Das Weib, das Anna, das Merkel: Wie neutral sind Frauen?

Von Damaris Nübling

Die Frau, die Mut­ter, die Nonne – der Mann, der Vater, der Mönch: dass fast alle Beze­ich­nun­gen für Frauen auch gram­ma­tisch Fem­i­ni­na und die für Män­ner gram­ma­tisch Maskuli­na sind, dürfte kein Zufall sein. Das gram­ma­tis­che Geschlecht (man beze­ich­net es auch als »Genus«) scheint etwas mit dem biol­o­gis­chen oder sozialen Geschlecht (»Sexus« bzw. »Gen­der«) zu tun zu haben. Das hat neg­a­tive Kon­se­quen­zen für das sog. gener­ische Maskulinum: Weil gram­ma­tis­che Maskuli­na im Deutschen kog­ni­tiv so eng mit dem männlichen Geschlecht ver­bun­den sind, sind sie ungeeignet dazu, gle­icher­maßen auf Män­ner und auf Frauen Bezug zu nehmen. ((Das zeigen alle Unter­suchun­gen zum The­ma, eine davon wird hier vorgestellt.))

Herr – Frau – Fräulein …

Sucht man nach Wörtern, die dieses sog. Genus-Sexus-Prinzip »ver­let­zen«, stößt man dahin­ter auf Per­so­n­en, die den üblichen Rol­len­er­wartun­gen nicht nachkom­men, z.B. auf schwule Män­ner (die Memme, die Schwuch­tel, die Tunte) und auf sich »zu« männlich gerierende Frauen (der Vamp, der Drache). Für nicht rol­lenkon­forme Frauen wird jedoch noch öfter etwas anderes gewählt, und zwar das dritte Genus, das Neu­trum. Es enthält (im Ver­gle­ich zu den bei­den anderen Gen­era) mit Abstand die wenig­sten Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen, scheint also tat­säch­lich eine Art »säch­lich­es« Genus zu sein.

In diesem Beitrag stelle ich Ihnen zunächst einige inter­es­sante Forschungsergeb­nisse zum Sta­tus der Neu­tra im deutschen Sprach­sys­tem vor — sie sind näm­lich kaum wert­neu­tral auf erwach­sene Men­schen anwend­bar und ballen sich beson­ders dort, wo man schlecht über Frauen spricht. Wenn Sie aber zum Beispiel von der Mosel, aus der Eifel oder dem Hun­srück kom­men, ken­nen Sie vielle­icht ganz alltägliche, neu­tral gemeinte Wörter für Frauen: Die Ruf­na­men. Da schreibt das Sabine dem Franziska eine SMS, weil das Han­na ihm etwas mit­brin­gen soll, und abw­er­tend ist das nicht gemeint. Benutzt man das Neu­trum allerd­ings für Fam­i­li­en­na­men von Frauen, die mächtig sind, poli­tisch eine große Rolle spie­len, bekommt es einen ganz anderen Beik­lang: Über das Merkel lässt sich nicht ohne böse Absicht sprechen. Wie kommt es, dass Neu­tra ein­er­seits so neg­a­tiv, ander­er­seits aber neu­tral oder gar pos­i­tiv auf Frauen bezo­gen wer­den kön­nen? Bei­des lässt sich auf eine gemein­same Erk­lärung zurück­führen, die in unseren Gesellschaftsstruk­turen wurzelt.

Fan­gen wir mit der Frage danach an, wann man säch­liche Sub­stan­tive für Frauen ver­wen­det und welche das eigentlich sind. Die bei­den Genus­forsch­er Michael Köpcke und David Zubin haben 2003 einen inter­es­san­ten Auf­satz veröf­fentlicht, in dem sie für Frauen­beze­ich­nun­gen zwei gram­ma­tis­che Optio­nen beschreiben: Das Fem­i­ninum für erwach­sene, möglichst ver­heiratete, sozial inte­gri­erte und anerkan­nte Frauen – das Neu­trum dage­gen für Mäd­chen und unreife Frauen und/oder solche, die (aus männlich­er Sicht) ihrer Ehre oder Attrak­tiv­ität ver­lustig gin­gen (oft sind diese heute richtige Schimpfwörter): das Weib, das Frauen­z­im­mer, in vie­len Dialek­ten das Men­sch (für eine lieder­liche Frau), auch Anglizis­men wie das Girl, das Pin-up, das Play­mate, die die Frau als Sex­u­alob­jekt darstellen. Hinzu treten viele metapho­rische Schimpfwörter wie das Schaf, Aas, Lud­er, Loch, Ding, Stück, Ekel, bei denen man zuerst ein­mal denkt, sie seien wegen ihres neg­a­tiv­en Bedeu­tungs­ge­halts gewählt worden.

Köpcke/Zubin gehen jedoch noch einen Schritt weit­er: Die Tat­sache, dass es über 100 solch­er neg­a­tiv­er Neu­tra für Frauen gibt, dage­gen nur eine Hand­voll für Män­ner, lässt sie ver­muten, dass man bei solchen Wörtern, die Frauen degradieren, primär nach Neu­tra sucht (der neg­a­tive Inhalt wird natür­lich eben­falls genutzt). Damit lässt sich auch erk­lären, weshalb für Frauen so viele Verkleinerungs­for­men (»Diminu­ti­va«) ver­wen­det wer­den (Mäd­chen, Fräulein, Flittchen, Entchen): Natür­lich drück­en sie Klein­heit, Unwichtigkeit und Niedlichkeit aus, aber sie brin­gen eben auch das Neu­trum mit. Kurzum: Das Neu­trum kommt überzufäl­lig häu­fig dann vor, wenn pejorisierend auf Frauen und Mäd­chen Bezug genom­men wird. ((Auch für Män­ner gibt es einige Neu­tra, doch ungle­ich weniger, die sich außer­dem nicht exk­lu­siv auf sie beziehen: das Arschloch, das Schwein, das Groß­maul.))

Der Berlin­er Sprach­wis­senschaftler Man­fred Krif­ka hat 2009 die 600 häu­fig­sten Sub­stan­tive danach analysiert, ob sie Lebe­we­sen beze­ich­nen. Bei diesen »belebten« Sub­stan­tiv­en stellte er fest, dass 69% maskulin (Gast, Fahrer), aber nur 16% fem­i­nin (Per­son, Frau) und 9% neu­tral (Kind, Mit­glied) sind; die restlichen sind Plu­rale (Leute, Arbeit­slose). Nur Lebe­we­sen sind typ­is­cher­weise hand­lungs­fähig ((Wenn sie han­deln, beze­ich­net man sie in der Gram­matik als »Agens«.)), sie wer­den mit dynamis­chen Ver­ben ver­bun­den, verän­dern Objek­te, kurz: üben Ein­fluss auf die Umwelt aus. Je »agen­tiv­er« ein han­del­ndes Lebe­we­sen, desto promi­nen­ter tritt es im Sprachge­brauch auf. Die früheren Briefvor­drucke mit der Abfolge Herr/Frau/Fräulein reflek­tieren dieses Agen­tiv­itäts­ge­fälle: Nicht zufäl­lig ste­ht vorne das hand­lungs­fähig­ste Maskulinum, danach das wenig agen­tive Fem­i­ninum und hin­ten das hand­lungss­chwäch­ste Neu­trum. Solche agen­tiv­itäts­ges­teuerten Abfol­gen bilden wir ständig – wie z.B. in der Zeitungsüber­schrift »Fröh­liche Botschaft – Poli­tik für Mann, Frau, Kind und Hund«.

Das Rita und der Peterle

 In vie­len Dialek­ten im West­en des deutschen Sprachge­bi­ets gibt es neu­trale weib­liche Vor­na­men vom Typ et/dat Rita, im Süden s’ Rita, also ‚das Rita‘. ((Diese Namen sind nicht mit ein­er Endung wie -chen verklein­ert — dann würde man sich über das neu­trale Genus nicht so sehr wun­dern.)) Für Män­ner­na­men sind solche Neu­tra unbekan­nt. Sprach­wis­senschaftlich wurde dieses Neu­trum-Are­al bis­lang kaum unter­sucht, eben­so wenig, wann genau dieses Neu­trum ver­wen­det wird und wie es ent­standen ist. Manche glauben, die häu­fige Diminu­tion weib­lich­er Vor­na­men habe zur Ver­all­ge­meinerung des Neu­trums geführt, z.B. das Annchen > das Anna. Das ist jedoch zu ein­fach und wahrschein­lich falsch. ((Darauf gehen wir in Nübling/Busley/Drenda 2013 ein; Infor­ma­tio­nen zu unserem Forschung­spro­jekt find­en Sie hier.))

Die Karte zur gesproch­enen All­t­agssprache aus dem AdA zeigt die unge­fähre Ver­bre­itung des Phänomens, die gel­ben und rosa Punk­t­sym­bole beze­ich­nen die Namenneutra:

In manchen Dialek­ten kön­nen weib­liche Vor­na­men sowohl im Neu­trum als auch im Fem­i­ninum ste­hen. Das hängt dann von der Beziehung des Sprech­ers bzw. der Sprecherin zur benan­nten Frau ab: Ist sie jung (gar ein Mäd­chen), bekan­nt, sym­pa­thisch, wom­öglich mit der SprecherIn ver­wandt und sozial tiefer­ste­hend, dann ver­wen­den fast alle Dialek­te das Neu­trum – ist sie älter, zuge­zo­gen, wom­öglich Ärztin oder Lehrerin, d.h. sozial hochste­hend, dann tritt sie ins Femininum:

2015-09-Anna_FaktorenWas sich in den einzel­nen Dialek­ten unter­schei­det, ist, welche Fak­toren davon jew­eils rel­e­vant geset­zt wer­den. In der Deutschschweiz sind z.B. auch die Namen betagter Tan­ten, Müt­ter und Großmüt­ter Neu­tra, da diese Frauen mit der SprecherIn ver­wandt sind; hier ist das Alter weit­ge­hend irrel­e­vant – Ver­wandt- und gute Bekan­ntschaft sind wichtiger. In anderen Dialek­ten müssen die Frauen jung sein, um ins Neu­trum zu ger­at­en – oder es spielt eine Rolle, ob die benan­nte Frau ver­heiratet ist oder nicht. In einem von uns unter­sucht­en Dialekt beze­ich­net ein kon­textfrei geäußertes es – ohne jeglichen Bezug auf eine vor­ge­nan­nte Frau – die Ehe­frau: Bei »Es ist ger­ade nicht zuhause« kann es sich nur um die Ehe­frau des Sprech­ers han­deln (s. Nübling/Busley/Drenda 2013, S. 182).

Da die Namen­neu­tra den Nor­mal­fall darstellen, wirken sie keines­falls neg­a­tiv, eher sog­ar pos­i­tiv, auf jeden Fall ver­traut. Auch die betr­e­f­fend­en Frauen bzw. Mäd­chen stellen sich selb­st im Neu­trum vor, z.B. am Tele­fon: »Hal­lo, hier isch ‘s Rita!«. Die näch­ste Abbil­dung stellt das den Ver­hält­nis­sen für Jun­gen und Män­ner in süd­badis­chen und Schweiz­er Dialek­ten gegenüber. Der obere Pfeil bet­rifft Frauen, der untere Män­ner. Die Neu­tra sind rosarot, die sexuskon­gru­ente Genusver­wen­dung (also Fem­i­ninum bei Frauen, Maskulinum bei Män­nern) dunkel­blau. Um auch das unter­schiedliche Ver­hal­ten bei diminuierten Namen zu erfassen, wur­den Gertru­dle und Peter­le mit der Verkleinerungsendung -le ‚-lein‘ aufgenommen.

2015-09-GertrudPeterSelb­stver­ständlich gilt auch für das Ale­man­nis­che, dass sämtliche diminuierte Sub­stan­tive Neu­tra sind – nur bei den männlichen Vor­na­men ergibt sich eine merk­würde Aus­nahme: Hier sind es lediglich kleine Jun­gen, deren diminuiert­er Vor­name (s’ Peter­le) das Neu­trum aus­löst (eine Infor­man­tin gab an: Babys und Jun­gen im Kinder­garten), während ältere Jun­gen, Halb­wüch­sige und erwach­sene Män­ner – allen gram­ma­tis­chen Regeln zum Trotz – masku­line Diminu­tive erhal­ten (de® Peter­le). Nor­maler­weise wer­den männliche Vor­na­men sel­tener diminuiert, meist wird die Nor­mal­form sexusentsprechend im Maskulinum ver­wen­det (der Peter). Was bei Män­nern vol­lkom­men aus­geschlossen ist, bei Frauen hinge­gen den unmarkierten Nor­mal­fall darstellt, ist der volle Name im Neu­trum: s’ Gertrud, aber *s’ Peter.

Was ste­ht hin­ter diesen ekla­tan­ten Genus­ge­gen­sätzen? Man kön­nte ver­muten, dass Frauen im Neu­trum größere Wertschätzung und Wärme zukommt, schließlich wehren sich die Betr­e­f­fend­en nicht dage­gen und ver­wen­den die For­men sel­ber, sowohl mit Bezug auf sich selb­st als auch auf andere ver­traute Mäd­chen und Frauen. Das Neu­trum ist per se nicht degradierend. Den­noch ver­wun­dert die Asym­me­trie: Warum bet­rifft dies nicht auch ver­traute Jun­gen und Män­ner? Die Antwort lautet mit Nes­set (2001:220): »Wo­man’s place in man’s world is at home«. Neu­trale Stre­ichelein­heit­en gibt es nur für solche Frauen, die sich im männlichen Kon­troll­bere­ich aufhal­ten, also in Haus und Hof: Es ist die domes­tizierte, die unge­fährliche, ver­wandte, befre­un­dete, junge Frau, das Mäd­chen, das ins fre­undliche Neu­trum tritt. Pro­to­typ dürfte die Ehe­frau sein. Frauen, die sich jedoch nicht in diesen Radius ein­fü­gen, die als Konkur­rentin in den beru­flichen Aktion­sra­dius des Mannes »ein­drin­gen« und sich dort sein­er Kon­trolle entziehen (bzw. wom­öglich ihn kon­trol­lieren), wer­den mit dem sexus­kongruenten Fem­i­ninum beze­ich­net. Solche »gefährlichen« Frauen wer­den also gram­ma­tisch ern­stgenom­men, hier gilt die son­st – und bei Män­nern immer – übliche Genus-Sexus-Entsprechung.

Es gibt Dialek­te (wie das Bern­deutsche), wo Frauen­na­men im Fem­i­ninum sog­ar dezi­diert neg­a­tiv und abw­er­tend sind; sie drück­en Auf­säs­sigkeit, Grob­heit, zu viel Macht aus, und keines­falls sind solche Frauen für Män­ner begehrenswert. Zu mächtige, gefährliche Frauen wer­den hier mit dem Fem­i­ninum abges­traft. Der Nor­mal­fall im Bern­deutschen lautet: Weib­liche Vor­na­men sind Neutra.

Das Merkel: Disziplinierung (zu) mächtiger Personen

Aus einem Beitrag über Angela Merkel im Spiegel vom 18.05.13 erfuhr ich, dass sie bisweilen auch »das Merkel« genan­nt werde. Beim Googeln stieß ich auf Hun­derte solch­er Belege, v.a. in Kom­mentaren, Foren, Blogs. Die Gegen­probe ergab dage­gen nicht einen einzi­gen echt­en Beleg für »das Kohl« und nur eine Hand­voll für »das Schäu­ble«. Zunächst stößt man bei der Eingabe von »das Merkel« auf durch­weg geschmack­lose, hochgr­a­dig sex­is­tis­che Bilder. Die harm­los­es­ten zeigen unvorteil­hafte Bilder, mit denen man sich, selb­st nach Jahren, immer noch über Merkels Frisur mok­iert. Doch auch ver­bal wird mit dem Neu­trum fast aus­nahm­s­los degradiert:

»Das Merkel« … [basierend auf Internetbelegen]

hat keine Ahnung [z.B. von Demokratie], weiß nicht, was es tut, begreift nichts, kann sich nicht entschei­den, han­delt nicht, bezieht nie Posi­tion, belügt die Bevölkerung dümm­lich, zaud­ert und zögert, merkt es nicht, kann sich nicht durch­set­zen [bei Banken, Klimagipfeln], ver­passt Chan­cen, ver­anstal­tet eine Sauerei, rotiert, trifft sich mit mächti­gen Staatschefs und redet ihnen nach dem Mund, kriecht ihnen hin­ten rein, lässt sich über den Tisch ziehen, knickt ein, umgibt sich mit einem Eunuchen-Stadl, nimmt sich ein Beispiel. Es muss weg, man muss es rauss­chmeißen, ver­hin­dern, hin­ter der Mauer wegschließen, man kann es in die Tonne klop­pen, es darf nicht Kan­zler wer­den, ist fehl am Platz, ein großer Schaden für die Demokratie. Auch bun­deskan­zlert es, ist es doch nur Bun­deskan­zlöse, Kan­zlette, Faselkan­z­lerin. Es täuscht hin­weg [z. B. über die Wirtschaft­slage], heuchelt, irrt (nicht), rotiert, betrügt und belügt das Volk, schafft gute Stim­mung, schwimmt in Cham­pag­n­er, ver­prasst Steuergelder, dreht sich krei­de­ble­ich um. Es schaut zu gries­grämig, lacht zu wenig, trägt die falschen Haare und Klei­der. Es glaubt, schwätzt, schwafelt, plap­pert, plaud­ert, erzählt, for­muliert, redet schön, redet Quark, kann nicht reden, predigt, gibt von sich, denkt sich was, behauptet, mah­nt, meint, genießt, nickt mit dem Kopf, kann es kaum erwarten, sitzt irgend­wo, sitzt es aus.

Analysiert man die Qual­ität der Degradierung, dann find­en sich zwei Leit­mo­tive: »Das Merkel« ver­sagt als Poli­tik­erin, und es ver­sagt als Frau. Bekan­ntlich war Angela Merkel zuerst »das Mäd­chen«, und als sie Kan­z­lerin wurde, mutierte sie direkt zur »Mut­ti«. Das pure Frau­sein wird ihr kon­se­quent ver­wehrt, dies bele­gen die vie­len Beispiele, die »das Merkel« auf Frisur und Klei­der reduzieren, die immer verkehrt sind. Sie darf nicht mit­spie­len in dem medi­alen The­ater, das Frauen aus männlich­er Per­spek­tive evaluiert. Schließlich ver­let­zt sie min­destens zwei wichtige Spiel­regeln: Sie inter­essiert sich für ihr Äußeres eben­so viel wie die meis­ten Män­ner, näm­lich kaum, und sie strebt, wie viele Män­ner auch, nach Macht. Dafür wird sie mit dem Entzug des Fem­i­ninums bestraft – aber nicht etwa ins Maskulinum erhoben. Sie wird durch das Neu­trum aus der Geschlechterord­nung ver­ban­nt: Es scheint schlim­mer zu sein, gar kein Geschlecht zu haben als das falsche. So wird Gui­do West­er­welle zwar oft ins Fem­i­ninum geset­zt, um ihn – siehe oben – wegen sein­er Homo­sex­u­al­ität abzuw­erten, doch gerät er nicht ins Neutrum.

Was genau leis­tet hier das Neu­trum? Die Funk­tion der Neu­tral­isierung beste­ht in ein­er Agen­tiv­ität­sre­duk­tion. Auf­fäl­liger­weise fol­gen auf »das Merkel« nur wenige tran­si­tive Hand­lungsver­ben, also solche, die Angela Merkel als mächtiges Agens erscheinen lassen, als das sie Objek­te bee­in­flusst, steuert, verän­dert – und wenn, dann sind solche Hand­lungsver­ben meist verneint. Vielmehr befind­et sich »das Merkel« oft in Pas­sivkon­struk­tio­nen, in denen ihr etwas wider­fährt, sie wird – Zitate: ver­achtet, aus­gelacht, dif­famiert, abgewählt, gestürzt. Sie han­delt nicht selb­st, vielmehr ist sie direk­tes Objekt der Hand­lun­gen ander­er. Dies ist eine sub­til-gram­ma­tis­che Meth­ode, die mächtig­ste Frau Europas zu entmachten.

Damit ste­hen wir vor einem schein­baren Wider­spruch: Neu­trale weib­liche Vor­na­men drück­en Wertschätzung aus, neu­trale Fam­i­li­en­na­men aber offene Aggres­sion. Es han­delt sich jedoch um die zwei Seit­en der gle­ichen Medaille. Kehren wir noch ein­mal zu dem Auf­satz von Nes­set (2001) zurück, dessen Faz­it lautet: »Wo­man’s place in man’s world is at home«. Wertschätzung (auch gram­ma­tis­che) erfährt diejenige Frau, deren Aktion­sra­dius (zumin­d­est früher) die Haustür nicht über­schre­it­et (Ver­wandte, Ehe­frau, Mäd­chen) – und entsprechende Miss­bil­li­gung diejenige, die Haus und Hof ver­lässt und in den Hand­lungs­bere­ich der Män­ner ein­dringt. Hier erfährt sie durch die Neu­tral­isierung eine Diszi­plin­ierung, gram­ma­tis­ch­er aus­ge­drückt: eine De-Agen­tivierung und In-Ani­mati­sierung. Wie wir oben gese­hen haben, ist das Neu­trum das Genus, das die wenig­sten belebten Objek­te enthält. Das Neu­trum ste­ht also für Unbelebtheit und Handlungsunfähigkeit.

Vor­na­men set­zen immer eine Duz‑, also Nähe-Rela­tion voraus und belo­bi­gen die ver­traute, unge­fährliche Frau mit dem Neu­trum – Fam­i­li­en­na­men set­zen dage­gen eine Siez‑, also Dis­tanz-Rela­tion voraus. Sie diszi­plin­ieren bzw. degradieren die allzu agen­tive, »gefährliche« Frau mit dem Neu­trum. Ähn­lich­es gilt für säch­liche Frauen­beze­ich­nun­gen wie Weib, Frauen­z­im­mer, Fräulein, Ding, Stück. Die gemein­same Funk­tion bei­der Neu­tra beste­ht in ein­er Platzan­weisung. Haben Frauen bere­its ihren ohn­mächti­gen Platz inne, wirkt das Neu­trum affir­mierend-wertschätzend, haben sie ihn nicht inne, so weist ihnen das Neu­trum diesen Platz zu, wirkt es diszi­plin­ierend-aggres­siv. In bei­den Fällen han­delt es sich um eine Art gram­ma­tis­che Zäh­mung oder Läh­mung. In patri­ar­chalen Gesellschaften bes­tim­men Män­ner über Platz und Aktion­sra­dius der Frauen. Toi­let­ten­schilder mit bre­it­beini­gen Män­nern und ein­beini­gen Frauen kün­den noch heute von dem Raum, den Män­ner sich und den Frauen zuweisen. Auch dass typ­is­che Frauen­berufe weniger ver­di­enen, zeugt von der gerin­geren Wertschätzung weib­lich­er Agentivität.

Somit lässt sich zusam­men­fassen, dass sich jahrhun­derte­langer Androzen­tris­mus tief in die Gram­matik einge­graben hat und sich noch heute in der Möglichkeit zeigt, weib­liche Vor- und auch Fam­i­li­en­na­men ins Neu­trum set­zen zu kön­nen. Dass auch andere Bevölkerungs­grup­pen durch das Neu­trum degradiert wer­den kön­nen, belegt die fol­gende Beobach­tung des Namen­forsch­ers Adolf Bach (1952, 46):

 Mir nicht deut­bar ist die Tat­sache, daß in Bad Ems und weit­er­hin am Mit­tel­rhein um 1900 die Fam­i­li­en­na­men der Juden vielfach mit säch­lichem Geschlecht gebraucht wur­den: das bzw. ’s Gold­fisch, ’s Löwen­stein, ’s Rosen­heim, ’s Baruch usw. Geht diese Form auf eine Eige­nart des Juden­deutschs zurück, oder liegt in ihr eine Verächtlich­machung? Meines Wis­sens wur­den die genan­nten For­men damals nicht vor den betr. Juden selb­st gebraucht.

Mit Blick auf »das Merkel« lässt sich diese Tat­sache dur­chaus deuten: Es ist Verächtlichmachung.

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Damaris Nübling ist Pro­fes­sorin für his­torische Sprach­wisssen­schaft des Deutschen an der Uni­ver­sität Mainz, Mit­glied der Mainz­er Akademie der Wis­senschaften und der Lit­er­atur und Trägerin des Kon­rad-Duden-Preis­es. Neben his­torischen Sprach­stufen erforscht sie aktuelle Vari­a­tions- und Wan­delphänomene, ein Schw­er­punkt ihrer Arbeit liegt außer­dem auf der Namen­forschung.

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Lit­er­atur:

Bach, Adolf (1952): Deutsche Namenkunde I. Die deutschen Per­so­nen­na­men Teil­band 1. Heidelberg.

Elspaß, Stephan/Möller, Robert (2003ff.): Atlas zur deutschen All­t­agssprache (AdA).

Köpcke, Klaus-Michael/Zu­bin, David (2003): Metonymic path­ways to neuter-gen­der human nom­i­nals in Ger­man. In: Pan­ther, Klaus-Uwe/Thorn­berg, Lin­da (eds.): Metonymy and Prag­mat­ic Infer­enc­ing. Amsterdam/Philadelphia, 149–166.

Krif­ka, Man­fred (2009): Case syn­cretism in Ger­man fem­i­nines: Typo­log­i­cal, func­tion­al and struc­tur­al aspects. In: Steinkrüger, Patrick/Krifka, Man­fred (eds.): On Inflec­tion. Berlin/New York, 141–171.

Nes­set, Tore (2001): How per­va­sive are sex­ist ide­olo­gies in gram­mar? In Dir­ven, René et al. (eds.): Lan­guage and ide­ol­o­gy, Bd. 1: The­o­ret­i­cal cog­ni­tive approach­es. Ams­ter­dam, 197–226.

Nübling, Damaris/Busley, Simone/Drenda, Juliane (2013): Dat Anna und s Moni­ka – Neu­trale weib­liche Ruf­na­men in deutschen Dialek­ten und im Lux­em­bur­gis­chen als Fall prag­ma­tis­ch­er Genuszuweisung. In: Zeitschrift für Dialek­tolo­gie und Lin­guis­tik 80/2, 152–196.

Nübling, Damaris (2014): Das Merkel – Das Neu­trum bei weib­lichen Fam­i­li­en­na­men als derog­a­tives Genus? In: Debus, Fried­helm et al. (eds.): Lin­guis­tik der Fam­i­li­en­na­men. Ger­man­is­tis­che Lin­guis­tik 225–227. Hildesheim, 205–232.

21 Gedanken zu „Das Weib, das Anna, das Merkel: Wie neutral sind Frauen?

  1. Christian

    Inter­es­sant. Bin neulich näm­lich wieder über fol­gende Aus­sage bei Wikipedia gestolpert, die man auch von vie­len Saalän­derIn­nen häu­fig hört:
    Diese Beson­der­heit der „neu­tralen Frauen“ ist nicht in ein­er Ger­ingschätzung der Frauen begründet…
    Dieser Artikel bestätigt jet­zt meine Mei­n­ung, dass das nicht so ganz richtig sein kann, oder habe ich jet­zt was falsch verstanden?

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  2. Ulrike Haessler

    Alter Hut. Mark Twain: In Ger­man, a young lady has no sex, while a turnip has. Think what over­wrought rev­er­ence that shows for the turnip, and what cal­lous dis­re­spect for the girl. See how it looks in print—I trans­late this from a con­ver­sa­tion in one of the best of the Ger­man Sun­day-school books:
    “Gretchen. Wil­helm, where is the turnip?
    “Wil­helm. She has gone to the kitchen.
    “Gretchen. Where is the accom­plished and beau­ti­ful Eng­lish maiden?
    “Wil­helm. It has gone to the opera.”

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  3. Jens

    Kön­nte bei “das Merkel” nicht auch die laut­liche Ähn­lichkeit zu “Fer­kel” (zumin­d­est Mit-)Auslöser für das Neu­trum sein?

    Das von der Leyen” oder “Das Kraft” (das ist aber auch schwierig zu suchen) hab ich jeden­falls noch nie gele­sen. “Das Drey­er” oder “das Kramp-Kar­ren­bauer” klin­gen für mich auch sehr fremd. Möglicher­weise haben diese auch noch nicht genug medi­ale Aufmerk­samkeit für eine aus­sagekräftige Untersuchung.

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  4. Thomas

    Schön, hier etwas von Ihnen zu lesen, Frau Nübling. An dieser Stelle noch ein Lob für Ihr Ein­führungs­buch in die His­torische Sprach­wis­senschaft des Deutschen — ich habe es sehr gerne gelesen.

    Zum The­ma Namen:
    Ich komme aus der Südp­falz und kenne Wen­dun­gen wie “’s Rosen­heims” auch. Hier wird es aber mit einem “s” am Ende gesprochen, ist nicht auf jüdis­che Namen beschränkt und als Sprech­er analysiere ich es als Gen­i­tiv­form; z. B. “’s Müllers” = “die Fam­i­lie des Müllers”.

    Inter­es­sant ist vielle­icht auch, dass bei uns Nach­na­men eine fem­i­nine Form erhal­ten kön­nen, z. B. “die Müllern” = “Frau Müller”, “die Schmidten” = “Frau Schmidt”. Bei Frau Merkel wird das dann zu “die Merkelsen”, woher das eingeschobene “s” kommt, kann ich mir aber nicht erklären.

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  5. Moritz

    Mir fällt noch ein Pis­pers-Zitat ein: “Und wenn du glaub­st, düm­mer geht’s nicht mehr, kommt von irgend­wo ein Merkel daher”.
    Lei­der nur aus meinem Gedächt­nis zitiert, einen Beleg habe ich auf die Schnelle nicht find­en können.
    Ist aber schon rel­a­tiv alt, vielle­icht schon vor 2000. Eventuell find­et sich ja ein Recherche­p­rofi, der mehr find­et als ich …

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  6. Thomas

    Heißt das, im äußer­sten West­en Deutsch­lands sind die Men­schen patri­archis­ch­er als ander­swo, da diese Form meines Wis­sens nur dort ver­bre­it­et ist?
    Ich dachte immer, Bay­ern sei beson­ders kon­ser­v­a­tiv, aber wir ken­nen hier sog­ar beim Diminu­tiv die Form “D’An­nerl” (neben dem säch­lichen Genus). Inter­es­san­ter­weise sind z.B. auch im Rus­sis­chen Diminu­tive v.a. für Frauen beson­ders beliebt, obwohl da das Genus erhal­ten bleibt.
    “Das Merkel” ist auch der einzige Nach­name, bei dem der säch­liche Artikel jemals halb­wegs gängig war (und auch das eher vor ihrer Kan­zler­schaft), ich kann mich nicht erin­nern, dass mir das anson­sten jemals untergekom­men wäre.

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  7. Sebastian Wiemann

    Frauen sind nun mal niedlich, also ist es auch logisch, daß mehr Neu­tra für sie benutzt werden.

    Frauen und Män­ner haben nun ein­mal eine unter­schiedliche Physis und damit ein­herge­hende Rollen. Einen Faustkeil kann man mit ein­er weib­lichen Hand nicht so gut benutzen geschweige denn bearbeiten.

    Soll dieser Artikel Unter­stützung für die fem­i­nis­tis­che Ide­olo­gie liefern?

    Man kann so einiges for­mal fest­stellen. Die Leute wer­den sich trotz­dem nicht von ihrem Sprachge­brauch abbrin­gen lassen. Auch wenn manche Leute absurde Konzepte ein­er ver­meintlich “geschlechterg­erecht­en Sprache” entwickeln.

    Das Aus­maß an Real­itätsver­leug­nung dieser Men­schen ver­schlägt einem immer wieder die Sprache.

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  8. m

    jahrhun­derte­langer Androzentrismus“

    Dann ist es ja nur gerecht, wenn uns nun eine heiss glühende Andropho­bie in unser kollek­tives Bewusst­sein gedrillt wird. Ach wie schön ist es doch ein Rein­er, Wahrer, Gerechter unter den Men­schen zu sein!

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  9. Franziska

    Es gibt Dialek­te (wie das Bern­deutsche), wo Frauen­na­men im Fem­i­ninum sog­ar dezi­diert neg­a­tiv und abw­er­tend sind;”

    Da gibts allerd­ings sehr grosse Unter­schiede. Das Solothurn­er Deutsch hält Frauen­na­men im Fem­i­ninum für grob, Bern­deutsch eher weniger. Es gibt Bern­er Ober­län­der Dialek­te, wo männliche Vor­na­men (auch von Erwach­se­nen) immer Neu­tra sind.

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  10. Statistiker

    @ Moritz. Von Pis­pers ist der belegt: “Und wenn du glaub­st, blöder geht nicht mehr, kommt von irgend­wo ein Söder her”.

    Sprach­lich auch viel schöner.…..

    Obwohl Her­mann jet­zt ja getopt hat.… mit seinem Ver­triebe­nen­ver­gle­ich.… *hüs­tel*

    Zum The­ma: Da es mir als Nordlicht vergön­nt ist, öfters mal in der Südp­falz aufzukreuzen (schwitzige Ecke um diese JAhreszeit), fiel mir dort schon immer auf, das weib­liche Per­so­n­en mit dem Neu­trum beze­ich­net wur­den. Allerd­ings immer nur im engeren Bekan­ntenkreis und auch nie abfäl­lig, das Anke ist eben ne Nette und ganz Liebe.….

    War zwar unge­wohnt, aber, wie gesagt, immer wertneutral.…

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  11. Kathrin

    Vie­len Dank an Damaris Nübling für den inter­es­san­ten Beitrag. Ich bin im Saar­land aufgewach­sen und meine Freund_innen im Nor­den sind immer sehr schock­iert, wenn sie von dieser Eige­nart meines Mut­ter­dialek­tes erfahren. Jet­zt hab ich etwas ana­lytis­ches Fut­ter zu diesem Phänomen.

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  12. Sebastian

    Das Hilde” ken­nt natür­lich auch jed­er Fam­i­lie-Heinz-Beck­er-Fan. 😉 Danke für diesen infor­ma­tiv­en, sprach­geo­graphis­chen Beitrag. Ich möchte mich Thomas’ Lob anschließen.

    Was mich als mit­tel­hes­sis­chen Regi­olek­t­sprech­er immer wieder aufs Neue fasziniert ist die gän­zliche Abwe­sen­heit von Artikeln vor Eigen­na­men, wie man es auf der Karte in den nör­lichen Gebi­eten des deutschen Sprachraums erken­nen kann. Sowas unökonomis­ches!, fluche ich mir regelmäßig Sekun­den­bruchteile später in Gedanken vor, wenn ich mal wieder von “der Lena”, “dem Jan” oder “dem Pro­fes­sor Rösler” erzähle.

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  13. CH64

    @ Moritz. Für mich bezieht sich ein Merkel auf ihre Hand­lun­gen oder Aus­sagen. Es wird ja auch oft von “einem klas­sis­chen N.N.” gesprochen.
    —————————————

    Die West­er­welle ist ja auch nahe­liegend, es heißt auch die Welle. Weshalb es sich führ mich nicht direkt als Falsch anfühlt.
    Bei das West­er­welle und das Anna legt sich dafür alles quer. Das kann nicht richtig sein.

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  14. Pingback: die ennomane » Links der Woche

  15. Daniel

    … das Neu­trum dage­gen für Mäd­chen und unreife Frauen und/oder solche, die (aus männlich­er Sicht) ihrer Ehre oder Attrak­tiv­ität ver­lustig gin­gen (oft sind diese heute richtige Schimpfwörter): das Weib, das Frauenzimmer, …”

    Das Weib war doch früher eine ganz nor­male Beze­ich­nung für eine Frau, so viel ich weiß, das hat doch nichts mit “ihrer Ehre oder Attrak­tiv­ität ver­lustig gin­gen” zu tun?

    Im Schweiz­erdeutsch scheint mir das Neu­trum auch vom Namen abzuhän­gen: s Vreni, s Hei­di, s Susi sind üblich, s Ruth, s Eri­ka, s Sabine weniger. Das hat viel­licht mit der Endung ‑i zu tun.

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  16. Kristin Kopf

    Hier sind ja mit­tler­weile einige Kom­mentare zusam­mengekom­men, auf die ich als Sprachlogvertreterin kurz einge­hen will:

    @Christian: Jein. Der Artikel zeigt, dass das Neu­trum im Saar­land nicht abschätzig gemeint ist — aber dass es den­noch aus ein­er Kul­tur her­aus ent­standen ist, in der ein Macht­ge­fälle zwis­chen Män­nern und Frauen besteht.

    @Ulrike Haessler: Ich nehme an, der Kom­men­tar hat­te einzig zum Ziel, Mark Twain zu zitieren. Dass der ein alter Hut ist, wis­sen wir, glück­licher­weise geht der Artikel ja viel tiefer und in eine andere Rich­tung als die, sich über das Deutsche lustig zu machen.

    @Thomas (I): Bei den jüdis­chen Namen aus dem Artikel scheint ja kein erstar­rter Gen­i­tiv vorzuliegen (zumin­d­est ist kein Flex­iv am Namenkör­p­er selb­st zu sehen) UND Bach hätte die Beobach­tung wohl nicht notiert, wenn die For­men auch bei den nichtjüdis­chen Namen aufge­treten wären. Zu dem -sen gibt es Lit­er­atur, ich weiß nur grade nicht aus dem Kopf, was — Rudolf Stef­fens müsste dazu was gemacht haben.

    @Thomas (II): Aus dem neu­tralen Artikel lässt sich zwar auf patri­ar­chalis­che Struk­turen schließen, der Umkehrschluss ist aber nicht zulässig.

    @Sebastian: Der Artikel vor Eigen­na­men kann im Nor­den auch vorkom­men — hat aber dann oft eine verächtliche Bedeu­tung. In Mit­tel- und Süd­deutsch­land ist er hinge­gen so gängig, dass er zwar gram­ma­tis­che Struk­turen verdeut­licht (denn man sieht so einem Namen ja son­st nicht an, ob er im Nom­i­na­tiv, Akkusativ oder Dativ ste­ht), aber prag­ma­tisch nichts “liefert”. Auch dazu wurde schon einiges geforscht.

    @Daniel: Soweit ich das sehe, machen Köpcke/Zubin keine Aus­sage darüber, wann das Neu­trum der­art funk­tion­al­isiert wurde — das kön­nte ja auch erst passiert sein, als das Weib schon am Absinken war.
    Die i‑Endung im Schweiz­erdeutschen ist auch ein Diminu­tiv, so wie -lein und -chen, d.h. diese Namen sind natür­lich struk­turell Neu­tra (außer in den Dialek­ten, in denen das “reale” Geschlecht das über­schreibt). Ein Über­gang auf nicht­diminuierte Namen ist dann eben die Beson­der­heit, um die es hier geht, und die in manchen Dialek­ten ganz reg­ulär zu beobacht­en ist.

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  17. Kristin Kopf

    Und @Sebastian Wie­mann: Wir haben den Kom­men­tar mal freigeschal­tet, weil er sich so schön selb­st auseinan­dern­immt. Wenn Sie den Artikel, über den Sie sich so erbosen, dann auch gele­sen haben, reden wir vielle­icht weiter.

    Auch bei @m ist mir völ­lig unklar, wo der Bezug zum Text sein soll bzw. wo der Text irgendwelche män­ner­has­senden Aspek­te besitzen könnte.

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  18. Schorsch

    Ich (Mitte 30, männlich, aus Saar­brück­en) kann das mit den säch­lichen Artikeln bei Frauen­na­men bestäti­gen. Bei sehr viel älteren oder höher­ste­hen­den Frauen würde ich das zu ver­mei­den suchen, aber es kommt zu sel­ten vor, dass ich solche Frauen beim Vor­na­men nenne, als dass ich hier eine feste Regel angeben kön­nte. Denn (kleine Ergänzung): der säch­liche Artikel bei Fam­i­li­en­na­men ist nicht möglich, egal ob mit oder ohne “Frau” davor. Ergänzung 2: nicht nur der Artikel, son­dern auch das Pronomen ist im rhe­in­fränkisch sprechen­den Saar­land für (nicht zu alte und hochste­hende) Frauen säch­lich. Es wird in beton­ter Stel­lung “ääs” ausgesprochen.

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