Langeweile ist Spannung

Von Anatol Stefanowitsch

Die Fast­food­kette McDon­alds plant in Großbri­tan­nien eine öffentliche Peti­tion gegen die Def­i­n­i­tion des Begriffs McJob im Oxford Eng­lish Dic­tio­nary. Dort wird das Wort näm­lich so definiert (zumin­d­est laut Finan­cial Times, denn in der zwanzig­bändi­gen Aus­gabe, die neben meinem Toast­er liegt, ist das Wort noch nicht verzeichnet):

an unstim­u­lat­ing, low-paid job with few prospects, esp. one cre­at­ed by the expan­sion of the ser­vice sector

eine lang­weilige, schlecht­bezahlte Tätigkeit mit wenig Auf­stiegschan­cen, beson­ders eine, der durch die Ausweitung des Dien­stleis­tungssek­tors geschaf­fen wurde

Das McDon­alds-Man­age­ment kann diese Def­i­n­i­tion über­haupt nicht nachvol­lziehen. Die Finan­cial Times zitiert aus einem Brief des McDon­alds-Per­son­alchefs für Nordeu­ropa, David Fairhurst:

We believe that it is out of date, out of touch with real­i­ty and most impor­tant­ly it is insult­ing to those tal­ent­ed, com­mit­ted, hard-work­ing peo­ple who serve the pub­lic every day […] It’s time the dic­tio­nary def­i­n­i­tion of “McJob” changed to reflect a job that is stim­u­lat­ing, reward­ing and offers gen­uine oppor­tu­ni­ties for career pro­gres­sion and skills that last a lifetime.

Wir glauben, dass diese Def­i­n­i­tion ver­al­tet ist, keinen Bezug zur Real­ität hat, und vor allem, dass es eine Belei­di­gung der tal­en­tierten, hart arbei­t­en­den Men­schen ist, die jeden Tag die Öffentlichkeit bedi­enen. Es ist höch­ste Zeit, dass die Wörter­buchde­f­i­n­i­tion von „McJob“ so geän­dert wird, dass sie eine Tätigkeit beschreibt, die stim­ulierend und lohnend ist und die echte Gele­gen­heit­en zum beru­flichen Auf­stieg eben­so bietet wie Fähigkeit­en, die ein Leben lang nüt­zlich sind.

Diese Aktion gibt uns Ein­blick in zwei sprach­liche All­t­ags­the­o­rien des McDonalds-Managements:

  1. Sprache wird von oben herab geregelt. Wenn die Mach­er des OED die Def­i­n­i­tion eines Wortes ändern, ändert sich damit auch die Bedeu­tung des Wortes.
  2. Sprache bes­timmt die Wirk­lichkeit. Wenn man die Def­i­n­i­tion eines Wortes ändert, ändert man damit auch das, was durch das Wort beze­ich­net wird.

Bei­de The­o­rien sind beliebt und bei­de sind falsch.

Die The­o­rie, dass Sprache von oben herab geregelt wer­den kann, zeigt sich an vie­len Stellen, zum Beispiel jedes­mal dann, wenn die Dudenredak­tion ihre Wörter­büch­er oder Gram­matiken an die sprach­liche Wirk­lichkeit anpasst und dafür einen Sturm der Entrüs­tung ern­tet; oder auch, wenn unsere Fre­unde vom „Vere­in deutsche Sprache“ davon träu­men, ein Pen­dant zur Académie Française zu grün­den und uns die „Anglizis­men“ per Straf­be­fehl auszutreiben. Tat­säch­lich verän­dert sich Sprache fast auss­chließlich von unten. Zwei­hun­dert Jahre sprach­pflegerische Agi­ta­tion haben wed­er im großen Stil Fremd­wörter ver­hin­dern noch das Ver­schwinden des Gen­i­tivs aufhal­ten kön­nen. Genau­sowenig würde die vorgeschla­gene Umde­f­i­n­i­tion des McJob zu ein­er Bedeu­tungsverän­derung in den Köpfen der Men­schen führen.

Die The­o­rie, dass Sprache die Wirk­lichkeit bes­timmt, find­et sich in George Orwells 1984, wo Krieg zu Frieden, Frei­heit zu Sklaverei und Igno­ranz zu Stärke umdefiniert wer­den, sie zeigt sich aber auch, wenn der Stad­trat von New York das Wort Nig­ger ver­bi­etet oder das Innen­min­is­teri­um der USA das Wort Polar Bear aus dem Wortschatz von Staat­sangestell­ten tilgen will. Manch­mal wün­scht man sich, dass es wirk­lich so leicht wäre und manch­mal ist man froh, dass es nicht so ist. Denn tat­säch­lich bes­timmt die Wirk­lichkeit weitest­ge­hend die Sprache.

McDon­alds hat also nur eine einzige Möglichkeit, die Bedeu­tung des Wortes McJob zu verän­dern: man muss vernün­ftige Arbeit­szeit­en, eine angemessene Bezahlung, attrak­tive Auf­stiegschan­cen und beru­fliche Sicher­heit schaf­fen. Dann beze­ich­net McJob irgend­wann einen Trau­mar­beit­splatz, und das wird sich dann auch im Oxford Eng­lish Dic­tio­nary niederschlagen.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

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