T/V Total

Von Anatol Stefanowitsch

Sprache dient uns nicht nur dazu, Infor­ma­tio­nen über die Welt auszu­tauschen, son­dern auch dazu, zwis­chen­men­schliche Beziehun­gen auszuhan­deln und zu signalisieren.

Wir tun das unter anderem durch soge­nan­nte Höflichkeits­for­men (oder Hon­ori­fi­ca). Das kön­nen im ein­fach­sten Fall spezielle Anre­de­for­men sein, wie etwa die im amerikanis­chen Englisch weit ver­bre­it­eten sir und ma’am oder das etwas ver­al­tete deutschen mein Herr oder gnädi­ge Frau.

Es kön­nen aber auch Flex­ion­sendun­gen sein, die fes­ter Bestandteil der Gram­matik ein­er Sprache sind, wie zum Beispiel im Kore­anis­chen. Möchte ich auch Kore­anisch ein­fach sagen „Ich esse Mit­tagessen“, dann lautet die neu­trale Form wie folgt:

Na-nun cem­sim-ul mek-nun-ta

ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-INDIKATIV-DEKLARATIV

Es gibt aber fünf weit­ere Höflichkeitsebenen:

Ehrerbi­etungsvoll“
Na-nun cem­sim-ul mek-sup-ni-ta
ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-RESPEKT-INDIKATIV-DEKLARATIV
Höflich“
Na-nun cem­sim-ul mek-e-yo
ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-INTIMITÄT-HÖFLICHKEIT
Ver­traut“
Na-nun cem­sim-ul mek-ney 
ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-VERTRAUTHEIT
Intim“
Na-nun cem­sim-ul mek‑e
ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-INTIMITÄT
Schroff/Direkt“
Na-nun cem­sim-ul mek-so/-uo
ich-TOP Mit­tagessen-AKK ess-DIRKEKT

Die Fein­heit­en der Ver­wen­dung dieses sehr kom­plex­en Sys­tems zu erk­lären würde hier zu weit führen. Ich war vor eini­gen Jahren auf ein­er Par­ty in Berke­ley, auf der außer mir nur Kore­an­er anwe­send waren. Wir haben einen großen Teil des Abends damit ver­bracht, uns ver­schiedene Sit­u­a­tio­nen auszu­denken, und zu über­legen, wer in diesen Sit­u­a­tio­nen welche Höflichkeit­sebene ver­wen­den würde. Dabei wurde schnell klar, dass es große indi­vidu­elle Unter­schiede gibt, dass es aber auch vom Geschlecht, Alter, Beruf­s­stand und vie­len anderen Din­gen abhängt, welche Form wann angemessen ist. Eins zeigt die etwas grobe Klas­si­fizierung der Beispiele hier aber deut­lich. Es spie­len min­destens zwei ver­schiedene Dimen­sio­nen eine Rolle: Respekt und Nähe.

Im Deutschen und in anderen europäis­chen Sprachen spie­len Hon­ori­fi­ca im Pronom­i­nal­sys­tem eine Rolle. Dabei gibt es typ­is­cher­weise für die zweite Per­son zwei ver­schiedene For­men, die in der Sprach­wis­senschaft oft als T‑Form und V‑Form beze­ich­net wer­den (nach dem franzö­sis­chen tu und vous):

T‑Form V‑Form
Franzö­sisch tu vous
Spanisch tu ust­ed
Ital­ienisch tu Lei
Rus­sisch ty vy
Schwedisch du ni
Ungarisch te maga
Deutsch du Sie

Die Ver­bre­itung der V‑Formen vari­iert stark über die unter­schiedlichen Sprachen hin­weg. Während sie im Franzö­sis­chen sehr häu­fig sind, find­en sie sich in den skan­di­navis­chen Sprachen kaum noch. Auch die genauen Sit­u­a­tio­nen und sozialen Beziehun­gen, die durch die Ver­wen­dung der V‑Form gekennze­ich­net wer­den, unter­schei­den sich (ein frei ver­füg­bar­er Fachauf­satz zu dem The­ma ist Helm­brecht 2005). All­ge­mein lässt sich aber fest­stellen, dass dabei die sel­ben zwei Dimen­sio­nen eine Rolle spie­len, die oben schon ange­sprochen wur­den: Respekt und Nähe.

Brisant ist dabei, dass diese zwei Dimen­sio­nen durch eine einzige Unter­schei­dung aus­ge­drückt wer­den. Jede der bei­den For­men hat deshalb eine dop­pelte Funk­tion: du kann Nähe aus­drück­en, aber auch die Abwe­sen­heit von Respekt; Sie kann Respekt aus­drück­en, aber auch Dis­tanz. Welche Dimen­sion jew­eils gemeint ist, hängt von der Sit­u­a­tion und dem Ver­hält­nis zwis­chen Sprech­er und Hör­er ab.

Nach diesem lan­gen Vorspann komme ich damit zu meinem eigentlichen The­ma. Wie Sie als Leser dieses Blogs sich­er gemerkt haben, Siezen wir Sie in unseren Beiträ­gen und auch in unseren Antworten auf Ihre Kom­mentare. Das ist zwar nichts Einzi­gar­tiges in der Blo­gosphäre, aber es ist auf jeden Fall sel­ten. Und vor eini­gen Tagen ist es dem Leser A.T. sauer aufgestoßen: er kam über einen Link von Nils Reit­ers Goethe­blog 3 zu uns (Nils, schö­nen Dank übri­gens für diesen Link und vor allem für den schme­ichel­haften Ver­gle­ich mit dem Lan­guage Log) und hin­ter­ließ dann dort fol­gen­den Kommentar:

Danke für den Link, aber gibt es das eigentlicht son­st noch in irgend einem anderen Land, dass der Blog­ger seine Leser in den Kom­mentaren siezt?

Ich habe mich in die Diskus­sion eingek­linkt und Fol­gen­des geschrieben:

Also, ich habe mir über die Anre­de­form bewusst Gedanken gemacht als ich unter die Blog­ger gegan­gen bin. Mir ist natür­lich klar, dass Kom­mu­nika­tion im Inter­net meis­tens einen eher informellen Charak­ter hat, vor allem in Foren und Blogs. Deshalb wäre das all­ge­meine „Du“ sich­er nicht unangemessen (und ich bin auch nie belei­digt, wenn mich ein Leser duzt). Aber ich fand dann doch, dass es nicht schaden kann, einen höflichen Umgangston zu pfle­gen, da Blog­ger und Leser ja zunächst Fremde sind.

Das war äußerst unge­nau for­muliert und ich kann das nur damit entschuldigen, dass ich kein aus­gewiesen­er Prag­matik­er bin (die Prag­matik ist die Teild­iszi­plin der Lin­guis­tik, die sich unter anderem auch mit T/V‑Formen befasst). Die V‑Form kodiert ja gar nicht per se Höflichkeit, son­dern eben, je nach Sit­u­a­tion, Respekt oder Dis­tanz. A.T. hat meine unge­naue For­mulierung auch sofort durch­schaut und geantwortet:

Dann wäre ich also unhöflich, weil ich meine Leser duze?

Übri­gens kann es doch schaden, weil siezen im Inter­net meist eher als unhöflich betra­chtet wird, schließlich stellt man damit eine gewisse Dis­tanz her, die in der Blo­gos­phere zumin­d­est ungewöh­lich ist. Das ist wie hier in Schwe­den. Würde ich hier jeman­den siezen, würde ich komisch angeguckt wer­den, fühl dich also mal komisch angeguckt 😉

Für A.T. stellt das Inter­net an sich (oder wenig­stens der inter­ak­tive Teil, also Blogs und Foren) offen­sichtlich eine so große Nähe zwis­chen den Nutzern her, dass das Siezen dadurch primär zu einem Dis­tanzsig­nal wird (eine inter­es­sante Diskus­sion in dieser Rich­tung find­et sich auch hier). Diese Dis­tanz wird dann als unhöflich empfunden.

Wie ich in mein­er oben zitierten Antwort angedeutet habe, ist das Inter­net für mich aber eher ein Ort, wo die Nutzer sich zunächst als Fremde begeg­nen, die zwar gemein­same Inter­essen haben, aber nicht automa­tisch zu engen Fre­un­den wer­den. Mir ging es bei der Entschei­dung für das Sie darum, einen respek­tvollen Umgang unter Gle­ich­gesin­nten zu pfle­gen. Dis­tanz will ich damit keines­falls zum Aus­druck brin­gen — ich füh­le mich den Lesern des Bre­mer Sprach­blogs dur­chaus ver­bun­den, etwa durch das gemein­same Inter­esse an Sprache und Sprachen und dadurch, dass wir gemein­sam Teil der bloggen­den Sub­kul­tur sind. Ich werde deshalb grund­sät­zlich beim Sie bleiben, aber es inter­essiert mich sehr, wie Ihre Mei­n­ung zum Duzen und Siezen im Inter­net ist.

HELMBRECHT, Johannes (2005). Typolo­gie und Dif­fu­sion von Höflichkeit­spronom­i­na in Europa. Arbeitspa­piere des Sem­i­nars für Sprach­wis­senschaft der Uni­ver­sität Erfurt Nr. 18 [PDF].

STRAUSS, Susan & EUN, Jong Oh (2005). Index­i­cal­i­ty and hon­orif­ic speech lev­el choice in Kore­an. Lin­guis­tics 43(3), 611–651.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

10 Gedanken zu „T/V Total

  1. Mike Seeger

    Hal­lo Herr Stefanowitsch!

    Grund­sät­zlich würde ich in der Frage zwis­chen pri­vatem Blog und geschäftlichem unter­schei­den. Zudem finde ich Ihre Entschei­dung für das “Sie” angemessen für einen doch recht wis­senschaftlichen Blog. Ich käme beim Kom­men­tieren — wahrschein­lich auf Grund mein­er Erziehung — nicht auf die Idee, einen Wis­senschaftler den ich nicht kenne, ein­fach zu duzen. Das würde in meinen Augen ein­fach nicht passen. Vielle­icht ist das ja noch das unter­schwellig vorhan­dene Obrigkeits­denken, was den Deutschen ange­blich anhaftet. Ich sehe es eher als natür­lichen Respekt ein­er mir unbekan­nten Per­son gegenüber. Wenn ich im Zweifel bin, ob ich duzen oder siezen soll, dann frage ich ein­fach, und wer mich (zuerst) duzt, den duze ich zurück.

    Es gibt einige schöne Blogs, die eben­falls das “Sie” ver­wen­den, obwohl sie eher pri­vat sind. Das ist manch­mal eine willkommene Abwech­slung. Sicher­lich spielt auch das Alter der Blog­ger eine Rolle. Blog­ger über 50 (willkür­lich gewählt) wer­den wahrschein­lich eher siezen. In den meis­ten Inter­net­foren wird man verge­blich das “Sie” suchen, hier ist Duzen üblich. Dass das Siezen im Inter­net unhöflich sein soll, ist mir neu und kann ich nicht nachvol­lziehen. Ich sollte — in Anlehnung an eine Zigaret­ten-Wer­bung — vielle­icht ein Logo für meinen Blog erstellen mit dem Spruch: “Ich sieze gern!” Natür­lich zum Herun­ter­laden für gle­ich­gesin­nte Blog­be­treiber. Dis­tanz und Respekt fordern gle­ich­sam das “Sie”. Um Dis­tanz zum Aus­druck zu brin­gen, braucht es wenige zusät­zliche Worte, da haben es die Kore­an­er wohl etwas einfacher.

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  2. Frank Oswalt

    Es kommt immer drauf an. In Foren und Groups wird ja fast durchgängig geduzt und da man sich dort oft über Per­sön­lich­es unter­hält und sich manch­mal ja auch schon jahre­lang ken­nt, passt das auch. Bei Blogs ist das viel gemis­chter, aber das Siezen scheint mir gar nicht so unüblich — ich habe eben nachge­se­hen und fest­gestellt, dass von den 11 Blogs, die ich halb­wegs regelmäßig lese, auf 7 geziezt wird.

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  3. nils

    Es muss dazu ja keine all­ge­me­ingültige Lösung gefun­den wer­den. Ich empfinde wed­er duzen noch siezen per se als höflich oder unhöflich bzw. dis­tanziert oder respek­t­los — solche Dinge drück­en sich ja eben nicht nur durch die Anrede aus, son­dern auch durch das Außenrum.

    Nor­maler­weise tendiere ich zum Du, ein­fach weil sich in mein­er Umge­bung alle duzen (zumin­d­est alle unter­halb von Pro­fes­soren, aber auch da gibt es Ausnahmen).

    Meine Erfahrung in Schwe­den, wo man wirk­lich jeden duzt, ist eben­falls, dass das keineswegs Respek­t­losigkeit aus­drück­en muss.

    Das Grund-Dilem­ma ist doch aber eigentlich: Wenn ich duze, kann ich nicht mehr so ein­fach größere Nähe her­stellen. Wenn ich sieze, kann ich nicht mehr so ein­fach größere Dis­tanz markieren.

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  4. Anatol Stefanowitsch

    Lieber Herr Seeger, mit dem Ein­fluss des Alters haben Sie sich­er Recht: zum einen sind ältere Mit­men­schen in Zeit­en aufgewach­sen, in denen das Duzen noch nicht so ver­bre­it­et war (und das Inter­net schon gar nicht); zweit­ens scheint es mir, dass ich, je älter ich werde, auch in Sit­u­a­tio­nen zum „Sie“ tendiere, in denen ich früher bedenken­los geduzt habe. Das „Obrigkeits­denken“, das Sie ansprechen, kann sich­er auch eine Rolle spie­len, aber hof­fentlich nicht auf diesem Blog. Das Siezen ist hier ja auch gegen­seit­ig, während ich Obrigkeits­denken eher mit Sit­u­a­tio­nen verbinde, in denen der Höher­ste­hende den Tiefer­ste­hen­den duzt, umgekehrt aber gesiezt wird (z.B. in der Schule). Das mit dem Logo ist eine inter­es­sante Idee, wobei es der ganzen Sache vielle­icht auch mehr Gewicht ver­lei­ht, als sie eigentlich haben sollte.

    Nils, an vie­len Refor­mu­ni­ver­sitäten, inklu­sive der Uni Bre­men, ist das Duzen sich­er lange Zeit der Nor­mal­fall gewe­sen, aber ich habe den Ein­druck, dass sich das ändert. Mit den meis­ten Kol­le­gen duze ich mich natür­lich, eben­so wie mit Studieren­den im Haupt­studi­um, mit denen ich schon viele Sem­i­nare gemein­sam erlebt habe. Aber bei Stu­di­en­an­fängern habe ich vor eini­gen Jahren bewusst das „Sie“ einge­führt und bin damit sehr zufrieden. Mein Ein­druck ist, dass es dem fre­undlichen und ver­trauensvollen Umgang keinen Abbruch tut, aber eine gewisse Klarheit schafft, die beim all­ge­meinen „Du“ oft fehlt. Die Sit­u­a­tion in Schwe­den kann man natür­lich mit der in Deutsch­land nicht direkt ver­gle­ichen, da in Schwe­den eben beina­he aus­nahm­s­los geduzt wird, die Unter­schei­dung zwis­chen T und V also weit­ge­hend zusam­menge­brochen ist. Inter­es­san­ter­weise gibt es dann aber eben doch noch Reste dieser Unter­schei­dung, anders als im Englis­chen, wo die ehe­ma­lige T‑Form völ­lig ver­schwun­den ist und die V‑Form den gesamten Bere­ich über­nom­men hat. Mein­er Erfahrung nach fällt es Skan­di­naviern sehr schw­er, zu erk­lären, unter welchen Umstän­den man dann eben doch auf die V‑Form zurück­greift. Der inter­es­san­teste Punkt ist natür­lich der, wie man außer­halb des Pronom­i­nal­sys­tems Nähe und Dis­tanz her­stellen kann. Es gibt ja noch andere sprach­liche Bere­iche, die Nähe/Distanz und Respekt markieren kön­nen, etwa die Unter­schei­dung Vorname/Nachname, Titel und akademis­che Grade. Inter­es­sant finde ich zum Beispiel die Mis­chform Vor­name + Sie, die ich meinen Studieren­den gegenüber nor­maler­weise ver­wende (und auch Kom­men­ta­toren im Blog, die sich, wie Sie, nur mit dem Vor­na­men iden­ti­fizieren). Diese Mis­chform kann manch­mal Respekt bei gle­ichzeit­iger Nähe sig­nal­isieren, manch­mal aber auch eine gewisse Asym­me­trie in der sozialen Stel­lung. Und dann gibt es natür­lich noch die Mis­chform Nach­name + Du, beliebt unter Mitar­beit­ern in Super­märk­ten (kenne ich selb­st noch aus mein­er Stu­den­ten­job­berzeit — „Du, Herr Ste­fanow­itsch, du hast ja die Gum­mibärchen schon wieder falsch einsortiert…“).

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  5. Connie Müller-Gödeck

    Ich bin weib­lich, schon deut­lich geal­tert, im Inter­net seit 1993 aktiv und ich mag das “Siezen” gerne.

    Daß das unhöflich sein soll, ist ein­fach die Mei­n­ung eines “jun­gen Spun­des”, der es eben nicht anders ken­nt und den eine Abwe­ichung vom kollek­tiv­en Tun befremdet. (Fremdes befremdet eben..)

    Mich befremdete das Duzen im Netz zu Anfang sehr, das ist wohl vom englis­chsprachi­gen “YOU” ins deutsche Netz herübergeschwappt… 

    Duzen hat für mich weniger Dis­tanz als Siezen und ich möchte mich nicht mit jedem gemein machen nur weil ich zufäl­lig im gle­ichen Blog poste oder mich im Forum engagiere. 

    Ich schätze For­men wie “You + Vor­name” wie ich es aus dem amerikanisch-sprachi­gen Beruf­sleben kenne.

    Die “V‑Form” + Vor­name kenne ich aber auch von Fre­un­den im Rus­sis­chen, die seit Jahren glück­lich zusam­men­leben und sich immer noch vy-zen

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  6. buntklicker.de

    Es ist (lei­der) wahr, der uni­verselle Trend zum “Du” stockt lei­der im Moment etwas. Ich bin 40 Jahre alt, also sich­er kein “Jungspund” mehr, aber es irri­tiert mich immer noch, wenn Leute mich siezen. Klar, das passiert ger­ade im Beruf­sleben häu­fig, und dann sieze ich natür­lich brav zurück.

    In Abwe­sen­heit gesellschaftlich­er Zwänge käme ich aber nie auf die Idee, das “Sie” zu ver­wen­den, denn das enthält für mich immer (wenn der gesellschaftliche Zwang fehlt) das “Sie Arschloch”.

    Ich beobachte — auch bei mir selb­st — die Ten­denz, wenn man nicht siezen will und sich das Duzen nicht traut, stattdessen die “Ihr”-Form zu benutzen. Ins­beson­dere wenn man mit Verkäufern, Tankwarten, Kelnnern oder ähn­lichen Men­schen redet, spricht man ja oft nicht direkt die Per­son an, son­dern die Organ­i­sa­tion. Da kann man schon mal fra­gen “Habr Ihr …?”

    Was ich völ­lig unmöglich finde, ist “Sie” + Vor­name. Das ist für mich der Gipfel der Unhöflichkeit; der Vor­name zer­stört den Respekt-Aspekt des Siezens, so daß nur noch das “Sie Arschloch” übrig bleibt.

    Aber das soll doch jed­er machen, wie er mag … ich duze jeden­falls immer, wenn das möglich und sin­nvoll erscheint (im Inter­net also prak­tisch immer). Ich bin aber auch bere­it, ein mir ent­ge­gengeschleud­ertes “Sie” nicht als die Belei­di­gung zu ver­ste­hen, die es wäre, wenn ich es ver­wen­det hätte.

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  7. Pingback: Anatol Stefanowitsch – Totally T/V « Translated from the German

  8. David Marjanović

    Was ich völ­lig unmöglich finde, ist “Sie” + Vor­name. Das ist für mich der Gipfel der Unhöflichkeit; der Vor­name zer­stört den Respekt-Aspekt des Siezens, so daß nur noch das “Sie Arschloch” übrig bleibt.

    Das, ähm, befremdet mich, aber Schreck­reak­tion kriege ich trotz­dem eine — das “Ham­burg­er Sie” klingt für mich gram­matikalisch falsch, weil es in Öster­re­ich ein­fach nicht gemacht wird. Ich komme nicht gut damit zurecht, dass es hier in Paris so ver­bre­it­et ist.

    Ich beobachte — auch bei mir selb­st — die Ten­denz, wenn man nicht siezen will und sich das Duzen nicht traut, stattdessen die “Ihr”-Form zu benutzen. Ins­beson­dere wenn man mit Verkäufern, Tankwarten, Kelnnern oder ähn­lichen Men­schen redet, spricht man ja oft nicht direkt die Per­son an, son­dern die Organ­i­sa­tion. Da kann man schon mal fra­gen “Habr Ihr …?”

    Inter­pretieren das nicht die meis­ten Leute als Duzen? An der Uni Wien ver­wen­den ein paar Pro­fes­soren in Vor­lesun­gen “ihr” als die Mehrzahl von “Sie”, um klarzu­machen, dass sie alle Anwe­senden meinen, aber auch das war für mich etwas gewöhnungsbedürftig.

    Antworten
  9. buntklicker.de

    > Inter­pretieren das nicht die meis­ten Leute als Duzen?

    Gute Frage. Die Antwort wird irgend­wo zwis­chen “ja” und “nein” liegen. Es ist weniger formell als “Sie”, aber eben nicht so per­sön­lich wie “Du”.

    Wie redet man eine Gruppe von Men­schen an, die man teil­weise duzt und teil­weise siezt? Nor­maler­weise mit “Ihr” (jeden­falls wenn die Geduzten in der Mehrheit sind).

    Antworten
  10. viola

    Wie redet man eine Gruppe von Men­schen an, die man teil­weise duzt und teil­weise siezt?

    zu dem the­men­bere­ich fällt mir ein lit­er­atur­tip ein:

    Schütte, Dag­mar (2006): “Wie man über andere spricht, die man eigentlich duzt. Vari­anten des sprach­lichen Bezugs auf abwe­sende Dritte”. In: Ein­blicke in Sprache. Hrsg. von Thomas Gehling, Vio­la Voß und Jan Wohlge­muth. Berlin: Logos, 339–359.

    Antworten

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