Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Im Rah­men eines EU-Forschung­spro­jek­tes wollen Sprach­wis­senschaftler der Uni­ver­sität des Saar­lan­des die maschinelle Über­set­zung verbessern. Das ist auch drin­gend notwendig, wenn man sich zum Beispiel fol­gen­den Babelfish-Unfall ansieht, mit dem ein sprach­lich arglos­er Spam­mer neulich mein Ver­trauen zu gewin­nen versuchte:

Danke für Ver­wen­den der Deutsche Bank on-line Über­tra­gung® Dien­stleis­tun­gen. Zwecks abschließende Zus­tim­mung für deine Ver­hand­lung zur Ver­fü­gung stellen, wir benöti­gen zusät­zliche Infor­ma­tio­nen. Bitte Dein on-line Bankkon­to zugänglich machen und zu über­prüfen das die Infor­ma­tio­nen sind kor­rekt und führen deine Ein­schrei­bung durch. Wenn wir nicht von dir inner­halb der fol­gen­den 24 Stun­den hören, wir annul­lieren deine on-line Über­tra­gung® Dienstleistungen.

Diese Verbesserung soll erre­icht wer­den durch eine Kom­bi­na­tion von sym­bol­is­chen Ver­fahren (bei denen anhand gram­ma­tis­ch­er Regeln über­set­zt wird, die die Sprach­wis­senschaftler dem Com­put­er vorher müh­sam beib­rin­gen) und sta­tis­tis­chen Ver­fahren (bei denen anhand sta­tis­tis­ch­er Regeln über­set­zt wird, die der Com­put­er sich durch den Ver­gle­ich existieren­der Orig­i­nale und Über­set­zun­gen selb­st beib­ringt). Ich wün­sche den Kol­le­gen viel Erfolg und hoffe, dass ich meine Spam in naher Zukun­ft in fehler­freiem Deutsch lesen kann. Aber ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern.

Kurzfristig erfol­gver­sprechen­der klingt da ein Pro­jekt des Amtes für Rheinis­che Lan­deskunde, über das unter anderem der Köl­ner Stad­tanzeiger berichtet: das Rheinis­che Mit­mach­Wörter­buch. Alle Rhein­län­derin­nen und Rhein­län­der sind aufgerufen, Vorschläge für Ein­träge einzure­ichen. Die Dialek­t­forsch­er haben schon ein­mal vorgelegt — ca. 1000 Wörter von A wie asselig bis Z wie Zahle­mann sind im Wörter­buch bere­its zu find­en. Das Ver­trauen der Wörter­buch­mach­er in das Dialek­tver­ständ­nis ihrer poten­ziellen Beiträger ist allerd­ings schwach aus­geprägt. Sie weisen expliz­it darauf hin, dass nur Wörter gewün­scht sind, „die im Rhein­land tat­säch­lich zu hören sind. Dialek­tale Aus­drücke aus Bay­ern oder Sach­sen gehören nicht dazu.“

Und auch diese Woche hat es ein Bre­mer Sprach­wis­senschaftler in die Presse geschafft, allerd­ings über einen ziem­lichen Umweg: die WELT brachte diese Woche einen Artikel über den Vor­standsvor­sitzen­den der RAG (der früheren Ruhrkohle AG), Dr. Wern­er Müller. Bevor Müller diesen Posten über­nahm, war er einige Jahre Wirtschaftsmin­is­ter unter Ger­hard Schröder. Seinen Dok­tor­ti­tel erwarb er 1978 an der Uni­ver­sität Bre­men. Der Titel sein­er Dis­ser­ta­tion: „Zur Analyse numerisch­er Eigen­schaften nicht­nu­merisch­er Massen­phänomene wie zum Beispiel Sprache“. Als quan­ti­ta­tiv­er Lin­guist sehe ich nun der Zukun­ft opti­mistisch ent­ge­gen und melde hier­mit für den Fall, dass es Michael Glos zurück nach Bay­ern zieht, schon ein­mal mein Inter­esse an seinem Posten an.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

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