Wie Medien Wörter machen

Von Anatol Stefanowitsch

Sprache verän­dert sich nicht von alleine, son­dern sie wird von den Mit­gliedern der Sprachge­mein­schaft verän­dert. In jedem Gespräch kann es passieren, dass die vorhan­de­nen Ressourcen der Sprache nicht aus­re­ichen, um unsere Gedanken wiederzugeben. Oder, dass uns die vorhan­de­nen Ressourcen nicht gefall­en, z.B. weil wir Sprach­nör­gler sind und keine englis­chen Lehn­wörter mögen, oder weil wir anständi­ge Men­schen sind und diskri­m­inierende Sprache ver­mei­den wollen. In solchen Fällen kön­nen wir alle kreativ wer­den und dem Wortschatz eigene Erfind­un­gen hinzufü­gen oder eine gram­ma­tis­che Regel ein kleines biss­chen erweit­ern. Und es kann immer passieren, dass solche Neuerun­gen sich aus­bre­it­en und Teil des all­ge­meinen Sprachge­brauchs werden.

Das ist natür­lich vor allem dann der Fall, wenn wir mit ein­er einzi­gen Sprech­hand­lung möglichst viele Men­schen erre­ichen: Ein­er der Helden der deutschen Sprach­nör­g­lerge­meinde ist der Sprach­purist Philipp von Zesen (1619–1689), der für eine große Zahl erfol­gre­ich­er Ein­deutschun­gen von (meist franzö­sis­chen, griechis­chen und lateinis­chen) Lehn­wörtern ver­ant­wortlich ist – ihm zugeschrieben wer­den zum Beispiel die Wörter Abstand (statt Dis­tanz), Bücherei (statt Bib­lio­thek), Mundart (statt Dialekt) und Weltall (statt Uni­ver­sum). Dass er bei der Ver­bre­itung dieser Wörter – anders als die heuti­gen Sprach­puris­ten vom Vere­in Deutsche Sprache – so erfol­gre­ich war, lag daran, dass er wenig Zeit damit ver­brachte, diese Ein­deutschun­gen in Form eines Fremd­wör­terindex oder ein­er Sprach­pan­sch­er-des-Jahres-Wahl zu propagieren, und rel­a­tiv viel Zeit damit, sie ein­fach zu ver­wen­den – und da er ein sehr pro­duk­tiv­er Schrift­steller und Über­set­zer war, erre­ichte er mit jed­er Ver­wen­dung ein großes Publikum.

Heute sind mit den Massen­me­di­en Play­er an der Sprachen­twick­lung beteiligt, gegen die Philip von Zesen wie ein Ama­teur wirkt. Eine große Presseagen­tur oder ein großer Ver­lag, wie, sagen wir mal, der Axel-Springer-Ver­lag, kön­nen Wörter erfind­en und inner­halb weniger Tage für eine Ver­bre­itung sor­gen, die eine Über­nahme in den all­ge­meinen Sprachge­brauch sehr viel wahrschein­lich­er macht als alles, was wir Kleinkom­mu­nizieren­den tun kön­nten um die Sprache mitzuentwickeln.

Was würde es für Möglichkeit­en eröff­nen, wenn große Medi­enun­ternehmen diese Macht für das Gute ein­set­zen wür­den! Wie schnell kön­nte z.B. die Diskus­sion um bes­timmte diskri­m­inierende Wörter been­det sein, wenn große Medi­enun­ternehmen sie kon­se­quent mei­den und durch neu­tralere, dif­feren­zieren­dere, zeit­gemäßere Alter­na­tiv­en erset­zen würden!

Lei­der tun sie oft das genaue Gegen­teil. Die Dön­er-Morde sind nur ein extremes Beispiel für ein erniedri­gen­des und diskri­m­inieren­des Wort, das es nie hätte geben müssen und das es ohne die Medi­en auch nie gegeben hätte. Ein anderes, weniger extremes aber eben­falls diskri­m­inieren­des Beispiel kon­nte man in sein­er Erfind­ung und Ver­bre­itung über die let­zten Tage beobacht­en: das Wort Quas­sel-Imam.

Geschaf­fen hat es die BILD-Zeitung als Beze­ich­nung für den rede­freudi­gen Imam Abdul Adhim, der am 28. Sep­tem­ber 2014 in Gün­ter Jauchs Talkrunde „Gün­ter Jauch“ zu Gast war. Am Tag nach der Sendung erschien dort eine TV-Kri­tik, die den fol­gen­den Satz enthielt:

Der eben­so obskure wie redege­wandte 37-Jährige Quas­sel-Imam redete ohne Punkt und Kom­ma, fiel anderen ins Wort, gestikulierte wild, ließ sich auch von Jauch nicht stop­pen. [Bild.de]

Quassel-Imam (Bild)

 

Die Ham­burg­er Mor­gen­post und ihr Part­nerblatt der Berlin­er Kuri­er ver­sucht­en sich inter­es­san­ter­weise an ein­er ähn­lichen Wortschöp­fung, dem Laber-Imam:
Laber-Imam (Hamburger Morgenpost)

Man muss Abdul Adhims Ansicht­en nicht teilen und ihn nicht für einen sym­pa­this­chen Men­schen hal­ten, um zu erken­nen, dass Wörter wie Quas­sel- oder Laber-Imam prob­lema­tisch sind. Man muss nur über­legen, ob irgen­deine deutsche Zeitung auch über Laber-Pfar­rerLaber-Priester oder Laber-Rab­bis schreiben würde. Das würde natür­lich keine deutsche Zeitung tun, obwohl sich ver­mut­lich unter den Geistlichen jed­er beliebi­gen Reli­gion prob­lem­los welche mit einem Hang zum Quas­seln oder Labern find­en ließen.

Aber während Ham­burg­er Mor­gen­post und Berlin­er Kuri­er es bei dieser ein­ma­li­gen Schlagzeile bewen­den ließen, schob die Bild am sel­ben Tag noch drei weit­ere Artikel nach, in denen das Wort vorkam: Abends erschien ein Edi­to­r­i­al unter dem Titel Gegen den Quas­sel-Imam war kein Kraut gewach­sen (das ger­ade erst erfun­dene Wort war hier schon in die Schlagzeile selb­st befördert wor­den), und nachts erschienen zwei weit­ere Beiträge, bei denen das Wort bere­its als Kat­e­gorie über der eigentlichen Schlagzeile stand – QUASSEL-IMAM: Jauch-Predi­ger flog bei der Bahn raus und QUASSEL-IMAM ABDUL ADHIM GESTERN ABEND AUF FACEBOOK: Frau muss Mann nicht bei jed­er Kleinigkeit fra­gen.

Quassel-Imam (BILD)

Am näch­sten Tag (dem 30.9.) ver­suchte die B.Z., mit Quas­sel-Predi­ger eine eigene Vari­ante des Wortes zu prä­gen, es blieb aber, wie beim Laber-Imam, bei ein­er ein­ma­li­gen Verwendung.

Quassel-Prediger (B.Z.)

Die BILD war nicht faul und schob, trotz rel­a­tiv dün­nen Nachricht­en­werts, gle­ich zwei Artikel hin­ter­her, die den Quas­sel-Imam in der Schlagzeile hat­ten – ISLAMPREDIGER AUS DER JAUCH-SHOW Wovon lebt der Quas­sel-Imam? und BILD-ZWISCHENRUF Nicht der Quas­sel-Imam macht uns Angst.

Quassel-Imam (BILD)

Zu diesem Zeit­punkt hat­te die BILD das Wort dann auch häu­fig genug ver­wen­det, um endlich Nachah­mer außer­halb des Springer-Ver­lags zu find­en. Mee­dia titelte Der “Quas­sel-Imam” bei Jauch: die ver­passte Chance, und die Huff­in­g­ton Post ver­suchte in ein­er Über­schrift zwar, mit Krawall-Imam eine eigene Beze­ich­nung zu prä­gen, ver­wen­dete im Text dann aber gle­ich zweimal das Wort Quas­sel-Imam (ein­mal als BILD-Zitat, ein­mal direkt).

Krawall-Imam (HuffPo)

Auch am näch­sten Tag (1.10.) arbeit­ete die BILD weit­er an der Etablierung ihres Wortes. Imam entschuldigt sich für Quas­sel-Auftritt bei Jauch, titelte man, und im Text hieß es „Einem Autoren des Berlin­er „Tagesspiegels“ erk­lärt der Quas­sel-Imam jet­zt, wie er selb­st zu dem umstrit­te­nen Auftritt steht…“.

Der Tagesspiegel hat­te im enst­sprechen­den Artikel noch auf die Wortschöp­fung aus dem Hause Springer verzichtet, aber am näch­sten Tag (dem 2.1o.) tat ZEIT ONLINE der BILD den Gefall­en, und holte das Wort aus der Boule­vard-Schmud­del-Ecke her­aus. In einem (absur­den, aber das ist ein anderes The­ma) Beitrag mit dem tief­sin­ni­gen Titel Wo bleibt ein Imam der 95 The­sen? schrieb sie

Heinz Buschkowsky tastete sich an die richtige For­mulierung her­an, neulich im Stre­it mit dem als “Quas­sel-Imam” beze­ich­neten Abdul Adhim Kamouss bei Gün­ter Jauch.

Anführungsze­ichen und die For­mulierung dem als … beze­ich­neten dienen hier dazu, das Wort zu ver­wen­den, ohne wirk­lich die Ver­ant­wor­tung dafür zu übernehmen. Die For­mulierung schafft aber auch Tat­sachen: Nicht die BILD beze­ich­net den Mann so, nein, er wird ganz all­ge­mein so bezeichnet.

Für den 3. Okto­ber habe ich keine Ver­wen­dung des Wortes gefun­den – vielle­icht wollte man sich im Freuden­taumel der Ein­heit auf das Gequas­sel der Feiertagsredner/innen konzen­tri­eren, oder man hat zwis­chen all den Geschicht­en über Tra­bis und wie-es-eben-früher-in-der-DDR-so-war keinen Platz gefunden.

Aber gle­ich am näch­sten Tag leis­tete man der BILD aus den Redak­tio­nen von WELT und B.Z. Wortver­bre­itungs-Bei­s­tand. Ein Kom­men­tar von Hen­ryk Broder (Jauchs Zurück­hal­tung war klug und sou­verän) hat­te sowohl die Kat­e­gorie QUASSEL-IMAM als auch einen Teas­er, der mit dem Satz begann, „Für den zah­men Umgang mit den “Quas­sel-Ima­men” mussten die Talk­mas­ter Jauch und Plas­berg Prügel ein­steck­en.“; und die B.Z. fragte besorgt Sollte der Quas­sel-Imam aus der Jauch-Show auch weit­er­hin öffentlich auftreten dürfen?

Außer­halb des Springer-Ver­lags griff der Stern das Wort auf, und ver­wen­dete es sowohl im Titel als auch im Text ein­er Art Home Sto­ry über den Imam: Tag der offe­nen Moschee: Zu Gast beim “Quas­sel-Imam”, lautet die Head­line, und die Begeg­nung wird so beschrieben:

Ich trete in den Innen­hof und werde vom Press­esprech­er des Imams begrüßt, Abdul Adhim Kamouss. Sein Gesicht kommt mir bekan­nt vor. Es ist der “Quas­sel-Imam” aus der Jauch-Talkshow.

Quassel-Imam (stern)

Am 5.10. legte die BILD selb­st wieder nach, mit ein­er brand­heiß recher­chierten Geschichte über Die zwei Gesichter des „Quas­sel-Imam“.

Es dauerte aber immer­hin bis zum näch­sten Tag, bis der Tagesspiegel der BILD dann doch noch den Gefall­en tat, die Wortschöp­fung aufzu­greifen – natür­lich nur, um darüber zu bericht­en, dass die BILD ihn eben so genan­nt habe. In einem Artikel über die nun aktuelle Talkrunde von Jauch, in der es über­haupt nicht mehr um Imame ging, bezog man sich auf die Sendung  der Vorwoche:

BILD, das Fachor­gan für Main­stream-Empörung degradierte Kamouss zum „Quas­sel-Imam“ und beförderte ihn zum Schlagzeilenkönig.

Auch nordbayern.deFOCUS und die BILD selb­st ver­wen­de­ten das Wort wieder, eben­falls, um in Diskus­sio­nen der aktuellen Jauch-Sendung noch ein­mal an die der Vor­woche zu erinnern.

Am 7.10. gab es nun wirk­lich nichts mehr zu bericht­en, aber wer ein Wort etablieren will, muss es eben wieder und wieder ver­wen­den, und so fand die BILD einen Aufhänger in irgen­dein­er Aus­sage, die der Imam irgend­wann irgend­wo gemacht hat­te, und die stim­men kön­nte oder auch nicht.

Quassel-Imam (BILD)

Dann kam ein Glücks­fall: Die Schweiz­er Tageszeitun­gen Tage­sanzeiger, Basler Zeitung, Der Bund und Bern­er Zeitung bracht­en einen Bericht über ein geplantes Islamis­ten-Tre­f­fen, zu dem auch Abdul Adhim ein­ge­laden sei und der, so eine Zwis­chenüber­schrift sei Als «Quas­sel-Imam» bekan­nt. Im Text dann eine zu diesem Zeit­punkt zumin­d­est auf die deutsche Medi­en­land­schaft bezo­gen nur noch milde Übertreibung:

Seit seinem Auftritt in der Talk­show von Gün­ther Jauch redet ganz Deutsch­land vom «Quas­sel-Imam».

Ein­mal über die Gren­ze gesprun­gen bah­nt die Wortschöp­fung der BILD sich jet­zt auch in der Schweiz ihren Weg: Vom TV zum Islamis­chen Zen­tral­rat: Jauchs «Quas­sel-Imam» kommt in die Schweiz, titelte gestern blick.ch.

Wenn die BILD es will, kann sie dieses Wort nun weit­er propagieren, und ihm zu einem Siegeszug durch die gesamte deutschsprachige Welt ver­helfen. Und dann wäre es nur ein klein­er Schritt, eine Beze­ich­nung für eine ganze Gruppe von Men­schen daraus zu machen (z.B. alle Imame, die unpässliche Mei­n­un­gen vertreten), oder ein­fach alle Imame so zu nennen.

Nicht, dass ich der BILD vor­w­er­fen will, das vorzuhaben – der Punkt ist, sie kön­nte es, wenn sie wollte.

Und wer die Macht hat, Sprache im Schlecht­en weit­er zu entwick­eln, kön­nte diese Macht natür­lich auch ein­set­zen, um sie im Guten voranzubrin­gen. Hun­dert Behör­den kön­nen hun­dert Leit­fä­den zur gerecht­en Sprache her­aus­geben, sie wer­den eben­so unge­hört ver­hallen wie die Sprach­nör­gler mit ihren Anglizismen-Blacklists.

Aber wenn die BILD oder ein anderes großes Medi­um oder eine der großen Presseagen­turen einen dieser Vorschläge auf­greifen würde, wäre er zehn Tage später bere­its ein Fakt des deutschen Sprachgebrauchs.

(Mit Dank an Alf From­mer für den Hin­weis auf das Wort).

33 Gedanken zu „Wie Medien Wörter machen

  1. Cavilador

    Oder, dass uns die vorhan­de­nen Ressourcen nicht gefall­en, z.B. weil wir Sprach­nör­gler sind …”
    Oder weil wir Sprachig­no­ran­ten sind und lieber was Englis­ches ein­deutschen, da wir die vorhan­de­nen Ressourcen nicht ken­nen; oder was kön­nte son­st der Grund dafür sein, dass z.B. seit Jahren viele von “urba­nen Leg­en­den” oder “Großs­tadt­mythen” plap­pern, weil sie mal was von “urban leg­ends” gehört haben, aber die ‘vorhan­dene Ressource’ “Schauer­märchen” nicht kennen?
    Da sind wir mal lieber “kreativ”, son­st müssten wir uns doch tat­säch­lich mit vorhan­den­em Wortschatz auseinan­der­set­zen; wie lang­weilig ist das denn?

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  2. Martin

    Man muss nur über­legen, ob irgen­deine deutsche Zeitung auch über Laber-Pfar­rer, Laber-Priester oder Laber-Rab­bis schreiben würde. Das würde natür­lich keine deutsche Zeitung tun, obwohl sich ver­mut­lich unter den Geistlichen jed­er beliebi­gen Reli­gion prob­lem­los welche mit einem Hang zum Quas­seln oder Labern find­en ließen.”

    Ver­ste­he ich nicht so ganz. Soll das bedeuten, die deutschsprachi­gen Medi­en wür­den christliche/jüdische Geistliche nicht so hart ange­hen? Ist da der “Protz-Bischof” (Tebartz-van-Elst) nicht ein Gegenbeispiel?

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  3. Lothar Lemnitzer

    Dein Pes­simis­mus in Ehren, Ana­tol, aber diese Wort wird es nicht über den Sta­tus ein­er Gele­geneits­bil­dung brin­gen. Es wurzelt in der gele­gen­heits­gün­sti­gen Beze­ich­nung ein­er einzel­nen Per­son, und selb­st, wenn eine Gen­er­al­isierung schon ver­sucht wurde, klingt die gezwun­gen. Lass uns in einem hal­ben Jahr noch mal nach­se­hen — sine ira et stu­dio. In die Wort­warte wird es jeden­falls nicht aufgenommen 🙂

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  4. Gernot Back

    Sie irren, Herr Stefanowitsch!

    Es ist in human­is­tis­chen Kreisen dur­chaus üblich, The­olo­gengeschwafel oder -“gequas­sel” ganz all­ge­mein als das zu beze­ich­nen, was es ist: “pseudowis­senschaftlich­es Geschwurbel”! Das tun wir Human­is­ten ganz unab­hängig davon, um welchen Aber­glauben, ob Islam, Chris­ten­tum, Bud­dhis­mus oder sonst­was, es sich ger­ade han­delt und die Presse greift es glück­licher­weise mit­tler­weile auf! Die Aufk­lärung ist eben nicht zu stoppen.

    Gruß, Ger­not Back

    https://www.google.de/search?q=schwurbel+theologen&ie=utf‑8&oe=utf‑8&aq=t&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox‑a&channel=sb&gfe_rd=cr&ei=hjI4VO-TFsWH8QejhYCwCQ

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  6. Dierk

    Fan­gen wir mit dem Klas­sik­er an: Ich habe die Jauch-Sendung nicht gese­hen. Was ich allerd­ings sehe und höre sind Unmen­gen von Kla­gen, wie per­fide ein dor­thin ein­ge­laden­er islamis­ch­er Geistlich­er die Massen manip­ulierte. Dazu kön­nte man eine ganze Menge sagen, aber Ana­tols Beitrag dreht sich ja um die Metakom­po­nente, die Beschrei­bung des Imam, um genau zu sein.

    Wie kommt man von ein­er offen­bar her­vor­ra­gen­den rhetorischen Per­for­mance* auf die Beze­ich­nung ‘Quas­sel-Imam’? Quas­seln ist doch genau das Gegen­teil guter und erfol­gre­ich­er Rede, es ist qua­si das, was die üblichen Verdächti­gen* in solchen Quas­sel-Schauen* machen — deswe­gen heisst dieses Genre ver­mut­lich so.

    Ich schliesse daraus, dass die Redak­teure der BILD — deren Texte ich so wenig lese, wie ich Jauch kucke -, entwed­er Prob­leme mit Wortbe­deu­tun­gen haben oder ent­ge­gen jour­nal­is­tis­chem Grundgedanken manipulieren**.

    *Das mache ich extra für Sie, Cavilador.
    **Extra für Cav­i­lador: Diese Wieder­hol­ung ist Absicht, ich set­ze damit die BILD mit dem oben als manip­u­la­tiv beschriebe­nen Imam gleich.

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  7. Hannah

    Ich habe den Artikel gerne gele­sen, weil er meine Gedanken bestätigt hat und mich über die Dimen­sion der Ver­bre­itung von (Un)Wörtern informierte.

    Danke und viele Grüße

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  8. Daniel

    Eine Frage zum Begriff “Ein­deutschung”. Ich ver­ste­he den Begriff eher so wie Wikipedia: “Unter Ein­deutschung ver­ste­ht man die Angle­ichung der Schrei­bung von Fremd­wörtern an die deutsche Laut-Buchstaben-Zuordnung. … 

    Beispiele für erfol­gte Eindeutschungen
    Büro für Bureau
    Fete für Fête
    Geografie neben Geographie
    Keks für Cakes …”

    (Wiki nen­nt das, was Sie meinen, “Verdeutschung”.)

    Ist das ein gezielt ander­er Sprachgebrauch?

    Was Sie beschreiben ist aber doch eine Eigen­heit des Deutschen. Man kann beliebig bekan­nte Wörter zu neuen zusam­menset­zen, was in zB Englisch nur Kol­loka­tio­nen wären. Sie machen das ja auch mit Ihren Sprach­nör­glern (auss­chliesslich in der männlichen Form), die mir bish­er nur bei Ihnen begeg­net sind.

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  9. Detlef Schnittke

    Ogot­to­gott, die Medi­en haben Ein­fluss auf unser Denken und Sprechen. Danke für die Neuigkeit. 

    Sollte sich dann in Zukun­ft ein­er der “Sprach­nör­gler” gegen diesen Vor­gang wehren wollen (nicht aus “guten” Grün­den, son­dern halt wieder, weil was Englis­ches ver­wen­det wird, igitt), erk­lären Sie ihm nochmals, wie und warum sich Sprache verän­dert (und wer allein sie durch Verord­nun­gen verän­dern darf, näm­lich alle “Anständi­gen”, die wis­sen, was “das Gute” ist).

    Herr Ana­tol, ich sehne mich ein biss­chen nach den Zeit­en, als Sie noch kein anständi­ger Men­sch sein mussten und uns nur erk­lärten, warum die Eski­mos (darf man das über­haupt noch sagen??) doch keine 1000 Wörter für “Schnee” haben.

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  10. flux

    @ urban leg­end oder urbane Legende:
    Eine solche ist meines Wis­sens etwas anderes als ein­fach ein Schauer­märchen (=gruselige Geschichte), näm­lich eine (zwar in der Tat Schauer-) Geschichte, die als ange­blich w a h r , weit­er­erzählt wird ala: Die Schwest­er von der Fre­undin mein­er Tante fuhr mal in ein Parkhaus… usw.… und im heuti­gen, urba­nen Leben­sraum stattge­fun­den haben soll … halt keine spuk­ende Jungfrau im alten Schloss (=Schauer­märchen)

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  12. Jan Schreiber

    Ich möchte mich Lothar Lem­nitzer anschließen. “Quas­sel-Imam” ist ein typ­is­ches Ad-hoc-Kom­posi­tum, dem ich keine großen
    Chan­cen auf ein langes Leben prophezeie. Der­gle­ichen pro­duziert die Bild buch­stäblich jeden Tag; die Erin­nerung an den Protz-Bischof fand ich hier sehr erhellend.
    Der Binde­strich drückt auch häu­fig aus, dass AutorIn­nen ihr Kom­posi­tum selb­st irgend­wie selt­sam finden.

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  13. Juliane

    Ich sehe den “Protzbischof” in ein­er anderen Kat­e­gorie, da in seinem Fall tat­säch­lich rechtlich frag­würdi­ge Aus­gaben getätigt wur­den, zumal das “Protz” ja auch inhaltlich gepasst hat, selb­st wenn es aus jour­nal­is­tis­ch­er Sicht sich­er ein furcht­bar­er Begriff ist (oder hat da jemand Gegenargumente?).
    Bei dem “Quas­seln”, wie Ana­tol ja schon erläutert hat, han­delt es sich jedoch um eine sub­jek­tive Ein­schätzung der Rede­beiträge von Adhim, in denen diese automa­tisch entwertet wur­den. Da wurde qua­si mit einem Spitz­na­men eine Wer­tung über die intellek­tuellen bzw. rhetorischen Fähigkeit­en von Adhim ver­bre­it­et, die so sich­er nicht jed­er unter­schreiben würde (ob man jet­zt Adhim zus­timmt oder nicht). Das sind große Unter­schiede, würde ich jet­zt mal so steil behaupten und ger­ade, weil man sich mit einem Spitz­na­men in Anführungsze­ichen so wun­der­bar aus der tat­säch­lichen Nutzung her­aushal­ten kann (bzw. so tun kann als würde man sich her­aushal­ten), ver­bre­it­et sich sowas dann in Medi­en, in denen solche Begriffe nichts zu suchen haben.
    Übri­gens, Die ZEIT ver­wen­dete den “Protzbischof” sehr kri­tisch (ich zitiere: ”
    polemis­che Übertrei­bung “,), beim “Quas­sel-Imam” war das aber anscheinend alles in Ord­nung so, wie die BILD Adhims Beitrag eingeschätzt hat.

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  14. Ferrer

    Ich finde es merk­würdig, Bild (oder Spiegel) in Kapitälchen zu schreiben, wenn man nicht bei Springer (oder beim Spiegel) arbeit­et. Wenn schon ein Son­der­lay­out, wäre kur­siv mehr als genug der Ehre.

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  15. Schmidt123

    Sprache verän­dert sich nicht von alleine, son­dern sie wird von den Mit­gliedern der Sprachge­mein­schaft verändert.”

    So ist es. Und da gibt es eben auch dumme Men­schen, die dumme Wortschöp­fun­gen er“denken”, die von dum­men Men­schen aufgenom­men und nachge­plap­pert wer­den. “Dön­er-Morde” ist so eine dumme Schöp­fung. Nicht alleine weil sie diskri­m­inierend ist, son­dern weil sie falsch ist. Wer­den da Dön­er ermordet? Oder mor­den Dön­er? Nur ein Beispiel von vie­len dum­men Wortschöp­fun­gen des Schmierblattes. Aber von wem, außer den BILD-Dep­pen (Wortschöp­fung von mir) sollte man son­st solch dumme Wortschöp­fun­gen erwarten?

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  16. Lutz

    Ich halte den Aufhänger der Sprachverän­derung mit den gewählten Beispie­len nicht für passend, da es sich doch um unter­schiedliche Phänomene han­delt. Bei der Sprachän­derung soll ein existieren­der Begriff endgültig aus­ge­tauscht wer­den. Die Begriffe “Dön­er-Morde”, “Quas­sel-Imam” oder “Protz-Bischoff” sind hinge­gen darauf aus­gelegt, sin­guläre Ereignisse oder Per­so­n­en zu beschreiben. Eine langfristige Sprachän­derung ist nicht das Ziel der Sache.

    Das macht die Sache natür­lich nicht weniger unprob­lema­tisch, denn natür­lich möchte man mit den Begrif­f­en eine Diskus­sion von Anfang an in eine bes­timmte Rich­tung lenken. Das machen andere Medi­en aber sicher­lich auch, nur nicht mit diesen eher plumpen Mitteln.

    Die im Artikel angedeutete Befürch­tung, dass die Medi­en ein solch­es Vorge­hen bei christlichen Geistlichen nicht anwen­den wür­den, halte ich mit dem bere­its genan­nten “Protz-Bischoff” für wider­legt. Der von Juliane (siehe oben) behauptete Unter­schied ist nicht überzeu­gend und wirkt eher konstruiert.

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  17. j.

    Es ist wirk­lich extrem wider­lich und erschreck­end, wie da mal wieder ein Feind­bild kon­stru­iert wurde und wird und dazu auch noch von anderen “Jour­nal­is­ten” mit Begeis­terung weit­er­ber­bre­it­et wird. Wenn man sich so in der Jour­naille umschaut, egal in welche Rich­tung (z.B. auch Ukraine), möchte man die Mach­er rauss­chmeißen und mit fähi­gen, ver­ant­wor­tungs­be­wussten Men­schen erset­zen, weil sie Volksver­het­zung betreiben; vielle­icht, ohne dass sie es über­haupt bemerken, aber das macht es auch nicht viel besser.

    Was ich allerd­ings noch entset­zlich­er finde sind so einige Kom­mentare unter diesem Artikel, die das Schüren von Hass auch noch vertei­di­gen! Merkt ihr vor lauter Hass bzw. Angst eigentlich noch irgendwas?

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  18. J. S.

    @Gernot Back
    Sie sprechen von Aber­glauben in Bezug auf Chris­ten­tum, Islam und Bud­dhis­mus. Ist Ihre Mei­n­ung, aber ist es so schw­er zu ver­ste­hen, dass manche Men­schen auch bloß nach den Lehren Jesu, Mohammeds oder Bud­dhas leben? Was hat es mit Aber­glaube zu tun, wenn man nur nach den Lehren lebt?
    Und eins sagt mir Ihr Kom­men­tar: Sie ken­nen den Bud­dhis­mus über­haupt nicht. Im Bud­dhis­mus glaubt man an keinen Gott, aber trotz­dem beze­ich­nen Sie auch diese Weltan­schau­ung als Aberglaube.
    Was sagen Sie zu Agnos­tik­ern? Auch Aber­gläu­bige? Ich bin Agnostiker!

    Tja, Sie Human­ist. Ihre Äußerung ist auch nichts anderes als Gequas­sel. Der Quas­sel-Human­ist! Wow, das passt ja auch!

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  19. jj preston

    Och, ich finde solche Wortschöp­fun­gen aus­ge­sprochen gut.

    Wenn mein Gesprächspart­ner näm­lich solche Kreatio­nen ver­wen­det, weiß ich wenig­stens direkt, dass er ein Bild-Nazi ist und kann ihm die Behand­lung zukom­men lassen, die einem Arschloch gegenüber angemessen ist.

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  20. j.

    Nach dem doch recht aus­führlichen Artikel fällt mir spon­tan das Wort “Quas­sel-Blog­ger” ein. Hof­fen wir mal, dass sich das nicht durchsetzt.

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  21. David Turgay

    Sehr guter Artikel!
    Ich kann die Nörgelei in den Kom­mentaren gar nicht nachvol­lziehen, da haben viele nur Angst, man würde ihnen die Sprache ver­bi­eten wollen. Aber ich finde es wichtig darauf hinzuweisen, dass Sprache eben einen starken Ein­fluss hat und solche Wortkreatio­nen Bilder schaf­fen, die Emo­tio­nen ver­stärken mit denen gegen bes­timmte Grup­pen gekämpft wird. Natür­lich wird der “Quas­sel-Imam” nicht für die Ewigkeit bleiben, aber er wird mit zum neg­a­tiv­en Islam­bild beitra­gen, dass die Medi­en so gerne anfeuern. Dass ist beim “Protz-Bischof” nicht anders, aber mit der protzi­gen katholis­chen Kirche ken­nen sich die meis­ten Deutschen halb­wegs aus, mit dem bedrohlichen Islam eher nicht. Insofern sehe ich da einen großen Unter­schied und mehr Gefahrenpotenzial.

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  22. j.

    …aber super Artikel. Ist mir auch gle­ich aufgefallen. 

    Das Ganze ist schon aus dem Rud­er gelaufen, als Buschkowsky den Aus­führun­gen des Imam trau­riger­weise nichts zu ent­geg­nen hat­te außer einem unver­schämten, aber pub­likum­swirk­samen “Kön­nen Sie mal die Bap­pen hal­ten”. Was ist das schön, wenn man endlich jemand gefun­den hat, der offen­sichtlich ver­ant­wortlich ist für das Abdriften der Jugend…

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  23. M. L.

    Das ist ein sehr guter, da unaufgeregter Beitrag. Selb­st wenn sich Wortschöp­fun­gen wie die genan­nte nicht ‘durch­set­zen’, zeigen sie doch den per­fi­den Anspruch, der dahin­ter ste­ht: Alle Men­schen (oder auch: “Ganz Deutsch­land”, wie die BILD gern schreibt sollen gefäl­ligst so denken.Wer viel redet, der “quas­selt” eben nur, und ich muss mir keine eige­nen Gedanken darüber machen.So hät­ten sie das gern. Let­ztlich snd solche Wortkreatio­nen (das zeigt ein Blick auf die merk­würdi­gen Wortschöp­fun­gen der BILD-Zeitung auf bildblog.de deut­lich) nichts anderes als Infan­til­i­sisierun­gen, gern auch mit eben­so infan­tilen wie verklemmten Sex­u­al­bezü­gen. BILD traut sich ja nicht ein­mal, das Wort “Arsch” auszuschreiben, son­dern set­zt ver­schämte Sternchen, um Scham vorzutäuschen, wo sie doch eben­so pornografisch wie prüde ist.Das Foto daz ist natür­lich da. So ver­mit­telt sich ein dok­trinäres Men­schen­bild: BILD als Volk­sempfänger (inklu­sive der Wer­bung für irgendwelche “Volk­szahn­bürsten, und was weiß ich noch alles).Dass andere Medi­en diese Ter­mi­ni ver­schämt als “Soge­nan­nt” in Anführun­gen set­zen, ist schlimm.Dahinter ste­ht das Ziel,eingestanden oder nicht, kom­plizierten Sachver­hal­ten ein Etikett aufzuk­leben, an das sich die Gefol­gschaft gefäl­ligst zu hal­ten hat. Und das Volk macht ja mitunter fröh­lich mit. Irgend­wo bei Adorno ste­ht: “Wenn an einem Tag die deutschen Faschis­ten ein Wort wie “untrag­bar” lancieren, dann sagt mor­gen das Ganze Volk: “untragbar””.Hier öffnet sich ein weites Feld. Das furcht­bare Wort “alter­na­tiv­los” gehört dazu; das quatscht inzwis­chen ein jed­er nach.Schlussendlich ver­birgt sich dahin­ter nichts anderes als der Hass auf alles, was Denken und reflek­tieren kann und damit der “Hass, auf alles, was anders ist.” Wenig trostre­ich scheint, dass vie­len der BILD-Wortschöp­fun­gen eine komis­che Kraft innewohnt, der­er sich die Schöpfer der Pro­duk­te wohl kaum bewusst sind.

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  24. dajolt

    Beim Laber­priester ist mir sofort aufge­fall­en, dass das Wort schon im Sprachge­brauch ist.
    Zumin­d­est im hohen Nor­den Deutsch­lands, wo jed­er sus­pekt ist, der zuviel redet.
    Ins Fernse­hen hat’s der Begriff auch geschafft. z.B. über die Heute-Show.

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Es ist insofern ein redak­tioneller Beitrag, als er auf­grund ein­er redak­tionellen Entschei­dung veröf­fentlicht wurde (Leser/in­nen-Kom­mentare aus offe­nen Foren etc. habe ich weggelassen).

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  25. Daniel

    Meine Güte M.L., wie kann man da nur so viel hinein­le­sen. Jede einzelne der Behaup­tun­gen halte ich für absurd:

    den per­fi­den Anspruch: … Alle Men­schen … sollen gefäl­ligst so denken”

    Let­ztlich snd solche Wortkreatio­nen … nichts anderes als Infan­til­i­sisierun­gen, gern auch mit eben­so infan­tilen wie verklemmten Sexualbezügen.”

    ein dok­trinäres Men­schen­bild: BILD als Volksempfänger”

    Dass andere Medi­en diese Ter­mi­ni ver­schämt als “Soge­nan­nt” in Anführun­gen set­zen, ist schlimm.Dahinter ste­ht das Ziel,eingestanden oder nicht, kom­plizierten Sachver­hal­ten ein Etikett aufzuk­leben, an das sich die Gefol­gschaft gefäl­ligst zu hal­ten hat.” ??

    Schlussendlich ver­birgt sich dahin­ter nichts anderes als der Hass auf alles, was Denken und reflek­tieren kann und damit der “Hass, auf alles, was anders ist.””

    … dass vie­len der BILD-Wortschöp­fun­gen eine komis­che Kraft innewohnt, der­er sich die Schöpfer der Pro­duk­te wohl kaum bewusst sind.”

    Das ist hier ein ganz komis­ches Bild von den Medi­en. Höchst berech­nend, völ­lig per­fid und has­ser­füllt die Men­schen bee­in­flussend (zu welchem Zweck eigentlich??) und sind sich der innewohnen­den Kraft doch nicht bewusst. Wie geht das denn? Fehlt nur noch, dass sie die Wel­trev­o­lu­tion anzetteln.

    Die Jour­nal­is­ten suchen ein­fach nach eingängi­gen Begrif­f­en, die ein aktuelles The­ma grif­fig umschreiben. So entste­ht dann halt Quas­sel-Imam, Jauch-Predi­ger, Protz-Bischof, Islam-Talk, Dön­er-Mord und Water­gate-Skan­dal. Höchst sel­ten über­lebt so ein Begriff. Naturgemäß gibts halt ab und zu einen (ekla­tan­ten) Fehlgriff, wie bei allen Berufen. Mehr steckt nicht dahinter.

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  26. M. L.

    @ Daniel: Sie haben insofern recht, als dass Jour­nal­is­ten natür­lich nach grif­fi­gen Worten suchen. Und die meis­ten dieser Wortschöp­fun­gen set­zen sich (und das ist gut so) nicht durch. 

    Diese Wortschöp­fun­gen meinen den­noch etwas, son­st wür­den sie ja nicht vom Chef vom Dienst abgenom­men und auf die Titel­seit­en gebracht. Zum Beispiel: “Dön­er-Morde”. Dies Etikett bedeutet: Es spielt keine Rolle, ob Neon­azis türkische Men­schen erschossen haben. Um die Men­schen geht es auch gar nicht, son­dern um “Dön­er”. Diese Wortschöp­fung ist nicht ein­fach nur präg­nant oder grif­fig, sie vernebelt den ganzen Sachver­halt. Die Men­schen kom­men darin gar nicht mehr vor, son­dern bloß vage Assozi­a­tio­nen. Irgend etwas mit Dön­ern halt. Dass das poli­tisch motivierte Morde waren, die von Killern aus Hass gegen ver­meintliche Min­der­heit­en began­gen wur­den, wird damit belan­g­los gemacht. Das hat nicht nur etwas mit ver­meintlich grif­fi­gen For­mulierun­gen zu tun. Da wird die Welt, weil eben nahezu alle Vorgänge der­art beze­ich­net wer­den (eine einzige Aus­gabe der BILD-Zeitung reicht als Lek­türe aus und, wie gesagt, ein Blick in die BILD-Wortschöp­fun­gen auf bildblog.de) zum Kasper­le-The­ater, in dem alles gle­ichrangig nebeneinan­der erscheint, eben von den “Dön­er-Mor­den” bis zum “Super-Ar***”, wobei BILD sich denn auch gern zu schä­men scheint,ihn als Arsch zu beze­ich­nen — man ist ja fein und sagt so etwas nicht (welche Heuchelei).

    Diese Form der Eineb­nung empfinde ich freilich als furchtbar.

    Es ist eben Reklame­sprache; das ist das Wider­wär­tige daran.

    Die unfrei­willige Komik von BILD-Über­schriften wie (wenn ich mich recht erin­nere) “Lot­tozahlen immer blöder” oder “Gericht entsch­ied: Alle dür­fen ‘Pim­mel’ sagen”, oder “Hat Gen­sch­er neue Ohren?” sei dahingestellt. Das ist Real­satire, ohne dass die Redak­teure das ver­mut­lich merken.

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  27. Jan Schreiber

    @Juliane: Nach meinem Sprachge­fühl bein­hal­tet ‘quas­seln’ nicht zwin­gend eine inhaltliche Abw­er­tung dessen, was gequas­selt wird. Es ist ein sehr salop­per Aus­druck, klar, aber ich wäre nicht belei­digt, wenn mich jemand als Quas­sel-Irgend­was beze­ich­nen würde.

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  28. Detlef Schnittke

    Ich ver­ste­he nicht, was an der Wort­bil­dung “Quas­sel-Imam” so viel schlim­mer ist als z.B. “Sprach­nör­gler” (außer man ist der Ansicht, religiöse Titel­träger eigneten sich per se nicht für so etwas).
    Der kleine “Schritt, eine Beze­ich­nung für eine ganze Gruppe von Men­schen daraus zu machen…” ist im zweit­en Beispiel übri­gens auch schon getan.

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