Kurzbemerkungen

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin ger­ade auf ein­er sprach­wis­senschaftlichen Fachkon­ferenz (ein­er echt­en, auf der echte Stu­di­en mit echt­en Dat­en und echt­en Ergeb­nis­sen präsen­tiert wer­den) und habe deshalb wenig Zeit zum Bloggen, dafür aber mehr Zeit, mir über gute und schlechte Präsen­ta­tion­stech­niken Gedanken zu machen. Da passt dieser Artikel gut.

Ich dachte ja, die deutsche Sprache sei vom Ausster­ben bedro­ht, aber ganz im Gegen­teil — „Seit ver­gan­genem Jahr nimmt die Nach­frage nach Deutschkursen weltweit zu“, meldet der Deutsch­land­funk und berichtet über eine Inter­na­tionale Deutsch-Olympiade, auf der Jugendliche aus aller Welt ihre Deutschken­nt­nisse vor­führen dür­fen. Dem Sieger winkt ein mehrwöchiger Sprachkurs.

Anglizis­men dür­fen die jun­gen Deutschbegeis­terten dabei ver­mut­lich nicht ver­wen­den — es sei denn, vielle­icht, sie wen­den sie sin­nvoll an. Wie das geht, beschreibt Bernd M. Sam­land, Grün­der der „Nam­ing-Agen­tur“ End­mark, im Rheinis­chen Merkur. End­mark ist durch seine Stu­di­en [PDF] zum Ver­ständ­nis englis­ch­er Werbeslo­gans bekan­nt gewor­den, über die ich bei Gele­gen­heit mehr sagen werde.

Dieser Beitrag wurde unter Bremer Sprachblog abgelegt am von .

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

12 Gedanken zu „Kurzbemerkungen

  1. Thomas Müller

    Schön zu sehen, dass auch ges­tandene Dozen­ten exakt diesel­ben basalen Prinzip­i­en eines guten Vor­trages einget­richtert bekom­men müssen wie Studenten. 😀

    Nicht ganz unnötig, wortwörtlich vor­lesende Pro­fes­soren gibt es näm­lich immer noch.

    Antworten
  2. Patrick Schulz

    Inter­na­tionale Deutsch-Olympiade (…) Dem Sieger winkt ein mehrwöchiger Sprachkurs.

    Ich frage mich ger­ade, was jemand, der eine Deutsch-Olympiade gewin­nt (und erwartungs­gemäß sehr gut Deutsch sprechen kön­nen sollte) mit einem Sprachkurs anfan­gen will?

    Antworten
  3. Bjoern

    Mir brachte man bei, beim Beginn des Vor­trages immer etwas umzustellen/ umherzurück­en. Den Raum zu erobern sei weit wichtiger als sprach­liche Finessen.

    Antworten
  4. Sojaflocke

    das gestiegene inter­esse an deutschkursen liegt an tokio hotel, zumin­d­est in frankre­ich ler­nen viele junge fran­zosin­nen deutsch wegen tokio hotel: SCHANDE

    Antworten
  5. Och_Nöö

    > Mir brachte man bei, beim Beginn des Vor­trages immer etwas umzustellen/ umherzurück­en. Den Raum zu erobern sei weit wichtiger als sprach­liche Finessen.

    Das klingt mir nach man­age­men­tüblichen Psy­chotricks (Behav­iourale Duft­marke set­zen um klarzu­machen wer jet­zt hier das Sagen hat? :-)) ) und nicht nach guter Didaktik/Rhetorik. Aber wenn man das Pub­likum mit anpack­en läßt hat man das vielle­icht vorhan­dene Eis gebrochen?

    Antworten
  6. suse

    Hab es im Sam­land-Artikel gele­sen und heute wieder irgend­wo anders, aber es stimmt nicht und wird auch durch ständi­ges Wieder­holen nicht wahrer: Pub­lic View­ing bedeutet nicht (als Hauptbe­deu­tung) öffentlich­es Auf­bahren! Das ist sick-artiger Klugschiß (ob der arme Sick das behauptet hat, weiß ich allerd­ings gar nicht).

    Und btw, Body bedeutet auch nicht als Hauptbe­deu­tung ‘Leiche’. Im ‘Body Shop’ gibt es Kos­metik und keine Leichen zu kaufen, und diese Kette kommt aus Eng­land (Lon­don, glaube ich), kann sich also eigentlich nicht der Ver­wen­dung dümm­lich­er Anglizis­men schuldig machen.

    Men­no, das mußte mal gesagt werden.

    (Noch ein Gedanke zum Pub­lic View­ing: Immer wenn ich diese ‘Richtig­stel­lung’ … ‘bedeutet eigentlich öffentlich­es Auf­bahren’ lese, habe ich vor meinem inneren Auge das Bild von massen­haft Aufge­bahrten, die von eben­solchen Massen betra­chtet wer­den, und daß das im englis­chen Sprachraum wohl zum All­t­ag gehören muß. Dann frage ich mich, wie oft wohl in Wirk­lichkeit öffentliche Auf­bahrun­gen stat­tfind­en und komme auf zwei Möglichkeit­en: nach ein­er Katas­tro­phe zur Iden­ti­fizierung der Toten oder wenn eine berühmte oder hochrangige Per­sön­lichkeit ver­stor­ben ist (aber da zeigt man doch eher den Sarg als den Ver­stor­be­nen selb­st). Also nor­maler­weise nicht so oft. Wohinge­gen öffentlich­es Guck­en all­ge­mein­er Art doch häu­figer ist.)

    Antworten
  7. Rushputin

    Das hat jet­zt nicht viel mit Sprache zu tun, aber hier muß ich wohl wider­sprechen: Zumin­d­est in Ameri­ka ist das Auf­bahren von Leichen im offe­nen Sarg abso­lut üblich. Das kann man auch in zahlre­ichen Serien und Fil­men sehen, selb­st wenn sie sich nicht mit hochrangin­gen Per­sön­lichkeit­en beschäftigen.

    Ob die Leichenbeschau­ung an sich mit irgen­deinem bes­timmten Begriff verse­hen wird, weiß ich nicht. Die gesamte Zer­e­monie wird, wenn ich mich nicht irre, mit dem schö­nen Wort “wake” bezeichnet.

    Antworten
  8. suse

    Wake’ ist wirk­lich schön. Außer­dem wird nach meinem Gefühl das Wort ‘wake’ der Würde des Ver­stor­be­nen auch eher gerecht als ‘view­ing’. Aber das gibt es hier doch auch unter dem Namen ‘Totenwache’. Und das ist auch nicht so unüblich. Also daß ein Ver­stor­ben­er noch aufge­bahrt wird und alle Nah­este­hen­den kom­men und Abschied nehmen können. 

    Aber so richtig öffentlich, also daß jed­er kom­men und guck­en kann, nicht nur die Fre­unde und die Ver­wandten, ist das auch üblich? Unter “Pub­lic View­ing” im Sinne von öffentlich­er Auf­bahrung stelle ich mir ein richtiges öffentlich­es Spek­takel (ein Event gar) vor, so wie bei Lenin, den man, glaube ich, heute noch besichti­gen kann, oder dem Papst. Und ‘pub­lic’ bedeutet in diesem Sinne, daß es für alle ist und eventuell nicht mal Ein­tritt kostet. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das so häu­fig ist. 

    Ich bin ein­fach ver­wirrt über die Leicht­fer­tigkeit, mit der immer wieder die öffentliche Leichen­schau als ‘eigentliche Bedeu­tung’ herange­zo­gen wird, ohne die Imp­lika­tio­nen des Wortes ‘öffentlich’ zu bedenken. Unter welchen Umstän­den wird denn eine Leiche ÖFFENTLICH gezeigt? Und ger­ade im Bere­ich Tod und Ster­ben wer­den doch eher euphemistis­che bzw. würde­volle Aus­drücke bevorzugt, ‘pub­lic view­ing’ klingt eher nach öffentlichem Glotzen. Oder bin ich da WM 06-geschädigt?

    Ich weiß lei­der die Quelle nicht mehr, aber ich meine irgend­wo gele­sen zu haben, daß p.v. dur­chaus öffentlich­es Auf­bahren bedeuten KANN, aber nicht die Hauptbe­deu­tung ist.

    Und ich weiß auch nicht, Rash­putin, auf welche Serien und Filme du anspielst (kenn mich da nicht so aus), aber du sagst ja selb­st, daß du den Begriff ‘wake’ kennst und ich rate jet­zt mal, daß es sich dabei um ‘pseudo-‘öffentliche Auf­bahrun­gen han­delt, wo alle kom­men, die mit dem Toten etwas im Leben zu tun hatten.

    Antworten
  9. Rushputin

    Du hast natür­lich recht. Ich hat­te deinen Kom­men­tar anders inter­pretiert, unter anderem weil du z.B. “den Sarg statt den Betrof­fe­nen selb­st” geschrieben hattest.

    Da die Totenbeschau­ung auch “view­ing” heißt, ist es sich­er möglich, daß in Einzelfällen mal der Begriff “pub­lic view­ing” ver­wen­det wird, aber das ist eben eine spon­tane, je nach Sit­u­a­tion sich­er logis­che Kon­struk­tion, die im entsprechen­den Zusam­men­hang auch ver­standen wird. Bei den Sprachwarten wird sich das dann eben ganz im Stil ein­er urba­nen Leg­ende ver­bre­it­et haben.

    Antworten
  10. suse

    Ja, ich meinte den geschlosse­nen Sarg.

    Kön­nte ich bess­er ver­linken, hätte ich auch auf den Beitrag vom 8.Juni hier im Blog ver­weisen kön­nen, zum The­ma Pub­lic View­ing. Den würde ich gern allen um die Ohren hauen, die diesen urban-leg­endary-Klugschiß weit­er­ver­bre­it­en. Es ist ja nur eine Kleinigkeit, aber es kommt immer so arro­gant und selb­st­ge­fäl­lig daher, daß ich gar nicht weit­er­lesen kann, auch wenn son­st nichts weit­er Dummes in dem Artikel steht.

    Antworten
  11. Anatol Stefanowitsch

    suse, ver­linken kann man hier auf zwei Arten: Entwed­er man kopiert ein­fach die ganze Adresse in den Kom­men­tar, dann erscheint sie in voller Länge:

    http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2008/06/08/public-viewing/

    Oder, ele­gan­ter, man ver­wen­det HTML, gibt also fol­gen­des ein:

    <a href=“http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2008/06/08/public-viewing/”>LINKNAME</a>

    Ver­wen­det man statt LINKNAME z.B. die Worte Pub­lic View­ing, erscheint das dann so:

    Pub­lic Viewing

    So oder so, auf diesen Beitrag musste an diesem Punkt wirk­lich mal ver­linkt wer­den. Woher der Mythos von der Leichen­schau kommt, habe ich ja ver­mut­lich her­aus­ge­fun­den (siehe Beitrag) — warum er sich so hart­näck­ig hält, ist mir schleier­haft, denn die ursprüngliche Quelle ist längst kor­rigiert. Es kann also nur daran liegen, dass Jour­nal­is­ten zwar gerne voneinan­der, aber nicht von Blog­gern abschreiben wollen…

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Och_Nöö Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.