Ich mach das als so …

Von Kristin Kopf

Wer in den let­zten Wochen Zeit mit mir ver­bracht hat, weiß, was jet­zt kommt:

Ich mach das als so.

Ich geh da als hin.

Wir schenken uns als nichts zu Weihnachten.

Wie ver­ste­ht ihr das als? Bish­erige Vorschläge aus meinem mit­tel- und nord­deutschen Fre­un­des- und Bekan­ntenkreis umfassen (Spoil­er alert!) ‘ein­mal’, ‘sofort’ und ‘jet­zt’. Was natür­lich völ­liger Quatsch ist, also wirk­lich! 😉 Vielle­icht kommt man mit etwas mehr Kon­text bess­er drauf:

wenn nicht, muss es sein, das mein schwein, das als immer schleck­en tut, eine krankheit oder so hat, oder macht er das nur so? (Satzze­ichen von mir)

also bei uns artet das als immer voll per­vers aus

Sag mal, hat­test Du son­st als nicht eck­ige Pötte ?

Jawohl: Dieses als bedeut­ed im Niederale­man­nis­chen ‘nor­maler­weise’, ‘gewohn­heitsmäßig’, ‘in der Regel’ (und extra für Till: ‘ab und zu’). Es ver­mit­telt also, dass etwas immer wieder so getan wird. Wenn wir uns als nichts zu Wei­h­nacht­en schenken, dann gilt das jedes Jahr, wenn das Sauf­spiel als immer voll per­vers ausartet, dann ist das der Normalfall.

Woher kommt’s und was kann’s heißen?

Die Form geht auf ein älteres alles zurück, im Gegen­satz zum hochdeutschen als, das von also kommt1. Ich habe mal einen Blick ins Badis­che Wörter­buch von Ochs gewor­fen, und dort vier Ver­wen­dungsweisen aus­gemacht, von denen ich zwei als stark ver­bre­it­et ein­schätzen würde2: ver­stärk­endes ‘immer’ und „mein” habituelles ‘gewöhn­lich, bisweilen’.

  1. immer’, ‘nur’ (auffordernd/ermutigend):
    • er lebt als noch ‘er lebt immer noch’
    • khumt er als nonet? ‘kommt er immer noch nicht?’
    • als rai! ‘nur hinein!’
    • als dsu! ‘nur weiter!’
  2. gewöhn­lich, manch­mal, bisweilen’ 
    • ich kum als am achte ‘ich komme gewöhn­lich um acht’
    • mr ese morched­sch als sube ‘wir essen mor­gens nor­maler­weise Suppe’

Wo benutzt man’s als?

Dass ‘gewöhn­lich, manch­mal, bisweilen’ hier zusam­menge­wor­fen wer­den, finde ich etwas unglück­lich – für mich per­sön­lich geht nur ‘gewöhn­lich’, für andere Leute scheint nur ‘manch­mal’ möglich zu sein. Es kön­nte also eine klein­räu­migere Geschichte sein. Darauf deuten auch Funde im pfälzis­chen und lothringis­chen Wörter­buch hin (d.h. nahe­liegen­den nicht-ale­man­nis­chen Dialek­ten), die von 2. bei­de nur die ‘manchmal’-Bedeutung ken­nen3, während das Schweiz­erische Idi­otikon4, das Elsäs­sis­chen Wörter­buch und das Schwäbis­che Wörter­buch5 nach mein­er Inter­pre­ta­tion nur die ‘gewöhnlich’-Bedeutung erwähnen.

Die Ein­schätzung des Badis­chen Wörter­buchs, als sei „ein Leib­wort von Freiburg bis zur Nord­gren­ze” ist dem­nach zu restrik­tiv, alle angren­zen­den Dialek­träume besitzen es in densel­ben oder ähn­lichen Bedeu­tun­gen.6

Nr. 1 vs. Nr. 2

Die bei­den alse (‘immer, nur’ vs. ‘gewöhn­lich, bisweilen’) sind zumin­d­est im Badis­chen recht gut an der Beto­nung zu unter­schei­den: Während das erste fast immer betont ist, ist das zweite immer unbe­tont. Eine kleine Umfrage unter den Ale­man­nin­nen hier im Büro (prozen­tu­al sind das viele!) kam zu dem Ergeb­nis, dass sich das Gewohn­heits-als prob­lem­los in die Hochsprache inte­gri­eren lässt, während das betonte als völ­lig aus dem Rah­men fällt7.

Das mag daran liegen, dass sich das unbe­tonte Ele­ment leicht ein­schmuggeln lässt und von nördlicheren SprecherIn­nen dann ein­fach ignori­ert wird – während es uns aus dem Süden so gar nicht als dialek­taler Ein­fluss auf­fällt. Ich war wirk­lich etwas schock­iert über das Aus­maß der Nicht­in­ter­pretier­barkeit eines Wortes, das ich bis vor kurzem für völ­lig stan­dard­kon­form hielt …

Aber ich werd’s jet­zt als álls benutzen!

Fußnoten:
1 Ver­wech­slungs­ge­fahr mit dem hochdeutschen als beste­ht übri­gens nicht – zum einen sind die Kon­texte ver­schieden genug, zum anderen wer­den für die hochdeutschen Kon­texte sowieso meist andere Wörter benutzt (wie, wo).
2 Die anderen bei­den sind:

  • immer­hin’ (oft tri­um­phierend): als hot nix gekhoscht ‘immer­hin hat es nichts gekostet’
  • gar, doch, doch wohl’: i gläb als, er is fer­rügt ‘ich glaube (so)gar, er ist verrückt’

3 Das Pfälzis­che Wörter­buch ken­nt die Vari­ante 1. mit Er ste­ht als noch do ‘Er ste­ht immer noch da’. Für 2. geht nur ‘manch­mal’: Das kann jo als (alsemol) vorkumme ‘Das kann ja mal vorkom­men’. Das Wörter­buch der deutsch-lothringis­chen Mundarten genau­so: 1. Als witer­sch! ‘immer weit­er!’, 2. Er kummt als ‘er kommt zuweilen‘.
4 Das Schweiz­erische Idi­otikon (von dessen Onlin­ev­er­füg­barkeit ich übri­gens heute mor­gen erst in diesem inter­es­san­ten Blog erfahren habe), lis­tet für al(l)s die Bedeu­tun­gen ‘ganz, gar’ und ‘immer’ mit Beispie­len wie

  • alls wyter ‘immer weit­er’, vgl. oben 1.
  • Sust nimmt er d’Schritt als lang un wei­dli, iez zim­perlig as-wie ne Maid­li ‘Son­st macht er immer (d.h. nor­maler­weise) lange und schnelle Schritte, jet­zt zim­per­liche wie ein Mäd­chen’, vgl. oben 2. (Die Bedeu­tung habe ich aber aus dem fol­gen­den Beispiel erschlossen, wo von regelmäßig die Rede ist, also keine hun­dert­prozentige Garantie!)

5 Eben­falls unter alles:

2. ‘jedes­mal’, ‘gewöhn­lich’: sie kommt als sel­ber zu ihm; er machts als oder äls aso

6 Eine Suche im Bay­erischen Wörter­buch von Schmeller ist zwar auch erfol­gre­ich, allerd­ings mit ein­er etwas selt­samen Ort­sangabe, die ich mal nicht als echt­es Bairisch gel­ten lassen würde – wahrschein­lich liegt es daran, dass das Buch das alte Kön­i­gre­ich Bay­ern umfasst. Der Ein­trag ist unter alles zu find­en:

Unter der Ausspracheform als ist das Wort an Mayn und Rhein für ‘gewöhn­lich’ (adv.) beliebt. Ich gê als am Abend spazieren. Ich hab als den andern vorge­le­sen.

7 Wobei ich mir schon irgend­wie vorstellen kön­nte, ent­nervt zu sagen: „Und dann kopieren sie die Def­i­n­i­tio­nen für die Hausauf­gabe álls wieder aus der Wikipedia!

7 Gedanken zu „Ich mach das als so …

  1. Till

    Alsooooo, ich hab mal hier auch eine Mini-Umfrage gemacht und hier sehen es alle als “ab und zu”, bzw. “gewöhn­lich, bisweilen”, wobei ich da “bisweilen” ja bess­er finde…
    Bin also nicht alleine mit mein­er Meinung;)

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  2. memo

    Ich will mich ja nicht als nativ­en Dialek­t­sprech­er darstellen, aber ich bin mir ziem­lich sich­er, dass es mir bish­er nur in der Bedeu­tung ‘immer’ untergekom­men ist.

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  3. Achim

    Bin zwar ein Fis­chkopf, aber offen­bar lange genug im Süd­west­en gewe­sen, um als zu ken­nen. Und zwar in der Ver­wen­dung “gewöhn­lich”, und die habe ich aus der Gegend Knit­tlin­gen / Maulbronn.

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  4. suz

    Und was ist daran dialektal?

    Im Ernst: Mir war das nicht als dialek­tal bewusst. Ehrlich nicht. Nun weiß ich nicht, wie oft ich es (noch) benutze; da es für mich aber natür­lich ist, ver­mut­lich öfter. Und offen­bar “fällt” es den Hanseat­en auch nicht auf. Denn anders als mit dem wie-Kom­par­a­tiv bin ich hier noch nie kor­rigiert worden.

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  5. Kristin Beitragsautor

    Heute einen schö­nen Mus­ter­dia­log für das gewohn­heitsmäßige als belauscht:
    Meine Mut­ter: “Wo die Kristin zwei Jahre alt gewe­sen ist, bin ich als mit ihr im Schlit­ten spazieren gegangen.”
    Mein Vater: “ ‘als’??? So oft war das aber nicht!”
    Meine Mut­ter: “Doch, jeden Tag zweimal eine halbe Stunde …”

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  6. FrauMau

    Im Süd­hes­sis­chen kenne ich “als” eben­falls im Sinne von “gewöhn­lich” oder “, aber auch in Aus­drück­en wie “immer als emaa” (dann und wann) oder (in Wegbeschrei­bun­gen) “als unn als gradaus” (immer weit­er ger­ade aus). Ver­mut­lich hätte ich “als” eher als “immer” übersetzt.

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