Sprachverbote

Von Anatol Stefanowitsch

Ich ver­suche nor­maler­weise, alles zu ignori­eren, was Josef Joffe von sich gibt. Er schafft es immer wieder, unin­formiert kon­tro­verse Mei­n­un­gen zu vertreten (der Irak-Krieg ist gut, Kli­mawan­del existiert nicht, das Inter­net böse und Print­jour­nal­is­mus ist immer Qual­ität­sjour­nal­simus), ohne dabei irgen­det­was Inter­es­santes zu sagen. Aber manch­mal klicke ich aus Verse­hen auf einen Link auf eine sein­er Kolum­nen, und wenn ich erst ein­mal ange­fan­gen hat, zu lesen, überkommt mich eine der­ar­tig bleierne geistige Trägheit, dass ich nicht aufhören kann, bis der Text zu Ende ist.

In ein­er aktuellen Kolummne geht es ums The­ma Sprache, speziell zu „Denk- und Sprechver­boten“. In typ­is­ch­er Joffe-Manier mäan­dert die Kolumne vor sich hin und es bleibt, wie so oft, unklar, worauf er eigentlich hin­auswill, außer, dass irgend­wie die Post­mod­erne, die Polit­i­cal Cor­rect­ness und der Mul­ti­kul­tur­al­is­mus an allem Schuld sind.

Er ver­mis­cht munter völ­lig ver­schiedene Arten von Sprachregelun­gen und Sprachver­boten, vom alttes­ta­men­tarischen Ver­bot, den Namen Gottes auszus­prechen über das Ver­bot der Majestäts­belei­di­gung bis hin zum Ver­bot der Volksver­het­zung und von Euphemis­men über poli­tisch kor­rek­te Sprache bis hin zu Orwells Neusprech. Alles inter­es­sante The­men und Grund genug für mich, mich ein­mal selb­st mit diesen Sprachregelun­gen auseinan­derzuset­zen, und sei es nur, um wieder wach zu werden. 

Im Prinzip lassen sich die Sprachregelun­gen aus Joffes Artikel in zwei Grup­pen ein­teilen. Auf der einen Seite ste­hen Euphemis­men, Orwells Neusprech und poli­tisch kor­rek­te Sprache. Dabei han­delt es sich nicht um Sprachver­bote, son­dern um Ver­suche, die Wirk­lichkeit zu verdeck­en oder sog­ar zu verän­dern, indem man die sprach­liche Darstel­lung der Wirk­lichkeit verändert.

Von Euphemis­men spricht man, wenn als unan­genehm oder anstößig emp­fun­dene Dinge oder Sachver­halte mit neu­tral oder sog­ar pos­i­tiv beset­zten Begrif­f­en beze­ich­net wer­den (Joffe nen­nt das Wort Son­der­be­hand­lung, mit dem im Nation­al­sozial­is­mus die Ermor­dung von Men­schen umschrieben wurde). Das Prob­lem an Euphemis­men ist, dass sie im all­ge­meinen nicht funk­tion­ieren: Solange jed­er weiß, was gemeint ist, nimmt der Euphemis­mus unweiger­lich die neg­a­tive Bedeu­tung des Wortes an, das er erset­zt. Beson­ders schön kann man das sehen, wenn Wörter mit neg­a­tiv­en Bedeu­tungskom­po­nen­ten in immer kürz­eren Abstän­den durch den näch­sten neu­tralen oder pos­i­tiv beset­zten Begriff erset­zt wer­den (ich habe das vor ein paar Jahren im Bre­mer Sprach­blog aus­führlich dargestellt).

Orwell’s Neusprech enthält auch Euphemis­men (etwa, wenn das Jus­tizmin­is­teri­um als Min­is­teri­um für Liebe (Minilieb), oder das Töten von Regimekri­tik­ern als vapor­isieren beze­ich­net wird). Die Euphemis­men sind aber nicht das entschei­dende am Neusprech. Viel wichtiger ist die Idee, dass man Men­schen daran hin­dern kann, über bes­timmte Dinge über­haupt erst nachzu­denken, indem man die dafür notwendi­gen Wörter oder Bedeu­tun­gen völ­lig aus der Sprache ent­fer­nt. So wird das Wort frei im Neusprech so umdefiniert, dass es nur noch die Abwe­sen­heit von etwas aus­drück­en kann (Das Feld ist frei von Unkraut, Der Hund ist frei von Läusen), nicht aber die Idee von poli­tis­ch­er und intellek­tueller Freiheit.

Auch Orwells Neusprech würde nicht funk­tion­ieren. Erstens würde es eine Eins-zu-Eins-Beziehung von Sprache und Denken erfordern, die nicht existiert. Wir kön­nen alle über Dinge nach­denken, für die wir keine Wörter haben. Wenn das nicht so wäre, wür­den wir nie um Worte rin­gen. Zweit­ens kann man natür­liche Sprach­wan­del­prozesse nicht aufhal­ten. Nehmen wir an, es gelänge ein­er Regierung, die Bedeu­tungskom­po­nente „poli­tis­che Frei­heit“ aus dem Wort frei zu ent­fer­nen — es würde nicht lange dauern, bis sich diese Bedeu­tungskom­po­nente neu her­aus­ge­bildet hätte. Die Men­schen müssten sich dafür nur metapho­risch mit einem Hund und die Herrschen­den mit Läusen zu iden­ti­fizieren — eine Meta­pher, auf die sie schnell kom­men wür­den, wenn sie von den Herrschen­den nur genü­gend gequält würden.

Schließlich bedi­ent sich auch die poli­tisch kor­rek­te Sprache sich ein­er Rei­he von Euphemis­men, etwa, wenn geistig behin­derte Men­schen als geistig her­aus­ge­fordert pder anders begabt beze­ich­net wer­den. Dieser Aspekt wird häu­fig per­si­fliert, aber er ist auch hier nicht entschei­dend. Entschei­dend ist bei der poli­tisch kor­rek­ten Sprache das Ziel, duch eine Bewusst­machung sprach­lich­er Diskrim­inerung eine Bewusst­machung tat­säch­lich­er Diskri­m­inierung zu erre­ichen. Bei aller unfrei­willi­gen Komik, die manch­mal in Begriff­s­neuschöp­fun­gen steck­en mag, kann das auch dur­chaus funk­tion­ieren. Als ich jung war, war es noch völ­lig nor­mal, auch dann männliche Beze­ich­nun­gen (z.B. Berufs­beze­ich­nun­gen) zu ver­wen­den, wenn Frauen gemeint waren. Durch die vor­bildliche Behar­rlichkeit ein­er Gen­er­a­tion von Feminist/innen ist das inzwis­chen glück­licher­weise nicht mehr so: Wer heute noch durchgängig Maskuli­na ver­wen­det, out­et sich damit min­destens als jemand, der sich für einen Quer­denker hält obwohl er (und es ist ja meis­tens ein „er“) eigentlich nur ein Reak­tionär ist. Da die Sprachen­twick­lung sich nur in Maßen beschle­u­ni­gen lässt, sind geschlechterg­erechte (und ganz all­ge­mein poli­tisch kor­rek­te) Sprachregelun­gen manch­mal hol­prig, aber das sollte es uns Wert sein.

Auf der anderen Seite ste­hen die Ver­bote, den Namen Gottes zu ver­wen­den, Majestäten zu belei­di­gen oder Volksver­het­zung zu betreiben. Dabei han­delt es sich tat­säch­lich um Ver­bote, im ersten Fall religiös­er, in den anderen bei­den Fällen juris­tis­ch­er Natur.

Das Tabu, den Namen Gottes nicht zu ver­wen­den, erwäh­nt Joffe, ohne es weit­er zu kom­men­tieren. Ich nehme an, das Tabu leit­et sich aus dem (je nach Zählweise) zweit­en bzw. drit­ten Gebot ab, den Namen Gottes nicht zu mißacht­en, aber ich kenne mich nicht gut genug damit aus, um viel dazu zu sagen, außer, dass ich damit, wenn ich an Arthur C. Clarkes The Nine-Bil­lion Names of God (dt. „Die neun Mil­liar­den Namen Gottes“) denke, schon aus Sicher­heits­grün­den völ­lig ein­ver­standen bin.

Inter­es­sant ist aber, dass es (anders als Euphemis­men, Neusprech oder poli­tisch kor­rek­te Sprache) ein explizites Ver­bot ist, eben­so wie die Majestäts­belei­di­gung. Zu der sagt Joffe auch nicht viel, eigentlich schade, denn es ist ein The­ma, das nicht nur alt­modis­che Monar­chien bet­rifft: Auch in Deutsch­land im Jahr 2010 ist jede Art der Verunglimp­fung des/der Bundespräsident/in straf­bar. Sie wird mit ein­er Gefäng­nis­strafe von drei Monat­en bis fünf Jahre geah­n­det (StGB §90, Abs. 1), allerd­ings nur, wenn der/die Bundespräsident/in die Ver­fol­gung der Tat anord­net (StGB §90, Abs. 4). Bundeskanzler/in und andere Per­so­n­en des poli­tis­chen Lebens sind dage­gen vor Belei­di­gun­gen nur dann beson­ders geschützt, wenn diese „aus Beweg­grün­den began­gen [wird], die mit der Stel­lung des Belei­digten im öffentlichen Leben zusam­men­hän­gen“ und wnn sie „geeignet [ist], sein öffentlich­es Wirken erhe­blich zu erschw­eren“ (StGB §188, Abs. 1).

Da habe ich Glück, dass ich mit Horst Köh­ler sehr zufrieden bin, und dass meine Abnei­gung gegen Angela Merkel erstens nicht damit zusam­men­hängt, dass sie Bun­deskan­z­lerin ist, und zweit­ens schon allein deshalb nicht geeignet ist, ihr öffentlich­es Wirken zu erschw­eren, weil sie in ihrer bish­eri­gen Amt­szeit nichts getan hat, was man als öffentlich­es Wirken beze­ich­nen könnte.

Schließlich ist auch Volksver­het­zung (StGB, § 130) ver­boten und mit einem ähn­lichen Straf­maß verse­hen wie die Verunglimp­fung des Bundespräsidenten.

Ins­ge­samt bekommt man den Ein­druck, Joffe hält die tat­säch­lichen Ver­bote für gerecht­fer­tigt (die Tabuisierung von volksver­het­zen­den Aus­sagen ist für ihn ein „gewaltiger moralis­ch­er Fortschritt nach 1945“), während er die einge­bilde­ten Sprachver­bote der poli­tisch kor­rek­ten Sprache eher ablehnt (um es kurz zusam­men­z­u­fassen: Er befürchtet, dass durch sie bei zu vie­len gesellschaftlichen Grup­pen Begehrlichkeit­en nach Gle­ich­be­hand­lung aus­gelöst wer­den könnten).

Ich sehe das ten­den­ziell umgekehrt. Poli­tisch kor­rek­te Sprache kann dabei helfen, struk­turelle Ungle­ich­heit­en aufzudeck­en. Dabei macht es noch nicht ein­mal etwas aus, wenn die poli­tisch kor­rek­ten Begriffe selb­st the­ma­tisiert und zur Zielscheibe von Spott gemacht wer­den — there’s no such thing as bad publicity.

Geset­zlichen Sprach- und Sprechver­bote sähe ich dage­gen lieber abgeschafft. Mir ist es lieber, wenn die Denker dumpfer Gedanken sich dadurch selb­st ent­lar­ven, dass sie diese laut aussprechen. Mit geset­zlichen Ver­boten stil­isiert man Leute zu Mär­tyr­ern, die son­st besten­falls als schlecht erzo­gen und schlimm­sten­falls als gemeinge­fährlich ein­stufen würde. Die Auf­forderung zu Straftat­en sollte selb­stver­ständlich straf­bar sein — nicht, weil ein Sprachver­bot gebrochen wurde, son­dern, weil eben zu Straftat­en aufge­fordert wird.

 

Clarke, Arthur C. (1953) The Nine Bil­lion Names of God. [Link]

Joffe, Josef (2010) Neusprech und Gut­denk, Zeit Online, 16. April 2010. [Link]

Ste­fanow­itsch, Ana­tol (2007) Auf der kon­no­ta­tiv­en Leit­er. Bre­mer Sprach­blog, 27. Dezem­ber 2007 [Link]

StGB (§ 90) Verunglimp­fung des Bun­de­spräsi­den­ten [Link]

StGB (§ 130) Volksver­het­zung [Link]

StGB (§ 188) Üble Nachrede und Ver­leum­dung gegen Per­so­n­en des poli­tis­chen Lebens
[Link]

Dieser Beitrag ste­ht unter ein­er Cre­ative-Com­mons BY-NC-SA‑3.0-(Deutschland)-Lizenz.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

Dieser Beitrag wurde unter Altes Sprachlog abgelegt am von .

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

21 Gedanken zu „Sprachverbote

  1. Michael Blume

    Schön­er Kommentar!
    Dem ich inhaltlich zu 95% ein­fach zus­tim­men möchte.
    Und die Ver­mu­tung mit dem Gottes­na­men stimmt auch: Aus den Geboten, Gottes Namen “nicht zu mißbrauchen” (z.B. für Meineid, Flüche etc.) sowie Aufrufen, Ihn zu ehren, ent­stand die Scheu, seinen Namen über­haupt zu ver­wen­den (wer ihn z.B. auf Papi­er schriebe, dieses dann irgend­wann weg­w­erfe — you got it). Deshalb wurde der Gottes­name häu­fig umschrieben und erset­zt (z.B. mit Adon­ai = Herr), damit die Würde des Eigentlichen unterstreichend.
    Intu­itiv würde ich Ihrer Ein­schätzung da zus­tim­men: Wer das frei­willig tut, okay, ist sog­ar ein bewußter Umgang mit Sprache. Aber wenn ein staatlich­es Gesetz dieses vorschreiben und z.B. die Ver­wen­dung bes­timmter Gottes­na­men unter Strafe stellen würde, fände ich es problematisch.

  2. Daniel

    frei”
    Bin nicht sich­er, ob Neusprech nicht funk­tion­iert. Wäre mal inter­es­sant zu wis­sen, was ein Apple-Nutzer unter “frei” versteht.

  3. Jürgen Bolt

    Evi­denz?
    “Poli­tisch kor­rek­te Sprache kann dabei helfen, struk­turelle Ungle­ich­heit­en aufzudeck­en.” Gibt es dazu auch Evi­denz, oder ist es nur Ihre per­sön­liche Mei­n­ung? Ich bin davon näm­lich im momen­tan weniger überzeugt als Sie. Auch wenn ich mich damit als Reak­tionär oute, der sich für einen Quer­denker hält.
    Übri­gens finde ich Ihren Stil inklu­sive dieser kleinen Pro­voka­tio­nen sehr unter­halt­sam. In diesem Fall habe ich es leicht, da ich mich wed­er mit Quer­denker noch mit Reak­tionär zutr­e­f­fend beschrieben finde.
    Ihre ersten Sätze muß ich noch beson­ders loben. Der aktuelle und auch der zum iPad ste­hen für mich schon in ein­er Rei­he mit Anna Karen­i­na, Die Ver­wand­lung, Stiller.

  4. David

    Bin nicht sich­er, ob Neusprech nicht funk­tion­iert. Wäre mal inter­es­sant zu wis­sen, was ein Apple-Nutzer unter “frei” versteht.”
    Hä? Gibt’s dafür ’ne App?

  5. Armin Quentmeier

    Kli­mawan­del existiert!
    Ganz gle­ich, was Herr Joffe in seinen Artikeln prob­lema­tisiert – mit dem Kli­mawan­del ist er wohl auf dem Holzweg. Den gibt es schon seit 4,5 Mil­liar­den Jahren! Ein „sta­biles Kli­ma“ hat es in 4,5 Mil­liar­den Jahren Erdgeschichte nie gegeben – und wird es auch in Zukun­ft niemals geben, trotz „2°C‑Ziel“, „Kli­maschutz“ und anderen Hys­te­rien der Gegen­wart (beson­ders aus­geprägt in Deutsch­land). Selb­st in his­torisch­er Zeit mit einen ange­blich seit 10000 Jahren sta­bilen Kli­ma (seit dem Ende der let­zten Eiszeit) hat es zahlre­iche Kli­maschwankun­gen gegeben – und die war­men Zeit­en waren immer gute Zeit­en! Also Leute, bleibt cool und laßt Euch nicht ver­rückt machen!
    Phasen der Abküh­lung brachen allerd­ings immer zahlre­iche Katas­tro­phen mit sich – Kriege, Völk­er­wan­derun­gen, Seuchen­züge, Sturm­fluten. Vor mehr als 20 Jahren erschien dazu ein wun­der­voller Artikel in der FAZ („Hex­en­jagd im Regen – Wie das Kli­ma die Gesellschaft bee­in­flußt“ vom 5.7.1989) über die Klim­ageschichte Mit­teleu­ropas. Dieser tolle Artikel sollte Pflichtlek­türe für alle Klimahys­terik­er sein – für „Kli­mawan­del-Leugn­er“ eben­so für die Kli­mawan­del-Angsthasen. Was fol­gt daraus? Kli­mawan­del ist gut, wenn er zur Erwär­mung führt; nur eine Abküh­lung wäre gefährlich. Wir sind die erste Gen­er­a­tion, die unbe­grün­dete Angst vor war­men Zeit­en hat!

  6. Anke

    Sprachver­bote”
    Es ist immer wieder inter­es­sant, wer sich unter welchen Vorze­ichen von ver­meintlichen Sprachver­boten (worauf Joffe m.M.n abzielt, ohne es expliz­it zu erwäh­nen) unter­drückt fühlt. Meis­tens ist es näm­lich die “Man wird ja wohl noch sagen dür­fen” (… “Israel kri­tisieren”, “das Lei­den der Ver­triebe­nen the­ma­tisieren”, “von ‘Kopf­tuch­mäd­chen’ sprechen”, usw.)-Fraktion — ohne daß irgend jemand die Dochnochsagendür­fer daran hätte hin­dern wollen. Was sie vielmehr meinen, ist wohl eher, daß sie Kri­tik und Wider­spruch bere­its als Und­ing (ver­mut­lich nahe der erwäh­n­ten Majestäts­belei­di­gung) statt als Teil der demokratis­chen Kul­tur empfinden.
    Ein beson­ders “schönes” Beispiel dieser verz­er­rten Wahrnehmung sind Thi­lo Sar­razin und seine Sekun­dan­ten, die hin­ter der Empörung über die in der Tat empören­den Äußerun­gen Sar­razins nichts weniger als eine “poli­tisch kor­rek­te” Mei­n­ungs­dik­tatur sehen woll­ten. Und tat­säch­lich fan­den sie ja nur Gehör in den Unter­grundme­di­en von “Bild” bis “FAZ” …

  7. Harald

    Altes Tes­ta­ment
    bitte nicht “alttes­ta­men­tarisch” son­dern “alttes­ta­mentlich”
    Ich bin vor kurzem auf Ihren Blog gestoßen und lese Ihre Beiträge gerne.

  8. Gareth

    Aus den Geboten, Gottes Namen “nicht zu mißbrauchen” […] ent­stand die Scheu, seinen Namen über­haupt zu ver­wen­den (wer ihn z.B. auf Papi­er schriebe, dieses dann irgend­wann weg­w­erfe — you got it). Deshalb wurde der Gottes­name häu­fig umschrieben und erset­zt (z.B. mit Adon­ai = Herr), damit die Würde des Eigentlichen unterstreichend.

    adon­ai wurde bei uns im Reli­gion­sun­ter­richt nur im Gebet bzw. beim Umgang mit Gebet­s­tex­ten benutzt. Für alles außer­halb dessen wurde hashem (wörtlich: der Name) benutzt. Wenn wir das deutsche Wort Gott benutzten, in Auf­sätzen o.ä., musste es G’tt geschrieben werden.

  9. David

    @Anke: Richtig; “man wird doch wohl noch sagen dür­fen” und “man darf das ja eigentlich nicht sagen, aber” fungieren im Deutschen gewis­ser­maßen als Inquit-Formeln, mit denen die Sprech­er im All­ge­meinen beson­ders dumme Aus­sagen einzuleit­en pflegen.

  10. tartaros

    Lach­haft
    Meine Güte, was sind Sie bloß für ein Bück­ling. Mich wun­dert fast, dass Sie nicht jene Leute, die die soge­nan­nte “geschlechterg­erechte Sprache” für unsin­ni­gen Quatsch hal­ten als Nazis bezeichnen.
    Und dass sich Michael Blume wieder mal als 95%iger Claque­ur out­et, obwohl der Autor dieses Blogs ihm nur Unfre­undlichkeit­en auszuricht­en hat, irri­tiert noch mehr.
    Komis­ches Schaus­piel. Es sollte jeden­falls mehr für die “OpferIn­nen” selt­samer Ide­olo­gien getan werden.
    Mit fre­undlichen Grüßen.

  11. Schlacke

    [quote]“Politisch kor­rek­te Sprache kann dabei helfen, struk­turelle Ungle­ich­heit­en aufzudeck­en.” Gibt es dazu auch Evi­denz, oder ist es nur Ihre per­sön­liche Mei­n­ung? Ich bin davon näm­lich im momen­tan weniger überzeugt als Sie. Auch wenn ich mich damit als Reak­tionär oute, der sich für einen Quer­denker hält.[/quote]
    Das würde mich allerd­ings auch inter­essieren. Ich habe den Ein­druck, dass der Trend zum bin­nen I und den ver­schiede­nen Binde­strich Kon­struk­tio­nen wieder abn­immt, wenn man mal ein gewiss­es stu­den­tis­ches Milieu außen vor lässt (Ich weiß immer noch nicht, was eigentlich eine Frauen­Les­be ist…).

  12. jitpleecheep

    Ich habe den Ein­druck, dass der Trend zum bin­nen I und den ver­schiede­nen Binde­strich Kon­struk­tio­nen wieder abn­immt, wenn man mal ein gewiss­es stu­den­tis­ches Milieu außen vor lässt”
    Das mit dem Binnen‑I stimmt, liegt aber wohl ein­fach daran, dass Großschrei­bung mit­ten im Wort in der deutschen Rechtschrei­bung nicht vorge­se­hen ist, und daher immer “irgend­wie blöd” auss­chaut und nie beliebt war.
    Im Gegen­satz dazu ist jedoch die geschlechterg­erechte For­mulierung mit Schrägstrich (z.B. “ein/e Ingenieur/in”) inzwis­chen (meines Wis­sens nach) zumin­d­est für alle öffentlichen Ein­rich­tun­gen zwin­gend vorgeschrieben und wird auch von den meis­ten Unternehmen verwendet.

  13. Schlacke

    Im Gegen­satz dazu ist jedoch die geschlechterg­erechte For­mulierung mit Schrägstrich (z.B. “ein/e Ingenieur/in”) inzwis­chen (meines Wis­sens nach) zumin­d­est für alle öffentlichen Ein­rich­tun­gen zwin­gend vorgeschrieben und wird auch von den meis­ten Unternehmen verwendet.”
    Ja, keine Frage, das liegt aber eher daran, dass es eine Abmah­nin­dus­trie gibt, die von solchen Sachen lebt (was ich im übri­gen Per­vers finde). Ich hab den Ein­druck, dass das im “richti­gen Leben” lock­er­er gese­hen wird, nicht zulet­zt auch und ger­ade von Frauen.
    Im übri­gen: Hat jemand das jemals in nor­maler gesproch­en­er Sprache gehört? Von Frauen oder Männern?

  14. Makri

    Wer heute noch durchgängig Maskuli­na ver­wen­det, out­et sich damit min­destens als jemand, der sich für einen Quer­denker hält obwohl er (und es ist ja meis­tens ein „er“) eigentlich nur ein Reak­tionär ist

    Ich inter­pretiere das ein­mal wohlwol­lend und nehme an, dass “sich out­en als” im Lexikon des Autors nicht als fak­tivisch ver­merkt ist.
    “ein/e Ingernieur/in” ste­ht ja eigentlich für “ein Inge­nieur oder eine Ige­nieurin”, aber das ist natür­lich auf die Dauer zu Umständlich, darum will das nie­mand sagen (und es sagen nur wenige, die dann, außer­halb eines gewis­sen stu­den­tis­chen Milieus, zum Beispiel in anderen stu­den­tis­chen Milieus, mein­er Erfahrung nach eher belächelt wer­den). Was die Leute sagen, ist bisweilen ein Dis­claimer, und dann ver­wen­den sie in der gesproch­enen Sprache weit­er das gener­ische Maskulinum, oder, wenn sie sich nur ja kein­er Kri­tik aus­set­zen wollen, das gener­ische Fem­i­ninum, das zwar um ein Suf­fix länger zu sein pflegt als das gener­ische Maskulinum, aber jeden­falls deut­lich prak­tis­ch­er ist als die “oder”-Konjunktion, die im Plur­al sowieso seman­tisch prob­lema­tisch ist.

  15. jitpleecheep

    […] aber das ist natür­lich auf die Dauer zu Umständlich, darum will das nie­mand sagen […]”
    Ja, natür­lich ist das alles nur eine Krücke und wird irgend­wann auch wieder fall­en gelassen wer­den. Eine Mode halt.
    Aber es führt auch dazu, dass Men­schen ans Nach­denken kom­men und sich neue Begriffe aus­suchen, wie zum Beispiel die im näch­sten Beitrag erwäh­n­ten Studierenden.
    Und das alleine finde ich schon begrüßenswert.
    Abge­se­hen davon sehe ich nicht, dass “die Frauen” das im all­ge­meinen lock­er­er sehen (“die” sind ein­fach mal keine homo­gene Masse), und ich sehe auch nicht, dass dieser Diskurs nur von einem bes­timmten Milieu geführt wird, schon lange nicht mehr.

  16. Egbert Manns

    Der Begriff “poli­tisch kor­rekt” hat längst die oben skizzierte Bedeu­tung ver­loren. Wenn etwas als “poli­tisch kor­rekt” beze­ich­net wird, ist heute meis­tens gemeint, das der oder die etwas gesagt hat, was sie sagen muss — ange­ord­net vom “inter­na­tionalen Juden­tum” oder dem “inter­na­tionalen Freimau­r­ertum” oder ein­er ähn­lichen Verschwörung.
    “Poli­tisch kor­rekt” ist längst — nicht erst kür­zlich — zum Kampf­be­griff gegen selb­st­ständi­ge und ver­ant­wor­tungs­be­wusste Denker und Schreiber gewor­den. Gebraucht wird der Begriff zumeist in der recht­en Szene. Man lese Leser­briefe: Wer “poli­tisch kor­rekt” schreibt, schreibt auch “soge­nan­nte Demokratie”, “Demokratur”, beze­ich­net Men­schen, sie sich um mehr als ihr eigenes Woh­lerge­hen küm­mern, als “Gut­men­schen” und fühlt sich verfolgt.
    Ich bin erstaunt, dass ich den Begriff hier lesen muss.

  17. Achim

    guter Kli­mawan­del
    @ Armin Quentmeier:

    Kli­mawan­del ist gut, wenn er zur Erwär­mung führt; nur eine Abküh­lung wäre gefährlich. Wir sind die erste Gen­er­a­tion, die unbe­grün­dete Angst vor war­men Zeit­en hat! 

    Das sehen die Bewohn­er der Male­di­v­en sich­er auch so. Ihre nassen Füße wer­den wenig­stens in warmem Wass­er stehen.
    In manchen Teilen Deutsch­lands beste­ht das große Risiko, dass durch den Kli­mawan­del die Nieder­schläge deut­lich zurück­ge­hen und sich übers Jahr ungün­stiger verteilen. In ohne­hin eher trock­e­nen Gebi­eten wie Bran­den­burg eher ungünstig.
    Und über­haupt: Wer behauptet denn, dass das Kli­ma der let­zten 10.000 Jahre sta­bil war?

  18. Helmut Wicht

    @ Ste­fanow­itsch
    Lieber Herr Pro­fes­sor Stefanowitsch,
    ich befinde mich mit Ihnen im Dis­sens — mir gefällt der Joffesche Stil des Unge­fähren, des mäan­dern­den Gedankens. Den­noch kann ich Ihnem meinen Applaus für _Ihre_ fol­gende Sentenz:
    “Da habe ich Glück, dass ich mit Horst Köh­ler sehr zufrieden bin, und dass meine Abnei­gung gegen Angela Merkel erstens nicht damit zusam­men­hängt, dass sie Bun­deskan­z­lerin ist, und zweit­ens schon allein deshalb nicht geeignet ist, ihr öffentlich­es Wirken zu erschw­eren, weil sie in ihrer bish­eri­gen Amt­szeit nichts getan hat, was man als öffentlich­es Wirken beze­ich­nen könnte.”
    nicht ver­weigern. Cha­peau! Ich liebe Rede­fig­uren, die ex neg­a­ti­vo daherkommen.
    Denken Sie übri­gens noch an unser Blogge­wit­ter? Dead­line: 1. Mai!
    Grüße
    Hel­mut Wicht

  19. Till Westermayer

    Gegen­derte Sprache
    Ich bin eigentlich auch ein großer Ver­fechter gegen­dert­er Sprache (also Sprach­blog­gerIn­nen, Reaktionär_innen etc.) — bin jet­zt allerd­ings in einem Ein­führung­s­text in das Feld Kom­mu­nika­tion und Geschlecht (Ayaß 2008) darauf gestoßen, dass die Idee, durch Sprache Bewusst­sein zu verän­dern, let­ztlich nur unter Sapir-Whorf-Bedin­gun­gen funk­tion­iert. Die Metaebene poli­tis­ch­er Sym­bo­l­ik bleibt beste­hen — aber kann Sprache das Denken verändern?

  20. Adele Bongartz

    G ” s Name oder Zeichen oder Bild
    Ergänzung zum Artikel:
    „Gottes“ Namen- oder Bilderver­bot; bei­des hängt zusammen.
    Das Bilderver­bot und die Namen­losigkeit Gottes — und umgekehrt – bedin­gen einan­der! (Max Frisch sagte mal, nicht nur für men­schliche Liebes- und Sexbeziehun­gen: Du sollst dir kein Bild­nis machen…“ — von dem Geleibten oder Geliebten.)
    Im Pen­ta­teuch find­en sich zahlre­iche weit­ere Textstellen, die sich mit dem Bilderver­bot beschäftigen:
    „Nehmt euch um eures Lebens willen gut in Acht! Denn eine Gestalt habt ihr an dem Tag, als der Herr am Horeb mit­ten aus dem Feuer zu euch sprach, nicht gese­hen. Lauft nicht in euer Verder­ben und macht euch kein Gottes­bild­nis, das irgen­det­was darstellt, keine Stat­ue, kein Abbild eines männlichen oder weib­lichen Wesens, kein Abbild irgen­deines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgen­deines gefiederten Vogels, der am Him­mel fliegt, kein Abbild irgen­deines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgen­deines Meer­estieres im Wass­er unter der Erde. Wenn du die Augen zum Him­mel erheb­st und das ganze Him­melsheer siehst, die Sonne, den Mond und die Sterne, dann lass dich nicht ver­führen! Du sollst dich nicht vor ihnen nieder­w­er­fen und ihnen nicht dienen. Der Herr, dein Gott, hat sie allen anderen Völk­ern über­all unter dem Him­mel zugewiesen.“ (Dtn 4,15–19)
    „Du sollst dir kein Gottes­bild­nis machen, das irgen­det­was darstellt am Him­mel droben, auf der Erde unten oder im Wass­er unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göt­tern nieder­w­er­fen und dich nicht verpflicht­en, ihnen zu dienen.“ (Dtn 5,8–10)
    Mein Faz­it: Die wahrste Aus­sage dessen, den sich Män­ner — als den/das Wahr-Gott und das Männliche in und für sich – vorstell­ten, kann über­set­zt nur laut­en: „Ich bin, der ich bin!“ — Oder, bess­er: “…, der ich immer sein werde.”
    Das Bilderver­bot hat dabei eine Par­al­lele in der Namen­losigkeit Gottes. Denn Gott selb­st hat­te seinen Namen nicht preis­gegeben; vgl. Ex 3,13–15.
    *
    Erich Fromm schlug vor, die (wenn nicht ver­mei­d­bare) Nen­nung des Namens Gottes adäquat mit „Namen­los ist mein Name“ zu übersetzen.

Kommentare sind geschlossen.