Von EHEC zu Ehec

Von Kristin Kopf

Mir ist heute aufge­fall­en, dass sich <EHEC> in <Ehec> ver­wan­delt hat – und zwar enorm schnell. Man ken­nt das ja von anderen Akro­ny­men wie <AIDS>/<Aids> oder aktueller <SARS>/<Sars>, aber da hat es, bilde ich mir ein, doch ein Stückchen länger gedauert und bei­de Schreib­weisen sind üblich (bei AIDS) oder gar duden­sank­tion­iert (bei SARS).

Bei der Suche nach Ehec im faz.net-Archiv zeigt sich, dass es mit der Anpas­sung sog­ar noch schneller ging, als ich dachte:

Absolute Zahlen <EHEC> vs. <Ehec> bei faz.net.

Schon am vierten Tag der Berichter­stat­tung dominierte <Ehec>. Eine kluge Wahl, wis­sen damit dann doch auch die Fernsehlosen, dass man das Ding nicht E‑ha-e-ze ausspricht. (Nein, ich war nicht die einzige in meinem Umfeld!) Andere Medi­en hal­ten an EHEC fest, so z.B. die ARD mit der Tagess­chau.

SARS hinge­gen kon­nte in mein­er Erin­nerung sowohl Es-a-er-es als auch Sars aus­ge­sprochen wer­den (der Duden sagt nur Sars, Wik­tionary nen­nt bei­des) – bevorzugt man die Buch­sta­bier­aussprache, dann hält man natür­lich an <SARS> fest. Vielle­icht ist das mit ein Grund für die wesentlich langsamere Aus­bre­itung. Um einen kleinen Ein­druck von der Dauer zu kriegen, habe ich alle Tre­f­fer der faz.net-Suche aus­gew­ertet, bei denen das Wort im Aus­riss vorkam (denn der Rest des Artikels ist dann immer kostenpflichtig). Und so sieht das aus:

Absolute Zahlen <SARS> vs. <Sars> nach Wochen (17.3. bis 27.7.2003) bei faz.net.

Es hat also ziem­lich lange gedauert, bis man hier die Majuskeln aufgegeben hat, der erste Tre­f­fer für <Sars> find­et sich nach knapp zwei Monat­en am 13.5.2003. (Wenn man sich diese Artikel so durch­schaut, drängt sich übri­gens der Ein­druck auf, alles, was die FAZ an Sars inter­essiert hat, sei der Ein­fluss auf die Börsenkurse gewe­sen.) Die kom­plette Großschrei­bung gibt es nach wie vor, sie ist auch die vom Duden emp­foh­lene Vari­ante, aber die FAZ scheint sie am 26.5.2003 zulet­zt benutzt zu haben. (Habe allerd­ings nicht alle Tre­f­fer bis heute durchgeschaut, son­dern irgend­wann Ende 2003 aufge­hört, also keine Garantie.)

Die ZEIT, deren Artikel man über das DWDS durch­suchen kann, war einen ganzen Monat früher dran – am 14.4.2003 tauchte das erste <Sars> auf, blieb allerd­ings lange nur die zweite Wahl. Ab dem 24.7.2003 dominiert es dann. Die bei­den Suchen sind aber nicht ganz ver­gle­ich­bar, weil ich bei der FAZ immer nur das erste Auftreten im Artikel gew­ertet habe, bei der ZEIT-Suche hinge­gen alle Fund­stellen in einem Artikel aus­gegeben wer­den. Wenn sich also schon früher was bei der FAZ im späteren Artikelver­lauf ver­steckt hat, habe ich das nicht erfasst.

Ich hätte jet­zt furcht­bar gerne Hör­belege für SARS, um zu schauen, ob der Schreib­wan­del auf einen Aussprachewan­del zurück­zuführen ist. Mir ist allerd­ings noch kein gutes Mit­tel einge­fall­en, das rauszubekom­men. Ideas, anyone?

24 Gedanken zu „Von EHEC zu Ehec

  1. DrNI

    Mich würde jet­zt eher generell inter­essieren, wann eine Abkürzung zum Wort wer­den kann. Zum Beispiel WWW, XML, oder IBM wer­den nicht wie Wörter gesprochen. Intu­itiv würde ich sagen, dass etwas nur wie ein Wort gesprochen wird, wenn es eine zum Deutschen (oder jew­eili­gen anderen Sprache) kom­pat­i­ble Sil­ben­struk­tur hat. 

    Sars und Ehec sind ja nicht die einzi­gen, es gibt zum Beispiel auch Bafög oder Tüv, die Faz und die Taz… wobei nicht immer die Schreib­weise ein Indiz für die Aussprache als Wort zu sein scheint.

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Jipp, es müssen aus­re­ichend Vokale drin sein 😉 Wäre span­nend, mal in großem Stil Fälle mit ein­er extrem markierten, aber den­noch aussprech­baren Sil­ben­struk­tur zu suchen und zu schauen, wie damit umge­gan­gen wird. (DNA wäre ja z.B. sprechbar.)

      Die Schreib­weise mit Großbuch­staben kann nicht anzeigen, ob das Wort als Abkürzung i.e.S. gesprochen wird, also aus­buch­sta­biert (VW, DNA, …), oder ob es ein Akro­nym ist, also wie ein neues Wort gesprochen wird (AIDS, SARS).

      Umgekehrt weist aber die Klein­schrei­bung mE darauf hin, dass es sich um ein Akro­nym han­delt. Im Fall von Ehec kann man die Aussprache also durch die neue Schrei­bung ein­deutig machen.
      (Es gibt aber auch einzelne Abkürzun­gen, die wie ganz nor­male graphe­ma­tis­che Wörter geschrieben wer­den, z.B. Spvgg, also Spielev­ere­ini­gung, wobei ich da nicht weiß, ob man das wirk­lich buch­sta­biert oder nicht eher beim Sprechen auflöst.)

      Antworten
      1. DrNI

        Na es geht nicht nur um genü­gend Vokale, Deutsch hat z.B. keine kom­plex­en Onsets wie “Brno” (eine tschechis­che Stadt, die auf Deutsch Brünn heißt), dafür kom­plexe Off­sets wie in “jet­zt”.

        Antworten
        1. Kristin Beitragsautor

          Ja, schon klar — ich kön­nte mir nur prinzip­iell vorstellen, dass es bei Akro­ny­men auch leichte Abwe­ichun­gen von der deutschen Phono­tak­tik gibt. Habe aber bish­er keine richti­gen Beispiele, vielle­icht iss­es also auch Quatsch.

        2. Kristin Beitragsautor

          So, noch mal dazu — jan­wo hat vorhin bemerkt, dass die Ehec-Krise oft Ehe-Krise aus­ge­sprochen wird. Selt­sam, weil zwei Kon­so­nan­ten an den Mor­phem­gren­zen ja nor­maler­weise prob­lem­los artikuliert wer­den wie Gem­i­nat­en (Besteck­kas­ten, Laub­baum).
          Das zeigt m.E. ganz schön, dass Ehec kein beson­ders wohlge­formtes Wort des Deutschen ist. Eine kur­sorische Über­prü­fung (investierte Zeit: 5 Minuten, also mit Vor­sicht zu genießen) legt nahe, dass der Aus­laut eck im Deutschen vorkommt bei
          — Ein­sil­bern (Deck, Heck, Dreck, …)
          — ultima­beton­ten Zweisil­bern (Besteck, Gedeck, …)
          Bei Ehec liegt aber Erst­sil­ben­be­to­nung vor, was bei der Kom­po­si­tion prob­lema­tisch zu wer­den scheint.

        3. lukas

          Zudeck ist fuer mich erst­sil­ben­be­tont. Ist aber anscheinend nicht stan­dard­sprach­lich, und ein Kom­posi­tum faellt mir auf Anhieb dazu auch nicht ein.

        4. Kristin Beitragsautor

          Hmja, das DWB sagt “bettdecke, in Ober­sach­sen und dem Erzge­birge” und ken­nt als Kom­posi­tum “zudeck­kissen, n. Jean Paul 32, 60 H. — “. Wie würd­ste das aussprechen?

        5. lukas

          Nu ja, vom Erzge­birge und Ober­sach­sen bis in die Oberp­falz ists nicht weit.

          Zudeck­kissen ist nicht in meinem Wortschatz… Wenn ich das jet­zt lese, höre ich es im Kopf mit Doppel‑k, aber darauf kann man wohl nicht viel geben.

        6. lukas

          DWB hat noch Auf­steck­kleid, Ein­steck­kamm, Viereck­krabben, Vorsteck­kamm und Vorsteck­keil. Hil­ft mir aber auch nicht weiter.

  2. Ludwig Trepl

    Egal wie man’s schreibt: Ehec ist ein­fach kein Name für eine Durch­fall­erkrankung, man denkt da eher an eine beson­dere Form von Schädel­ba­sis­bruch. Fällt jeman­dem was Besseres ein?

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Tolle Idee, vie­len Dank! Lei­der klappt bei mir das Abspie­len nicht, werd’s später noch mal an einem anderen Rech­n­er probieren.
      Sor­ry, dass Dein Beitrag erst jet­zt erscheint, er war im Spamord­ner. (Ich ver­mute wegen der “Mailadresse”.)

      Antworten
      1. thf

        Würde eher sagen: Mea cul­pa; tut mir Leid, dass ich da für zusät­zliche Arbeit gesorgt habe. Ich hoffe, das ist mit meinem Beitrag zum Ety­molo­giequiz nicht auch (wieder) passiert. Offen­sichtlich sor­gen meine Alca­traz-ähn­lichen (Browser)einstellungen für manch­es Durcheinander.

        Antworten
        1. Kristin Beitragsautor

          Hm, eine Antwort zum Ety­molo­giequiz kann ich von Dir nir­gends find­en — wed­er im Spamord­ner, noch bei den noch nicht genehmigten Antworten … wann hast Du die geschrieben?

  3. JJ

    Es wäre inter­es­sant, nicht-jour­nal­is­tis­che Texte unter dieser Fragestel­lung zu unter­suchen. Denn die Schrei­bung wird in Redak­tio­nen sicher­lich vere­in­heitlicht. ›Deine‹ Zahlen zeigen daher m.E. bish­er also nur, a) dass die Redak­tio­nen sich irgend­wann umentsch­ieden haben und b) dass die Entschei­dung jew­eils rel­a­tiv zügig umge­set­zt wurde.

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Ja, daran habe ich auch gedacht — fand es aber auch schon sehr inter­es­sant, dass die Umentschei­dung ein­mal so viel länger dauerte als das andere Mal.
      Bei nicht-jour­nal­is­tis­chen Tex­ten wird’s halt ein­fach viel zu schw­er, eine groß genuge Daten­menge zusam­men­zubekom­men, die es erlaubt, die Fak­toren ein­er eventuellen Verän­derung (die ganz bes­timmt auch von der bevorzugten Schrei­bung in Medi­en bee­in­flusst wer­den) auseinan­derzuk­lauben. (Bei Zeitungssprache kann man ja von ein­er rel­a­tiv homo­ge­nen Schreiber­gruppe aus­ge­hen und hat eine gute Datierungsmöglichkeit.)

      Antworten
  4. janwo

    Zu den SChrei­bun­gen bei Zeitun­gen mag ich noch ergänzen, dass es da u.U. auch schlichtweg irgendwelche ver­lagsin­ter­nen Typogra­phie-Dog­men geben kann, die vorgeben, welche Abk. wie abgek. wird und wo wie viele Großbuch­staben hin­tere­inan­der ste­hen dürfen.

    Antworten
  5. Nightstallion

    Ich schreibe Ini­tial­is­men kon­se­quent in Großbuch­staben, auch wenn ich sie als Wort und nicht als Buch­staben­folge ausspreche.

    Antworten
  6. HM

    Ich habe erst auch E‑Ha-E‑C gesagt, wahrschein­lich weil Ehec sehr ungewöh­lich klingt, möglicher­weise wegen der Beto­nung der ersten Silbe. Buch­sta­biert ist es aber ein echter Zungenbrecher.
    Bei der Groß- und Klein­schrei­bung kön­nte auch die Lage der Buch­staben auf der Tas­tatur eine Rolle spie­len: Bei SARS sind sie alle mit der linken Hand zu erre­ichen, und man kann also mit rechts die Shift-Taste gedrückt halten.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu DrNI Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.