Ein Feiertag für die deutsche Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Das Deutsche hat eine Sprachge­mein­schaft mit über 100 Mil­lio­nen Mit­gliedern, von denen die meis­ten im All­t­ag nie ern­sthaft mit irgen­dein­er anderen Sprache in Berührung kommen.

Auf deutschen Fernsehkanälen laufen nicht nur den ganzen Tag lang qual­i­ta­tiv zweifel­hafte aber unzweifel­haft deutschsprachige Eigen­pro­duk­tio­nen, auch Filme und Serien aus dem Aus­land wer­den auss­chließlich in deutsch syn­chro­nisierten Fas­sun­gen gesendet. Kaum noch ein Kino zeigt Filme im Orig­i­nal und seit Online die DVD getötet hat, wird es immer schw­er­er, Orig­i­nal­fas­sun­gen über­haupt noch zu bekommen.

In deutschen Buch­lä­den ste­hen nicht nur Büch­er deutsch­er Autor/innen, auch die Lit­er­atur ander­er Län­der kommt vornehm­lich in über­set­zter Form in den Handel.

Deutsche Uni­ver­sitäten sollen zwar inter­na­tionale Schw­ergewichte wer­den, aber kaum eine Ver­anstal­tung außer­halb der fremd­sprach­lichen Philolo­gien wird in ein­er anderen Sprache ange­boten als Deutsch.

In Kitas, Schulen und Betrieben wird Deutsch gesprochen. In Parks und U‑Bahnen wird Deutsch gesprochen. An deutschen Früh­stück­stis­chen reicht man sich deutsche Marken­but­ter und bedankt sich auf Deutsch. In Debat­ten um Ein­wan­derung geht es fast auss­chließlich um die deutsche Sprache als Schlüs­sel zur Inte­gra­tion in die deutsche Leitkul­tur. Nur im Radio läuft Musik mit englis­chen Tex­ten, die aber nie­mand ver­ste­ht, weil eigentlich alle nur Deutsch sprechen. Deutsch, deutsch, deutsch, you get the picture.

Und trotz­dem macht der Vere­in Deutsche Sprache sich große Sor­gen um, naja, die deutsche Sprache, halt. Klingt nach einem schw­eren Fall von sprach­lich­er Real­itätsver­weigerung. Klingt tümelig. Klingt ein­fach komisch. Ist aber so.

Deshalb hat der Vere­in Deutsche Sprache sich den Tag der, naja, deutschen Sprache, halt, aus­gedacht. Ein Tag nur für die deutsche Sprache. Ein Tag, an dem die Deutschen mal so richtig die deutsche Sprache feiern dür­fen. Mal ein biss­chen Stolz sein dür­fen, auf die deutsche Sprache. Und ein biss­chen Angst haben dür­fen, vor Lehn­wörtern. Stolze Angst, natür­lich, deutsche Angst. Und mor­gen, am 14. Sep­tem­ber, ist es mal wieder so weit (weil es ein aus­gedachter Feiertag ist, fällt der Tag der deutschen Sprache lei­der immer auf einen Sam­stag – springt also nicht mal ein Feiertag dabei heraus).

Nun liebe ich die deutsche Sprache ja auch und will ein­er Feier nicht im Weg ste­hen. Nur, wie feiern wir etwas, das uns an 365 Tagen von mor­gens bis abends umgibt? Wie feiern wir etwas, das jeden Tag hart für uns arbeit­et, das uns zum Lachen und zum Nach­denken bringt, das uns von der Wiege bis ins Grab und vom plap­pern des Radioweck­ers bis in unsere Träume begleitet?

Ich finde, am besten feiern wir die deutsche Sprache, indem wir ihr mal einen Tag Pause gön­nen. Sie soll sich aufs Sofa set­zen, die Bei­wörter hochle­gen, ein­fach mal den Sprachgeist baumeln lassen. Scho­nen wir die deutsche Sprache wenig­stens an einem Tag im Jahr, indem wir zum Beispiel Englisch sprechen, twit­tern und bloggen – oder Rus­sisch, Spanisch, Swahili, Türkisch, Viet­name­sisch und all die anderen Sprachen, die sich son­st immer vornehm zurück­hal­ten, wenn in Deutsch­land kom­mu­nika­tive Arbeit zu erledi­gen ist. Die deutsche Sprache wird es uns danken!

[Wer sich am Ruhetag der Deutschen Sprache beteili­gen oder auf ihn hin­weisen will, kann dazu die fol­gen­den Sinnsprüche frei verwenden…

ruhetagdeutschesprache-sprachgeist

ruhetagdeutschesprache-pause

ruhetagdeutschesprache-schonung

…oder sich einen eige­nen ausdenken:

deutscherruhetag-leer

Der kor­rek­te Gruß zum Ruhetag der deutschen Sprache ist übri­gens Hap­py Ruhetag.]

 

29 Gedanken zu „Ein Feiertag für die deutsche Sprache

  1. Tobias

    Ja Men­sch, ich haette ja gerne mit dem VDS gefeiert, aber in Ham­burg gab es zur Feier des Tags der deutschen Sprache lei­der nur am 2.9. die Ver­lei­hung eines Plattdeutsch-Preis­es in der Geri­atrie im Kranken­haus Wandsbek…

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  2. Åke Åkeström

    Det kan vi väl göra och det skulle bli gan­s­ka så roligt, tyck­er jag. Men jag befara att kret­sen av de som skulle förstå det jag twit­tra på just den dagen skulle tyvärr bli gan­s­ka så liten.

    Also über­leg’ ich’s mir lieber doch noch mal, so ver­lock­end und sym­pa­thisch die Idee auch ist… 😉

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  3. Muriel

    Wäre es nicht, da wir nicht wis­sen, ob unser Gegenüber den Ruhetag auch so bege­ht wie wir, angemessen­er weil neu­traler, “Hap­py Feiertag” oder noch bess­er nur “Hap­py Tag” zu sagen?
    Ich bin jeden­falls dabei, falls mir mor­gen was zum Bloggen einfällt.

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  4. Rike

    Ein schön­er Vorschlag, jet­zt muss ich nur noch meine Freund*innen überzeu­gen, haha.
    Allerd­ings habe ich ger­ade durch die vie­len Möglichkeit­en des Strea­mens viel eher den Ein­druck, dass Englisch erre­ich­bar­er ist als bspw. auf der DVD, und zum Teil eben auch notwendig — wenn es näm­lich keine deutsche Ver­sion hochge­laden gibt.
    Und früher zumin­d­est lief auf MTV — ehe es zum payTV wurde — oft noch das englis­che Orig­i­nal mit deutschen Unter­titeln. Wie das heute ist und wie das bei Sendern wie VIVA ist, weiß ich allerd­ings nicht.
    Trotz­dem — und da gebe ich Ihnen Recht — bleibt das Grundge­fühl von einem Deutsch, das ein­fach zu gerne gesprochen und gesendet wird.

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  5. Lothar Lemnitzer

    Deutsche Uni­ver­sitäten sollen zwar inter­na­tionale Schw­ergewichte wer­den, aber kaum eine Ver­anstal­tung außer­halb der fremd­sprach­lichen Philolo­gien wird in ein­er anderen Sprache ange­boten als Deutsch.” — das sehe ich anders, ist aber nur ein sub­jek­tiv­er Ein­druck. Kennst du eine ser­iöse Erhe­bung dazu?

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  6. frauantje

    @ Lothar Lem­nitzer: vor ein paar Monat­en hat Susanne Flach hier über Deutsch als Unter­richtssprache geblog­gt: http://www.sprachlog.de/2013/01/09/wissenschaftsunterrichtssprache-deutsch/
    Übri­gens ist auch in Fremd­sprachen­philolo­gien — außer Englisch — ten­den­ziell Deutsch die Unter­richtssprache. Schaut man sich die Sprachkom­pe­ten­zen an, die Stu­di­en­an­fänger mit­brin­gen, ist das zumin­d­est zu Anfang wohl kein Fehler, son­st wäre da prak­tisch über­haupt keine Ver­mit­tlung von Inhal­ten möglich. Während es wohl kaum anders geht, als italienische/norwegische/tschechische Lit­er­atur- und Sprach­wis­senschaft auf Deutsch zu unter­richt­en, weil kaum jemand auf der Schule Italienisch/Norwegisch/Tschechisch ler­nen kon­nte, so ist es doch bedauer­lich, dass auch in Schul­sprachen das Niveau oft nicht für akademis­che Inhalte reicht.

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  7. Detlef Borchers

    Wo der olle Göte auf dem Sofa lüm­melt: “Ich ver­fluche alle neg­a­tiv­en Puris­men, dass man ein Wort nicht brauchen soll, in welchem eine andere Sprache Vieles oder Zarteres gefasst hat.”

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  8. Daniel

    Der Google-Trans­la­tor über­set­zt “labai ačiu!” auf Deutsch mit “Thank you very much!” (auf Englisch übri­gens auch).

    Die nehmen das mit dem Ruhetag für Deutsch sehr ernst.

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  9. Carsten Guse

    Der Autor beschw­ert sich, dass zu viel deutsch gesprochen wird und 100 Mio. Deutschsprachige kaum mit ein­er anderen Sprache in Berührung kom­men? Erstens ist genau das Gegen­teil der Fall und zweit­ens würde sich nie ein­er in den USA oder Eng­land der­art abfäl­lig über die eigene Sprache äußern. Niemals würde sich da ein­er beschw­eren, dass alles, wirk­lich alles auss­chließlich in englisch ange­boten wird. Ich empfehle den Autor auszuwan­dern oder zumin­d­est viel im nicht­deutschsprachi­gen Aus­land Urlaub zu machen und uns mit seinen Aus­führun­gen zu verschonen.

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  10. Detlef Borchers

    Aus dem aktuellen Wahl­pro­gramm der FDP noch dieses: “Hierzu soll, unab­hängig von der mit­tel- bis langfristi­gen Förderung von Deutsch als Fremd­sprache, Englisch als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in Bere­ichen der öffentlichen Ver­wal­tung gefördert und etabliert wer­den, die für die gezielte Zuwan­derung rel­e­vant sind.”

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  11. Dierk

    Herr Guse, schon mal in den USA oder Eng­land* gewe­sen? Ver­mut­lich nicht. Selb­st in ein­er viel kleineren Region als den USA, sagen wir New York City, find­en sie eine ganze Rei­he von Sprachen [inkl. ver­schiede­nen deutschen, darunter Yid­dish]. In vie­len Staat­en gibt es sog­ar mehrere Amtssprachen, von denen nicht immer Amerikanisch die am meis­ten benutzte ist.

    Ich finde die Idee, den Tag der toitschen Sprache zu bege­hen, wie wir den Mut­tertag feiern, nicht übel.

    *Da Sie expliz­it Eng­land nen­nen, gehe ich davon aus, dass ich Ihnen nicht mit unter­schiedlichen Gälis­chfor­men oder Schot­tisch** kom­men kann, aber auch in Eng­land selb­st wer­den mehr Sprachen als Englisch gesprochen.

    **Yip, Schot­tisch, nicht schot­tis­ches Gälisch.

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  12. Carsten B.

    In spite of hav­ing grown up in Ger­man mono­lin­gual­ly, study­ing Ger­man at uni­ver­si­ty, and liv­ing a large­ly mono­lin­gual ever­day life, I’m rou­tine­ly blog­ging in Eng­lish if I get to writ­ing some­thing once in a while. I sup­pose that this way, I occa­sion­al­ly allow the Ger­man lan­guage some rest already any­way, not just on a sin­gle, spe­cial­ly des­ig­nat­ed day?

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  13. Ospero

    @Carsten Guse: “Das genaue Gegen­teil”? Was bitte ist damit gemeint? Dass 100 Mil­lio­nen Deutschsprachige häu­fig oder auch nur regelmäßig mit anderen Sprachen in Kon­takt kommen?

    Außer­dem muss man sich schon schw­er ver­renken, um Her­rn Ste­fanow­itschs Ein­leitung als Ver­ach­tung der deutschen Sprache zu ver­ste­hen. Hier wird deut­lich gemacht, wie emi­nent sinn­los die Aktiv­itäten des VDS in Bezug auf den Ger­man Lan­guage Day wirk­lich sind, weil an der deutschen Sprache in diesem Land nun wirk­lich kein Man­gel besteht.

    Oh, und “dann geh doch”? Sind wir wirk­lich wieder auf dem Niveau von “geh doch nach drüben” angekom­men? Darf man sich hierzu­lande über nichts mehr aufre­gen, ohne dass einem sofort die Auswan­derung nahegelegt wird? Ich hat­te gehofft, diese Zeit­en wären vorbei…

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  14. KChristoph

    Guten Ruhetag.
    Ein Zufall hat mich dieses Blogge­bilde find­en lassen …
    Die Alter­na­tive zu so vielem anderen Klöterkram.
    Dankeschön from Han­nover, dem Uni­ver­sum im Norden !

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  15. Pingback: Muttertag der deutschen Sprache | gnaddrig ad libitum

  16. H.M.Voynich

    Die ersten Absätze klin­gen erst­mal so, als müsse man sich dafür schä­men, syn­chro­nisierte Filme zu gucken.
    Im 6. Absatz wird dann zwar klar, daß Du nur die Priv­i­legien aufgezählt hast, über die wir Deutschsprech­er froh sein kön­nen, aber meine Gedanken fan­den vorher schon Begrün­dun­gen, wieso das stim­men kön­nte. Und wegen dem “belief per­se­ver­ance” schäme ich mich jet­zt immer noch:
    http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-des-starrkopfs-was-kuemmern-uns-die-fakten-wenn-wir-eine-meinung-haben‑1.1765779

    (Wußtet Ihr, daß J.W.s Beine auf den Bildern da oben viel zu lang sind? Guckt mal genau hin!
    Und das let­zte Bild benötigt keinen weit­eren Text.)

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  17. H.M.Voynich

    Mein Vorschlag zum Tag der Deutschen Sprache wäre der Jahrestag von Mar­tin Luthers Tin­ten­faßwurf nach dem Teufel.
    Gibt es da Mein­u­gen von His­torik­ern, wann genau das war?

    An der Idee, es gäbe “eine” deutsche Sprache, bzw. eine gute und andere schlechte, ist er maßge­blich Mitschuld.
    Und die Szene gäbe ein nettes Sym­bol­bild ab.

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  18. Jmichael89

    Als Stu­dent eines Mas­ters in Man­age­ment an ein­er deutschen Uni­ver­sität kann ich zumin­d­est eine Anek­dote gegen die Uni-These hier liefern…ich habe in meinem gesamten Mas­ter­studi­um bis jet­zt exakt einen Kurs auf Deutsch belegt, alle anderen waren auf Englisch. Und ganz ehrlich: Gut so!

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  19. Crissov

    Bei der Ein­leitung fragte ich mich immer wieder, ob das iro­nisch gemeint sein soll:
    Seit der Dig­i­tal­isierung der Kinos gibt es viel mehr Vorstel­lun­gen in OF, vor allem auch von Main­stream­pop­corn­block­bustern (glück­licher­weise sel­ten in 3D), während Doku‑, Kun­st- und Indiefilme im Pro­grammki­no schon immer wie Opern in OmU unter Auss­chluss der Öffentlichkeit liefen.
    Auf Sil­ber­scheibe gibt bzw. gab es oft viele Sprach­fas­sun­gen im Pauschal­paket, im Netz sind die eher sep­a­rat und manch­mal nur auf grauen Umwe­gen erhältlich, dafür umfassender.
    Ähn­lich­es gilt für Büch­er; man­gels Preis­bindung ist das Orig­i­nal oft sog­ar bil­liger runtergeladen.
    Bilin­guale Kitas boomen, in den meis­ten anderen ist Deutsch die Fremdsprache.
    Im ÖPNV höre ich nur sel­ten eine Unter­hal­tung auf Hochdeutsch. 

    Wow­ere­it!

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