Affensprache

Von Anatol Stefanowitsch

Jedes Mal, wenn ich mich aus irgen­deinem Grund auf die Web­seit­en des VDS begebe (was übri­gens sehr sel­ten ist: In den bish­er fün­fzig Beiträ­gen im Sprachlog wer­den die Dort­munder Sprach­nar­ren nur vier­mal erwäh­nt, [1], [2], [3], [4]), finde ich neben der typ­is­chen sprach­pflegerischen Wirr­nis auch Kuriositäten, über die sog­ar andere Sprach­nör­gler nur den Kopf schüt­teln dürften.

In der unteren Ecke der Start­seite ver­linkt der Vere­in per Zufall­sro­ta­tion auf die Pressemel­dun­gen des Jahres, und als ich für meinen let­zten Beitrag recher­chiert habe, stieß ich auf dieses Juwel vom März oder April dieses Jahres:

Einen Fehltritt leis­tete sich Thomas Ste­in­feld von der Süd­deutschen Zeitung. Er behauptete, der Vere­in Deutsche Sprache würde die Ver­flachung des Deutschen mit „Affen­sprache“ beze­ich­nen. Noch dazu hat­te er schlecht recher­chiert und glaubte, die „Deutsche Sprach­welt“ sei die Vere­in­szeitung des VDS. Nach vie­len Beschw­er­den erfol­gte einige Tage später eine teil­weise Kor­rek­tur der SZ. [Pressemel­dung des VDS, 2010]

(Der Artikel, auf den sich die Pressemel­dung bezieht, find­et sich hier, die erwäh­nte „teil­weise Kor­rek­tur“ kon­nte ich nicht finden).

Eine Ver­wech­slung der „Deutschen Sprach­welt“ mit den „Sprach­nachricht­en“ des VDS ist wegen ein­er gewis­sen inhaltlichen Nähe noch nachvol­lziehbar. Obwohl, wenn ich genauer darüber nach­denke, ist die Deutsche Sprach­welt im direk­ten Ver­gle­ich mit dem gedanklichen Abwasser­tank, den der VDS anstelle ein­er Vere­in­szeitung pub­liziert, beina­he ein Muster­stück ratio­nalen Diskurs­es über Sprache.

Aber darum soll es auch gar nicht gehen, son­dern um die Behaup­tung der SZ, der VDS würde die „Ver­flachung des Deutschen“ mit dem Begriff Affen­sprache beze­ich­nen. Das ist eine ger­adezu infame Unter­stel­lung, denn der VDS ver­wen­det hier auss­chließlich einen viel präzis­eren Begriff:

Die Fir­ma TUI Touris­tik Union Ihr Free-World-Guide (pow­ered by IQ) ist neben dem notorischen Jil-Sander-Inter­view in der FAZ vom April 1996 der bish­erige Gipfel an Sprachver­hun­zung in der Bun­desre­pub­lik. Da die darin zele­bri­erte Schim­pansen­sprache anders als etwa bei der CDU, der Lufthansa und der Deutschen Bank nicht nur beim Führungsper­son­al, son­dern auch bei den son­sti­gen Mitar­beit­ern sehr ver­bre­it­et ist, kommt hier aus­nahm­sweise eine ganze Fir­ma auf die Vorschlagsliste. [Pressemel­dung des VDS, 2000]

Aber der Vor­sitzende des VDS stellt auch gerne andere Ver­gle­iche an:

Pid­gin ist ja eine Sprache mit ein­er reduzierten Gram­matik, einem reduzierten Vok­ab­u­lar­i­um, 500 Wörter, einige sim­ple Regeln, mit denen man in der Karibik Fis­che kaufen kann, oder auch Bana­nen ver­laden kann irgend­wo im Hafen, aber keine Gedichte schreiben und auch keine physikalis­chen Abhand­lun­gen ver­fassen kann. Das heißt, indem wir diese Pid­gin­sprache benutzen begeben wir uns auf das Niveau von Bana­nen­händlern hinab, und wer will denn dass? [Wal­ter Krämer, in Har­ald Woet­zels Film „Wer ret­tet die Deutsche Sprache“ (SWR, 2005)]

Wir hal­ten also fest: Beim VDS wer­den Men­schen, die englis­che Lehn­wörter ver­wen­den, grund­sät­zlich nicht als Affen, son­dern auss­chließlich als Schim­pansen oder Bana­nen­händler beze­ich­net. Wer etwas anderes behauptet, ist ein gemein­er Lügner.

 

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

15 Gedanken zu „Affensprache

  1. stefan niggemeier

    Die Kor­rek­tur in der SZ
    Die Zeitschrift Deutsche Sprach­welt eröffnet ihre Aus­gabe von Früh­jahr 2010 mit einem Artikel, in dem es um die ange­bliche Ver­wand­lung des Deutschen in eine “Affen­sprache” geht. Diese These nahm Thomas Ste­in­feld in seinem Artikel “Das Deutsch, das Affen sprechen” auf Seite 11 vom 29. März zum Aus­gang eines Wider­spruchs. Der Her­aus­ge­ber von Deutsche Sprach­welt ist jedoch nicht, wie behauptet, der “Vere­in Deutsche Sprache”, son­dern der “Vere­in für Sprach­pflege”. In der Zeitschrift wird allerd­ings darauf ver­wiesen, dass Wal­ter Krämer, der Vor­sitzende des “Vere­ins Deutsche Sprache” schon vor zehn Jahren erk­lärt hat­te, Deutsch verkomme zur “Schim­pansen­sprache”.
    (3.4.2010)

  2. Philipp

    Ras­sis­mus
    Ich frage mich ger­ade, ob es wohl zutr­e­f­fend (und juris­tisch zuläs­sig) wäre, den Vor­sitzen­den des VDS als Ras­sis­ten zu beze­ich­nen, da er im let­zten Zitat ein­deutig Karibik­be­wohn­er auf “Bana­nen­händler” verkürzt und “die Deutschen” kollek­tiv über diese stellt, da sie sich auf deren Niveau “hin­ablassen” könnten.
    Nur um nochmal zu verdeut­lichen, mit welch­er Stufe von Idioten wir es beim VDS zu tun haben.

  3. domingos

    Krämer sollte bei der Sta­tis­tik bleiben
    Er ver­ste­ht wed­er was von sprache noch von der Karibik.

  4. Stefan O.

    VDS
    Ich kan­nte VDS noch nicht, war aber sehr amüsiert über einen Abschnitt beim Sprach­pan­sch­er Fritz Pleitgen:
    “Der Sprach­pan­sch­er des Jahres wird seit dem Jahr 1998 gewählt. Zu den bish­eri­gen „Preisträgern“ zählen Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, Johannes Ludewig und Hart­mut Mehdorn, zwei jew­eils kurz danach ent­lassene Vor­standsvor­sitzende der Deutschen Bahn AG.”
    Soll da etwa zwis­chen den Zeilen eine gewisse Kausal­ität ver­mit­telt wer­den? Ich lach’ mich tot 🙂
    Link: http://www.vds-ev.de/…itgenistsprachpanscher2010

  5. Stefan H.

    Es gehört längst zu den Gepflo­gen­heit­en beim VDS, mehr oder min­der expliz­it abstruse Kausal­itäten herzustellen. Stich­wort: “Gutes Deutsch und klares Denken gehören zusammen”.
    http://vds-ev.de/…einem-mit­glied-ottmar-hitzfeld
    Beson­ders im Rück­blick ein her­rlich­es Stück Realsatire…

  6. D.A.

    Die Start­seite hat noch mehr zu bieten
    Viel bess­er noch finde ich die Zufallssprüche gepaart mit sorgfältig aus­gewählten Bildern ganz oben auf der Start­seite. Wirrer gehts wirk­lich kaum noch.

  7. Gareth

    Ich bin schock­iert, dass Wal­ter Krämer das lateinis­che Vok­ab­u­lar­i­um ver­wen­det statt der eingedeutscht­en Vari­ante Vok­ab­u­lar.

  8. Gareth

    Wäre das dann nicht Lateutsch? Sollte er nicht ‘Wortschatz’ vorziehen?

    Gegen Lehn­wörter aus dem Lateinis­chen, Griechis­chen oder Franzö­sis­chen hat er ja nichts einzuwen­den. (Es ist ja bekan­nt, dass ger­ade Latein von Wichtigtuern ja nie benutzt wird.)

  9. Mike Seeger

    Licht­blicke 2007
    Unter obiger Rubrik wurde ich vom VDS auf deren Web­seite (http://www.vds-ev.de/lichtblicke/lichtblicke-2007) mit fol­gen­dem Satz gelobt: “Die Fir­ma XYZ verzichtet mit Rück­sicht auf den VDS kein Wei­h­nachtsspe­cial an, son­dern ein Weihnachten-ist-ja-nur-einmal-im-Jahr-Angebot.”
    Und das, obwohl mein Vater, Groß- und Urgroß­vater Bana­nen­händler waren.
    Soviel zu den Fähigkeit­en des VDS. Obwohl ich die Büch­er von Wolf Schnei­der immer gerne gele­sen habe …

  10. Anna

    apro­pos Kuriositäten
    Ich habe mich nun auch ein­mal durch die Untiefen der VDS-Web­page gek­lickt und dabei dieses Werk ent­deckt: http://vds-ev.de/…ds-dichter-gafuerst-anglo­manie
    Beson­ders gut gefällt mir dabei die vor­let­zte Zeile.
    Schöne Grüße aus Tübingen!

  11. Gareth

    Na fragt sich, was Goethe & Schiller schneller im Grabe rotieren lässt: Anglizis­men oder so grot­tige Gedichte…

  12. DrNI

    Bana­nen­händler haben auch Muttersprachen
    Zu Pid­gin und Kre­ol­sprachen hät­ten die guten vielle­icht mal Wik­li­pedia kon­sul­tieren oder – wie so oft – das zweite Semes­ter Sprach­wis­senschaft nicht ver­schlafen sollen. So ste­ht in der Wikipedia zum Beispiel: “Ein Pid­gin hat zunächst keine mut­ter­sprach­lichen Sprech­er.” Die Bana­nen­händler sprechen also nur wenn nötig diese Sprache. Über ihr Niveau sagt das natür­lich nichts aus, und schon gar nicht über die Elo­quenz in ihrer Mut­ter­sprache. Nett auch, wie selb­stver­ständlich hier von den selb­ster­nan­nten Sprach­san­itätern Niveau mit sprach­lich­er Kom­plex­ität zusam­menge­bracht wird.
    Ein Schelm wäre, wer jet­zt mit deutschen Schlager­tex­ten so was wie eine Vocab­u­lary Growth Curve machen würde. Eigen­na­men mal abge­zo­gen, wie viele (tausend) Lied­texte bräuchte man da wohl, bis man über die 500 Types der Bana­nen­händler käme?

  13. zr0 wrk

    Adver­bi­en kor­rekt verwendet
    “Nach vie­len Beschw­er­den erfol­gte einige Tage später eine teil­weise Kor­rek­tur der SZ.”
    Wäre nicht von einem Vere­in zur Ret­tung der deutschen Sprache zu erwarten, dass er die ver­bre­it­ete adjek­tivis­che Ver­wen­dung von Adver­bi­en auf “~weise” als Sprachver­fall geißelt, statt ihrer selb­st zu verfallen?
    Aber das ist wohl nicht Anglizis­mus genug.

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