Chritz mit Steve

Von Anatol Stefanowitsch

Apples iPhone musste sich seit sein­er Mark­te­in­führung viel Kri­tik gefall­en lassen: Es sei kein Smart­phone und deshalb nicht busi­nesstauglich, es sei zu teuer, zu langsam und zu ange­berisch und es sei giftig und könne unfrucht­bar machen.

Außer­dem betreibt es sprach­liche Diskri­m­inierung: eben­so blind wie gnaden­los ver­wan­delt seine Autoko­r­rek­tur­funk­tion schweiz­er Dialek­te in bun­des­deutsch einge­färbtes Kaud­er­welsch. Aus isch guet, de znacht staht ufm herd. s häd no brate mit här­dopfel („Ist gut, das Aben­dessen ste­ht auf dem Herd. Es gibt Brat­en mit Kartof­feln“) wird beispiel­sweise isch gurt es unscht draht urm herd. so bär no beate mit härdöpfel.

Ein Bern­er Design­er will das nicht länger hin­nehmen: Auf der Web­seite „Please let us dis­able auto-cor­rec­tion, Steve“ sam­melt er Unter­schriften, die den Apple-Chef Steve Jobs überzeu­gen sollen, die Nutzer diese Autoko­r­rek­tur wenig­stens auss­chal­ten zu lassen.

Ich bin seit fast zwanzig Jahren überzeugter (wenn auch nicht beson­ders fanatis­ch­er) Apple-Nutzer, aber ich muss mich immer wieder über die Super-Nan­ny-Ein­stel­lung wun­dern, die Apple den Kun­den gegenüber hat. Die Autoko­r­rek­tur­funk­tion des iPhone lässt sich nicht abschalten?

Den schweiz­er Apple-Nutzern möchte ich zurufen: Bleibt mit euren Forderun­gen nicht bei etwas ste­hen, das selb­stver­ständlich sein sollte. Die Autoko­r­rek­tur auf dem iPhone sollte nicht nur abzuschal­ten sein, sie sollte auch Dialek­te beherrschen.

Die Peti­tion läuft noch bis Ende September.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

8 Gedanken zu „Chritz mit Steve

  1. mus

    Ich bin mir rel­a­tiv sich­er, dass eine online-Peti­tion noch _nie_ irgen­det­was bewegt hat. 10 Men­schen, die auf der Straße protestieren bewe­gen mehr als 100.000 online-Signaturen.

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  2. Simone

    Ich hab sel­ber kein iPhone, und genau das Prob­lem der pen­e­tran­ten Autoko­r­rek­tur ist für mich ein Grund, vor­läu­fig keines zu kaufen. Zwar gehöre ich zu ein­er Gen­er­a­tion von Schweiz­ern, die noch brav bun­des­deutsch tip­pen (auss­er “ß”), aber ich pflege Mails und SMS auf deutsch, englisch oder hol­ländisch zu schreiben. Was macht wohl ein iPhone aus “ik heb je heel erg lief”? Meines Wis­sens ist es näm­lich nicht möglich, die Sprache umzustellen, aber ich hat­te nie Gele­gen­heit, das zu testen.

    Dass ein iPhone unsern Dialekt beherrschen sollte, ist allerd­ings etwas viel ver­langt, das tun wir ja sel­ber nicht 😉

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  3. palindrom

    Sei Dir meines Erstaunens ver­sichert über die Tat­sache, daß das iPhone über­haupt schweiz­er Dialek­te in irgen­dein­er Form beherrscht. Das sich irgen­det­was gar nicht Abschal­ten lässt verblüfft mich allerd­ings auch. Vielle­icht ist der “Auss­chalt­knopf” aber auch nur zu offen­sichtlich und wird daher übersehen 😉

    p.

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  4. P.Frasa

    Naja, daß das iPhone Schweiz­erdeutsch beherrsche ist etwas viel ver­langt bei der Vielzahl an Dialek­ten und der über­haupt nicht normierten Schreib­weise. Wahrschein­lich müßte man pro Wort etwa 20 Vari­anten (min­destens) zulassen, das ist irgend­wie nicht realistisch.

    Aber naja, als immer stärk­er­er Open­Source-Ver­fechter wird mir sowieso unbe­grei­flich bleiben, wie sich Leute auf Pro­duk­te ein­lassen kön­nen, die sie nicht ein­mal so ver­wen­den dür­fen wie sie wollen… (iPod nur mit iTunes? Was soll das denn?).

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  5. Thomas Müller

    Kön­nen han­del­sübliche Handys mit diesem T9 oder wie das heißt (schalte das selb­st immer ab) nicht neue Wörter ler­nen? Sprich: Wenn es ein Wort mal nicht ken­nt, Taste drück­en, danach weiß es bescheid. Damit kön­nte man einem Handy in rel­a­tiv kurz­er Zeit den ganz per­sön­lichen Dialekt beib­rin­gen. Wenn da mehrere User über’s Inter­net konz­ertiert zusam­me­nar­beit­eten, müssten sich recht flott normierte Dialek­t­pakete erstellen lassen. Also, tech­nisch sollte das doch mach­bar sein. Sog­ar für Apple. 😉

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  6. Christoph Päper

    Wenn es die Benutze­r­ober­fläche (also die Aus­gabe) des I‑Phones auf Schweiz­erisch gäbe, dann kön­nte man erwarten, dass es auch bei der Eingabe unter­stützt wird. Bedin­gung dafür wäre aber erst­mal eine all­ge­mein akzep­tierte Schrift­form, anson­sten müsste Apple sie erst schaf­fen (lassen) und damit wäre auch wieder nie­mand ein­ver­standen (ala „aus­ländis­ch­er Konz­ern schreibt uns unsere Schrei­bung vor“). Natür­lich kön­nten die Deutschschweiz­er die Entste­hung ein­er eigen­ständi­gen Sprache durch Etablierung ein­er Schrift­norm forcieren wie es die Lux­em­burg­er getan haben, aber ich wüsste nicht, dass es dafür ern­sthafte Bestre­bun­gen gibt. Ver­mut­lich liegt das u.a. daran, dass die Dialek­te untere­inan­der stark vari­ieren und das Hochdeutsche als Mit­tler gut genug funk­tion­iert (und was als gut genug wahrgenom­men wird, wird sel­ten durch etwas besseres erset­zt, siehe bspw. Tastaturbelegungen).

    Davon abge­se­hen sollte jed­er Automa­tismus abschalt­bar bzw. über­stimm­bar sein, vor allem, wenn er fehler­an­fäl­lig ist, was in der Spracherken­nung alle sind.

    PS: Ich weiß, wie „man“ à la schreibt.

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  7. Fabian

    Schweiz­erdeutsch ist keine normierte Sprache, fast jedes Dorf hat nen anderen Dialekt… Hat schon seinen Grund warum wir die offizielle Kom­munka­tion auf Hochdeutsch umstellen.

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