Ramsauer, einfach unverbesserlich

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe das Ver­hält­nis der Deutschen Bahn zur englis­chen Sprache schon kri­tisi­ert und gelobt, aber eigentlich lässt es mich völ­lig kalt.

Mich regt etwas anderes auf: dass die Deutsche Bahn kom­plett den Anspruch aufgegeben hat, auch nur Anstal­ten zu machen, so zu tun als ob sie den Anschein erweck­en wolle, zumin­d­est ein Lip­pen­beken­nt­nis bezüglich ein­er prinzip­iellen Bere­itschaft abzugeben, wenig­stens vorzutäuschen, uns ein leeres Ver­sprechen machen zu wollen, dass sie the­o­retisch vorhabe, ihr Monopol auf den Schienen­verkehr in Deutsch­land zum Anlass zu nehmen, diesen auf eine Art zu betreiben, die wenig­stens für das zwanzig­ste Jahrhun­dert nicht völ­lig unangemessen gewe­sen wäre.

Wenn es einen Satz gibt, der bei mir Has­s­ge­füh­le aus­löst, dann ist es nicht „Thank you for trav­el­ling with Deutsche Bahn“, son­dern „Wir bit­ten um ihr Verständnis“.

Die Züge, in denen ich dieser Tage die Freude hat­te, quer durch Deutsch­land zu fahren (und ich meine Deutsch­land, das Win­ter­märchen, und nicht das Land, das ich eigentlich kenne und liebe) waren ohne Aus­nahme ver­spätet. Viele führten abgeschlossene Wagen mit, oder solche, in denen kein Licht bran­nte, oder sie hat­ten kaputte Heizun­gen. Das Reservierungssys­tem funk­tion­ierte so gut wie nie. Auf das umfan­gre­iche gas­tronomis­che Ange­bot wurde zwar hingewiesen, allerd­ings meis­tens nur, um uns mitzuteilen, dass dieses wegen ein­er tech­nis­chen Störung nicht zur Ver­fü­gung stünde. Für jede dieser kleinen Unan­nehm­lichkeit­en hat man bah­n­typ­isch auf eine Art um unser Ver­ständ­nis gebeten, die dieses bere­its selb­stver­ständlich voraus­ge­set­zt hat.

Wer ist Schuld an all­dem? Am ehesten doch wohl Bun­desverkehrsmin­is­ter Peter Ramsauer.

Aber der weiß, wo die eigentlichen Prob­leme der Deutschen liegen:

Seine seit einem Jahr laufende Ini­tia­tive zur Rück­über­set­zung von Anglizis­men in die deutsche Sprache beze­ich­nete er als Erfolg, den er seinen Kabi­nettskol­le­gen zur Nachah­mung empfehle. Auf Ram­sauers Ini­tia­tive hin wer­den seit einem Jahr englis­che Begriffe wie „Lap­top“, „Tick­et“ oder „Flipchart“ im Verkehrsmin­is­teri­um nicht mehr ver­wen­det. Stattdessen wird von „Klap­prech­n­ern“, „Fahrscheinen“ und „Tafelschreib­block“ gesprochen. Die Kam­pagne habe ihm „Tausende Zuschriften und Anrufe“ auch aus der Bevölkerung einge­bracht, sagte Ram­sauer, und zwar mit „100 Prozent Zus­tim­mung“. Die Ein­sicht daraus sei für ihn als Poli­tik­er: „Dem Volk aufs Maul geschaut! Und schon weiß ich, was die Nöte, Sor­gen und Prob­leme der Men­schen sind. Und vor allen Din­gen, was ich zu tun habe, um Abhil­fe zu schaf­fen.“ Ram­sauer zeigte sich überzeugt davon, dass es auch bei der Bahn AG zu ein­er Rück­über­set­zung von englis­chen Begrif­f­en kom­men werde. Bah­nchef Rüdi­ger Grube sei ein „prag­ma­tis­ch­er und hand­fester Mann“, der in seinem Unternehmen in jed­er Hin­sicht aufräu­men werde. [Focus, 28.12.2010]

Dann schauen Sie mir mal aufs Maul, Herr Min­is­ter: Es inter­essiert mich nicht, in welch­er Sprache die Bahn mit mir spricht. Ich will nur, dass sie das tut, wofür ich ihr jeden Monat zehn Prozent meines Einkom­mens über­weise: Mich zur angegebe­nen Zeit und inder angegebe­nen Zeit auf dem angegebe­nen Sitz­platz und bei ein­er Tem­per­atur, die men­schlich­es Leben ermöglicht, an den angegebe­nen Ort bringen.

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