Abkürzungsgefährdet

Von Anatol Stefanowitsch

Die SMS ist den Briten ihr Anglizis­mus. Während hierzu­lande die Angst umge­ht, die deutsche Sprache kön­nte unter der Last einiger Lehn­wörter und sprach­lich fehlgeleit­eter Werbe­sprüche zusam­men­brechen, glaubt man im Vere­inigten Kön­i­gre­ich (und, wie wir hier erwäh­nt haben, auch in Irland) ern­sthaft, dass SMS-typ­is­che Abkürzun­gen dabei sind, in die All­t­agssprache junger Men­schen einzu­drin­gen und dort altherge­brachte Wörter zu vernichten.

So fest ver­wurzelt ist dieser Mythos, dass die BBC es für nachricht­en­würdig hält, wenn der Walis­er Über­lin­guist David Crys­tal nun ein biss­chen gesun­den Men­schen­ver­stand in die Diskus­sion bringt.

Crys­tal weist zunächst darauf hin, dass die Abkürzun­gen selb­st in den Kurzbotschaften nicht beson­ders häu­fig sind:

If you col­lect­ed a huge pile of mes­sages and count­ed all the whole words and the abbre­vi­a­tions, the fact of the mat­ter is that less than 10% would be shortened.

Wenn man einen großen Berg SMS-Botschaften sam­meln und alle Wörter und Abkürzung zählen würde, wür­den die Abkürzun­gen tat­säch­lich weniger als zehn Prozent ausmachen.

Vor allem aber bleiben die Abkürzun­gen dort, wo sie hingehören:

As part of the research I did I asked teach­ers if work in the class­room was rid­dled with abbre­vi­a­tions, and it wasn’t.

Im Zuge mein­er Forschung fragte ich Lehrer, ob Klasse­nar­beit­en vor Abkürzun­gen strotzen, und das tun sie nicht.

Denn den jun­gen Men­schen ist — wer hätte das gedacht — bewusst, dass es einen Unter­schied zwis­chen SMS und Hausauf­gaben gibt:

If you ask kids if they use the same style in their work they look at you as if you are mad.

Wenn man die jun­gen Leute fragt, ob sie den sel­ben Stil auch ihn ihren Schu­lar­beit­en pfle­gen, sehen sie einen an, als ob man irre wäre.

Und so kommt Crys­tal zu ein­er besonnenen Einsicht:

The pan­ic about tex­ting and its effects on lan­guage is total­ly mis­placed. It adds a new dimen­sion, enrich­es lan­guage, gives you a new option.

Die Panik bezüglich des SMS-Schreibens und sein­er Auswirkun­gen auf die Sprache ist völ­lig fehl am Platz. Es fügt der Sprache eine neue Dimen­sion hinzu, bere­ichert sie, eröffnet den Sprech­ern neue Möglichkeiten.

Nochmal zum Mitschreiben: Verän­derung eröffnet neue Möglichkeit­en. Warum ist das bloß so schw­er zu verstehen?

8 Gedanken zu „Abkürzungsgefährdet

  1. Thomas Paulwitz

    Ich hat­te nie geglaubt, daß diese Mobil­telegramme (SMS) mit ihren Abkürzun­gen die Sprache gefährden. Eigentlich kenne ich auch nie­man­den, der so etwas glaubt. Freilich sind die mit Abkürzun­gen durch­set­zten Kurzmit­teilun­gen nicht beson­ders schön. Diese abge­hack­ten Gebrauch­s­texte entste­hen durch das müh­same Eindäumeln von Nachricht­en. Ich hoffe, daß der tech­nis­che Fortschritt in nicht allzu langer Zeit hier Abhil­fe schafft, so daß dieses Phänomen bald ver­schwindet. Und der Spruch “Fasse dich kurz” ist ja auch bei Sprachkri­tik­ern sehr beliebt; “… aber in ganzen Sätzen”, möchte man hinzufügen.

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  2. Paul Wix

    Nun ja, zumin­d­est die Wörter “lol” und “rofl” (aus­ge­sprochen : “lol” und “rof­fel”) haben sich in Nerd-Kreisen etabliert und wur­den in den alltäglichen Sprachge­brauch inte­gri­ert. Allerd­ings wer­den sie beglei­t­end zum Lachen aus­ge­prochen (ähn­lich wie das Wort “Aua” bei Schmerzen). Wie man das jet­zt find­en soll? Ich würde sagen befremdlich wäre das richtige Wort.

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  3. Andreas H.

    @Paul Wix:

    Keine Sorge, das befremdliche Gefühl legt sich, sobald man die Aus­drücke oft genug gehört hat. Oder wirkt die Ver­wen­dung von “OK” heute noch befremdlich?

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  4. viola

    lol” und “rofl”

    hm, aber gab’s solche abkürzun­gen [“RTFM” finde ich z.b. auch sehr prak­tisch :)] nicht auch schon vor sms-zeit­en, in foren und emails?

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  5. Andreas

    Naja das sich abkürzun­gen als Umgangssprache wirk­lich ein­bürg­ern wer­den halt ich nicht für möglich. Hier gibts ein paar SMS Abkürzun­gen aber die wird wohl kaum wer im Sprachge­brauch ver­wen­den. 🙂 denke da eher das ist wie ein Stro­hfeuer, abkürzun­gen sind kurz in um bald wieder out zu sein.

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