Die „Aktion Lebendiges Deutsch“ hat sich diesen Monat ihren Namen ausnahmsweise verdient, wenigstens zur Hälfte. Eine Alternative für das Wort Mobbing war gesucht, und diesmal haben die vier sonst oft so kunstlosen Brüder bei der Auswahl aus den Vorschlägen der Teilnehmer ein gutes Händchen bewiesen. Statt sich in albernen Wortspielen zu verlieren oder gegen jede sprachliche Vernunft einen existierenden und semantisch unpassenden Begriff in die Pflicht zu nehmen, haben die Teilnehmer der Aktion diesmal einen produktiven Wortbildungsmechanismus verwendet um das „englische“ Original mit sprachinternen Mitteln nachzubilden. Herausgekommen ist ein recht annehmbares Wort, das die Jury am Sonntag mit leichter Verspätung bekanntgegeben hat:
Beim Suchwort des Vormonats, „Mobbing“ oder „mobben“ hat sich die Jury für eine Neuprägung entschieden: „Meuten“ — angelehnt an die Meute, die entweder ein Rudel von Jagdhunden oder eine Rotte von üblen Menschen ist.
Ein paar Probleme bringt die vorgeschlagene Neubewortung mit sich. Erstens war sie weitgehend überflüssig, da das Wort Mobbing sich lautlich und orthografisch gut in die deutsche Sprache einfügt. Zweitens bezeichnet Mobbing nicht mehr nur den Arbeitsplatzterror durch einen Mob bzw. eine Meute — gemobbt werden kann man im deutschen Sprachgebrauch auch von Einzelnen:
Jeder Vierte hat gesagt, dass er schon einmal von einem Kollegen gemobbt wurde. [Neon]
Ich wurde von einer Kollegin gemobbt, welche mit dem Chef ein sehr persönliches Verhältnis hatte. [Focus]
Wer vom Chef gemobbt wird, hat nichts zu lachen [Rhetorik.de]
‘Ne Kollegin hat mich gemobbt, sie wollte das ein Jahr durchziehen. [Empfindsam.de]
Hier zeigt sich, dass die semantische Intransparenz von Lehnwörtern ein Vorteil sein kann, da ein nicht analysierbares Wort in seiner Bedeutungsentwicklung freier ist als ein transparentes Wort wie meuten (von einer Kollegin gemeutet klingt wenig überzeugend). Aber ich bin so angetan vom sprachschöpferischen Eifer der Teilnehmer, dass ich bereit bin, über diese Kleinigkeiten hinwegzusehen.
Der Vorschlag, den die Herren selbst gemacht haben, ist zwar nicht völlig abwegig, aber doch knapp daneben. Einweisen solle man statt Briefing sagen, dabei hat letzteres eine ganze Reihe von Bedeutungen, die von einweisen nur bedingt erfasst werden — vom schlichten Informieren über die gleichberechtigte Besprechung bis hin zur Anweisung.
Für diesen Monat sucht die Aktion eine Alternative für das Wort timing, „die Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu wählen“. Auch das ist, wenn man es denn auf die Erneuerung des deutschen Wortschatzes abgesehen hat, eine gute Wahl, denn wenn ich das richtig sehe, gibt es, zumindest für die hier gewünschte Bedeutung, tatsächlich keine offensichtliche Alternative. Allerdings fürchte ich, dass eine solche Alternative äußerst schwer zu finden sein wird, sonst stünde sie schon im Wörterbuch.
Dafür entlasse ich Sie heute wieder einmal mit einem Witz, auch wenn der in der Schriftform nicht so richtig wirkt:
A: I say, I say, I say. What is the secret of great comedy?
B: I don’t know, what is the secr-
A: Timing.
Frühere Beiträge zur Aktion Lebendiges Deutsch:
Notruf auf Eins Extra: Deutsch-Sanitäter im Einsatz
Spamprobleme und Spam (Update)
Ich finde den Witz auch gelesen lustig. 🙂
Also, nicht dass Sie hier auf ihre alten Tage weich werden — „meuten“ soll sprachlich kreativ sein? Für mich ist das eine ziemlich dröge Übersetzung des englischen Wortes und klingt außerdem viel zu sehr nach „meutern“.
Nach — zugegebenermaßen — kurzem Nachdenken scheint es mir so, als würde sich die ALD um die eigentliche Aufgabe drücken. Denn es läuft doch so: Da entdeckt jemand eine (kleine) Sinnabdeckungslücke im Deutschen, die im Englischen gefüllt ist. Naheliegenderweise nimmt er das englische Bedeutungslückenfüllwort (es ist ja schon da) und germanisiert es mal mehr, mal weniger, mal schlechter, mal rechter. Es setzt sich viral durch und wir haben den Salat: Die ALD muss Deutschland retten, kommt aber natürlich mindestens ein bisschen zu spät. Das ist ein Spielchen, wie es Hase und Igel in der Fabel mit bekanntem Ergebnis gespielt haben.
Darum _kann_ der einzige Weg für die ALD nur sein, vorauseilend den gesamten deutschen Wortschatz gegen den englischen auf Lücken zu screenen, pardong, durchmustern, um Wortbedeutungsdefizite endlich auf die einzig erfolgreiche Art zu behandeln: proaktiv. Auch wenn das ein zugleich hässliches und gegen sich selbst kämpfendes Wort ist, sagt es doch genau, wo man den Hasen noch kriegen könnte: am Start und nicht am Ziel.
Ein Beispiel würde das alles viel klarer machen, mir fällt aber leider keins ein …
Ich muss ehrlich sagen, ich habe “Meuten” statt “Mobben” zunächst für einen Witz gehalten. Aber man lernt eben nie aus. 😉 Bin gespannt, ob sich diese schöne Eindeutschung durchsetzt.
Wie deutsch ist “Meute” eigentlich? Französisch la meute ist ja verdächtig… 😉