Pimped out

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn man beru­flich viel und öffentlich redet, muss man sehr auf­passen, was man sagt. Das musste let­zte Woche der US-amerikanis­che MSNBC-Fernsehmod­er­a­tor David Shus­ter fest­stellen. In ein­er Diskus­sion um die Wahlkampf­s­trate­gie von Hillary Clin­ton äußerte er Kri­tik daran, dass diese auch ihre Tochter Chelsea in die Kam­pagne einge­bun­den hat. Sein Gesprächspart­ner fand nichts kri­tik­würdi­ges an diesem Vorge­hen, woraufhin Shus­ter ihn fragte:

… but does­n’t it seem like Chelsea’s sort of being pimped out in some weird sort of way?

Nun ist das Wort pimp in Deutsch­land haupt­säch­lich durch die Sendung Pimp My Ride (etwa „Motz meine Karre auf“) bekan­nt, und die Bemerkung ist für uns deshalb eventuell völ­lig unver­ständlich oder scheint zumin­d­est unver­fänglich. Aber tat­säch­lich ist ein Pimp ein „Zuhäl­ter“, und to pimp sb. out bedeutet fol­gerichtig „jeman­den anschaf­fen schick­en“. Im Zusam­men­hang mit Autos kann to pimp nur deshalb „auf­motzen“ heißen, weil Zuhäl­ter häu­fig aufge­motzte Autos fahren.

Shus­ter hat also in etwa gefragt: „aber bekommt man nicht den Ein­druck, dass Chelsea irgend­wie anschaf­fen geschickt wird, auf eine merk­würdi­ge Art“. Eine solche Äußerung würde ver­mut­lich auch im rel­a­tiv entspan­nten Deutsch­land für eine gewisse Empörung sor­gen. In den USA, der Heimat der poli­tis­chen Kor­rek­theit, ist die Empörung entsprechend größer.

Der Mod­er­a­tor entschuldigte sich vor­sor­glich gle­ich am näch­sten Mor­gen in der Früh­stückssendung Morn­ing Joe (YouTube). Wie in solchen Sit­u­a­tio­nen üblich, allerd­ings nicht für seine Äußerung, son­dern dafür, dass man ihn da möglicher­weise falsch ver­standen habe:

But we also talked about the fact that Chelsea Clin­ton, as the cam­paign has acknowl­edged, she’s mak­ing calls to the superdel­e­gates to try to help get Hil– her mum the nom­i­na­tion, which can be, as I point­ed out, the unseem­ly side of pol­i­tics. Well last night I used a phrase, erm, some slang, about her efforts — I did­n’t think that peo­ple would take it lit­er­al­ly, but some peo­ple have, and to the extent that peo­ple feel that I was being pejo­ra­tive about the actions of Hil– Chelsea Clin­ton mak­ing these phone calls, to the extent that peo­ple feel I was being pejo­ra­tive, I apol­o­gize for that. I should have seen that peo­ple might view it that way and for that, then, I’m sorry.

Aber wir haben auch über die Tat­sache gesprochen, dass Chelsea Clin­ton, wie das Wahlkampf­büro [von Hillary Clin­ton] bestätigt hat, die Superdel­e­gates anruft um zu ver­suchen, mitzuhelfen, Hil– ihrer Mut­ter die Kan­di­datur zu erhal­ten, was, wie ich bemerkt habe, die unangemessene Seite der Poli­tik sein kann. Nun, gestern Abend habe ich eine Redewen­dung ver­wen­det, ähm, einen Slang-Aus­druck, um ihre Bemühun­gen zu charak­ter­isieren. Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute das wörtlich ver­ste­hen wür­den, aber einige haben das getan. Und in dem Maße, zu dem die Leute das Gefühl haben, dass ich mich damit abw­er­tend über die Aktiv­itäten von Hil– Chelsea bezüglich dieser Tele­fonate äußern wollte, entschuldige ich mich dafür. Ich hätte wis­sen müssen, dass man es auf diese Art betra­cht­en kön­nte, und das tut mir leid.

Das klingt etwas lahm, aber ich muss ihm in der Sache im Großen und Ganzen zus­tim­men. Es ist dur­chaus möglich, die Redewen­dung pimp out mit ein­er über­tra­ge­nen Bedeu­tung zu verwenden.

Der früh­este schriftliche Nach­weis für das Sub­stan­tiv Pimp stammt laut Oxford Eng­lish Dic­tio­nary aus dem Jahr 1807, und damals beze­ich­nete es nicht einen Zuhäl­ter im engeren Sinne, son­dern ganz all­ge­mein jeman­den, der anderen zu außere­he­lichem Geschlechtsverkehr ver­hil­ft. Die Einen­gung auf Zuhäl­ter find­et sich erst zu Beginn des 20. Jahrhun­derts. Das intran­si­tive Verb to pimp find­et sich zum ersten Mal 1636, in ein­er all­ge­meinen Bedeu­tung die der des Sub­stan­tivs entsprach, der erste Nach­weis für die Bedeu­tung „als Zuhäl­ter tätig sein“ find­et sich erst 1976. Das phrasale Verb to pimp out scheint noch jün­geren Datums zu sein, denn es find­et sich in keinem der großen Wörter­büch­er der englis­chen Sprache.

Soweit also die Geschichte der wörtlichen Bedeu­tung des Wortes. Im über­tra­ge­nen Sinne ist ein Pimp jemand, der sich ganz all­ge­mein darum küm­mert, dass Andere ihre niederen Instink­te (nicht unbe­d­ingt sex­ueller Natur) befriedi­gen kön­nen (OED: „One who min­is­ters to any­thing evil, esp. to base appetites or vices“). Nach dieser über­tra­ge­nen Bedeu­tung würde to pimp out unge­fähr so etwas bedeuten, wie „jeman­den dazu mißbrauchen, die niederen Instink­te Ander­er zu befriedi­gen“, oder noch all­ge­mein­er „jeman­den zu etwas mißbrauchen, das nicht in dessen eigen­em Inter­esse ist“ (so wie ein Zuhäl­ter ja Pros­ti­tu­ierte auch nicht in deren Inter­esse anschaf­fen schickt). Und in dieser all­ge­meineren Bedeu­tung hat Shus­ter die Redewen­dung ja offen­sichtlich ver­wen­det (und so falsch finde ich seine Beschrei­bung der Tat­sachen aus diesem Blick­winkel nicht).

Nun mag man ein­wen­den, dass diese über­tra­gene Bedeu­tung möglicher­weise sehr sel­ten oder sehr neu ist, so dass damit zu rech­nen sei, dass die Zuschauer Shus­ter leicht falsch ver­ste­hen kön­nten. Davon abge­se­hen, dass schon aus dem Zusam­men­hang der Äußerung kristal­lk­lar war, das Shus­ter keines­falls andeuten wollte, dass die Clin­tons ihre Tochter tat­säch­lich auf den Strich schick­en, ist das aber nicht der Fall. Die erste Ver­wen­dung der über­tra­ge­nen Bedeu­tung des Sub­stan­tivs Pimp stammt von 1704, die erste Ver­wen­dung der über­tra­ge­nen Bedeu­tung des Verbs ist sog­ar gut zwanzig Jahre älter: sie stammt von 1681, aus den Werken des großen englis­chen Dichters John Dry­den.

Shus­ter kön­nte sich also mit sein­er Äußerung auf eine lange und gelehrte Tra­di­tion berufen. Genützt hat ihm das nichts. MSNBC hat ihn auf unbes­timmte Zeit sus­pendiert — man will sich ja nicht die zukün­ftige Präsi­dentin der Vere­inigten Staat­en zur Feindin gemacht haben. Da sich deren Stern im Sinken zu befind­en scheint, gehe ich davon aus, dass er bald wieder an seinen Arbeit­splatz zurück­kehren darf.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

5 Gedanken zu „Pimped out

  1. suse

    nur ganz schnell: vor­let­zte Zeile … man will sich ja nicht(…) zur Feindin gemacht HABEN. Soll kein Nörgeln sein 🙂

    [A.S.: Ist kor­rigiert, danke. Auf Fehler hinzuweisen ist doch kein Nörgeln!]

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  2. Evan Hess

    I don’t think any writ­ten ref­er­ence source can artic­u­late how offen­sive it is to call some­one a “pimp” in Eng­lish, in spite of what­ev­er word his­to­ry one can unearth. No one, of course, could under­stand that Shus­ter was using the term lit­er­al­ly — which makes choos­ing such an unnec­es­sar­i­ly strong term even more offen­sive. He could have found a dozen oth­er terms to express his sen­ti­ment that Chelsea Clin­ton was being exploit­ed with­out using the term. And the whole episode comes with­in a con­text of MSNBC’s slant in their cov­er­age of the Clin­ton cam­paign, and with­in the con­text of the right’s fix­a­tion on sex­u­al­i­ty and the Clin­tons, that would be per­haps dif­fi­cult to appre­ci­ate at a distance.

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  3. Erwin Hausmann

    ”Der Mod­er­a­tor entschuldigte sich vor­sor­glich gle­ich am näch­sten Morgen”

    Hat er sich sel­ber entschuldigt? Das ist ja eine Frechheit!

    Was waren das noch für Zeit­en als Mann um Entschuldigung bat.

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  4. Mister Bernie

    Ist zwar reich­lich ver­spätet, aber da hier ja Kom­men­tar­freis­chal­tung herrscht, wirds wohl noch gele­sen wer­den und kann dadurch noch einen abso­lut empirischen Beweis (anstelle von Anek­doten) bringen:

    Mein anglo­phon­er Bekan­ntenkreis ver­wen­det to pimp (out) gern und häu­fig — und eher sowohl selb­stiro­nisch als auch pos­i­tiv im Sinne von anpreisen, ver­mark­ten. Eine Fre­undin ist Authorin und erzählt “I’m pimp­ing my new book”, Blog- und Live­jour­nalau­toren self-pimp[en] ihre Posts, und einige Sprach­lieber­haber, die ein tolles neues Wort ent­deckt haben, ‘pim­pen’ auch mal das. Just for info, wie es so schön heißt.

    Und inter­es­sante Entschuldigung; während man sich darüber stre­it­en mag, ob er sich hätte entschuldigen sollen oder nicht, ist das doch ein schönes Beispiel für das, was ich gern als “faux­pol­o­gy” beze­ichne. Oder, wie eine der vie­len pri­vat­en Wikis es beschreibt, “I’m sor­ry you’re so stupid.”

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