Yolo & Yallaf!

Von Susanne Flach

Der Lan­gen­schei­dt Ver­lag suchte während des Som­mer­lochs wieder das Jugend­wort des Jahres — und will es am Son­ntag nach Juryauswahl und Pub­likumsab­stim­mung gefun­den haben. Yolo, was für you only live once (‚Du leb­st nur ein­mal‘) ste­ht und laut Jury als „Auf­forderung, eine Chance zu nutzen“ inter­pretiert wird. Weit­ere Nominierun­gen waren (in abw­er­tender Rei­hen­folge): FU!, yal­la, wulf­fen und Koma­su­tra.

Irgend­wie ist yolo sog­ar fast pfif­fig und sprach­wis­senschaftlich als Diskurs­mark­er beina­he inter­es­sant — zumin­d­est, wenn sich der Anspruch die Gewin­ner­worte der let­zten bei­den Jahre, Niveaulim­bo (2010) und Swag (2011), von unten ansieht.

Was aber genau die focussierte Jury aus Spießern von Welt dazu bewogen hat, wulf­fen zu nominieren, das als gut­ten­ber­gen bere­its im let­zten Jahr erkennbar schlecht als Unfug getarnt war, wird ihr Geheim­nis bleiben. Genau wie übri­gens die Nominierungs- und Auswahl­prozesse. Zwar kann jede/r Vorschläge ein­senden, aber schon das wortkarge 358-seit­ige Forum auf der Wahl-Seite lässt Zweifel daran aufkom­men, woher Kan­di­dat­en und Pub­likums­barom­e­ter genau kommen.

(Zu FU! möchte ich mich zum Beispiel gar nicht äußern (lol­rofllol).)

In Ord­nung. Die Jury kämpft ver­mut­lich noch mehr als wir beim Anglizis­mus des Jahres damit, die Aktu­al­ität und den tat­säch­lichen Sprachge­brauch der Kan­di­dat­en präzise zu bes­tim­men und einzu­gren­zen (ehrlich­er Ver­such voraus­ge­set­zt). Googles zeitliche Zuver­läs­sigkeit ist derzeit hundsmis­er­abel — selb­st wenn man die Tre­f­fer nach dem 20. Juli raus­fil­tert, an welchem Lan­gen­schei­dt die Kan­di­dat­en bekan­nt­gab, erhält man über­wiegend Pressemit­teilun­gen vom Anfang der Woche. Sei’s drum. Aber ob beispiel­sweise Koma­su­tra so neu ist? Schnell und ober­fläch­lich recher­chiert: komasutra.de ist eine seit April 2007 kon­nek­tierte Domain mit ver­steck­ten Par­ty­bildern. Naja, bleiben wir fair: ein kreativ­er Ham­burg­er macht ja noch kein kama­sutrös schiefge­laufenes Besäufnis.

Zumin­d­est bei der Ein­hal­tung des Nominierungskri­teri­ums „Kreativ­ität“ hat man sich möglicher­weise Mühe gegeben: zwar ist yolo for­mal ein stin­knor­males Akro­nym (sowas wie Laser). Aber immer­hin: sollte yolo tat­säch­lich im Sinne „eines Lebens­ge­fühls“ ver­wen­det wer­den, würde ich an dieser Stelle ganz ergrif­f­en nick­en wollen. Aber es liegt kaum ein brauch­bar­er Beleg aus dem deutschsprachi­gen Raum vor — vielle­icht ver­steck­en sie sich auch ein­fach viel zu gut im leeren Rund ein­er inter­ne­to­phoben Gen­er­a­tion. Doch selb­st meine bei­den Infor­man­tInnen (15 & 18) mocht­en dieses Wohlwollen mit „ach, diese amerikanis­che Ver­arsche pseudoin­tellek­tueller Hip­ster­scheiße?“ auch nicht so recht auslösen.

Bei der Beurteilung der Ver­bre­itung im Sprachge­brauch der Ziel­gruppe beg­nügt sich die Jury dementsprechend auch dieses Jahr mit Klick­zahlen eines Videos eines möglicher­weise bekan­nten Duos (hier: Drake feat. Lil Wayne — it’s in the name, wayne!). Diesen Beleg aber mit ein­er „nicht mehr wegzudenken[den]“ Ver­bre­itung eines Wortes gle­ichzuset­zen wäre in etwa so, als behaupte man, wir ver­stün­den „Ret­tungss­chirm“ als Aus­druck ein­er hip­pen Non­cha­lance, weil 82 Mil­lio­nen Mit­glieder der Sprachge­mein­schaft bei ein­er bun­desregieren­den Neu­jahrsansprache die Fernbe­di­enung nicht rechtzeit­ig gefun­den haben.

Vielle­icht hat die Jury aber auch ein­fach ganz großar­ti­gen Humor.

8 Gedanken zu „Yolo & Yallaf!

  1. Evanesca Feuerblut

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch als ich selb­st Jugendliche war (also in die Gruppe 15–18 fiel), beim “Jugend­wort des Jahres” auch nur ein Wort nominiert wurde, das mir auch nur bekan­nt wäre.
    Ich habe eine 13-jährige Schwest­er, die ich mal spaße­shal­ber mit “Yolo” kon­fron­tiert habe. Sie kan­nte es auch nicht.
    Wonach genau also aus­gewählt wird, weiß ich nicht… nach tat­säch­lichem Sprachge­brauch gewiss nicht.

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  2. Patrick

    Ich mache mir ger­ade den Spass, alle meine Klassen mit der Top15 zu kon­fron­tieren. Meis­tens ken­nen die Jugendlichen 5–7, benutzen 1 oder 2 mit auch nur hal­ber Häufigkeit.

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  3. Julian

    Ich würde “YOLO” eher als Unwort des Jahres betiteln, zumin­d­est, wenn man sich auf die ganzen Posts der let­zten Wochen und Monate bspw. auf 9gag.com bezieht 😉

    Auf “Carpe diem!” hat sich der Spiegel gestern oder vorgestern übri­gens auch schon bezogen.
    Dem würde ich aber wider­sprechen, da “yolo” im Grunde nur als Ausrede für völ­lig bescheuerte und dumme Aktio­nen dient, bei denen man sich ohne große Mühe den Hals brechen kann …

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    1. Susanne Flach Beitragsautor

      Ja, ich glaube, das mit dem Sprachge­brauch ist tat­säch­lich das größte Prob­lem der Jury. Entwed­er ken­nt sie ihn nicht oder ver­ste­ht ihn nicht (ver­mut­lich bei­des). “Carpe Diem” — das ist die Inter­pre­ta­tion der Jury — also der Ein­druck ist, dass falls yolo über­haupt benutzt wird, dann max­i­mal als stark satirisch kon­notiertes und kon­textbe­zo­genes “Carpe Diem”.

      @Julian: Passt da mit rein — Dar­win lässt grüßen. Und am Unwort wird sich dem­nächst eine andere Jury versuchen.

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  4. Pingback: Wahl zum Anglizismus des Jahres eröffnet | ANGLIZISMUS DES JAHRES

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