Wie man ein Korpus zusammenstückelt und einen Teufelspakt schließt

Von Kristin Kopf

Ich bin momen­tan dabei, eine Samm­lung früh­neuhochdeutsch­er Texte (ein “Kor­pus”), aus denen man ide­al­er­weise Aus­sagen über das Deutsch der dama­li­gen Zeit ableit­en kann, für mein Dis­ser­ta­tionsvorhaben anzu­passen. Das Kor­pus wurde ursprünglich zusam­mengestellt, um die Entste­hung der Sub­stan­tiv­großschrei­bung zu unter­suchen, deshalb machte es z.B. nichts aus, dass auch über­set­zte Texte darin enthal­ten waren. Bei mein­er Fragestel­lung habe ich aber ein bißchen Angst, dass die Wort- und Satzstruk­tur durch direk­te lateinis­che Vor­la­gen bee­in­flusst sein kön­nte. Deshalb werfe ich über­set­zte Texte raus und nehme andere rein.

Ich war also in der let­zten Zeit viel auf der Suche nach passenden Tex­ten – sie müssen aus bes­timmten Zeitspan­nen sein, als Drucke vor­liegen und von bes­timmten Druck­o­rten (oder wenig­stens aus deren Dialek­t­ge­bi­et) stam­men. Ach ja, Gereimtes darf auch nicht. Und min­destens 4000 Wörter lang. Und sie müssen Orig­i­nale oder Fak­sim­i­les als Vor­lage haben.

Per­fekt sind Texte, die elek­tro­n­isch vor­liegen, wie z.B. die Texte des Bon­ner Früh­neuhochdeutschko­r­pus. Auch bei Wik­isource find­et sich für ver­gan­gene Jahrhun­derte einiges, was sorgfältig von den Orig­i­nalen abgetippt und kor­rek­turge­le­sen wurde und sich damit auch bei Unsicher­heit­en immer ver­gle­ichen lässt. Weniger per­fekt, aber als Lück­en­füller geeignet ist auch Google­Books – die Tex­terken­nung, die man über die alten Drucke gejagt hat, taugt zwar für Frak­tur nichts, aber man kann sich viele alte Büch­er als Pdf run­ter­laden und dann per Auge durch­suchen. Anson­sten gibt es auch noch eine ganze Rei­he von Unibib­lio­theken, die ihre alten Drucke und Manuskripte als Bilder dig­i­tal­isieren, z.B. Hei­del­berg und Göt­tin­gen. (Hei­del­berg hat auch eine enorm aus­führliche Lin­kliste zum Thema.)

Auf mein­er Suche habe ich viele Texte ange­le­sen – auch welche, die gar nicht geeignet, aber dafür sehr kurios sind. Zum Beispiel diesen (Foto von His­to­ri­ograf):

Ich, David Leipzig von Erf­fur­dt aus Thurin­gen, schreibe und thue dir kunt, Awer­han in der Hellen, das ich mit dir will einen Pact machen und dein sein will, wen du mir itzundt, wen ich wieder heim kome, 3 golt­gulden zu dem brief leg­en wirst, und dar­nach mit mir das wirst einge­hen, waz ich begere. Bin ein­er Antwort gew­er­tigk. (Quelle Wik­isource)

Auf die glo­r­re­iche Idee, sich per Teufelspakt aus finanziellen Schwierigkeit­en zu befreien, kam der Stu­dent durch zu viel Bil­dung – das Volks­buch His­to­ria vnd Geschicht Doc­tor Johan­nis Faustj diente ihm laut Wik­isource als Inspiration.

Der Text ist wahrschein­lich prob­lem­los ver­ständlich, vielle­icht abge­se­hen von Awer­han in der Hellen. Helle ist eine ältere Form von ‘Hölle’ – e und ö unter­schei­den sich nur dadurch, dass bei let­zterem die Lip­pen rund sind, bei ersterem nicht, der Weg zum ö war also nicht weit. Diese Run­dung haben wir so eini­gen Wörtern übergestülpt, z.B. zwölf (von zwelf), Löwe (von lewe) und schöpfen (von schepfen). Den alten Laut­stand kann man z.B. noch am engl. hell oder twelve sehen. Awer­han muss ‘Auer­hahn’ heißen, die genaue Verbindung zum Teufel ist mir aber unklar, vielle­icht über den Hahn als Zeichen für Feuer etc.

Ach ja: itzund heißt ‘jet­zt’ und geht laut­lich auch darauf zurück. Das DWB gibt als For­mengeschichte an: i(e)tzet ‘jet­zt’ > i(e)tzent > i(e)tzund.

4 Gedanken zu „Wie man ein Korpus zusammenstückelt und einen Teufelspakt schließt

  1. Stefan H.

    Im zweit­en Teil der “His­to­ria” nen­nt sich der Teufel Auer­hahn, wie schon aus dem wun­der­bar lan­gen Titel her­vorge­ht: “Ander theil D. Johann Fausti His­to­rien darin beschrieben ist: Christophori Wag­n­ers, Fausti gewe­se­nen Discipels auf­fgerichteter Pakt mit dem Teuf­fel, so sich genandt Auer­han, vnd jhm in eines Affen gestalt erschienen, auch seine Aben­thewrische Zoten vnd pos­sen, so er durch beforderung des Teuf­fels geü­bet vnd was es mit jhm zulet­zt für ein schreck­lich­es ende genommen.”

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      1. JJ

        »vnd was es mit jhm zulet­zt für ein schreck­lich­es ende genom­men« – in der Tat.
        Vor­sicht, Spoiler!

        »Wie es nun tag ward / […] seind Sie jnn die Stuben gan­ngen / Dar­jnn Doc­tor Faus­tus gewe­sen / sahen sie kein Faus­tum mehr / son­der nichts dann die Stuben Voller Bluett / Das hyrn klebt an der wand Dann der Feindt jn von ein­er Wand zu der Andern geschla­gen hett / jtem seine Augen Da/ vnnd ettliche zeen ein greulich­es Spectacul.«
        Echter Tor­ture Porn …

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  2. lukas

    Also, den schwarzen Hahn mit rotem Kamm kenne ich auch als Teufelser­schei­n­ung. Ich denke, das kommt noch von den alten Römern, kann aber auf die Schnelle jet­zt nichts find­en in meinem Tacitus.

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