Der Konferenzstress verhindert es derzeit, dass ich regelmäßiger blogge, aber ich verspreche, dass sich das bald wieder ändert. Zum Glück brauchen die Sprachblogleser/innen mich nicht, um laut über Sprache nachzudenken: die Diskussion zu meinem letzten Eintrag hat gerade die in diesem bescheidenen Blog eher seltene Grenze von 40 Kommentaren erreicht. Die Diskussion hat sich vom ursprünglichen Thema wegentwickelt (der Frage nach dem Verfassungsrang des Deutschen) und dreht sich nun um die Vor- und Nachteile von Lehnwörtern (ich werde darauf verweisen, wenn ich das nächste Mal dafür kritisiert werde, dass ich zu viel über Anglizismen schreibe).
Ein Argument, das die Lehnwortgegner in dieser Diskussion breittreten ist das der Verständlichkeit: Anglizismen (und andere Lehnwörter) seien deshalb schlecht, weil diejenigen, die deren Ursprungssprache nicht beherrschen, sie nicht verstehen könnten. Wir haben dieses Argument hier im Sprachblog schon mehrfach entkräftet (zuletzt hier). Aber Leserin Kristin hat in ihrem Kommetar ein tieferliegendes Missverständnis hinter diesem Argument aufgedeckt. Hier aus ihrem Kommentar:
Warum wird in solchen Diskussionen eigentlich fast nur der Sender kritisiert?
Soll heißen: Wenn mich eine Botschaft erreicht, die ich nicht verstehe, dann frage ich nach. Erstens gibt man mit diesem Feedback dem Sender die Möglichkeit, sich (aktuell) zu erklären und (zukünftig, wenn nötig) seine Wortwahl zu ändern. Zweitens ist das eine prima Gelegenheit, neue Wörter zu lernen. Und das gilt nicht nur für Anglizismen, nicht nur für Fremdwörter, sondern für alle mir fremden Ausdrücke (Dialekt, Jargon, Handwerkerfachsprech …). So lernt man eine Sprache. Ich bin mit der Sesamstraße aufgewachsen: Wer nicht fragt, bleibt dumm.
Die Idee, man müsse die Empfänger dort abholen, wo sie stehen, führt leider häufig dazu, dass man sie eben nicht abholt, sondern stehen lässt
Dem kann ich mich nur anschließen.
Mir ist durch diesen Kommentar der blinde Fleck der Lehnwortgegner deutlich geworden: Sie sehen bei sich selbst keine Mitverantwortung für den Erfolg eines kommunikativen Ereignisses. Sie wollen sich nicht an der gemeinsamen Konstruktion von Bedeutung beteiligen, sondern sie wollen, dass man ihnen alles in einer Sprache serviert, die genau ihrem Geschmack und, schlimmer noch, ihrem aktuellen sprachlichen Erfahrungshorizont entspricht. Vielleicht hat diese fehlende sprachliche Flexibilität auch etwas damit zu tun, dass sie sich auch mit neuen Ideen schwertun.
95 Gedanken zu „Der blinde Fleck der Lehnwortgegner“