Sprachbrocken 31/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Bei der Suche nach Sprach­brock­en finde ich häu­fig Artikel, in denen die Kom­mu­nika­tion­ssys­teme von Tieren als „Sprache“ beze­ich­net wer­den. Nor­maler­weise ignoriere ich die, weil es sich bei solchen Sys­te­men nicht um „Sprachen“ han­delt. Damit die Tiere sich nicht ungerecht behan­delt fühlen, mache ich aber heute eine Ausnahme.

Auf RuhrNachrichten.de erfahren wir in der Kat­e­gorie „Sprache der Tiere“, was Kan­inchen uns mit ihren Ohren, ihrer Nase und ihren Füßen so alles sagen wollen (flach angelegte Ohren ste­hen für „Unter­wür­figkeit“ oder „schlechte Laune“ — was man ver­mut­lich nicht ver­wech­seln sollte –, Anstupsen mit der Nase bedeutet, dass das Tier gestre­ichelt wer­den will, Hüpfen bedeutet Über­mut). Sprache ist das alles natür­lich nicht, und im Artikel wird das etwas genauer als „Kör­per­sprache“ beze­ich­net. Dass Kan­inchen zu schlechter Laune und zu „ausgelassene[r] Fröh­lichkeit, die sich in leichtsin­nigem, mutwilligem Ver­hal­ten aus­drückt“ (so die Duden-Def­i­n­i­tion für Über­mut in der Lage sind, zeigt ver­mut­lich, dass sie eben auch nur Men­schen sind.

Der Boule­vard Baden will uns in das „ABC der Katzen­sprache“ ein­führen. Da der Artikel gle­ich am Anfang das Wort „Stubentiger“ enthält, wollte ich eigentlich nicht weit­er­lesen, und tat­säch­lich wäre das eine gute Entschei­dung gewe­sen, denn es fol­gte eine zusam­men­hangslose Aufzäh­lung von Katzen­in­for­ma­tio­nen, von denen kaum eine etwas mit Kom­mu­nika­tion zu tun hat­te (z.B., dass die Anschaf­fung eines Kratzbaums möbelscho­nend wirken kann). Immer­hin habe ich gel­ernt, dass Katzen das Miauen zur Begrüßung, zum Wehk­la­gen und als Forderung nach Aufmerk­samkeit oder Fut­ter ein­set­zen, dass manche Katzen aber auch ein­fach „ständig“ miauen. Ich muss sagen, von alleine wäre ich darauf nicht gekommen.

Etwas infor­ma­tiv­er war die Mel­dung, dass Wis­senschaftler durch das Auf­spießen eines Ele­fan­tenkopfs auf eine Röhre her­aus­ge­fun­den haben, dass Ele­fan­ten mit ihren Stimm­bän­dern Infra­schall erzeu­gen kön­nen. Dass diese Mel­dung gerne, wie bei Spiegel Online, unter der Rubrik „Sprache der Ele­fan­ten“ ein­sortiert wurde, kann man zäh­neknirschend hin­nehmen, obwohl auch das Infra­schall­ge­brum­mel der Ele­fan­ten mit Sprache nichts zu tun hat (immer­hin kon­nte man das Syn­onym „Rüs­selti­er“ ver­mei­den). Die Über­schrift des Kuri­ers geht mir aber ein­deutig zu weit: „Ele­fan­ten reden wie du und ich“.

Wie du, vielle­icht, liebe Kuri­erredak­tion. Wie du, vielleicht.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

29 Gedanken zu „Sprachbrocken 31/2012

  1. schneeschwade

    Def­i­n­i­tio­nen
    Die Def­i­n­i­tion, was “Sprache” ist und was nicht, will ich genau­so ungern den Lin­guis­ten über­lassen wie die Def­i­n­i­tion von “Kraft” den Physikern.
    “Sprache der Tiere” klingt jeden­falls viel bess­er als §Kom­mu­nika­tion­ssys­tem von Tieren”.

  2. Addliss

    Ich glaube, es wäre für viele Leser (auch für mich) hil­fre­ich, wie denn die Def­i­n­i­tion oder wie die Kri­te­rien für eine Sprache laut­en. Die Kri­te­rien, die sie von Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men von Tieren abgrenzen.
    Es sei denn, sie möcht­en ganz wittgen­steinisch anhand von Einzel­beispie­len dem Leser nahe­brin­gen, welche Kri­te­rien gel­ten. Dann müsste er diese selb­st extrahieren — scheint mir aber anhand dieser Beispiele schwierig.
    Bei eini­gen ist es offen­sichtlich (z.B. beim Ele­fan­ten), dass das keine Sprachen sind. Das sind Laute, z.B. ohne Syn­tax, was mir ein Kri­teri­um von Sprachen scheint. Doch bei anderen Beispie­len wird nicht klar, was etwas zu ein­er Sprache macht — oder eben nicht.

  3. Franz

    ?
    @schwachnase: aha, und wem sollte man die def­i­n­i­tion von “Kraft” denn ihrer mei­n­ung bitte schön über­lassen? ihnen vielleicht?

  4. Opa Hans

    Kraftt und Sprache
    Kraft ist in der Physik eine klar definierte Größe und das ist auch notwendig so. Mit Sprache wird es in der Lin­guis­tik wohl eben­so sein. In der Umgangssprache kann Kraft alles Mögliche bedeuten und das ist natür­lich auch ok so. Warum soll man also nicht von ein­er Sprache der Tiere reden, solange man nicht in einem lin­guis­tis­chen Sem­i­nar sitzt? Schneeschwade hat Recht.

  5. Jakob

    Wie du und ich” ist nicht das Problem
    Der Kuri­er-Artikel bringt lei­der tat­säch­lich die wichtig­ste Erken­nt­nis der Forschung schlecht rüber (wie auch andere Zeitun­gen), aber es ging darum, dass die Laut­pro­duk­tion eben über den gle­ichen Mech­a­nis­mus funk­tion­iert wie beim Men­schen, und nicht etwa über einen alter­na­tiv­en Mech­a­nis­mus wie das Schnur­ren von Katzen. Ele­phanten vokalisieren also tat­säch­lich “wie du und ich”, und das Prob­lem liegt allein darin, dass diese Vokalisierun­gen als “reden” beze­ich­net werden.
    Prob­lema­tisch ist weit­ers der Begriff “Geheim­sprache” — und das ganz abge­se­hen von dem unge­nauen Umgang mit “Sprache” — da er impliziert, dass die Lautäußerun­gen für andere Tiere und eben auch für Men­schen unhör­bar sind. Sind sie nicht, auch wenn die Grund­fre­quenz und die Mehrheit der über­tra­ge­nen Energie im Infra­schall­bere­ich sind hören wir das Brum­men doch gut anhand der Obertöne.
    Die Presseaussendung der Uni erk­lärt das Ganze recht gut, muss man also den Zeitun­gen selb­st anlas­ten das ver­stellt zu haben: http://medienportal.univie.ac.at/…ten-geloest‑1/

  6. Semilocon

    Klam­mer
    Klam­mer zu fehlt bei “(so die Duden-Def­i­n­i­tion für Übermut”.

  7. Franz

    Kraft und Sprache
    @opa hans,
    mit “schwach­nase hat recht” meinen sie ja hof­fentlich nur die Aus­sage: “Sprache der Tiere” klingt jeden­falls viel bess­er als §Kom­mu­nika­tion­ssys­tem von Tieren”.

  8. schneeschwade

    @“Franz”
    1. Es ist unter aller Neti­quette die Pseu­do­nyme von Mit­disku­tan­ten in belei­di­gen­der Weise zu verballhornen.
    2. Zur Sache: Wie der verehrte Herr Ste­fanow­itsch im Blog-Mot­to so schön schreibt: “Alle Sprachge­walt geht vom Volke aus.” Das heißt: Der Sprachge­brauch definiert sich durch das, was die Sprecherge­mein­schaft sagt. Lin­guis­ten bilden wie jede uni­ver­sitäre Diszi­plin eine Sprecherge­mein­schaft. Aber ihr (spezieller) Sprachge­brauch find­et sich eben nur in ihrer Sprecherge­mein­schaft wieder. Außer­halb dessen gilt, was die “Gesamt­sprecherge­mein­schaft” für richtig hält. Sprich: die berühmte “Umgangssprache”.
    Konkreter: Natür­lich braucht es Fachter­mi­nolo­gie. In jedem Bere­ich. Aber die Expert_innen soll­ten sich nicht anmaßen, dass ihre Ter­mi­ni auch im weit­eren, all­ge­meineren Sprachge­brauch uneingeschränk­te Gel­tung habe.

  9. David

    Die Frage, was Sprache ist…
    …hat nie­mand so erschöpfend beant­wortet wie Stephen Fry:

    Lan­guage is my moth­er, my father, my hus­band, my broth­er, my sis­ter, my whore, my mis­tress, my check-out girl… lan­guage is a com­pli­men­ta­ry moist lemon-scent­ed cleans­ing square or handy fresh­en-up wipette. Lan­guage is the breath of God. Lan­guage is the dew on a fresh apple, it’s the soft rain of dust that falls into a shaft of morn­ing light as you pluck from a old book­shelf a half-for­got­ten book of erot­ic mem­oirs. Lan­guage is the creak on a stair, it’s a splut­ter­ing match held to a frost­ed pane, it’s a half-remem­bered child­hood birth­day par­ty, it’s the warm, wet, trust­ing touch of a leak­ing nap­py, the hulk of a charred Panz­er, the under­side of a gran­ite boul­der, the first downy growth on the upper lip of a Mediter­ranean girl. It’s cob­webs long since over­run by an old Welling­ton boot.

    Alter­na­tiv die Def­i­n­i­tion der the­o­retis­chen Infor­matik: Eine Sprache (über einem vorgegebe­nen Alpha­bet) ist eine Menge von Fol­gen von Zeichen dieses Alphabetes.
    Ich weiß jet­zt nicht, welche richtiger ist.
    Im Wesentlichen stimme ich hier auch Schneeschwade zu und danke Franz für den guten Lach­er. Es hat mich viel Kraft gekostet, nicht einzunässen.

  10. Franz

    Sprache vs Sprache
    @schneeschabe, david,
    liebe leute: ihr kön­nt euch am stammtisch lange darüber unter­hal­ten, welche bedeu­tung des wortes “sprache” umgangssprach­lich am sin­nvoll­sten ist. es bringt nichts, hier gieng es von anfang an um einen wis­senschaftlichen hin­ter­grund. für euch, zur verdeut­lichung: babygeschrei würdet ver­mut­lich selb­st ihr nicht als “sprache” bezeichnen.

  11. David

    @Franz
    Es ging von Anfang an um einen jour­nal­is­tis­chen Hin­ter­grund, Sie Nase.

  12. Guido

    Was doch ne schööne Atmo­sphäre hier
    Haaach, das lobe ich mir an diesen Wis­senschafts­foren: Hier geht es so viel sach­lich­er zu als sagen wir mal in Foren, die sich um auto­mo­bile Fort­be­we­gung drehen.

  13. chris

    Ver­bal­sprache ist Sublimierung
    Ene Sprache ist, was der Men­sch spricht, wenn er Worte sagt. Es ist somit grund­sät­zlich ein Kom­mu­nika­tion­ssys­tem. Nur das die Sprache es “Sprache” nen­nt — präzis­er: “Ver­bal­sprache”.
    Den grundle­gen­den Kern als Ursache von Sprache habe ich ein­mal so zusammengefasst:
    ““Ver­bal­sprache ist die bedeu­tend­ste Sub­lim­ierungsstrate­gie, die der Men­sch für sich entwick­elt hat.”
    Und hier wird eigendlich ein­deutig, dass Ver­bal­sprache per­man­tent zu viel Infor­ma­tion enthält — ein Symp­tom, das man ein­er Hochkul­tur aus gutem Grund diag­nos­tizieren kann.
    Das der Blo­gau­tor Tieren keine Sprache zugeste­hen will, geht daraus her­vor, dass wir unser Kom­mu­nika­tion­ssys­tem “Ver­bal­sprache” als einzi­gar­tig erken­nen (wollen). Daraus ergibt sich die dual­is­tis­che Ansicht, dass alles andere, was nicht “Ver­bal­sprache” sei, keine Sprache sein kann. Es bleibt jedoch höchst­wahrschein­lich ein Kom­mu­nika­tion­ssys­tem, indem gemäß der Anforderung und also Möglichkeit­en der jew­eili­gen Spezies Infor­ma­tio­nen ver­mit­telt wer­den. Hier wird klar, dass die bei­den Sichtweisen nicht ein­fach zu ver­gle­ichen sind — vor allen dann nicht, wenn man inner­halb ein­er Hochkul­tur von sich als solch­er der­art ein­genom­men ist, dass alle anderen Lebens­for­men und Struk­turen als niedere Exis­ten­zen beze­ich­net werden.
    Die Dif­ferenz zwis­chen Kom­mu­nika­tion­ssys­tem und Sprache also kann man nur ide­ol­o­gisch erken­nen wollen. Und es fällt eben schw­er, einem Tier eine Sprache zu unter­stellen. Und den­noch ist es soet­was, wie.
    Das man sich allerd­ings über die ver­suche der Men­schen lustig macht, wenn sie ver­suchen zu ergrün­den, was denn nun ein Tier “spricht”, wenn es welche ver­hal­tensweise oder welchen Laut von sich gibt, ist nur ver­ständlich, wenn man sich die ange­führten Beispiele (naivster Natur) zu gemüte zieht. In den Beis­peilen wird ver­sucht, sich sein­er eige­nen Ästhetik zu vergewis­sen — Selb­st­be­weihräucherung, nichts anderes (wahrschein­lich).

  14. Jakob

    zum Begriff “Sprache”
    Zur lei­di­gen Diskus­sion um den Begriff “Sprache”: Wenn es nur um unter­schiedlich weite Def­i­n­i­tio­nen des Begriffs “Sprache” gin­ge müsste ich Schneeschwade und anderen zus­tim­men, dass die Lin­guis­tik nicht im Pri­vatbe­sitz des Wortes ist.
    Allerd­ings ver­birgt sich mMn hin­ter der salop­pen Ver­wen­dung des Wortes für nicht­sprach­liche Kom­mu­nika­tion­ssys­teme ein tief­eres Missver­ständ­nis, namentlich eine Unter­schätzung des qual­i­ta­tiv­en Unter­schieds zwis­chen kom­po­si­tionaler Sprache, wo sich die Menge der möglichen Äußerun­gen aus der *Potenz­menge* der Zeichen ergibt (in erster Annäherung), und nichtko­mopo­si­tionalen Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men, bei welchen gilt Menge der möglichen Äußerun­gen = Menge der Zeichen.
    Nun ist es dur­chaus möglich dass wir in naher Zukun­ft ein­se­hen müssen, dass auch bes­timmte andere Tiere zu ersterem in der Lage sind — aber keines der ange­führten Beispiele, und am aller­wenig­sten das mit den Ele­fan­ten wo es noch nicht ein­mal um Kom­mu­nika­tion son­der exk­lu­siv um den zugrun­deliegen­den physikalisch-anatomis­chen Mech­a­nis­mus geht, bietet einen Hin­weis dafür, und das Paper behauptet das auch mit keinem Wort (nachzule­sen, lei­der nur für Leute mit Zugang zu Uni­ver­sität­snet­zw­erken, hier: http://www.sciencemag.org/content/337/6094/595). Dabei sind Ele­fan­ten, angenom­men dass wir tat­säch­lich fest­stellen dass andere Tiere zu kom­po­si­tionaler Sprache fähig sind, nicht ein­mal die schlecht­esten Kan­di­dat­en hier­für, seit wir vor ein paar Jahren her­aus­ge­fun­den haben, dass sie zu vocal imi­ta­tion fähig sind (siehe dazu dieses Paper unter Beteili­gung ein­er der Haup­tau­torIn­nen der Arbeit die wir hier disku­tieren, lei­der auch wieder kein Ope­nAc­cess: http://www.nature.com/…full/434455a.html?lang=en)

  15. Jakob

    re: Chris
    ???
    Was haben “Hochkul­turen” oder “Sub­lim­ierung” mit all dem hier zu tun?
    Und um “Ver­bal­sprache” geht es schon gar nicht. Das was Sprache von anderen, nichtkom­po­si­tionalen Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men unter­schei­det ist wesentlich abstrak­ter, und bezieht Gebär­den­sprache eben­so mit ein wie Laut­sprache und ihre schriftliche Repräsentation.

  16. chris

    @ Jakob re: Chris
    06.08.2012, 14:21
    “Was haben “Hochkul­turen” oder “Sub­lim­ierung” mit all dem hier zu tun?
    Und um “Ver­bal­sprache” geht es schon gar nicht.”
    -> Oh, da muß aber ein­er noch mal genau über seine Mei­n­ung nach­denken, wenn er der­art ide­ol­o­gisch argu­men­tiert. Die ange­sproch­enen Detail­begeben­heit­en fügen sich kon­sis­tent in die Erken­nt­nisse über Kom­mu­nika­tion­ssys­teme und der­er der Entste­hung von “Sprache” ein. Es wird davon aus­ge­gan­gen, dass mit Beginn der Hochkul­turen damit begonnen wurde, die jew­eilige “Sprache” zu dif­feren­zieren und in immer detail­re­ichere Bedeu­tungsvi­sio­nen zu trans­portieren (Beispiel: die Entwick­lung vom Oppo­si­tionswort zum Antonym). Der Tatbe­stand der Sub­lim­ierung ist damit erfüllt.
    Das hier in der Sache auch andere Bedin­gun­gen vor­liegen, ist unbe­strit­ten. Fakt ist, das aus gewis­sen Blick­winkeln die Sprache (inwzis­chen) zuviel Infor­ma­tion beein­hal­tet, als es für ein Kom­mu­nika­tion­ssys­tem erforder­lich sei. Weswe­gen es nur eine Ide­olo­gie sein kann, die dabei aus sich her­aus von “Sprache” sprechen kann, die etwa bei Tieren nicht vor­liegt, trotz­dem sie kom­mu­nizieren. Man mag aber meine Sicht nicht unter­stützen wollen — was nur logisch wäre, wenn man nicht aus dieser liebge­wonnenen (und im Kon­text der Hochkul­tur eben­so auch nüt­zlichen) Ide­olo­gie her­raus­treten will. Ich zäh­le mich und eben diesen Text auch zu der Eigen­schaft dazu, das zuviel Infor­ma­tion trans­portiert wird. Ich teile diese Eigen­schaft mit vie­len anderen Men­schen dieser Hochkul­tur. Etwa auch mit dem werten Autor dieses Blogartikels.

  17. Jakob

    ” Oh, da muß aber ein­er noch mal genau über seine Mei­n­ung nach­denken, wenn er der­art ide­ol­o­gisch argumentiert”
    — was an meinen Beiträ­gen war bitte ide­ol­o­gisch argu­men­tiert? Dass ich kat­e­gorisch zwis­chen ein­er Grund­menge (an Zeichen) und ihrer Potenz­menge unter­schei­den will? Das ist wohl eher math­e­mat­ics 101, nicht Ide­olo­gie. Dass ich kat­e­gorisch behaupte, dass eine Forschungsar­beit, die sich noch nicht ein­mal mit Kom­mu­nika­tion per se son­dern rein mit dem physikalis­chen Mech­a­nis­mus der Laut­pro­duk­tion beschäftigt inhärent unfähig ist, einen Nach­weis für Sprache bei Tieren zu liefern — unter welch­er Def­i­n­i­tion auch immer? Wo ich sog­ar im gle­ichen Absatz expliz­it mache, dass ich es dur­chaus für möglich halte, dass andere Tiere so etwas wie Sprache besitzen, nur eben dass keine der ange­führten Forschun­gen einen Hin­weis dafür gibt.
    “Die ange­sproch­enen Detail­begeben­heit­en fügen sich kon­sis­tent in die Erken­nt­nisse über Kom­mu­nika­tion­ssys­teme und der­er der Entste­hung von “Sprache” ein.”
    — wieder muss ich um eine Klarstel­lung bit­ten. Auf welche Erken­nt­nisse beziehen Sie sich, und welche Rel­e­vanz hat die Frage nach dem physikalis­chen Mech­a­nis­mus der Laut­pro­duk­tion bei Ele­fan­ten für die Entste­hung von Sprache (oder meinetwe­gen “Sprache”)?
    “Es wird davon ausgegangen”
    — *wer* geht davon aus? Wenn Sie ein biss­chen weniger um den heißen Brei herum­sprächen würde das sich­er die Kom­mu­nika­tion erle­ichtern. Ich jeden­falls tue mir schw­er, in dem Geschrieb­sel ein zuviel an Infor­ma­tion zu erken­nen, eher ein zuwenig an konkreter Infor­ma­tion. Nach mehrma­ligem Lesen scheint mir, Sie wollen sagen, dass Hochkul­turen und Schriftlichkeit Voraus­set­zung für Sprache im engeren Sinne seien und die von mir und anderen dargelegten Her­ausstel­lungsmerk­male von Sprache erst unter diesen Umstän­den auftreten, während sich men­schliche Kom­mu­nika­tion im “Naturzu­s­tand” nicht wesentlich von tierisch­er unter­schei­de. Falls es das ist was Sie sagen wollen (so genau kann man das lei­der nicht fest­stellen), so liegen Sie ein­fach nur falsch, und was die “Ide­olo­gie” bet­rifft soll­ten Sie vielle­icht auch in den Spiegel schauen.

  18. Jakob

    Klarstel­lung
    Zur Klarstel­lung, ich finde die Forschung von Herb­st et al. dur­chaus inter­es­sant (ich darf daran erin­nern, dass ich der­jenige war, der in der Diskus­sion das Paper ver­linkt hat), sosehr dass ich als ich vor eini­gen Monat­en, als ich die Gele­gen­heit hat­te einen Vor­trag zu den Ergeb­nis­sen noch vor ihrer Veröf­fentlichung zu hören, am gle­ichen Abend meine Lebens­ge­fährtin, die nun wirk­lich wed­er mit Lin­guis­tik noch mit Biolo­gie viel am Hut hat, mit mein­er detail­re­ichen Nacherzäh­lung lang­weilte. Nur sehe ich keine direk­te Rel­e­vanz für die Entste­hung von Sprache, oder für Ihr Argu­ment, dass sich Sprache nur gradu­ell von Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men ander­er Tiere unter­schei­de oder gar in der uns bekan­nten Form erst das Pro­dukt von “Hochkul­tur” sei.

  19. David

    Allerd­ings ver­birgt sich mMn hin­ter der salop­pen Ver­wen­dung des Wortes für nicht­sprach­liche Kom­mu­nika­tion­ssys­teme ein tief­eres Missver­ständ­nis, namentlich eine Unter­schätzung des qual­i­ta­tiv­en Unter­schieds zwis­chen kom­po­si­tionaler Sprache, wo sich die Menge der möglichen Äußerun­gen aus der *Potenz­menge* der Zeichen ergibt (in erster Annäherung), und nichtko­mopo­si­tionalen Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men, bei welchen gilt Menge der möglichen Äußerun­gen = Menge der Zeichen.

    Was meinen Sie mit der Potenz­menge der Zeichen? Ich ver­mute derzeit, daß es Ihnen eher um die Klee­nesche Hülle gehen dürfte, aber der Punkt ist auch nicht weit­er wichtig.
    Die Mißver­ständ­nisse, die Sie meinen, sind dur­chaus möglich, aber ich sehe für ihr Vor­liegen keine konkreten Anhalt­spunk­te. In den inkri­m­inierten Fällen wird mit “Sprache der Tiere”, meinem Ver­ständ­nis nach, irgen­deine Menge von Ver­hal­tens­merk­malen beze­ich­net, die Auf­schluß über die Befind­lichkeit der Tiere geben oder zu deren Kom­mu­nika­tion untere­inan­der dienen. Noch stärk­er ver­all­ge­mein­ert, ein beliebiges Sys­tem natür­lich­er oder nicht-natür­lich­er Zeichen, die dem Ver­ständi­gen Infor­ma­tion ver­mit­teln kön­nen. Daß das eine übliche Ver­wen­dung des Aus­drucks “Sprache” zu sein scheint, leg­en m.E. auch die Google-Ergeb­nisse für “die Sprache der” nahe. Dabei muß es nicht ein­mal um etwas gehen, das man noch im weitesten Sinne als Kom­mu­nika­tion beze­ich­nen kön­nte. Beson­ders ein­drucksvoll scheint mir dieses Beispiel zu sein, das nun sicher­lich nicht die Exis­tenz ein­er entsprechen­den kom­po­si­tionalen Sprache behaupten will.

  20. Jakob

    Beson­ders ein­drucksvoll scheint mir dieses Beispiel zu sein, das nun sicher­lich nicht die Exis­tenz ein­er entsprechen­den kom­po­si­tionalen Sprache behaupten will.”
    Da wäre ich mir nicht so sich­er. Aus dem Link: “n ein­er Son­der­ausstel­lung präsen­tiert das Geowis­senschaftliche Zen­trum der Uni­ver­sität Göt­tin­gen, *wie* *die* *Objek­te* *zu* *ihren* *Namen* *gekom­men* *sind*. […] Die Son­der­ausstel­lung präsen­tiert Fos­silien, Min­er­alien, Gesteine, Edel­steine und Mete­oriten und beleuchtet Hin­ter­gründe sowie *Bedeu­tun­gen* der *Namensge­bung* unter *ety­mol­o­gis­chen* *Gesicht­spunk­ten*.” (Her­vorhe­bun­gen meine.) Hier scheint es durch aus nicht unwesentlich darum zu gehen, wie Sprache auf das Objek­t­ma­te­r­i­al referiert.

  21. Jakob

    Bessere Beispiele. Allerd­ings habe ich auch konkret kon­sta­tiert, dass “eine Unter­schätzung des qual­i­ta­tiv­en Unter­schieds zwis­chen kom­po­si­tionaler Sprache […] und nichtko­mopo­si­tionalen Kom­mu­nika­tion­ssys­te­men” stat­tfinde. Das kann in bei­den Rich­tun­gen funk­tion­ieren: dass Kom­mu­nika­tion­ssys­teme ander­er Tiere als kombinatorisch/kompositinal aufge­fasst wer­den, oder dass die Beteu­tung dieser Qual­ität men­schlich­er Sprache unter­schla­gen würde. Let­zteres, und nicht ersteres, ist m.E. sehr wohl impliziert, wenn der Kuri­er die Erken­nt­nis, dass die Laut­pro­duk­tion bei Ele­fan­ten nach den gle­ichen phys­i­ol­o­gis­chen Mech­a­nis­men wie beim Men­schen abläuft, mit “Ele­fan­ten reden wie du und ich” betitelt. Man beachte dass es bei der Forschung über die berichtet wurde wirk­lich nur um den physikalis­chen Mech­a­nis­mus ging, noch nicht ein­mal über um vocal learn­ing bei Ele­fan­ten, wofür sich — vor­sichtig aus­ge­drückt — die Hin­weise in let­zter Zeit auch immer mehr verdichten.

  22. David

    Ja. Da war der Redak­tion wohl der auf­se­hen­erre­gende Titel wichtiger. Allerd­ings rückt auch schon der Lede die Sache wieder einiger­maßen zurecht.
    Mir ging er es hier auch weniger um die konkreten Beispiele (btw, der erste Link funk­tion­iert bei mir nicht) son­dern um die Rede von der “Sprache der X” für, irgen­deine Tier­art X. Ich denke eben nicht, daß diese zwin­gend sug­geriert, daß men­schliche Sprachen und tierische Kom­mu­nika­tions­for­men ja ‘im Prinzip gle­ich’ seien.

    Neben­bei, da Sie sich in dieser Rich­tung auszuken­nen scheinen: Kön­nen Sie etwas zum Stand der Forschung hin­sichtlich von Vogel- und Walgesän­gen empfehlen?

  23. David

    Nochmal zum Kurier

    Der Kuri­er-Artikel bringt lei­der tat­säch­lich die wichtig­ste Erken­nt­nis der Forschung schlecht rüber (wie auch andere Zeitun­gen), aber es ging darum, dass die Laut­pro­duk­tion eben über den gle­ichen Mech­a­nis­mus funk­tion­iert wie beim Men­schen, und nicht etwa über einen alter­na­tiv­en Mech­a­nis­mus wie das Schnur­ren von Katzen.

    Ich finde daß der Artikel selb­st das tat­säch­lich sehr deut­lich rüberbringt.

  24. Jakob

    Neben­bei, da Sie sich in dieser Rich­tung auszuken­nen scheinen: Kön­nen Sie etwas zum Stand der Forschung hin­sichtlich von Vogel- und Walgesän­gen empfehlen?”
    Überblicksmäßig weiß ich nichts was sich konkret darauf konzen­tri­ert, aber etwas bre­it­er und gut les­bar ist Bugn­yar et al. (2010), anson­sten ist als Überblick über die (ver­muteten) Funk­tio­nen von Lau­tim­i­ta­tion und ihre Rel­e­vanz für mögliche (prälin­guis­tis­che) Funk­tio­nen beim Men­schen Fitch (2000) immer noch inter­es­sant. An spez­i­fis­chen Arbeit­en finde ich Fehér et al. (2009) sehr inter­es­sant da es sich mit der Emer­genz von kom­plex­en Struk­turen über ein paar Gen­er­a­tio­nen hin­weg beschäftigt (vgl. Kre­ol­sprachen). George et al. (2008) zur Perzep­tion kön­nte auch inter­es­sant sein. Aber so gut kenne ich mich dann auch wieder nicht aus.
    Zu Walen weiß ich lei­der gar nicht viel, aber vielle­icht Weiß (2011)?
    Fehér, Olga, Haib­in Wang, Sigal Saar, Partha P. Mitra & Ofer Tch­er­ni­chovs­ki, 2009: De novo estab­lish­ment of wild-type song cul­ture in the zebra finch. Nature Vol 459, pp. 564–569, doi:10.1038/nature07994 (siehe auch hier: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/…rticles/PMC2693086/)
    Fitch, W. Tecum­seh, 2000: The evo­lu­tion of speech: A com­par­a­tive review. Trends in Cog­ni­tive Sci­ence 4/7, pp. 258–267. http://isites.harvard.edu/…les/Fitch2000TICS.pdf
    Fitch, W. Tecum­seh, Lud­wig Huber and Thomas Bugn­yar, 2010: Social Cog­ni­tion and the Evo­lu­tion of Lan­guage: Con­struct­ing Cog­ni­tive Phy­lo­ge­nies. Neu­ron 65, pp. 795–814, DOI 10.1016/j.neuron.2010.03.011 (siehe auch: http://cogcom.univie.ac.at/…uron10170_apxutw.pdf)
    George I, Cousil­las H, Richard J‑P and Haus­berg­er M, 2008: A Poten­tial Neur­al Sub­strate for Pro­cess­ing Func­tion­al Class­es of Com­plex Acoustic Sig­nals. PLoS
    ONE 3(5): e2203. doi:10.1371/journal.pone.0002203
    Weiß, Brigitte, HELENA SYMONDS
    PAUL SPONG, FRIEDRICH LADICH, 2011: MARINE MAMMAL SCIENCE, 27(2): E1E13 DOI: 10.1111/j.1748–7692.2010.00397.x
    “Ich finde daß der Artikel selb­st das tat­säch­lich sehr deut­lich rüberbringt.”
    Er ist bei näher­er Betra­ch­tung tat­säch­lich nicht so schlecht. Ich war wohl noch unter dem Ein­druck des wirk­lich man­gel­haften Stan­dard-Artikels, über den ich mich am Vortag schon aufgeregt hat­te (https://derstandard.at/1343743759014/Raetsel-um-tiefe-Toene-der-Elefanten-geloest). Trau­rig für die “Qual­ität­szeitun­gen” des Lan­des ist, dass aus­gerech­net die “Kro­ne” (think: “Bild”) die Sto­ry fast noch am Besten rüberge­bracht hat (und auch das “reden” im Titel kon­se­quent unter Anführungsze­ichen gestellt).

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