Die Staatssprache Deutsch vor dem Petitionsausschuss

Von Anatol Stefanowitsch

Wer die gestrige Sitzung des Peti­tion­sauss­chuss­es zu den Peti­tio­nen für und gegen die Auf­nahme der Deutschen Sprache ins Grund­getz ver­passt hat, kann sich die Aufze­ich­nung jet­zt auf der Web­seite des Bun­destages anse­hen (die Diskus­sion der Peti­tio­nen begin­nt bei 1:00:32).

Ich werde in den näch­sten Tagen noch einige Aspek­te in eige­nen Blog­beiträ­gen auf­greifen. Hier zunächst der Text mein­er Rede (in der Aufze­ich­nung fol­gt die der Rede des VDS-Vor­sitzen­den Wal­ter Krämer und begin­nt bei 1:10:24).

Frau Vor­sitzende, sehr geehrte Abge­ord­nete des Deutschen Bun­destages, Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren,

die Forderung des Vere­ins Deutsche Sprache, den Artikel 22 des Grundge­set­zes um den Satz „Die Sprache der Bun­desre­pub­lik ist Deutsch“ zu ergänzen, bringt aus mein­er Sicht eine Rei­he von sub­stanziellen Prob­le­men mit sich, und ich danke dem Peti­tion­sauss­chuss für die Gele­gen­heit, die in mein­er eige­nen Peti­tion dargelegte Gegen­po­si­tion zu dieser Forderung per­sön­lich vor­tra­gen zu können.

Wir Deutschen waren nie eine ein­sprachige Gesellschaft und Deutsch­land hat sich in kein­er Phase sein­er Geschichte über eine gemein­same Sprache definiert.

Durch die vorgeschla­gene Änderung würde das Grundge­setz zur ersten deutschen Ver­fas­sung über­haupt, in der eine „Staatssprache“ fest­gelegt wäre. Zu den 17 Nach­bar­län­dern, die das anders hand­haben, sage ich auf Nach­frage gerne mehr; deren Sit­u­a­tion ist mit der von Deutsch­land nicht zu vergleichen.

Wo frühere deutsche Ver­fas­sun­gen sich zum The­ma „Sprache“ geäußert haben, geschah das immer und auss­chließlich zum Schutz von Min­der­heit­en­sprachen. Und auch das Grundge­setz in sein­er aktuellen Fas­sung erwäh­nt Sprache nur an ein­er einzi­gen Stelle: Artikel 3, Abschnitt 3 bes­timmt, dass nie­mand wegen sein­er Sprache benachteiligt oder bevorzugt wer­den darf.

Der Sta­tus des Deutschen als Amts- und Gerichtssprache ist dage­gen in den Ver­wal­tungsver­fahrens­ge­set­zen von Bund und Län­dern, im Gerichtsver­fas­sungs­ge­setz und im Sozialge­set­zbuch seit Langem ein­deutig fest­gelegt, und es gibt min­destens zwei gute Gründe, den rechtlichen Sta­tus der deutschen Sprache in diesen Geset­zen, und nur dort, zu regeln.

Erstens sollte der Staat nur die Sprache bes­tim­men, in der er selb­st mit seinen Bürg­erin­nen und Bürg­ern kom­mu­nizieren will. Welche Sprachen außer­halb staatlich­er Insti­tu­tio­nen ver­wen­det wer­den — ganz egal, ob im öffentlichen oder im pri­vat­en Raum — sollte in der freien Entschei­dung der Gesellschaft und ihrer Indi­viduen liegen und nicht durch Geset­ze geregelt sein.

Zweit­ens kön­nen die Bun­deslän­der in ihren Ver­wal­tungsver­fahrens­ge­set­zen auf regionale sprach­liche Beson­der­heit­en Rück­sicht nehmen und bei der Fes­tle­gung ihrer Amtssprachen auch autochtone Min­der­heit­en­sprachen berück­sichti­gen. Die Fes­tle­gung ein­er Staatssprache im Grundge­setz würde mas­siv in diese Autonomie der Län­der eingreifen.

Da also keine Notwendigkeit ein­er grundge­set­zlichen Ver­ankerung der deutschen Sprache beste­ht, hätte eine Grundge­set­zän­derung zunächst nur Symbolcharakter.

Die Sym­bo­l­ik bestünde allerd­ings vor allem in einem Sig­nal der Abschottung.

Nach Innen wäre diese Grundge­set­zän­derung eine Abschot­tung gegen die schon erwäh­n­ten autochto­nen sprach­lichen Min­der­heit­en — die ins­ge­samt 200 000 Sin­ti und Roma, Sor­ben, dänis­chen Süd­schleswiger und Friesen, die in der Bun­desre­pub­lik ihre Heimat haben.

Sie wäre ein Sig­nal der Abschot­tung gegen die neuen sprach­lichen Min­der­heit­en — die fast 7 Mil­lio­nen Mit­bürg­erin­nen und Mit­bürg­er mit Migra­tionsh­in­ter­grund, die einen so wichti­gen Teil der bun­des­deutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Kul­tur darstellen (darunter allein zweiein­halb Mil­lio­nen türkischstäm­mige Mit­men­schen, deren wichtige Rolle in der bun­des­deutschen Geschichte wir dieser Tage feiern konnten).

Und nicht zulet­zt wäre sie ein Sig­nal der Abschot­tung gegen die min­destens 50 000 gehör­losen Deutschen, deren Mut­ter­sprache die Deutsche Gebär­den­sprache ist.

Nach Außen wäre die grundge­set­zlichen Ver­ankerung der deutschen Sprache ein Sig­nal der Abschot­tung gegen unsere inter­na­tionalen poli­tis­chen Fre­unde und Ver­bün­de­ten, gegen die inter­na­tionalen Fir­men in Deutsch­land und der ganzen Welt, denen wir einen großen Teil unser­er hohen Leben­squal­ität ver­danken, und auch gegen die aus­ländis­chen Wis­senschaftler, Inge­nieure und Fachar­beit­er, die wir so drin­gend benöti­gen, um diese Leben­squal­ität auch für die Zukun­ft zu sichern.

Alle diese Men­schen und Insti­tu­tio­nen sind ein nicht wegzu­denk­ender Teil unseres mod­er­nen, weltof­fe­nen Lan­des, und sie haben die her­aus­ge­hobene Stel­lung der deutschen Sprache in Bil­dung, Poli­tik und Kul­tur nie in Zweifel gezogen.

Mit ein­er „Staatssprache Deutsch“ wür­den wir ihnen eine klare Botschaft ver­mit­teln: Ihr gehört nicht zu uns.

Und ein­mal im Grundge­setz ver­ankert, bliebe die Wirkung ein­er Staatssprache nicht lange symbolisch.

Wir wären gezwun­gen, laufend geset­zlich festzule­gen, was die deutsche Sprache eigentlich ist, was zu ihr gehört und was nicht, und wie sie sich entwick­eln darf.

Die Exis­tenz ein­er Staatssprache würde außer­dem Begehrlichkeit­en bezüglich der Schaf­fung weit­er­er restrik­tiv­er Sprachge­set­ze weck­en, etwa im Bere­ich der Schul- und Bil­dungspoli­tik, der Inte­gra­tionspoli­tik, der Kul­tur­poli­tik und der Wirtschaftspolitik.

Wir wür­den so mit ein­er lan­gen Tra­di­tion der sprach­lichen Tol­er­anz und der sprach­lichen Vielfalt brechen, um der Illu­sion ein­er ein­sprachi­gen Gesellschaft willen, die es tat­sächlch auf deutschem Boden nie gegeben hat.

Meine Mitze­ich­nen­den und ich — und wir sind zwar nicht so viele wie die des Vere­ins Deutsche Sprache, aber wir hat­ten auch die BILD-Zeitung nicht auf unser­er Seite — bit­ten den Deutschen Bun­destag in unser­er Peti­tion deshalb, eine Auf­nahme der deutschen Sprache in das Grundge­setz jet­zt und in Zukun­ft abzulehnen.

 

[Nach­trag: Auf der Web­seite des VDS gibt es jet­zt auch den Text von Wal­ter Krämers Rede.]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

59 Gedanken zu „Die Staatssprache Deutsch vor dem Petitionsausschuss

  1. Christian

    Das The­ma “Deutsch ins Grundgesetz”…
    …ist nach mein­er Auf­fas­sung nach nach diesem ger­adezu desas­trösen Auftritt des VDS im Auss­chuss in Per­son von Pro­fes­sor Krämer zumin­d­est poli­tisch erst mal für eine ganze Weile gestor­ben. Ich hat­te ja ver­mutet, dass der VDS vor allem Argu­mente der Sprach- und Kul­turpflege bemühen würde, statt dessen gab es ja aber mit den “inte­gra­tionsun­willi­gen Türken” über die “40 Jahre ver­fehlter Inte­gra­tionspoli­tik” bis hin zum ständi­gen Herumge­hacke auf der DFG für jede Frak­tion ein großes rotes Tuch, was neben dem deut­lich besseren Gegen­vor­trag wohl auch der Grund dafür gewe­sen sein dürfte, dass sich nicht ein einziger der anwe­senden Par­la­men­tari­er auch nur im Ansatz als Ver­fechter ein­er Auf­nahme der Sprache ins Grundge­setz geoutet hätte. Auf der poli­tis­chen Schiene dürfte damit erst mal für eine ganze Weile kein weit­er­er Vorstoß zu erwarten sein…

  2. amfenster

    …stößt auf Skepsis”
    In der Tat, bei Krämers Vor­trag hätte man an jed­er beliebi­gen Stelle das Sezier­mess­er anset­zen kön­nen, das war ja teil­weise nur noch absurd. Mein High­light waren die Men­schen­rechte als Selb­stver­ständlichkeit… Schön, dass er damit bei nie­man­dem durchkam.
    Ste­fanow­itsch hat m.E. ein­mal geschwächelt, als er wortre­ich die Sit­u­a­tion in Öster­re­ich dar­legte, ohne danach gefragt wor­den zu sein. Anson­sten ein sou­verän­er Auftritt.

  3. Anatol Stefanowitsch

    @amfenster
    Die Sit­u­a­tion in Öster­re­ich (und anderen Län­dern, aber Öster­re­ich wurde gle­ich mehrfach erwäh­nt) war vorher mehrfach verz­er­rt dargestellt wor­den. Ich habe hier den ganzen Artikel vor­ge­tra­gen, um daran beispiel­haft deut­lich zu machen, wie dif­feren­ziert selb­st die Län­der, die eine Staatssprache in der Ver­fas­sung fes­tle­gen, dieses The­ma behan­deln. Mich hat tat­säch­lich nie­mand gefragt, aber ich fand, das sei wichtig genug, um ein­fach mal gesagt zu wer­den. Vor allem wurde so deut­lich, dass der sim­ple Satz „Die Sprache der Bun­desre­pub­lik ist Deutsch“ in kein­er Weise typ­isch für die Art wäre, in der andere Län­der das The­ma in ihrer Ver­fas­sung auf­greifen. Ich arbeite derzeit an einem Fachauf­satz dazu, es kommt sich­er auch bald mal ein Blogbeitrag!
    Ich habe mir übri­gens an vie­len anderen Stellen Kor­rek­turen verknif­f­en, um die Kern­botschaft nicht zu ver­wässern. Zum Beispiel wurde mehrfach behauptet, die USA hät­ten eine Amtssprache in ihrer Ver­fas­sung (das ist schlicht falsch); es wurde behauptet, Bel­gien lege eine Staatssprache fest (was nicht stimmt, die tat­säch­liche Sit­u­a­tion ist dort deut­lich kom­pliziert­er), usw.

  4. T.M.

    Diskus­sion im WDR
    Ich hat­te lei­der noch keine Gele­gen­heit, mir die Beiträge von Prof. Ste­fanow­itsch (Sprach­wis­senschaft) und Prof. Krämer (Sta­tis­tik) zu Gemüte zu führen. Hin­weisen möchte ich aber auf eine Hör­erdiskus­sion zu diesem The­ma, die heute mor­gen auf WDR 5 stat­tfand. Die teil­weise absur­den Argu­mente der Anrufer (die natür­lich über­wiegend für eine Auf­nahme ins Grundge­setz plädierten, oder bess­er gesagt „fasel­ten“) waren dabei dur­chaus auf­schlussre­ich für die kog­ni­tiv­en, emo­tionalen und poli­tis­chen Befind­lichkeit­en der Befür­worter­szene. 😉 Lei­der bilde­ten auch die Beiträge des als Experten gelade­nen Dietz Bering kein intellek­tuelles Gegengewicht. Er stellte sich, wenn auch ohne jeden fanatis­chen Eifer und nach (ange­blich­er) Abwä­gung der Argu­mente, auf die Seite der Befür­worter; was nicht weit­er schlimm gewe­sen wäre, hätte er auch nur ein einziges sprach­wis­senschaftlich nachvol­lziehbares Argu­ment vorge­bracht. Stattdessen philoso­phierte er nicht weniger kon­fus als die Anrufer über „Iden­tität“, die bedro­hte Autorität von Lehrern usw. Ein Pod­cast der Sendung wird im Laufe des Tages hier hochge­laden: http://www.wdr5.de/nachhoeren/tagesgespraech.html

  5. Carsten

    Hab ich das richtig gehört, dass der Herr vom VDS die Umstel­lung von Diplom auf Mas­ter als “Mar­ket­ingde­saster” bezeichnet?
    Großartig.

  6. amfenster

    @A.S.
    Danke für die Erklärung.
    Ohne Zweifel war der aus­führliche Hin­weis auf Öster­re­ich wichtig und richtig. Wie ja ohne­hin noch viel mehr Richtiges und Wichtiges zu sagen gewe­sen wäre…
    Durch den fehlen­den Bezug zu irgen­dein­er der gestell­ten Fra­gen haben Sie die Aus­führun­gen an dieser Stelle in meinen Augen eben ein kleines biss­chen Sou­veränität gekostet. Die Ihr Auftritt son­st durchge­hend hat­te, und eigentlich geht es hier ja auch nicht um Hal­tungsnoten, also Schwamm drüber! 😉

  7. Wladimir Palant

    Der Auftritt von Wal­ter Krämer
    Wow, nun ist also Mei­n­ungs­frei­heit eine Selb­stver­ständlichkeit und unnötiger Bal­last im Grundge­setz. Und das bei der deutschen Geschichte. Ich glaube, an dieser Stelle hat er schon alles eventuell vorhan­dene Wohlwollen seinem Antrag gegenüber verspielt.

  8. Jörg

    Über­rascht
    Ich weiß nicht so genau, was ich konkret erwartet habe, aber ich fand die Aus­führun­gen von Krämer sowas von lasch bis abstoßend, ich hätte spätestens nach seinem Auftritt die ganze Angele­gen­heit für einen schlecht­en Witz gehalten.
    Im Grunde ging es in ein­er Tour um Autoritäten (Poli­tik­er oder Umfra­gen) die alle schreck­lich dolle dieses Änderun­gen haben wollen, gar­niert mit ein­er Prise Leitkul­tur auf Sar­razin­niveau und als er dann ern­sthaft anf­ing auf der DFG rumzuhack­en, weil er (oh zeter, oh mor­dio) Anträge in englis­ch­er Sprache abfassen musste, da dachte ich wirk­lich, der Son­neborn hätte das inszeniert.
    Man kann es immer­hin als mah­nen­des Beispiel nehmen, das Par­al­lelge­sellschaften kein­er türkischen Ein­wan­der­er bedürfen.

  9. ama

    PROTEST!
    “Und nicht zulet­zt wäre sie ein Sig­nal der Abschot­tung gegen die min­destens 50 000 gehör­losen Deutschen, deren Mut­ter­sprache die Deutsche Gebär­den­sprache ist.”
    Als Gehör­los­er würde ich hier einen sakrisch laut­en Protest erheben.
    Was ins Grundge­setz soll, KANN nur die Schrift und die akustis­che Sprache betr­e­f­fen. Wir kön­nen aber gerne über die Gebär­den­sprache reden. Herr Krämer und Herr Ste­fanow­itsch IN PERSONA soll­ten dies dann aber auch in Gebär­den­sprache vor­tra­gen. Dann wer­den wir ja sehen, was sie davon ver­ste­hen — falls überhaupt…
    Eine Sprache, die nicht aus akustis­chen Fol­gen sin­gulär­er Laute, son­dern aus Bildern, Gesten und Bewe­gun­gen UND aus deren Sequen­zen beste­ht, kann doch über­haupt nicht mit der Sprech­sprache und der Schrift­sprache ver­glichen wer­den, die aktuell zur Debat­te steht.
    Wir kön­nen natür­lich auch auf das optis­che Mors­en und auf das inter­na­tionale Flaggensignalalphabet
    ausweichen…
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  10. gnaddrig

    @ ama , „PROTEST!“
    Wieso Protest? Gehör­lose haben eben nicht Deutsch als Mut­ter­sprache, son­dern eine Gebär­den­sprache, hierzu­lande meis­tens die Deutsche Gebärdensprache.
    Wieso sollte das Grundge­setz darauf beschränkt sein, sich auf „die Schrift und die akustis­che Sprache“ zu beziehen? Es wäre dur­chaus möglich, die Gebär­den­sprache zur Staatssprache zu erk­lären und für Gerichte, Behör­den usw. vorzuschreiben (und eine Tran­skrip­tion der Gebär­den­sprache für den offiziellen Schriftverkehr). Inwieweit die auss­chließliche Ver­wen­dung der Gebär­den­sprache sin­nvoll oder prak­tik­a­bel wäre, ist eine ganz andere Frage. Es gibt aber keinen sach­lichen Grund, weshalb das Grundge­setz nicht auch Sprachen erwäh­nen kön­nen sollte, die nicht akustisch gesprochen und mit Farbe auf Papi­er aufgeschrieben werden.
    Akustisch gesproch­ene Sprache ist die am weitesten ver­bre­it­ete Art von Sprache, aber es gibt eben auch Gebär­den­sprachen, gep­fif­f­ene Sprachen und vielle­icht noch andere.
    Die Schrift, wie wir sie benutzen, ist ja nur eine von vie­len möglichen Arten, Sprache zu fix­ieren. Wäre die Geschichte anders gelaufen, wür­den wir vielle­icht mit Makrameeschnüren „schreiben“ wie sein­erzeit die Inka mit ihren Khi­pus. Das würde nichts an der Diskus­sion ändern, ob der Satz „Die Sprache der Bun­desre­pub­lik ist Deutsch“ ins Grundge­setz gehört.
    Farbe auf Papi­er o.ä. mag die nahe­liegend­ste, prak­tis­chste und ver­bre­it­eteste Möglichkeit sein, Infor­ma­tio­nen festzuhal­ten. Aber es gibt eben auch andere Möglichkeit­en, etwa das Fin­ger­al­pha­bet, das in die Hand­fläche buch­sta­biert wird. Wenn Sie Morse nen­nen, das ist keine Sprache, son­dern eine Schrift, die optis­che oder akustis­che Sig­nale zum Buch­sta­bieren ver­wen­det. Braille eben­falls, damit fix­iert man z.B. deutschsprachige Texte in für Blinde les­bar­er Form. Die Deutsche Gebär­den­sprache ist dage­gen nicht ein­fach eine andere Darstel­lung der deutschen Sprache, son­dern eine eigen­ständi­ge Sprache mit eigen­er Struk­tur und Grammatik.
    Gebär­den­sprachen sind voll­w­er­tige Sprachen, die sich in Sachen Spracher­werb, Funk­tion­al­ität und Kom­mu­nika­tion­s­möglichkeit­en dur­chaus mit akustisch gesproch­enen Sprachen ver­gle­ichen lassen.
    Und zum Schluss: Wieso soll­ten A.S. und Wal­ter Krämer etwas von der Gebär­den­sprache ver­ste­hen müssen, um über die Auf­nahme der einen oder anderen Sprache ins Grundge­setz disku­tieren zu können?

  11. ama

    Die Nähe der Taste zum Stab des Buches
    “gnad­drig @ ama , „PROTEST!“
    08.11.2011, 14:25
    Wieso Protest? Gehör­lose haben eben nicht Deutsch als Mut­ter­sprache, son­dern eine Gebär­den­sprache, hierzu­lande meis­tens die Deutsche Gebärdensprache.”
    Protest, weil man die Gebär­den­sprache nicht mit der Sprech­sprache oder der Schrift­sprache gle­ich­set­zen darf. Es ist doch ein ganz anderes Medi­um. Son­st kön­nte man “Schreib­mas­chine” auch als eigen­ständi­ge Sprache definieren.
    Wobei “Schreib­mas­chine” der Schrift­sprache UND der Sprech­sprache näher ist als die Gebärdensprache… 🙂
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  12. Peer

    @ama
    Ein anderes Medium?
    Äh, nein.
    Es geht z.B. um solche dinge wie: “Simul­tan­dol­metsch­er in deutschen Gericht­en” obwohl Gerichtssprache ja deutsch ist (da gibt es meines Wis­sens sog­ar einen echt­en Para­graphen für). Juris­tisch gilt sie als Sprache und wäre daher auch von einem entsprechen­dem Grundge­set­zein­trag betroffen.

  13. ama

    Hal­tet die Optik rein!
    “Peer @ama
    08.11.2011, 14:42
    Ein anderes Medium?
    Äh, nein.”
    Doch. 🙂 Benutzt sie Buch­staben? Benutzt sie die Buch­staben in der Sequenz wie in der Sprech­sprache oder der Schriftsprache?
    Alles das, was an Buch­staben­fol­gen in der Schrift­sprache fest­gelegt ist und sog­ar durch Per­ver­sio­nen wie Rechtschreibre­form genormt ist, gibt es in der Gebär­den­sprache nicht. Bei den Blind­en ist das anders. Die sind zwangsweise an tast­bare Muster gebun­den, was zu Braille und wohl ver­schiede­nen Fin­ger­sprachen geführt hat. Da ist ein Muster ein Buch­stabe. Blinde sind daher bei ihrem Sprechen sehr langsam.
    “Es geht z.B. um solche dinge wie: “Simul­tan­dol­metsch­er in deutschen Gericht­en” obwohl Gerichtssprache ja deutsch ist (da gibt es meines Wis­sens sog­ar einen echt­en Para­graphen für).”
    De fak­to ist das aber eher ein ÜBERSETZER, wozu der begriff denn auch “Dol­metsch­er” ist, wie bei anderen (Fremd)sprachen auch. Mit dem Unter­schied, daß DIESE (Gebärden)sprechenden der Papier­na­tion­al­ität nach Deutsche sind. Es wird als von Deutsch A nach Deutsch B ÜBERSETZT.
    Deutsch A und Deutsch B sind zwei völ­lig ver­schiedene Welten.
    “Juris­tisch gilt sie als Sprache und wäre daher auch von einem entsprechen­dem Grundge­set­zein­trag betroffen”
    Weil sich die Gebär­den­sprache für die Dep­pen-PR der Wer­be­fuzzis lei­der, lei­der nicht in richtig dicke Kohle umset­zen läßt, bleibt die Gebär­den­sprache von den Denglisch-Dep­pen verschont. 🙂
    Insofern kön­nte man sie zwar ins Grundge­setz nehmen, aber eines speziellen Schutzes bedarf sie nicht.
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  14. Dierk

    @ama
    So gese­hen — und ich selb­st weise immer gerne auf diesen Unter­schied hin — sind Spreche und Schrift auch unter­schiedliche Medi­en und ihrer Argu­men­ta­tion nach unter­schiedliche Sprachen. Warum soll­ten akustis­che und visuelle Sprachme­di­en juris­tisch unter­schiedlich behan­delt wer­den? Und soll­ten nicht Schrift und Gestik [hier: Gebär­den­sprache] gle­ich­er sein als Schrift und Spreche?
    Mir per­sön­lich kann es ja egal sein, wenn eine Gruppe sich selb­st diskri­m­inieren* will, aber irgend­wie sper­rt sich der Men­sch in mir, er fol­gt doch eher Her­rn Ste­fanow­itschs Argumentation.
    *So wie dieses Wort üblicher­weise in Talk­shows ver­standen wird.

  15. Peer

    Bleibt die Gebär­den­sprache von Denglisch-Dep­pen verschont”
    Sind sie sicher? 😉
    Oder beziehen Sie sich auss­chließlich auf Werbe-Anglizis­men (also nicht solche Sachen wie “Body bag” oder “Pub­lic View­ing” die ja direkt aus dem englis­chen über­nom­men wurden)?

  16. gnaddrig

    @ Peer, Dep­pen-Denglizis­men in Gebärden?
    Da frage ich mich jet­zt, inwieweit Gebär­den­sprachen über­haupt Wörter aus „akustis­chen“ Sprachen entlehnen kön­nen. Wie soll man eine Gebärde für „Body­bag“ als Anglizis­mus kennze­ich­nen und sprach­lich von “Ruck­sack“ abgren­zen (ein­fach mal voraus­ge­set­zt, das seien Syn­onyme)? Ich kann keine Gebär­den­sprache, aber die Gebär­den stellen doch Begriffe bildlich dar, ohne darauf zu ver­weisen, wie das Wort in egal welch­er Sprache klingt oder geschrieben wird.
    Natür­lich wird sich die Gebär­den­sprache auch kon­tinuier­lich ändern, wer­den neue Gebär­den entste­hen. Und natür­lich kann man die dann albern, affek­tiert, unnötig, prim­i­tiv oder sonst­was find­en, genau wie das mit neuen Wörtern auch passiert. Vielle­icht kann man ein­er Lehnge­bärde auch anse­hen, woher sie kommt, da müsste man mal einen Mut­ter­sprach­ler fra­gen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie es in der Gebär­den­sprache Anglizis­men geben soll.
    Ich kön­nte mir höch­stens vorstellen, dass die Deutsche Gebär­den­sprache unter Umstän­den Gesten aus der Amer­i­can Sign Lan­guage entlehnt, die man dann als gebär­den­sprach­liche „Anglizis­men“ beze­ich­nen kön­nte, aber das sind dann natür­lich nicht die Anglizis­men, über die sich der VDS mokiert.
    Denglisch-Dep­pen wird es unter Sprech­ern der Gebär­den­sprachen auch geben, denn die zugrun­deliegende Geis­te­shal­tung ist nicht an akustis­che Sprachen oder ein funk­tion­ieren­des Gehör gebun­den. Bloß die Art, in der sich das Denglisch-Dep­pen­tum in einem gebär­den­sprach­lichen Umfeld ändert, wird sich erhe­blich von dem unter­schei­den, was wir im Kon­text gesproch­en­er und geschrieben­er Sprache erleben.

  17. Peer

    Eng­lish in Gebärdesprache
    Naja, es geht ja (so wird zumin­d­est seit­ens des VDS behauptet) um englis­che Worte bei denen es the­o­retisch eine deutsche Entsprechung gäbe (Zu tat­säch­lichen Bedeu­tung­sun­ter­schieden von Wörtern wie “Event” hat sich A.S. äußere ich mich mal nicht, das hat AS. schon aus­führlich getan).
    Sowas kön­nte es tat­säch­lich auch mit Wörtern aus der Amer­i­can Sign Lan­guage geben. Ob das der Fall ist, weiß ich aber nicht (zumin­d­est kan­nte ich mal das Wort für “Bull­shit”), aber ich weiß nicht, wie ver­bre­it­et das ist)

  18. Statistiker

    Sta­tis­tik­er
    Hab mir eben mal ange­se­hen.… Das war´s dann wohl für Her­rn Krämer und seine Peti­tion. Mit dem “Mar­ket­ing” ist er völ­lig aufge­laufen und hat sich selb­st und den VDS abso­lut lächer­lich gemacht.
    Seine Aus­fälle gegen die türkischen Mit­be­wohn­er (ich kenn etliche, die bess­er Deutsch sprechen als die meis­ten Deutschen) und andere Min­der­heit­en (unser Hausjurist ist übri­gens gebür­tiger Iraner(kann das sein, dass ich zu viele Klam­mern benutze?(was man nicht soll(aber egal)))) kam auch nicht ger­ade gut an.…
    Dem Rest — nach den vie­len kri­tis­chen Fra­gen, die (fast) alle an ihn gin­gen — hat ihn mein­er Mei­n­ung nach der PStS Ole Schröder gegeben (ein Vertreter der Partei, die sich noch nicht abschließend eine Mei­n­ung gebildet hat). Ole kommt aus einem Bun­des­land mit zwei geschützten sprach­lichen Min­der­heit­en, den Süd­schleswigern und den Friesen, und der war richtig gal­lig, das hat man gemerkt. Kann ich beurteilen, den kenn ich per­sön­lich. Nur beru­flich, nicht pri­vat.… pri­vat will ich auch nicht, ich mag seine Frau nicht, aber das auch nur beru­flich und am Rande.…
    Mei­n­ungs­frei­heit als Selb­stver­ständlichkeit.… kann mal ein­er dem Krämer erk­lären, WANN das Grundge­setz geschrieben wurde?
    Naja, die Sta­tis­tik­büch­er von ihm waren gut, muss man sagen. Sein Buch “So lügt man mit Sta­tis­tik” ist ein Klas­sik­er, und auch seine Büch­er über die pop­ulären Irrtümer und das Buch der Lis­ten sind klasse. Zu seinem zweit­en Buch der pop­ulären Irrtümer hat er mir sein­erzeit sog­ar einge­s­tanden, dass sich ein Fehler eingeschlichen hat (Zum The­ma, dass man mit ein­er Maß­nahme nicht zwei Ziele gle­ichzeit­ig erre­ichen könne, hab ihn auf die Preise­las­tiz­ität hingewiesen), und das hat er auch voll akzeptiert.
    Lei­der ver­liert er seine Sou­veränität, sobald er sein anges­tammtes Gebi­et ver­lässt, wie es scheint. Mit dem VDS und Krämer scheint es wie mit einem Krieg: Man kommt leicht rein, aber nur sehr schwierig wieder raus.
    Kann man auch mit einem Pin­guin ver­gle­ichen: In der Sta­tis­tik ist er wie ein Pin­guin unter Wass­er, leicht dahin­glei­t­end, aber an Land beim VDS tappst er toll­patschig herum und stolpert über jeden Stein. Bzw, in diesem Fall wohl über Ole Schröder, den Hedwig-Holzbeiner.…
    Nettnettnett.…
    Ana­tol, her­zlichen Glück­wun­sch. Dass Du so wenig zu Wort kom­men musstest, ist ein klasse Zeichen. Die Fra­gen in den Auss­chüssen kriegen die, denen man kri­tisch gegenüber­ste­ht. Diejeni­gen, deren Mei­n­ung man eh teilt, fragt man nicht, das wäre Zeitver­schwen­dung. Warum also?
    Mach ne Flasche Sekt auf. Oder eine Her­ren­hand­tasche, schmeckt besser.….
    Ach ja, btw, @ ama: Ihre Seite kenne ich auch schon länger, sind einige nette Sachen dabei, aber Sie mutieren immer mehr um VT´ler, und die dies­bezüglichen Kom­mentare sind, nun ja, etwas.… unle­senswert, um es so auszudrücken.…

  19. Statistiker

    Jaja, die Grammatik
    Die Fehler in meinem Text möge man mir nach­se­hen.… zu lang einfach…
    “Dem Rest”.…. *arrrrrrgggggg*

  20. ama

    Das Leben ist hart
    “Sta­tis­tik­er Statistiker
    08.11.2011, 20:42
    @ama: Ihre Seite kenne ich auch schon länger, sind einige nette Sachen dabei,”
    Die Leute stellen ins TG‑1 rein, was ihnen ger­ade über den Weg läuft. Ist halt ein Forum.
    “aber Sie mutieren immer mehr um VT´ler”
    Sagen Sie doch nicht sowas. 🙂 Ich muß immer lachen, wenn in den Eso­foren Ver­schwörungswahn aus­gelebt wird. Im TG‑1 wäre die Leben­szeit solch­er Beiträge schon im Bere­ich von minus null. 🙂

  21. ama

    Had­dock & Co.
    “Peer Eng­lish in Gebärdesprache
    08.11.2011, 17:57
    (zumin­d­est kan­nte ich mal das Wort für “Bull­shit”),”
    Inter­na­tion­al fluchen ist eine Kun­st. Das kön­nen seefahrende Cap­tains bestätigen. 🙂

  22. Kronf

    Nochmal Gebär­den­sprache …
    @ama:
    Ich kann nicht recht nachvol­lziehen, was Sie eigentlich aus­sagen möchten.
    Jeden­falls kann ich Ihnen als Lin­guis­tik­stu­dent ver­sich­ern, dass Gebär­den­sprachen in dieser Wis­senschaft (inzwis­chen) defin­i­tiv als eigen­ständi­ge men­schliche Sprachen ange­se­hen wer­den; sie sind den Laut­sprachen gle­ichrangig in neu­rol­o­gis­ch­er, seman­tis­ch­er und syn­tak­tis­ch­er Hin­sicht. Und ja, sie sind die Mut­ter­sprachen gehör­los­er Menschen.
    Dann haben Sie die Schrift ins Spiel gebracht. Die Schrift, die wir hier soeben pro­duzieren, ist die Ver­schriftlichung der deutschen Laut­sprache. Genau­so kann man auch die deutsche Gebär­den­sprache ver­schriftlichen, dazu gibt es auch Sys­teme. Wenn sie das jet­zt untere­inan­der ver­gle­ichen, sind sich natür­lich gesproch­enes Deutsch und die Ver­schriftlichung dieser Laut­sprache ähn­lich, ganz ein­fach, weil sie dieselbe Sprache abbilden. Sie kön­nten aber auch sagen, die bei­den Ver­schriftlichun­gen sind sich ähn­lich, eben weil sie bei­de solche sind.
    Und warum geset­zliche Regelun­gen nur die Laut­sprache und ihre Ver­schriftlichung betr­e­f­fen kön­nen sollen, erschließt sich mir keineswegs.
    Dol­metsch­er sind Dol­metsch­er und Über­set­zer sind Über­set­zer, egal welche Sprachen sie verwenden.

  23. ama

    Kro­nf Nochmal Gebärdensprache …
    08.11.2011, 21:49
    Jeden­falls kann ich Ihnen als Lin­guis­tik­stu­dent ver­sich­ern, dass Gebär­den­sprachen in dieser Wis­senschaft (inzwis­chen) defin­i­tiv als eigen­ständi­ge men­schliche Sprachen ange­se­hen wer­den; sie sind den Laut­sprachen gle­ichrangig in neu­rol­o­gis­ch­er, seman­tis­ch­er und syn­tak­tis­ch­er Hin­sicht. Und ja, sie sind die Mut­ter­sprachen gehör­los­er Menschen.”
    Eine gute Schrift­sprache ist eine 1:1‑Umsetzung der akustis­chen Zeichenfolgen.
    Ein akustis­ches Zeichen beste­ht aus ein­er Folge von Geräuschen.
    Die so gebildete Sprache kann sehr viele Wörter enthal­ten und auch sehr kom­plex sein. Um einen Sachver­halt darzustellen wer­den unter Umstän­den sehr viele Zeichen benötigt.
    Die Gebär­den­sprache kann das alles nicht. Außer­dem hat sie bloß ein kleines Pub­likum und es gibt wenig Geld bei diesem Pub­likum zu holen.
    Während es auf­grund tech­nis­ch­er Möglichkeit­en leicht ist, immer neue Zeichen­ket­ten großflächig in gedruck­ter oder akustis­ch­er oder elek­tro­n­is­ch­er Form zu ver­bre­it­en, ist dies bei Gebär­den­sprache nicht möglich. Wegen der finanziellen Sit­u­a­tion (“nichts zu holen”) haben die Sprach­pan­sch­er auch kein Inter­esse es zu tun.
    Wärend es bei Schrift­sprache und Sprech­sprache leicht ist, immer neue Vari­anten und neue Wörter zu erfind­en und zu ver­bre­it­en, ist dies bei Gebär­den­sprache nicht so. Grund: Schrift­sprache und Sprech­sprache kön­nen neue Wörte ableit­en und leicht erk­lären (als Erk­lärung reicht doch schon ein Wort oder ein Neben­satz). Bei Gebär­den­sprache ist das VIEL aufwendiger.
    Gebär­den­sprache hat keine prim­i­tiv­en Einzelze­ichen wie es zum Beispiel die Buch­staben sind, son­dern sehr kom­plexe “Bilder” oder Vorgänge, die durch eine Gebärde dargestellt wer­den. Das ist eine völ­lig andere Welt, die durch die Umständlichkeit auch nur ein “Wort” mitzuteilen, zwangsläu­fig sehr begren­zt ist. Das ist ganz ein­fach ein TECHNISCHER Grund. Der ver­hin­dert auch das zu inten­sive Ein­fließen neuer Wörter.
    Die Daten­rate bei geschrieben­er oder gesproch­en­er Sprache ist viel, viel höher. Ich nehme an, daß es darüber Unter­suchun­gen gibt.
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  24. Anatol Stefanowitsch

    Gebär­den­sprache
    @ama: Was sie hier über Gebär­den­sprachen behaupten, ist schlicht falsch.
    Gebär­den­sprachen unter­schei­den sich von gesproch­enen Sprachen auss­chließlich durch ihr Medi­um, nicht durch ihre Kom­plex­ität. Auch die Gebär­den der Gebär­den­sprache sind aus kleineren Ein­heit­en zusam­menge­set­zt, Gebär­den­sprachen haben die gle­iche Aus­drucksstärke wie gesproch­ene Sprachen, sie kön­nen selb­stver­ständlich neue Wörter bilden und erk­lärende Neben­sätze ein­schieben, und nichts an ihnen ist „umständlich­er“ als an ein­er gesproch­enen Sprache.
    Die Deutsche Gebär­den­sprache (DGS) ist eine eigen­ständi­ge, voll aus­ge­bildete Sprache, und nicht etwa der Ver­such, die deutsche Sprache pan­tomimisch umzusetzen.
    DGS ist kein Deutsch, und sie ist durch die Fes­tle­gung der Amtssprache Deutsch nicht erfasst. Im Sozialge­set­zbuch, Band X, §19 sagt zwar ver­wirren­der­weise „Hör­be­hin­derte Men­schen haben das Recht, zur Ver­ständi­gung in der Amtssprache Gebär­den­sprache zu ver­wen­den”, was zunächst so klingt, als sei die DGS nur eine Vari­ante des Deutschen, aber der näch­ste Satz stellt klar: „Aufwen­dun­gen für Dol­metsch­er sind von der Behörde oder dem für die Sozialleis­tung zuständi­gen Leis­tungsträger zu tragen.“

  25. DrNI

    Brezel keine Selbstverständlichkeit
    Etwas schade finde ich, dass die Sitzungslei­t­erin bei den akademis­chen Titeln durcheinan­der gekom­men ist. Zwar bin ich nicht für Titel­hu­berei, aber wenn man schon damit anfängt, sollte Prof A.S. eben auch Prof genan­nt werden.
    Dass Herr Krämer in seinem Vor­trag auf einem in Englisch einzure­ichen­den Forschungsantrag herum­re­it­et, das mag die Mehrheit der Bevölkerung sicher­lich nicht überzeu­gen, bet­rifft es doch kaum jeman­den. Später ver­steigt er sich in die Behaup­tung, Deutsch wäre in Anträ­gen “ver­boten”. Das DFG-finanzierte Pro­jekt, das meine Brötchen zahlt, wurde auf Deutsch beantragt. Von diesem speziellen und noch nachvol­lziehbaren Sprach­schmerz des Her­rn Krämer auf den Unter­gang ein­er Sprache schließen zu wollen, halte ich für zweifelhaft.
    Dass er dann auch noch jün­geren Zuwan­der­ern und ihrer Sprache weniger Recht ein­räu­men möchte, als älteren Zuwan­der­ern (also uns allen, wie A.S. richtig anmerkt), finde ich sehr prob­lema­tisch. Wie wenig wir auf andere Grup­pen zuge­gan­gen sind, merkt man doch auch an den Fremd­wörtern. Wir haben wom­öglich sog­ar mehr Fremd­wörter aus dem Jid­dis­chen als aus dem Türkischen. Jet­zt möcht­en wir denen auch noch den sym­bol­is­chen Grundge­set­zstinkefin­ger zeigen? Ich möchte das jeden­falls nicht.
    Wenn ich nach­her zum Bäck­er gehe, werde ich meine Brezel auf schwäbisch Bestellen. Für­wahr, Deutsch ist keine Selb­stver­ständlichkeit. Nicht­mal die Brezel ist es.

  26. Nathalie

    Video-Link
    Wenn ich dem Link zum Peti­tion­sauss­chuss folge, wird bei mir lei­der das Video nicht angezeigt. Stattdessen bekomme ich diese Fehler­mel­dung zu sehen: “Error: Domain not allowed.” Haben andere auch das Problem?

  27. Christoph Päper

    Deutsch“

    A.S.: … Deutsch­land hat sich in kein­er Phase sein­er Geschichte über eine gemein­same Sprache definiert.

    Das würde jet­zt zu sehr staats- und kul­tur­the­o­retis­chen Diskus­sio­nen führen, aber das ist mir zu plaka­tiv. Die Sprache war schon immer ein wichtiger, teils der wichtig­ste, aber nie der einzige Aspekt, der über die Zuge­hörigkeit eines Indi­vidu­ums oder ein­er geo­graphis­chen Region mit­samt Ein­wohn­ern zu einem Volk oder Land entschei­det. Er ist sog­ar namenss­tif­tend für min­destens vier Nation­al­staat­en gewesen.

    A.S.: DGS ist kein Deutsch, und sie ist durch die Fes­tle­gung der Amtssprache Deutsch nicht erfasst.

    Das ist im lin­guis­tis­chen Sinne zwar richtig, aber es kön­nte für die juris­tis­che Def­i­n­i­tion, so man eine braucht, den­noch sin­nvoll sein, die DGS als eine Aus­for­mung der deutschen Sprache anzusehen.
    Was im Übri­gen poten­tielle „Anglizis­men“ in der DGS ange­ht, bräucht­en die natür­lich nicht aus der ASL kom­men, son­dern kön­nten auch aus der BSL stam­men, denn die lin­guis­tis­che Ver­wandtschaft von Gebär­den­sprachen untere­inan­der deckt sich nicht mit der geo­graphis­chen Ver­bre­itung ver­wandter Laut- und Schrift­sprachen. Somit braucht man für die Gebär­den­sprachen eigene Xenismusbegriffe.
    PS: Danke für die Zurechtweisung von „ama“. Solch selb­st­be­wusst vor­ge­tra­genes Unwis­sen erlebt man sel­ten, aber ger­ade zur Gebär­den­sprache oder dem Ver­hält­nis zwis­chen Laut- und Schrift­sprache scheinen unter Laien naive Vorstel­lun­gen weit ver­bre­it­et zu sein und nicht hin­ter­fragt zu werden.

  28. Gregor

    @Nathalie — Prob­lem mit Video
    Ja, ich auch. Ich dachte, das sei eine interne Sperre unseres Hauses.

  29. B. S.

    @Nathalie — Prob­lem mit Video
    Kön­nte es an Ihren Browsere­in­stel­lun­gen liegen?
    Ich hat­te das beschriebene Prob­lem auch, bis ich in der Skript-block­i­er-Soft­ware NoScript, die ich nutze, die Aus­führung von Skripten von der Domain “bundestag.de” zuge­lassen habe.

  30. impala

    So viel zum The­ma 1:1
    ama:

    Eine gute Schrift­sprache ist eine 1:1‑Umsetzung der akustis­chen Zeichenfolgen.

    Na dann ist Deutsch nach Ihrer Klas­si­fika­tion jeden­falls keine gute Schrift­sprache. Das Wort Schrift­sprache ist ein schönes Beispiel. 14 Buch­staben für 11 Laute und ein und der­selbe Laut (näm­lich /ʃ/) wird auf zwei unter­schiedliche Weisen dargestellt.

  31. Nathalie

    @B. S. — Video
    Danke für den Tipp! Mit Fire­fox hat es funktioniert. 🙂
    Zum The­ma: Wikr­lich sehr inter­es­sant so etwas mal zu sehen. Was mich am meis­ten erstaunt hat, war dass Herr Krämer nicht ein einziges konkretes Beispiel benen­nen kon­nte, was die Auf­nahme ins Grundge­setz denn nun Pos­i­tives bewirken solle (wenn man von seinem Gejam­mer über Forschungs­gel­danträge mal absieht).

  32. Kalef

    Grat­u­la­tion
    Habe aus fach­lichem Inter­esse und als Mitun­terze­ich­n­er der Gegen­pe­ti­tion die Debat­te live ver­fol­gt, Kom­pli­ment an A.S. für die Darstel­lung. Dass mich das auch so gut unter­hal­ten würde, habe ich nicht geah­nt. Dafür ein Dank an Her­rn Krämer…

  33. ama

    Gebär­den­sprache = kom­plexe Bilder
    “A.S. Gebärdensprache
    09.11.2011, 07:27
    @ama: Was sie hier über Gebär­den­sprachen behaupten, ist schlicht falsch.”
    Falsch. 🙂
    “Gebär­den­sprachen unter­schei­den sich von gesproch­enen Sprachen auss­chließlich durch ihr Medi­um, nicht durch ihre Komplexität.”
    Falsch.
    “Auch die Gebär­den der Gebär­den­sprache sind aus kleineren Ein­heit­en zusam­menge­set­zt, Gebär­den­sprachen haben die gle­iche Aus­drucksstärke wie gesproch­ene Sprachen, sie kön­nen selb­stver­ständlich neue Wörter bilden und erk­lärende Neben­sätze ein­schieben, und nichts an ihnen ist „umständlich­er“ als an ein­er gesproch­enen Sprache.”
    Das wird wider­legt von jedem Gebär­den­dol­metsch­er, den man neben einem nor­malen akustis­chen Sprech­er simul­tan über­set­zen sieht.
    Der Flut akustis­ch­er Sig­nalse­quen­zen ste­ht eine nur sehr geringe Zahl von Gesten gegenüber. Würde der Gebär­den­sprach­ler diese Sig­nalflut auch nur annäh­ernd 1:1 wiedergeben wollen, würde er flat­tern wie ein Tuch bei Wind­stärke 15.
    EBEN DESHALB benutzen Gebär­den­sprach­ler kom­plexe Bilder. Diese Zahl der Bilder ist zwangsläu­fig klein. UND sie ist selb­stver­ständlpich eine EIGENE Sprache. Das sage ich doch die ganze Zeit.
    “Die Deutsche Gebär­den­sprache (DGS) ist eine eigen­ständi­ge, voll aus­ge­bildete Sprache, und nicht etwa der Ver­such, die deutsche Sprache pan­tomimisch umzusetzen.”
    EBEN!!! Sage ich doch.
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  34. ama

    Und vie­len Dank für den ghoti.
    “impala So viel zum The­ma 1:1
    09.11.2011, 17:35
    ama:
    Eine gute Schrift­sprache ist eine 1:1‑Umsetzung der akustis­chen Zeichenfolgen.
    Na dann ist Deutsch nach Ihrer Klas­si­fika­tion jeden­falls keine gute Schriftsprache.”
    Stimmt. es gibt erhe­bliche Män­gel. Beim Englis­chen, Franzö­sis­chen und Spanis­chen ist das auch so, Eng­lish grüßt mit dem ghoti.

  35. gnaddrig

    @ ama: Gebär­den­sprache = kom­plexe Bilder
    Der Gebär­den­dol­metsch­er gibt aber genau dieselbe Infor­ma­tion wieder, die der zu dol­metschende Sprech­er äußert, nur eben anders kodiert. Das, was die akustis­che Sprache als eine Folge von Laut­en darstellt, gießt die Gebär­den­sprache in Gebär­den. Die Infor­ma­tion­s­menge ist aber dieselbe, will heißen, die gebär­den­sprach­liche Äußerung gibt die Sig­nalflut der gedol­metscht­en akustis­chen Äußerung im Prinzip voll wieder.
    Der Gebär­den­dol­metsch­er gibt aber eben nicht die akustis­che Äußerung des Sprech­ers 1:1 wieder, son­dern drückt die enthal­tene Infor­ma­tion anders aus. Er muss also nicht jeden einzel­nen Laut in Gesten über­set­zen, son­dern die gemeinte Infor­ma­tion in Sin­nein­heit­en. Denken Sie sich zur Illus­tra­tion mal die umgekehrte Situation:
    Wenn ein Dol­metsch­er einen Gebär­den­sprech­er in akustis­che Sprache dol­metscht, kön­nte er die Gebärde nicht „Phonem für Phonem“ dol­metschen. Da müsste er die Bestandteile jed­er Gebärde nen­nen, und das sind lock­er so viele wie die gesproch­ene Äußerung Laute hat: Bewe­gun­gen aller an der Gebärde beteiligten Kör­perteile (Hände, Arme, Kopf/Gesicht, Oberkör­p­er), Bewe­gungsablauf, Schnel­ligkeit der Bewe­gun­gen, Ort der Gebärde (vor dem Gesicht, vor dem Oberkör­p­er, sonst­wo). Wenn dann noch Gebär­den ineinan­der­fließen, wird es unmöglich, so schnell kann der Dol­metsch­er den Mund nicht bewe­gen, dass er das alles wiedergeben kann. Darum kön­nte man argu­men­tieren, die akustis­che Sprache komme mit weniger und ein­facheren Zeichen aus als die Gebärdensprache.

  36. ama

    Reduc­tio ad Chaos
    “gnad­drig @ ama: Gebär­den­sprache = kom­plexe Bilder
    10.11.2011, 13:30
    Der Gebär­den­dol­metsch­er gibt aber genau dieselbe Infor­ma­tion wieder, die der zu dol­metschende Sprech­er äußert, nur eben anders kodiert.”
    Eben nicht. Das KANN er auch gar nicht.
    Am ehesten läßt es sich vielle­icht mit den kom­plex­en chi­ne­sis­chen Schriftze­ichen vergleichen.
    Die Über­tra­gung eines geschriebe­nen Satzes find­et in sehr wenige Gesten statt. Dabei muß es zwangsweise zu ein­er sehr starken Kom­prim­ierung kommen.
    Im Gegen­zug kann eine Geste sehr viel bedeuten.
    Kom­prim­iert man bei den chi­ne­sis­chen Schriftze­ichen, läßt also die vie­len Fein­heit­en weg, wird das Ergeb­nis eines Zeichens noch undurch­sichtiger, weil es noch viel mehr bedeuten KANN.
    Obwohl wir im Schrift­deutsch uns so einiger­maßen ver­ständlich aus­drück­en kön­nen, bekriegen sich Philosophen jahrzehn­te­lang wegen irgendwelch­er Kleinigkeit­en, bloß wegen Unterschieden.
    Um wieviel schlim­mer ist es dann bei Gesten, die ja ein­er sehr starken Kom­pres­sion unterliegen?
    Es ist eine Illu­sion zu glauben, daß Gebär­den­sprache der Schrift- oder der Sprech­sprache auch nur annäh­ernd nahe kommt.
    Gebär­den­sprache ist hochkom­plex WEIL sie BILDER benutzt. Was so ein Bild in dem einen Kopf bedeutet und was es in einem anderen bedeutet, dazwis­chen liegen Galaxien.
    Da ist die Sprache der Buschmän­ner ganz sich­er leichter zu verstehen.
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  37. ama

    Als die ober­ste Regel aller Lebensweishe
    [*QUOTE*]
    ————————-
    Als die ober­ste Regel aller Lebensweisheit sehe ich einen Satz an, den Aris­tote­les beiläu­fig aus­ge­sprochen hat, und zwar in der Niko­machäis­chen Ethik: »Nicht dem Vergnü­gen, der Schmer­zlosigkeit geht der Vernün­ftige nach«; oder: »Der Vernün­ftige geht auf Schmer­zlosigkeit; nicht auf Genuß aus.«
    […]
    ————————-
    [*/QUOTE*]
    Traduisez!
    🙂
    PS: Arthurs Spuren auf Papier
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/4996/7
    [Hin­weis: Kom­men­tar gekürzt. Bitte kopieren Sie keine län­geren Textpas­sagen in die Kom­mentare dieses Blogs. — A.S.]

  38. gnaddrig

    @ ama: Repeti­tur ad nauseam
    Gebär­den­sprachen funk­tion­ieren nicht so, dass da ein­er mit den Hän­den rumkaspert und sein Gesprächspart­ner sich das anschaut und über­legt, an was ihn die Gestikulier­erei wohl erin­nert und sich daraus einen Reim macht.
    Eine Gebär­den­sprache beste­ht aus
    Gebär­den, die — ana­log zu den Wörtern der gesproch­enen und geschriebe­nen Sprache — eine mehr oder weniger klar definierte Bedeu­tung haben. Jede sprach­liche Äußerung hat natür­lich eine gewisse Unschärfe und ist mehr oder weniger missver­ständlich. Da gibt es aber zwis­chen Gebär­den­sprachen und gesprochenen/geschriebenen Sprachen keinen prinzip­iellen Unterschied.
    Das­selbe gilt im Prinzip auch für die chi­ne­sis­che Schrift. Die chi­ne­sis­chen Schriftze­ichen wer­den nicht als bildliche Darstel­lung von Inhal­ten gele­sen. Jedes Schriftze­ichen hat eine (oder mehrere, definierte und in Wörter­büch­ern nach­schlag­bare) Bedeu­tung und eine genau fest­gelegte Form, von der man wie bei jed­er Schrift nur auf Kosten der Les­barkeit abwe­icht. Da ist nichts kom­prim­iert oder wegge­lassen, son­dern nur anders kodiert als im Deutschen.
    Ob Sie „die Sprache der Buschmän­ner“ (welche Sprache welch­er Buschmän­ner?) oder eine Gebär­den­sprache leichter ver­ste­hen, dürfte ganz erhe­blich davon abhän­gen, ob Sie eine dieser Sprachen gel­ernt haben. Ohne Vor­bere­itung hät­ten Sie aber bei Gebär­den­sprachen wahrschein­lich eher eine Chance, wenig­stens einen winzi­gen Teil des Mit­geteil­ten zu ver­ste­hen als in ein­er beliebi­gen gesproch­enen Fremd­sprache, von der Sie kein Wort kennen.

  39. ama

    gnad­drig @ ama: Repeti­tur ad nauseam
    10.11.2011, 14:23
    Gebär­den­sprachen funk­tion­ieren nicht so, dass da ein­er mit den Hän­den rumkaspert und sein Gesprächspart­ner sich das anschaut und über­legt, an was ihn die Gestikulier­erei wohl erin­nert und sich daraus einen Reim macht.”
    Doch. Er MUSS sich das anse­hen. Und er MUSS sich darauf einen Reim machen. Ist er geübt, kann er das natür­lich schneller.
    Bloß… über­set­ze ein­er doch mal den Text des Schölers Arthur in Gebär­den­sprache — und ein Ander­er über­set­ze zurück. Dage­gen ist Stille Post noch magisch.
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  40. gnaddrig

    @ ama: Repetiturturturturturturturturtur
    Ja, er muss es sich anse­hen. Und ja, er muss sich einen Reim drauf machen. Aber was er sieht, ist keine Pan­tomime, keine bildliche Darstel­lung, son­dern eine Folge stan­dar­d­isiert­er Gebär­den mit stan­dar­d­isierten Bedeu­tun­gen, die nach den Regeln ein­er Gram­matik aneinan­derg­erei­ht wer­den, um von den Zeichen unab­hängige, abstrak­te Inhalte darzustellen.
    Diese Gebär­den gehen zwar auf pan­tomimis­che Darstel­lun­gen zurück, ähn­lich wie chi­ne­sis­che Schriftze­ichen auf stil­isierte bildliche Darstel­lun­gen des Gemein­ten zurück­ge­hen. (Das tut übri­gens unser Alpha­bet let­ztlich auch.) Die Gebär­den­sprache hat sich aber – wie die chi­ne­sis­che und unsere Schrift auch — von der Pan­tomime gelöst und benutzt genau wie jede andere Sprache stan­dar­d­isierte Zeichen für bes­timmte Inhalte. Die Geste für Haus kön­nte ganz anders ausse­hen als sie aussieht, das ist nur eine Frage der Übereinkun­ft der Sprecherge­mein­schaft. Wenn man aber ein­fach „Haus“ anders gebärdet als das in der betr­e­f­fend­en Gebär­den­sprache richtig ist, wird man nicht ver­standen, weil man nicht die richtige Gebärde (d.h. das richtige Wort; ana­log: das richtige chi­ne­sis­che Schriftze­ichen) benutzt hat.
    Ihrer Argu­men­ta­tion zufolge wäre Gebär­den­sprache so, als wür­den wir ver­suchen, uns mit laut­ma­lerischen Äußerun­gen zu ver­ständi­gen anstatt Deutsch zu sprechen.

  41. Stefan

    @ama
    Haben sie auch einen Beweis dafuer, dass die Gebaer­den­sprache in ihrer Komplexitaet/Maechtigkeit echt klein­er ist als die der gesprochenen/geschriebenen Sprache?
    Die Maechtigkeit von Sprachen ist eine Folge des Aus­drucks­beduerfniss­es ihrer Nutzer und nicht umgekehrt. Und es gibt auch keinen tech­nis­chen Grund, warum die Sprache weniger maechtig sein sollte.
    Ob sie ein­fach erweit­er­bar ist, ist eine ganz andere Frage. Aber das hat Men­schen noch nie davon abge­hal­tenge­nau das zu kom­mu­niz­eren, was sie wollen.

  42. ama

    Die Herrschaft der Schtroumpfs
    “gnad­drig @ ama: Repetiturturturturturturturturtur
    10.11.2011, 14:55
    Aber was er sieht, ist keine Pan­tomime, keine bildliche Darstel­lung, son­dern eine Folge stan­dar­d­isiert­er Gebär­den mit stan­dar­d­isierten Bedeu­tun­gen, die nach den Regeln ein­er Gram­matik aneinan­derg­erei­ht wer­den, um von den Zeichen unab­hängige, abstrak­te Inhalte darzustellen.”
    AHA! “Abstrak­te Inhalte” — das ist es doch, was ich die ganze Zeit sage.
    So ein abstrak­ter Inhalt ist sehr kom­plex, weil mit WENIGEN Gesten VIEL gesagt wird. Warum? Antwort: Weil man nicht viele Gesten machen KANN, ein­mal aus Zeit­grün­den, ein­mal, weil es schi­er unmöglich ist, so viele VERSCHIEDENE Gesten zu machen. Der (Bild)Wortschatz ist daher sehr begrenzt.
    Sehen Sie sich die Gebär­den­dol­metsch­er an, wie die in Echtzeit übersetzen!
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  43. ama

    … and I’m not afraid to use it!
    “Ste­fan @ama
    10.11.2011, 16:01
    Haben sie auch einen Beweis dafuer, dass die Gebaer­den­sprache in ihrer Komplexitaet/Maechtigkeit echt klein­er ist als die der gesprochenen/geschriebenen Sprache?”
    Da muß man SEHR auf­passen, denn der Umfang des Wortschatzes ist nicht das, was tat­säch­lich gesprochen wird. Im Englis­chen kommt man umgangssprach­lich mit mehreren hun­dert Wörtern aus. In der Schrift sind es mehrere zig­tausend Wörter. Im Deutschen, wenn ich mich nicht irre, sind es um die 50.000 Wörter, die ein Akademik­er (Prof.) beherrscht.
    Von daher ist es “leicht”, mit Gesten zu sprechen FÜR DEN TÄGLICHEN GEBRAUCH.
    Man darf auch nicht vergessen, daß man Schrift druck­en und in Mil­lio­ne­nau­flage verteilen kann. Aber Gesten? Da müßte man alles auf Video aufnehmen. Das ist erst im Inter­net­zeital­ter möglich. Die Web­Cams wer­den wohl eine sprach­liche Rev­o­lu­tion der Gebärdensprache(n) aus­lösen, nehme ich an.
    Man muß ja bei den Zuschauern die gle­iche Erkentn­nis der Gesten­in­halte erre­ichen, wozu es einen Kon­sens geben muß. Mit Papi­er (druck­en und lesen) geht das viel ein­fach­er als bei kör­per­lichen Vor­führug­nen bzw. Videos.
    “Die Maechtigkeit von Sprachen ist eine Folge des Aus­drucks­beduerfniss­es ihrer Nutzer und nicht umgekehrt.”
    “Und es gibt auch keinen tech­nis­chen Grund, warum die Sprache weniger maechtig sein sollte.”
    Doch: Erkennbarkeit und Zeit. Buch­staben sind leicht von einan­der zu unter­schei­den. Aber Gesten!?
    “Ob sie ein­fach erweit­er­bar ist, ist eine ganz andere Frage. Aber das hat Men­schen noch nie davon abge­hal­tenge­nau das zu kom­mu­niz­eren, was sie wollen.”
    Denglizise! 🙂
    PS:
    http://transgallaxys.com/…c=1837.msg7577#msg7577
    [Hin­weis: Diese und andere Äußerun­gen von Kommentator/in „ama“ zur Gebär­den­sprache in den Kom­mentaren zu diesem Beitrag sind fak­tisch falsch. — A.S.]

  44. hewritesilent

    Mit Inter­esse habe ich die Diskus­sion ver­fol­gt. Ich bin taub­heit gren­zend schw­er­hörig und beherrsche die Deutsche Gebärdensprache.
    Die Sprache Deutsch ist und muß ins Grundge­setz aufgenom­men wer­den. Denn zuviel Englisch und auch Türkisch ver­stimmt das Leben untere­inan­der. Damit will ich sagen, ohne eine vernün­ftiges Grund­wis­sen an der deutschen Sprache kann keine Fre­und­schaft und kein Zusam­men­leben entste­hen. Das gle­iche gilt auch für hörgeschädigten Men­schen, welche die deutsche Schrift­sprache nicht so gut beherrschen.
    Lei­der kommt der Gegen­wind von solche Gesellschaften. Dies sei ein “Assim­i­la­tions­druck”, auf Deutsch ein Druck zur Angle­ichung des Lebens in der Bun­desre­pub­lik Deutschland.
    Ich bin der Mei­n­ung, dass die Deutsche Gebär­den­sprache als Sprache anerkan­nt ist und darf nicht ins Grundge­setz aufgenom­men wer­den. Das bedeutet, die Gehör­lose haben ein Recht auf Dol­metsch­er haben. Das sollte schon reichen.

  45. ama

    @hewritesilent
    Lieber hewritesilent,
    es ist erschüt­ternd, was ich in Ihrem Blog lese. Ich werde den Link zu Ihrem Blog weit­ergeben. Ich würde mich freuen, wenn Sie weit­er auf diese Dinge aufmerk­sam machen.
    ama

  46. Dierk

    Gebär­den­SPRACHEn sind keine Sprachen?
    Doch, sind sie. Oder wir müssen die Def­i­n­i­tion, was eine Sprache ist, so verän­dern, dass wir mehr Aus­nah­men haben als regelkon­forme Ele­mente der Menge. Der britis­che Lin­guist David Crys­tal, bekan­nt u.a. für seine Büch­er, die Laien die Sprach­wis­senschaft näher brin­gen, ver­wen­det in sein­er Cam­bridge Ency­clo­pe­dia of Lan­guage, 2nd ed. 1997 immer­hin 3 Dop­pel­seit­en auf Struk­tur, Typolo­gie, Sys­tem­atik und Geschichte der Gebär­den­sprachen. Und er beginnt:

    The first step in con­sid­er­ing the nature of sign lan­guage is to erad­i­cate tra­di­tion­al mis­con­cep­tions about its struc­ture and func­tion. Pop­u­lar opin­ions about the mat­ter are quite plain: sign lan­guage is not a real lan­guage but lit­tle more than a sys­tem of sophis­ti­cat­ed ges­tur­ing; signs are sim­ply pic­to­r­i­al rep­re­sen­ta­tions of exter­nal real­i­ty; […]. It is now clear, from the results of the first research stud­ies of this sub­ject, dat­ing from the 1960s, that all of these opin­ions are wrong.

    *
    Die Entwick­lung ver­schieden­er Gebär­den­sprachen — ASL und DGS wur­den ja bere­its genan­nt, CSL und BSL sind weit­ere — sind ein gutes Symp­tom dafür, dass wir es eben nicht nur mit irgendwelchen mehr oder weniger kryp­tis­chen ikonis­ch­er Repräsen­tanz zu tun haben, son­dern mit echt­en sym­bol­is­chen Sys­te­men. Ähn­liche Entwick­lun­gen find­en wir übri­gens auch bei Spreche**, wenn wir uns Pid­gin und Kre­ol­sprachen anschauen.
    *S. 222ff im genan­nten Buch
    **Zumin­d­est hier bleibe ich mal bei mein­er Unter­schei­dung nach Sprachmedien.

  47. Anatol Stefanowitsch

    Hinweis@ama: Sie haben ganz offen­sichtlich keine Fachken­nt­nisse zum The­ma „Gebär­den­sprache“, ich bitte Sie deshalb, von weit­eren Kom­mentaren zu diesem The­ma abzusehen.
    Im Übri­gen erwarte ich, dass Sie sich bei zukün­fti­gen Kom­mentaren kürz­er fassen, dass Sie es unter­lassen, hier lange Textpas­sagen von exter­nen Seit­en in die Kom­mentare zu kopieren, und dass Sie alle Behaup­tun­gen, die Sie auf­stellen, mit ser­iösen Quellen bele­gen. Andern­falls wer­den Ihre Kom­mentare gelöscht.

  48. Dr. Bernd Walter

    Staatssprache Deutsch
    Eine Staatssprache Deutsch ist im Hin­blick auf das Zusam­memwach­sen Europas zu einem ein­heitlichen poli­tis­chen Gebilde wirk­lich nicht (mehr) notwendig. Eines Tages wer­den sich die nationalen Abgren­zun­gen aufheben und die Englis­che Sprache wird zum all­ge­meinen Ver­ständi­gungsmit­tel und zur Amtssprache in Europa erhoben wer­den. Die Zeitschrift “Sprach­pflege — Zeitschrift zur Pflege der deutschen Sprache und deutschen Sprachkul­tur” der ehe­ma­li­gen DDR wurde nach Aus­sage des Chefredak­teurs in der let­zten Aus­gabe nach der Wende genötigt, ihr Erscheinen einzustellen. In die deutsche Umgangssprache haben sich mit­tler­weile so viele Fehler eingeschlichen, dass es Luther wohl grausen würde. Selb­st meine türkischen Schüler, denen ich Englisch ver­mit­tele, weisen mich auf Fehler in der deutschen Sprache hin, denen sie in der Presse und son­sti­gen Medi­en begeg­nen. Da wird “gewunken, hinge­hangen und freigeschal­ten”, da gibt es “lange Ent­fer­nun­gen, Zukun­ftsper­spek­tiv­en, Rück­erin­nerun­gen und bil­lige Preise”, es wird “zu mir hin­auf” gegan­gen, “ganz viele” (Fehler gemacht)(zu mein­er Schulzeit war “ganz” viel ein dick­er Aus­drucks­fehler), die SPO-Regel nach “weil” ver­wen­det, “erin­nern” ohne “sich” und “brauchen” ohne “zu” ver­wen­det, das Unwort “nichts­destotrotz” find­et man sog­ar in Lehrbüch­ern, die DNS “kodiert für” usw. usw. Die Rechtschreibre­form hat der Fehler­haftigkeit der heuti­gen deutschen Umgangssprache noch das i‑Tüpfelchen aufge­set­zt. Früher kon­nte man zwis­chen “zusam­me­nar­beit­en” und “zusam­men arbeit­en” noch unter­schei­den. Jet­zt heißt es nur noch “zusam­men arbeit­en”, gle­ichgültig, ob man gemein­sam arbeit­et oder nur nebeneinan­der. Im Englis­chen ist das durch “coop­er­ate” und col­lab­o­rate” geregelt. Weshalb also nicht jet­zt schon “Staatssprache Englisch”??

  49. RD

    Hal­lo Herr Dr. Walter,
    Mit Genuss habe ich Ihre Anmerkun­gen gelesen.
    Ihre Beispiele von schlechtem Umgang mit der deutschen Sprache fand ich äußerst instruk­tiv, danke!
    🙂
    Zum The­ma ‘Fehler in der deutschen Umgangssprache’ habe ich zwei Anmerkungen.
    1.) War es nicht schon immer so, dass nur eine Min­der­heit daran inter­essiert und in der Lage war Wort und Schrift in kor­rek­ter und angemessen­er Weise zu verwenden?
    In Zeit­en des Inter­nets und der 1000 Radio und Fernsehkanäle fällt das eben mehr auf.
    2.) Den Zeit­en des raschen Wan­dels und der Glob­al­isierung muss die Umgangssprache Rech­nung tra­gen. Auch sie muss sich rasch anpassen und neuen Anforderun­gen gerecht wer­den. Da bleiben Missver­ständ­nisse und Unfälle nicht aus.
    Um so wichtiger finde ich es, wenn Men­schen Ihres Kalibers sich der Pflege der Deutschen Sprache mit all den neuen Anforderun­gen in undog­ma­tis­ch­er Weise annehmen. Das Inter­net bietet ja reich­lich Möglichkeit­en dafür.

  50. D. Müller

    zusam­me­nar­beit­en
    Die Anmerkung von Her­rn Wal­ter zur reformierten deutschen Schrei­bung ist nicht richtig. Die Dif­feren­zierung ist seit 2006 wieder gegeben.

  51. impala

    Chillen Sie mal, Dr. Walter!
    Der Betr­e­ff ist iro­nisch gemeint. Den­noch kann ich viele der von Ihnen aufgestell­ten Behaup­tun­gen nicht nachvol­lziehen und einige sind fak­tisch falsch. Die Anmerkung zur Rechtschreibre­form wurde ja schon berichtigt.

    In die deutsche Umgangssprache haben sich mit­tler­weile so viele Fehler eingeschlichen, dass es Luther wohl grausen würde.

    Warum ist denn bitte aus­gerech­net Luther Ihrer Mei­n­ung nach das leuch­t­ende Vor­bild, an dem sich Sprech­er des heuti­gen Deutsch ori­en­tieren sollten?

    lange Ent­fer­nun­gen, Zukun­ftsper­spek­tiv­en, Rück­erin­nerun­gen und bil­lige Preise”

    Das Wort Rück­erin­nerung gehört nicht zu meinem Wortschatz, aber was ist denn an den anderen drei Aus­drück­en bitte falsch? Preise sind eben nicht nur hoch oder niedrig son­dern auch bil­lig oder teuer, Ent­fer­nun­gen kön­nen weit oder lang sein und das Wort Zukun­ftsper­spek­tive ist doch ein völ­lig nor­males Wort. Wenn Sie mir jet­zt mit der Ety­molo­gie von Per­spek­tive kom­men wollen, kön­nen Sie das gerne machen, aber i.A. ist es etwas albern, der absoluten Mehrheit der deutschen Mut­ter­sprach­ler vor­w­er­fen zu wollen, sie sprächen ihre Sprache nicht richtig und nur Sie wis­sen es besser.

    ganz viele” (Fehler gemacht)(zu mein­er Schulzeit war “ganz” viel ein dick­er Ausdrucksfehler)

    No offence, aber Ihre Schulzeit scheint schon etwas länger zurück­zuliegen, denn ganz viel ist eben­so Deutsch wie sehr viel. Es gibt keinen Grund, warum ganz nicht mit viel kom­biniert wer­den sollte. Schließlich sagen auch alle ganz wenig.

    die SPO-Regel nach “weil” verwendet

    Ja, es gibt weil-Sätze in denen Ver­bzweit­stel­lung benutzt wird. Oft ist in diesen Sätzen weil aber über­haupt keine Sub­junk­tion, son­dern fungiert als redeein­lei­t­ende Par­tikel, wie z.B. in “weil zugraben würd ich das andere noch nicht”. Damit ist der Satz, der auf weil fol­gt, sowieso kein Neben­satz und es gibt über­haupt keinen Grund, hier Verblet­zt­stel­lung zu ver­muten. Sie haben aber Recht, dass V2 auch in echt­en Neben­sätzen vorkommt, was evtl. ein Neben­ef­fekt der redeein­lei­t­en­den Par­tikel ist. Dies ist aber im mündlichen Gebrauch viel häu­figer als im Schriftlichen und selb­st wenn es ins Schriftliche vor­dringt nicht falsch, son­dern lediglich eine Verän­derung des Sprachge­brauchs. Ähn­lich­es lässt sich mit obwohl beobachten.

    erin­nern” ohne “sich” und “brauchen” ohne “zu” verwendet

    Ersteres ist – so ver­mute ich – ein echter Anglizis­mus (dazu gibt es sich­er bere­its Forschungsergeb­nisse, die mir ger­ade nicht vor­liegen), let­zteres liegt daran, dass brauchen sich eben wie ein Modalverb ver­hält und die fordern nun­mal den reinen Infini­tiv. Das war wahrschein­lich nur eine Frage der Zeit. Außer­dem gibt es hier starke regionale Unter­schiede, im Ruhrge­bi­et z.B. flek­tiert brauchen im Präsens auch wie ein Modalverb, man sagt er brauch- statt er brauch‑t. Wo ist das Problem?

    Weshalb also nicht jet­zt schon “Staatssprache Englisch”??

    Na diese Frage meinen selb­st Sie wahrschein­lich nicht ernst. Aber freuen Sie sich doch, dass Deutsch die Mut­ter­sprache der absoluten Mehrheit in diesem Land ist, denn dann kön­nen Sie weit­er argu­men­tieren, dass Sie die deutsche Sprache bess­er sprechen als alle anderen Mut­ter­sprach­ler. Luther wäre stolz.

  52. Michael Allers

    Vernebelte Hirne und Herzen
    Der Kom­men­tar des VDS zu der Ver­anstal­tung (VDS-Sprach­nachricht­en, Dezem­ber (?) 2011, S. 11)):

    Nicht ein einziger Abge­ord­neter mochte sich für das Anliegen unser­er Peti­tion erwär­men. Als ob ein Virus die Hirne und Herzen vernebelt hätte! 

    … oder gar Nebel die Hirne und Herzen infiziert hätte? Wie schön, dass uns jen­er Vere­in auf unseren Irrwe­gen zum guten Deutsch mit solch leuch­t­en­den Beispie­len vorangeht!

  53. A. Dirr

    Sie machen einen recht »weltof­fe­nen« Ein­druck, haben in Hous­ton studiert (ich wuchs übri­gens in Cincin­nati, Ohio auf) und führen in ein­er sehr neolib­eralen, angel­säch­sisch geprägten Art und Weise viele Argu­mente gegen eine Auf­nahme der deutschen Sprache ins Grundge­setz her­an, weil eine solche Maß­nahme eine Abschot­tung ander­er Sprachge­mein­schaften in Deutsch­land bedeuten würde. Auf die Tat­sache, dass eine Abschot­tung und Aus­gren­zung der Deutschen eben­so sehr durch die Ver­wen­dung von unver­ständlichen englis­chen Begrif­f­en erfol­gt, sind Sie lei­der nicht eingegangen.
    Was bei mir beson­ders haften blieb war das hier:
    »Nach Außen wäre die grundge­set­zlichen Ver­ankerung der deutschen Sprache ein Sig­nal der Abschot­tung gegen unsere inter­na­tionalen poli­tis­chen Fre­unde und Ver­bün­de­ten, gegen die inter­na­tionalen Fir­men in Deutsch­land und der ganzen Welt, denen wir einen großen Teil unser­er hohen Leben­squal­ität ver­danken, und auch gegen die aus­ländis­chen Wis­senschaftler, Inge­nieure und Fachar­beit­er, die wir so drin­gend benöti­gen, um diese Leben­squal­ität auch für die Zukun­ft zu sich­ern. Alle diese Men­schen und Insti­tu­tio­nen sind ein nicht wegzu­denk­ender Teil unseres mod­er­nen, weltof­fe­nen Lan­des, und sie haben die her­aus­ge­hobene Stel­lung der deutschen Sprache in Bil­dung, Poli­tik und Kul­tur nie in Zweifel gezogen.«
    Lei­der kon­nten Sie nicht näher definieren, inwiefern dies eine wirk­liche Abschot­tung bedeuten sollte. Eine Auf­nahme der deutschen Sprache ins Grundge­setz schlösse keineswegs aus, dass weit­er­hin Geschäfte mit inter­na­tionalen Fir­men und poli­tisch Ver­bün­de­ten betrieben würden.
    Inter­es­sant ist auch, dass wir inter­na­tionalen Fir­men, aus­ländis­chen Wis­senschaftlern, Inge­nieuren und Fachar­beit­ern für eine hohe Leben­squal­ität ange­blich dankbar sein soll­ten. Lei­der kon­nten Sie jedoch keine klare Def­i­n­i­tion ein­er hohen Leben­squal­ität bieten. Was kön­nte als Beispiel dieser hohen Leben­squal­ität denn dienen, von dem Sie sprachen? Sicher­lich nicht eine vor­bild­hafte Großs­tadt wie New-York, ein direk­tes Pro­dukt solch­er Fir­men und Unternehmen — mit ihren ver­stopften Verkehr­swe­gen, ihren gesicht­slosen Massen, Star­bucks­fil­ialen, unzufriede­nen aus­ge­beuteten Schwarzen, Krim­i­nal­ität, Waf­fenge­walt, Finanzkrisen, Reizüber­flu­tung, Luft- und Wasserver­schmutzung oder tech­no- sowie plu­tokratisch bed­ingten Kriegen, die als Hin­ter­grund­skulisse auf den Mattscheiben zur Volk­sun­ter­hal­tung flackern.
    Tat­sache ist, dass die höch­ste Leben­squal­ität und auch geistig-men­schliche Tiefe eigentlich dort noch zu find­en sind, wo die mod­erne, amerikanis­che Gesellschaft am wenig­sten angekom­men ist, wo keine Friss-oder-stirb-Men­tal­ität auf den Straßen riesiger Maschi­nen herrscht, die man beschöni­gend »Städte« nennt.
    An den Fir­men, die Sie ansprechen, ist auch nichts Weltof­fenes. Ihre Konz­ern­sprache ist Englisch und ihre Men­tal­ität neolib­er­al-amerikanisch. Von Namen wie Gates, Carn­e­gy, Bush, Smith und Turn­er sind sie geprägt. Sie denken nicht mit Gedanken, son­dern Zahlen und nichts kön­nte ihnen fern­er liegen als eine Förderung kul­tureller, sprach­lich­er oder herkun­fts­be­d­ingter Vielfalt, weil diese Dinge näm­lich Kom­p­lika­tio­nen bei der Ver­wal­tung wel­tumspan­nen­der Konz­erne verur­sachen: siehe Kopf­tuchde­bat­ten, unter­schiedliche religiöse Bräuche, unter­schiedlich anfal­l­ende religiöse Feiertage, sprach­liche Missver­ständ­nisse, kul­turbe­d­ingte Ernährung, Moral sowie Prinzip­i­en und hygien­is­che Ein­stel­lun­gen usw. Die Liste kön­nte man lange fort­führen. Auf jeden Fall ste­hen all diese Dinge dem angestrebten Prinzip des hochgelobten Fordis­mus (Flüs­sigkeit und Geschwindigkeit durch Automa­tion und Ratio­nal­isierung) im Weg. Sie sind uner­wün­scht und aus­gerech­net die US-amerikanis­che Kul­tur, die für ihre ange­bliche Weltof­fen­heit, Inter­na­tion­al­ität und Schmelztiegelge­sellschaft als Vor­bild dienen sollte, beste­ht in ein­er Lebens- und Wirtschaftsweise, die es sich nicht leis­ten kann, Vielfalt und Ver­schieden­heit wirk­lich zuzu­lassen, weil das Staats­ge­bilde sich son­st völ­lig auflösen würde.
    Es steckt also mehr hin­ter dieser Debat­te um die deutsche Sprache als nur ober­fläch­liche Beken­nt­nisse zu Zeichen- oder Laut­sys­te­men. In Wahrheit geht es um das men­schliche Dasein über­haupt, um die Beken­nt­nis zu unter­schiedlichen Lebens- und Denkweisen, zu unter­schiedlichen seel­is­chen Zustän­den, und die Lager spal­ten sich ziem­lich klar auf:
    Seite A denkt mega­lo­man und spricht unaufhör­lich von Glob­al­isierung, Tech­nik, Inter­na­tion­al­ität (hier­mit ist eine wel­tum­fassende kap­i­tal­is­tisch-amerikanis­che Lebensweise gemeint) und ein­er englis­chen Welt­sprache. Oft spricht Seite A von diesen Gegen­stän­den, als wären sie etwas Unverän­der­bares, Selb­stver­ständlich­es und Über­mächtiges, wie das Wet­ter. Sie wür­den so oder so kom­men, wären unauswe­ich­lich, man müsse sich darauf ein­richt­en und sich anpassen. Dies nicht zu tun würde den Tod bedeuten. Dass jene Gegen­stände aber von ein­er Unmenge bewusst gelenk­ter Vorgänge und strate­gisch getrof­fen­er Entschei­dun­gen her­rühren, wird nicht angesprochen.
    Seite B denkt hinge­gen klein und wün­scht, dass ihre Sprache und Kul­tur nicht der gigan­tis­chen Ratio­nal­isierung weicht, welche Seite As Ein­stel­lung und Lebensweise wiederum notwendig machen. Seite B ist im Gegen­satz zu Seite A der Tat­sache bewusst, dass sie sich bewusst und tak­tisch-strate­gisch gegen etwas wen­det, um einen etwas natür­licheren Gang der Kul­tur- und Sprachen­twick­lung über län­gere Zeit hin­weg wieder einzuleit­en (Sprachen und Kul­turen entwick­eln sich in nach­barschaftlichen Beziehun­gen). Seite B strebt also eine Verkleinerung und deut­liche Abgren­zung einzel­ner kleiner­er Kör­p­er zum großen Gebilde, welch­es Seite A wiederum befürwortet.
    Eine Entschei­dung gegen die deutsche Sprache zugun­sten ein­er »inter­na­tionalen Gemein­schaft« und zugun­sten der Fir­men, die die Ratio­nal­isierung der Welt betreiben, ist also eine klare Beken­nt­nis zu Seite A sowie der damit ein­herge­hen­den Lebensweise. Es ist auch ein Sig­nal dafür, dass viele Men­schen immer noch nicht so ganz die kul­tursyn­er­gis­chen Aspek­te unser­er jet­zi­gen weltweit­en Krisen­si­t­u­a­tion begreifen. Sie streben immer größere, sat­tere, ein­heitlichere Struk­turen an und verur­sachen somit ein immer größeres Bedürf­nis nach Schlich­tung, Ratio­nal­isierung und strenge Kon­trolle zugun­sten eines über­sichtlichen, leicht ver­walt­baren Welt­staats (was auch hin­sichtlich jet­ziger, fort­laufend­er Entwick­lun­gen logisch ist, weil eine leichte, über­sichtliche Ver­wal­tung immer erwün­scht ist). Dass sie auch im Geist mit diesem Weg und diesen Entwick­lun­gen ein­ver­standen sind, merkt man oft an ihrer Sprache.
    Die von Ihnen erwäh­n­ten, inter­na­tionalen Fir­men (damit meinen Sie sicher­lich auch Großkonz­erne, wie Proctor&Gamble, die News-Cor­po­ra­tion, Coca-Cola, Microsoft usw.) haben uns keine hohe Leben­squal­ität beschert, sie haben uns glitzernde Perlen gegen Burn-Out-Syn­drom, Finanzkrisen, Über­bevölkerung, Wirtschaft­skriege, Vere­in­samung, Men­schen­ver­ach­tung, Volksver­dum­mung, tech­nis­che Ver­ro­hung und Krebs verkauft und die Mehrheit der mod­er­nen Bevölkerung ist auch blöd genug, weit­er­hin zu kaufen. Dass dies aber erst nur mit Gewalt ging, zeigen die englis­chen Enclo­sures und später die deutschen Verkoppelungen.
    Ich kann nur sagen, dass ich hin­sichtlich der jet­zi­gen Welt­lage jegliche Verkleinerung bere­its beste­hen­der Struk­turen für sin­nvoll halte und berufe mich hier­bei auf den Öster­re­ich­er und Wirtschafts- sowie Gesellschaft­sphilosophen Leopold Kohr (small is beau­ti­ful), dessen Voraus­sagen bis heute noch ein­tr­e­f­fen. Eine sprach­lich fest­gelegte Iden­titäts­beken­nt­nis der Deutschen durch sprach­lichen Region­al­is­mus würde eher in Rich­tung Verkleinerung führen und somit einen weit­eren Schritt weg vom inter­na­tionalen Übergewicht bedeuten, an dem wir alle langsam ersticken.

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