Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Sie wussten es vielle­icht nicht, aber der Deutsche Bun­destag hat eine Enquete-Kom­mis­sion „Kul­tur in Deutsch­land“. Die hat sich im Jan­u­ar mit der Arbeit der Ver­w­er­tungs­ge­sellschaften beschäftigt (gebracht hat das, angesichts der ger­ade ver­ab­schiede­ten Nov­el­le des Urhe­ber­rechts ja schein­bar nichts) und im März mit der Stärkung der „Kul­tur- und Kreativwirtschaft“ (was auch immer das ist). Mehr find­et sich nicht auf der Web­seite der Kom­mis­sion.

Aber laut Ham­burg­er Abend­blatt will die Kom­mis­sion jet­zt die deutsche Sprache ret­ten — natür­lich auf höch­stem Niveau:

Uns geht es nicht um Deutschtümelei, son­dern um die Pflege der deutschen Sprache als Kul­turgut“, sagte die Vor­sitzende der Enquete-Kom­mis­sion, Git­ta Con­ne­mann (CDU), dem Abendblatt.

Natür­lich. Deshalb soll auch da ange­fan­gen wer­den, wo es wirk­lich wichtig ist:

Obwohl laut ein­er Studie der Europäis­chen Kom­mis­sion mehr als ein Drit­tel der Bun­des­bürg­er keine Fremd­sprache spricht, wer­den im öffentlichen Sprachge­brauch immer häu­figer deutsche Begriffe durch englis­che Wörter oder gar Kun­st­be­griffe erset­zt. Statt „Auskun­ft“ gibt es den „Ser­vice Point“, der Aus­gang heißt „Exit“, der Begriff „McClean“ ste­ht für Bahn­hof­s­toi­lette. Geht es nach der Kom­mis­sion soll neben diesen englis­chen Beze­ich­nun­gen kün­ftig die deutsche Über­set­zung stehen.

Also, wenn ich noch ein­mal die Begriffe „Ser­vice Point“ und „McClean“ im Zusam­men­hang mit der Ret­tung der deutschen Sprache höre, dann platzt mein Kopf. Es fehlt nur noch „Call-a-Bike“, dann wäre das Drohszenario perfekt.

Während die Enquete-Kom­mis­sion in Stel­lung geht, um deutsche Bahn­höfe wieder deutsch zu machen, gibt die Finan­cial Times Deutsch­land an der Wer­be­front Entwarnung:

Unternehmen in Deutsch­land sprechen ihre Kun­den wieder in der Mut­ter­sprache an. Der Anteil englis­ch­er Werbeslo­gans ist seit der New-Econ­o­my-Ära deut­lich zurück­ge­gan­gen. Ein Grund: Die Kun­den ver­standen die Botschaften über­haupt nicht.

Ja, und so erfahren wir, dass Berentzen den Slo­gan „World of fine drinks“ durch „So schmeckt Lebens­freude“ erset­zt hat. Das passt doch auch viel bess­er zum Komasaufen mit Apfelschnaps.

Im englis­chsprachi­gen Aus­tralien dage­gen bere­it­et man sich sprach­lich auf eine kul­turelle und wirtschaftliche Über­nahme durch die regionale Super­ma­cht vor:

Aus­tralis­che Schulen führen zunehmend Hochchi­ne­sisch als Pflicht­fach ein. Nach ein­er Rei­he von Pri­vatschulen im Bun­desstaat New South Wales plant nun auch die Musikschule von Syd­ney, dass vom näch­sten Jahr an alle Schüler die chi­ne­sis­chen Amtssprache Man­darin ler­nen müssen, … . Der Leit­er der Con­ser­va­to­ri­um High School, Shane Hoge, recht­fer­tigte seine Entschei­dung mit der wichti­gen Rolle Chi­nas in der Weltwirtschaft. Die beru­fliche Zukun­ft sein­er Schüler könne irgend­wann davon abhän­gen, ob diese Man­darin beherrscht­en oder nicht.

Das kann deutschen Schülern nicht passieren. Wenn die Chi­ne­sen am Berlin­er Haupt­bahn­hof ankom­men, um die deutsche Wirtschaft zu übernehmen, wer­den sie den Aus­gang nicht find­en. Denn der ist dann ja nur noch in deutsch­er Sprache ausgeschildert.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

3 Gedanken zu „Presseschau

  1. Christoph Päper

    Geht es nach der Kom­mis­sion soll neben diesen englis­chen Beze­ich­nun­gen kün­ftig die deutsche Über­set­zung stehen.“

    Denn der [Aus­gang] ist dann ja nur noch in deutsch­er Sprache ausgeschildert.“

    Der Vorschlag, neben ein­er inter­na­tionalen, d.h. i.A. englis­chen Beschrif­tung auch eine lokale, d.h. deutsche vorzuse­hen, finde ich ver­gle­ich­sweise vernün­ftig, schließlich stellen die Gäste (ohne die ger­ing­sten Deutschken­nt­nisse) nur sel­ten die Mehrheit. 

    Ich habe außer­dem schon Chi­ne­sen (neben diversen (Ost-)Europäern) getrof­fen, die Deutsch, aber kein Englisch kon­nten, und andere, die bei­des in einem Aufwasch gel­ernt haben, weil es ja sowieso fast dieselbe Sprache wäre. 

    Wieso führt eigtl. hierzu­lande nie­mand chin. Schriftze­ichen an Orten mit viel inter­na­tionalem Pub­likum ein? (Lei­der – für diesen Zweck – sind die Zeichen i.d.R. nicht (mehr) uni­versell für die Chi­nas, die Kore­as und Japan.) 

    Sind die inter­na­tionalen Sym­bole bzw. Pik­togramme für (ost)asiatische Besuch­er ausreichend?

    Eine Idee, der ich in der heuti­gen Zeit eher Chan­cen auf Ver­wirk­lichung ein­räu­men würde, ist die absichtlich falsche Beschilderung in ara­bis­ch­er Schrift (und Sprache).

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  2. Cornelie Müller-G

    also, wenn schon zweis­prachig, dann die Fremd­sprache neben der lokalen Sprache — so hält man es in der Welt.

    Aus­gang — Exit” macht ja in ein­er deutschsprachi­gen Umge­bung mehr Sinn als “Exit — Aus­gang”, od’r?

    Ich hätte auch lieber die Beschrif­tung “Toi­let­ten” denn “WC-Cen­ter”, oder sollen wir das in “WC-Zen­trum” ein­deutschen?

    Mich nervt diese Anglizis­terei, hat immer sowas von “Herr Lehrer ich weiß was!” Kleine Jungs wollen ihr Klipp­schu­lenglisch demon­stri­eren, diese Manie in Deutsch­land hat nichts mit Weltläu­figkeit zu tun.

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  3. Anatol Stefanowitsch

    Dann eine kleine Umfrage: in welchen deutschen Bahn­höfen ste­ht denn nur Exit bzw. erst Exit und dann Aus­gang?

    Ich fange mal an: in Ham­burg (Altona und Haupt­bahn­hof) ste­ht groß Aus­gang, und dann klein­er Exit — Sor­tie. Und in Kiel, ist mir neulich aufge­fall­en, ste­ht groß Aus­gang und klein­er Exit — Udgang.

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