

    Bernd (#1), für den Such­be­griff “eng­lish loan­words” find­et man immer­hin 282 Tre­f­fer auf .us-Web­seit­en. Wenn lin­guis­tic sub­mis­sive­ness ein gebräuch­lich­er Begriff wäre, dürfte man wohl wenig­stens einen Tre­f­fer erwarten.

    Aber gut, sehen wir uns die ins­ge­samt 37 Tre­f­fer auf .com-Seit­en genauer an. Von denen sind 22 in deutsch­er, 2 in türkisch­er und ein­er in bask­isch­er Sprache ver­fasst, die fall­en als Beleg für den Hohn der englis­chsprachi­gen Welt schon ein­mal aus. Von den verbleiben­den 12 Tre­f­fern stam­men zwei von den englis­chsprachi­gen Web­seit­en der deutschen Rund­schau, fünf von einem deutschen Nutzer des Web­di­en­stes „Fotopages“, vier aus englis­chen Tex­ten deutsch­er Wis­senschaftler und eine von ein­er Wort­sam­mel-Seite. Mit anderen Worten: kein einziger Englän­der oder Amerikan­er ver­wen­det diesen Begriff auf .com-Web­seit­en.

    Mar­co (#2), hinzu kommt die Frage: wenn wir uns sprach­lich nicht an der englis­chsprachi­gen Welt ori­en­tieren sollen, warum dann an deren ange­blich­er Mei­n­ung zu unserem Sprachgebrauch?

    Antworten
  5. botto

    Sehr inter­es­sant (und irgend­wie witzig). 

    Ich würde gern hinzufü­gen, dass, selb­st wenn die englis­chsprachige Welt diesen Begriff benützen würde, um die Exis­tenz von Lehn­wörtern englis­chen Ursprungs im Deutschen zu beschreiben, dies natür­lich noch kein Argu­ment dafür wäre, dass dieses Urteil stimmt. 

    Schließlich müssten diese Engländer/Amerikaner/etc. nicht unbe­d­ingt recht haben. Davon auszuge­hen, es sei richtig in diesem Fall von Unter­wür­figkeit zu sprechen nur weil die Times bzw. die englis­che Presse bzw. die Englän­der dies tun, scheint mir wiederum unkri­tisch und etwas blöd, wenn nicht gar unter­wür­fig… (sub­mis­sive­ness with respect to the atti­tude towards loanwords)

    Antworten
  6. Peer

    Das hat aber nix mit Mul­ti­p­lika­tion zu tun 🙂

    Back on top­ic: Erin­nert mich irgend­wie an “Ich glaube kein­er Sta­tis­tik, die ich selb­st gefälscht habe” — ange­blich von Churchill. Nur: IN Eng­land unbekan­nt. Stellte sich her­aus, dass es von Goebbels stammt und als Propoa­gan­da genutzt wurde.

    Jet­zt müssen die Englän­der wieder für ein falsches Pro­pa­gan­da-Zitat herhalten…

    Antworten
  7. janwo

    @ Peer: Net­ter Ver­gle­ich. Zumal das ganze Unter­wür­figkeits-Brim­bo­ri­um ja allen Anscheins nach auf einen Sta­tis­tikpro­fes­sor zurück geht.

    Antworten
  8. amfenster

    Touché!

    Man kann ja gegen Fremd- und Lehn­wörter her­vor­brin­gen was man will, das wenig­ste davon dürfte ein­er objek­tiv­en Prü­fung stand­hal­ten (sofern es behauptet, mehr zu sein als eine per­sön­liche Geschmacks­frage). Aber gibt es etwas Kom­plex­be­ladeneres, als “Anglizis­men” deswe­gen sch*** zu find­en, weil sie von außen nach Unter­w­er­fung ausse­hen könnten?

    Antworten
  9. Jo Stein

    Aus­geze­ich­net, wie Sie dieses Scheinar­gu­ment ad absur­dum geführt haben. 

    Möglicher­weise lei­det Prof. Krämer am 12-Leute-Syn­drom*? In seinem Brief tauchen nicht nur 330 000 (ihn ange­blich bestärk­ende) Vere­ins­mit­glieder, son­dern auch noch seine “aus­ländis­chen Fre­unde” auf. 

    *Wer argu­men­ta­tiv nicht stark ist, aber Zus­pruch simuliert, zieht gerne 12 imag­inäre Leute her­an, die alle genau sein­er Mei­n­ung sind.

    Antworten
  10. Armin Heyerdahl

    und noch was, die Briten haben genug Worte aus dem Franzö­sis­chen und neuerd­ings sog­ar dem Indischen(like Avatar), aber auch aus dem Deutschen wie Dachs­hund, Doppelganger(kein Druck­fehler die ä Punk­te fehlen) oder Kindergarden(kein Druck­fehler). Sprache lebt halt und tut dies nicht allein son­dern mit Nach­barn usw. Entlehnung ist doch voll nor­mal. Und dass irgendwelche Sprach­puris­ten in allen Eck­en ihre “Mut­ter­sprache” am lieb­sten ein­frieren wollen, weil sie nun­mal das ist, was sie am besten kön­nen, ist auch keineswegs deutsch oder englisch oder franzö­sisch oder türkisch oder isländisch son­dern inter­na­tion­al. Ich hat­te auch immer glat­te Ein­sen im Dik­tat, dann kam die blöde Rechtschreibre­form, toll, jet­zt schreib ich wie ein Anal­pha­bet. Die Evo­lu­tion wird sich am Ende auch in der Sprache und Schrift durch­set­zen, das bessere über­lebt ein­fach PUNKT nur braucht alles viel länger als ein läp­pis­ches Men­schen­leben, viel länger, oder wie der Papst sagen würde oder Zweis­tein, Gott hat Zeit, Gott ist Zeit.

    Und wenn ich Brite wär oder all­ge­mein englsch­er Mut­ter­sprach­ler oder wenn Deutsch die Welt­sprache Num­mer eins wär, seien wir ehrlich, wie gern wür­den wir n bis­chen sticheln und behaupten die anderen unter­w­er­fen sich alle uns(weil wir die besten wären, es aber nicht offen sagen wollen, weil Eigen­lob stinkt, dann sagen wirs halt lieber indi­rekt bzw. dis­tanzieren uns nicht davon: das entlehnen unser­er Wörter ist lin­guis­tis­che Unter­w­er­fung). Und seien wir nochmal ehrlich, auch in Deutsch­land und drumherum gibts ne Menge Dialek­te, ähn­liche Sprachen und solch­es was sich nicht entschei­den muss, will oder kann, son­dern bloss lebt und seine Zeit für Entschei­dun­gen nimmt oder sie der Zeit über­lässt. Und der Kampf um gegen­seit­iges Ver­ständ­nis ist doch schon gross genug, häten wir dann noch Mil­lio­nen ander­er Sprech­er aus aller Her­ren Län­der und Ex Kolonien, alle mit anderen Fär­bun­gen und Dialekten(und anderen Ressen­ti­ments), Akzen­ten, naja dann kön­nten wir auch nur hof­fen, dass alle wenig­stens so gut es geht ver­suchen den Stan­dard einzuhal­ten und zu akzep­tieren, sich ihm frei­willig oder fürs Gemein­schaftswohl zu unter­w­er­fen, kön­nten nur hof­fen, dass sich die Akzente in ihrer Ver­schieden­heit wieder raus­mit­tel­ten und der Ein­fluss mar­gin­al bleibe, was sie wahrschein­lich tw. tun bis auf ein paar grössere.

    Naja, am besten: abwarten und Tee trinken.

    Antworten
  11. Armin Heyerdahl

    und Her­vor­ra­gen­des kann es nur in Vielfalt geben, also brauchen wir doch das was sich “unter­w­er­fen oder als unter­wor­fen betra­cht­en” lässt

    son­st hätte doch der Kom­mu­nis­mus funk­tion­iert und einen Sprachkom­mu­nis­mus will jawohl kein­er, oder?

    Antworten
  12. Umphadumpha

    neuerdings”…also “Dop­pel­ganger” las ich erst neulich in ein­er englis­chen Rezen­sion von Hoff­manns “Die Elix­iere des Teufels” aus dem 19. Jahrhundert. 😀

    Antworten
  13. dirk

    Mir scheint ein namen­los­er Kor­re­spon­dent der Times weit eher die Aus­sage zu stützen, die Times habe geschrieben, als ein ein­flussre­ich­er Denker, der doch eher für sich und seinen teuren Namen stünde. Da ich nur wichtige Denker lese, war mir der Begriff bis­lang unbekan­nt — anders die Air­port-Erfahrung des (durch seine pop­ulären Werke (“Wie lügt man mit Sta­tis­tik”) ein­flussre­ichen) Her­rn Krämer: oft höre ich von aus­ländis­chen Fre­un­den Fra­gen zum Englis­chen im Deutschen (nur an Flughäfen nie). Fre­un­den übri­gens, die nicht unbe­d­ingt Englisch sprechen, was in Chi­na, Japan oder Rus­s­land ja vorkommt. Dass ich mich wiederum an Anglizis­men nicht störe, trübt ihm eine andere Statistik.

    Antworten
  14. Armin

    Vor­sicht, Spoil­er: Na, auf die Rezen­sion des Artikels in der Times bin ich ja ges­pan­nt. Wenn ich naem­lich dieser Fund­stelle bei Google Books trauen darf geht es in dem Artikel vor allem darum dass das Deutsche vor allem Lehn­wo­ert­er aus dem Fran­zoe­sis­chen ueber­nom­men hat und viel weniger aus dem Englischen…

    Noch was anderes: Der “Kinder­gar­den” (oder kor­rekt Kinder­garten) ist hier im UK rel­a­tiv unbekan­nt, das ist eher Amerikanis­ch­er Gebrauch. Hier heisst sowas eher creche, pre-school, child­care cen­tre oder nurs­ery (school).

    Antworten
  15. Peer

    @Armin: Na, ich hab schon immer kri­tisiert, dass immer nur auf die Anglizis­men herumge­hackt wird und die ganzen nervi­gen Gal­lizis­men (Wie schreibt man noch Ron­de­vu?) immer ignori­ert werden… 🙂

    Antworten
  16. suz

    Der Kul­turpes­simis­mus hört ja nicht bei Fra­gen der Sprache auf. Man hört so oft, dass “uns” “die Sieger” vorgeschrieben hät­ten, for­t­an immer mit ein­er Anti­deutschhal­tung durch die Gegend zu laufen und dass uns die “west­liche Welt” ja immer noch in Kollek­tivhaft näme. Da wird also auch dem gemeinen Angel­sach­sen wieder eine Hal­tung angedichtet.

    Auch diesen Pes­simis­mus haben “wir” uns selb­st eigenre­det. Kaum ein Amerikan­er, Brite oder Aus­tralier nimmt uns heutzu­tage in Kollek­tivhaft und will uns einre­den, dass wir zu buck­eln haben. Wenn eine solche Ein­stel­lung durch­sick­ert, dann hat das (eigene Erfahrung) etwas mit eige­nen nation­al­is­tis­chen Gefühlen zu tun, etwa — obwohl das auch zu ver­all­ge­mein­ert dargestellt ist — am Beispiel noch tief­sitz­ten­der Ressen­ti­ments zwis­chen Fran­zosen und Deutschen.

    Antworten
  17. Nörgler

    Si non è vero è ben trovato.

    Selb­st wenn der Aus­druck lin­guis­tic sub­mis­sive­ness nie von einem Englän­der gebraucht wor­den wäre, so wäre er doch sehr tre­f­fend. Die deutsche Entsprechung sprach­liche Unter­wür­figkeit gefällt mir allerd­ings noch bess­er. Das klingt so schön verächtlich.

    Tat­säch­lich hat aber ein Kor­re­spon­dent der Times diesen Begriff benutzt, und das schon 1960(!). Was würde er heute wohl sagen?

    Es stimmt ja, daß einige dieses eine Zitat über­be­to­nen — als ob es ein ste­hen­der Begriff im Englis­chen wäre. Die meis­ten Fund­stellen auf deutschen Inter­net­seit­en weisen allerd­ings dur­chaus auf die Times als Quelle hin.

    Aber das sind doch Quisquilien. Entschei­dend ist, daß sich hier ein außen­ste­hen­der englis­ch­er Beobachter äußert, der kaum im Ver­dacht ste­ht, der “Deutschtümelei” oder deutschem “Sprach­puris­mus” anzuhän­gen. Wenn klein Erna meinen sollte, daß alle Englän­der vor Freude aus dem Häuschen wären, weil sie in Deutsch­land ständig mit englis­chen Sprach­brock­en trak­tiert wer­den, dann irrt sie sich eben.

    Einige der Wer­tun­gen des Times-Korrspon­den­ten sind ja dur­chaus beherzi­genswert: “Some of the invad­ing vul­gar­i­ties should make the most sub­mis­sive schol­ar turn. Ger­man can, after all, be a very beau­ti­ful lan­guage, and nec­es­sary addi­tions could be vet­ted by good taste if not by an academy.”

    Aber ich will der angekündigten Rezen­sion von Ana­tol Ste­fanow­itsch nicht vorgreifen.

    Antworten
  18. Gareth

    Wenn klein Erna meinen sollte, daß alle Englän­der vor Freude aus dem Häuschen wären, weil sie in Deutsch­land ständig mit englis­chen Sprach­brock­en trak­tiert wer­den, dann irrt sie sich eben.

    Aber wenn Nör­gler meint, dass sich alle Englän­der durch Anglizis­men ständig trak­tiert fühlen, irrt er sich lei­der auch. Das brauche ich auch nicht empirisch nach­weisen, das weiß ich aus per­sön­lich­er Erfahrung. Den meis­ten ist das näm­lich — mit Ver­laub — scheißegal.

    Antworten
  19. physik

    Erst­mal vie­len Dank Herr Ste­fanow­itsch für die vie­len inter­es­san­ten Beiträge!

    Mein­er Mei­n­ung nach scheint die Angst davor, sich im Aus­land lächer­lich zu machen, ger­ade in Deutsch­land weit ver­bre­it­et zu sein. Das Parade­beispiel schlechthin ist wohl das The­ma “Wald­ster­ben”:

    http://diepresse.com/home/panorama/klimawandel/523352/index.do?parentid=757915&showMask=1

    Das ist nur ein­er von sehr vie­len Bericht­en, der behauptet, “die Fran­zosen” spöt­teln über “die Deutschen” indem Sie den Aus­druck “le wald­ster­ben” verwenden.

    Lei­der hat­te ich bish­er keine Zeit, dem tiefer auf den Grund zu gehen, aber ein­er ersten (prim­i­tiv­en) Google-Suche zufolge, scheint dieser Spott auss­chließlich in Deutsch­land zu kursieren…

    Antworten
  20. Lothar Lemnitzer

    Mir ist es, zum Beispiel auch in einem ein­schlägi­gen Rundtisch-Gespräch von FAZ und deutsch­er Welle, aufge­fall­en, dass die Ablehnung von Fremd­wörtern sich mit einem Anspruch auf nationales Selb­st­be­wusst­sein mis­cht. Das halte ich für sehr beden­klich (wobei ich fair­erweise sagen muss, das kein­er der bei­den Gast­ge­ber dabei mitmachte).

    Antworten
  21. David Marjanović

    Si non è vero è ben trovato.

    Se. 🙂

    Some of the invad­ing vul­gar­i­ties should make the most sub­mis­sive schol­ar turn. Ger­man can, after all, be a very beau­ti­ful lan­guage, and nec­es­sary addi­tions could be vet­ted by good taste if not by an academy.”

    Fuck him and the horse he rode in on… B-)

    Antworten
  22. Falco Pfalzgraf

    Vie­len Dank für diesen inter­es­san­ten Beitrag, der klar macht, wie sehr sich eine Wen­dung ver­bre­it­en kann, obwohl sie nur ein­mal in einem kaum rel­e­van­ten Zeitungsar­tikel von vor 50 Jahren auf­tauchte. Der VDS propagiert das ja ad infini­tum. Allerd­ings: Die Quelle (“Die Lon­don­er ‘Times’ vom 16.06.1960”) find­et sich schon bei: Adolf Bach. Geschichte der deutschen Sprache. Achte Auflage. Hei­del­berg: Quelle & Mey­er, 1965. S. 420. Da hat es der Herr Krämer wohl auch her, nehme ich an. Auch Bach nen­nt die “Geschmack- und Würde­losigkeit, die Ver­hun­zung der Sprache Goethes durch die Entlehnung der­ar­tiger Aus­drücke” (ebd.).

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Bernd Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.