Sprachbrocken 16/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Dass die deutsche Sprache ver­fällt, ist eine trau­rige Tat­sache, an der wir in den Sprach­brock­en nur schw­er vor­beikom­men. In Cot­tbus beispiel­sweise, erfahren wir in einem Leser­brief in der Lausitzer Rund­schau, wird Deutsch nur noch zu Hause gesprochen — in der Öffentlichkeit bedi­ent man sich nur noch der „Sprache der Vere­inigten Staat­en von Ameri­ka“ (wom­it ver­mut­lich Englisch gemeint ist). So wer­den „deutsche iden­titätss­tif­tende Werte unter den Tisch gekehrt“.

Ach so, der Beleg für dieses düstere Szenario? Nun, Studierende der Bran­den­bur­gis­chen Tech­nis­chen Uni­ver­sität (die „zukün­fti­gen intellek­tuellen Elite unseres Lan­des“ so der Leser­briefver­fass­er) protestierten gegen eine Umstruk­turierung ihrer Uni­ver­sität mit Schildern, auf denen We ♥ BTU stand (hier ist dieses Zeichen des rapi­den Sprachver­falls auf ein­er offiziellen Web­seite der BTU zu sehen).

Dabei kön­nte Sprache so schön sein. Franzö­sisch, zum Beispiel, „ist wie eine schöne Melodie, ein Fluss, dessen Wellen an keine spitzen Steine stoßen, eine Sprache ohne Eck­en und Kan­ten eben“, berichtet ein Schüler in der Märkischen All­ge­meinen von einem Work­shop im lit­er­arischen Schreiben. Dieser Aus­bruch lyrischen Schwär­mens ist umso erstaunlich­er, als wir dieser Tage aus der Bild erfahren, dass wir uns in ein­er Fremd­sprache ratio­naler ver­hal­ten und weniger von Gefühlen bee­in­flussen lassen als in unser­er Mut­ter­sprache (die Studie, auf die sich die Mel­dung bezieht, dürfte diese hier sein).

Ob auch der „geheime Polit-Code“ der Pirat­en als Fremdspache durchge­ht und wir auf eine entsprechend ratio­nale Poli­tik hof­fen dür­fen, weiß der Berlin­er Kuri­er zwar nicht, aber dafür erk­lärt er die „neue Sprache“, an die sich gewöh­nen muss, wer mitre­den will. Ich möchte nicht zuviel ver­rat­en, aber diese Sprache beste­ht auf fol­gen­den Wörtern (in alpha­betis­ch­er Rei­hen­folge): afaik, BGE, btw, Crew, liq­uid feed­back, n8, np und Pad.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

4 Gedanken zu „Sprachbrocken 16/2012

  1. Nathalie

    Irgend­wie weiß ich bei den Sprach­brock­en nie, ob ich lachen oder weinen soll… Btw, gilt Weinen eigentlich als liq­uid feedback? 😉

  2. Lars Fischer

    Hmm…

    Ich möchte nicht zuviel ver­rat­en, aber diese Sprache beste­ht auf fol­gen­den Wörtern (in alpha­betis­ch­er Rei­hen­folge): afaik, BGE, btw, Crew, liq­uid feed­back, n8, np und Pad

    Erin­nert mich ein Biss­chen an Chick­en

  3. Kalef

    Das hat mich…
    …wieder gut amüsiert, dankeschön.
    Darauf ein fröh­lich­es Nah8!

  4. Klaus

    Viele Aus­drücke (np — kein Prob­lem, afaik – as far as I know, so weit ich weiß) stammten aus der SMS-Sprache”
    “lol”
    Ich wusste gar nicht, dass man in Großbri­tan­nien in den 80’ern schon SMS ver­schickt hat:
    http://groups.google.com/…afaik#5398eb8272c8407c
    Es gäbe ver­mut­lich noch ältere Ref­eren­zen, wenn Google wirk­lich alle News seit Anbe­ginn des Usenet hätte.
    “afaik” und “BTW” sind in jedem Fall sooo 80’er.

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