Chillen

Von Anatol Stefanowitsch

Mir fällt ger­ade auf, dass ich ganz vergessen habe, über die Wörter des Monats zu schreiben, die die Aktion Lebendi­ges Deutsch — inzwis­chen weit­ge­hend unter Auss­chluss der Öffentlichkeit — alle vier Wochen präsen­tiert. Wahrschein­lich sollte ich meine vorüberge­hende Vergesslichkeit als Zeichen ver­ste­hen und die Aktion in Zukun­ft sich selb­st über­lassen. Aber irgend­wie sind die Neube­wor­tungsvorschläge der vier alten Her­ren doch immer wieder zu unfrei­willig komisch oder zu unfrei­willig lehrre­ich, um sie zu ignorieren.

Diesen Monat sind sie lehrre­ich. Beim Pub­likumsvorschlag macht die Aktion ihren üblichen Fehler — sie wählt eine „Alter­na­tive“, die nicht bedeu­tungs­gle­ich mit dem Lehn­wort ist, das sie erset­zen soll:

Unter den 399 Ange­boten für das Such­wort des Vor­monats „chillen“ hat sich die Aktion für „abschal­ten“ entsch­ieden — mit Sym­pa­thie-Punk­ten für „pauseln“ und „entschle­u­ni­gen“.

Lassen wir die Sym­pa­thiepunk­te für das her­ablassende pauseln und das leben­shil­fige entschle­u­ni­gen ein­mal außen vor. Es bleibt die Tat­sache, dass chillen nun ein­mal nicht „abschal­ten“ bedeutet. Es bedeutet eher so etwas wie „mit anderen zusam­men in ein­er entspan­nen­den Umge­bung rumhän­gen“ — dabei kann man abschal­ten, man muss aber nicht. Wenn irgen­dein Mit­glied der Aktion Lebendi­ges Deutsch — oder irgen­dein Teil­nehmer — ein geistiges Alter von unter 80 Jahren hätte, wäre das jeman­dem aufgefallen.

Lehrre­ich ist aber nicht die Tat­sache, dass die Aktionäre seman­tisch wieder ein­mal völ­lig daneben­greifen. Lehrre­ich ist der eigene Vorschlag der Aktionäre, bei dem sie nur ganz knapp danebengreifen:

Ihr Ange­bot des Monats lautet: Das „Equip­ment“ ist natür­lich nichts anderes als die gute alte „Aus­rüs­tung“, auch in Peking.

Das klingt zunächst nicht falsch, aber bei näherem Hin­se­hen steckt ein sehr verküm­mertes Ver­ständ­nis von Bedeu­tung hin­ter dieser Gle­ich­set­zung. Die Aktionäre gehen offen­sichtlich davon aus, dass zwei Wörter, die das­selbe beze­ich­nen, auch das­selbe bedeuten. Und ich will den Aktionären gerne zugeste­hen, dass Equip­ment und Aus­rüs­tung dieselbe Klasse von Gegen­stän­den bezeichnen.

Aber die Fähigkeit eines Wortes, eine Klasse von Gegen­stän­den zu beze­ich­nen, ist nur ein Aspekt sein­er Bedeu­tung (in der Sprach­wis­senschaft nen­nt man diesen Aspekt „Ref­erenz“). Zur Ref­erenz kom­men eine Rei­he weit­er­er Bedeu­tungsaspek­te hinzu. Der wichtig­ste dieser zusät­zlichen Aspek­te ist der, den wir in der All­t­agssprache als „Def­i­n­i­tion“ eines Wortes ver­ste­hen (in der Sprach­wis­senschaft nen­nt man diesen Aspekt manch­mal den „Sinn“ eines Wortes). Der Philosoph Got­t­lob Frege, auf den die Unter­schei­dung zwis­chen Ref­erenz (bei ihm ver­wirren­der­weise „Bedeu­tung“ genan­nt) und Sinn zurück­ge­ht, gibt als Beispiel die Wörter Mor­gen­stern und Abend­stern. Bei­de haben dieselbe Ref­erenz — sie beze­ich­nen den Plan­eten Venus. Ihr Sinn aber unter­schei­det sich: Abend­stern ist definiert als „der erste Him­mel­skör­p­er, der am Abend­him­mel sicht­bar ist“ und Mor­gen­stern als „der let­zte Him­mel­skör­p­er, der am Mor­gen­him­mel noch sicht­bar ist“ (also, wenn man den Mond und die ISS nicht mitzählt).

Der Unter­schied zwis­chen Aus­rüs­tung und Equip­ment ist sub­til­er. Bei­de haben die selbe Ref­erenz: sie beze­ich­nen in ein­er bes­timmten Sit­u­a­tion die Dinge, die man für die Aus­führung ein­er bes­timmten Hand­lung benötigt. In ihrem Sinn unter­schei­den sich die Wörter aber: während der Sinn des Wortes Aus­rüs­tung etwa als „Gesamtheit alles dessen, was für einen Zweck, eine Unternehmung nötig ist“ (Ber­tels­mann-Wörter­buch) charak­ter­isiert wer­den kann, muss Equip­ment im Deutschen eher als „Gesamtheit alles dessen, was ein Profi für einen Zweck, eine Unternehmung ver­wen­det“ definiert wer­den — so jeden­falls sagt es mir mein Sprachempfinden.

Regelmäßige Leser dieses Blogs wis­sen, dass ich mich nur sel­ten auss­chließlich auf mein Sprachempfind­en ver­lasse. Sich­ern wir dieses also empirisch ab. Eine auf Google-Häu­figkeit­en beruhende Schätzung ergibt, dass das Wort Aus­rüs­tung auf deutschen Web­seit­en etwa dreimal so häu­fig ist, wie das Wort Equip­ment (an sich eigentlich schon ein Zeichen dafür, dass kein Hand­lungs­be­darf seit­ens der Aktionäre beste­ht). Das Ver­hält­nis verän­dert sich aber radikal, wenn wir stattdessen nach den Wörtern Profi­aus­rüs­tung und Profiequip­ment suchen: hier schlägt Equip­ment Aus­rüs­tung mit zwei zu eins (18199 zu 8300) — das Ver­hält­nis dreht sich also um. Damit sich jet­zt nie­mand unnötig aufregt — der Unter­schied ist sta­tis­tisch höchst sig­nifikant (Bino­mi­al­test, p<0.001)1. Bei den Wörtern Hob­byaus­rüs­tung und Hob­bye­quip­men ver­größert sich der Abstand dage­gen auf 810 zu 110 zugun­sten von Aus­rüs­tung (auch dieser Unter­schied ist höchst sig­nifikant; Bino­mi­al­test, p<0.001)2. Mit anderen Worten: die Sprech­er des Deutschen haben das Wort Equip­ment nicht ohne Grund in ihre Sprache aufgenom­men, son­dern sie haben damit eine Bedeu­tungs­d­if­feren­zierung erreicht.

Equip­ment ist also nicht „die gute alte Aus­rüs­tung“, es ist „pro­fes­sionelle Aus­rüs­tung“ — hof­fentlich auch in Peking.3

Fußnoten

1 Werte und R‑Befehl für Profi­aus­rüs­tung vs. Profiequip­ment: sum(dbinom(0:18100,26400,0.75))

2 Werte und R‑Befehl für Hob­byaus­rüs­tung vs. Hob­bye­quip­ment: sum(dbinom(840:950,950,0.75))

3 Denn wenn man schon ein Sportereig­nis höher bew­ertet als dauer­hafte grobe Men­schen­rechtsver­let­zun­gen durch ein Ter­ror­regime, dann will man ja wenig­stens mit einem Haufen Goldmedal­lien dafür belohnt wer­den, und mit ein­er Ama­teu­raus­rüs­tung wird das schwierig.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

34 Gedanken zu „Chillen

  1. Thomas Paulwitz

    Wer sagt denn, daß nicht auch das Wort „Aus­rüs­tung“ densel­ben Sinn wie „Equip­ment“ annehmen kann. (Falls es tat­säch­lich einen Unter­schied geben sollte.) Schließlich ist die Sprache lebendig, und man kann nicht das Wort „Aus­rüs­tung“ auf dem Stand von 1989 ein­frieren und konservieren.

    Übri­gens wird „Equip­ment“ auch im Sinne von „Ausstat­tung“ ver­wen­det, zum Beispiel in „Baby-Equip­ment“:

    http://www.google.de/search?num=30&hl=de&newwindow=1&safe=off&q=baby-equipment&btnG=Suche&meta=lr%3Dlang_de

    Die Kleinkinder sind heutzu­tage eben schon richtige Profis …

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  2. feigenblatt

    Chillen wäre wohl eher “abhän­gen”, aber das ist, glaube ich, Jugend­sprech von gestern.

    Erk­lärt sich die Bedeu­tungs­d­if­feren­zierung bei Equipment/Ausrüstung nicht mit dem Effekt, dass ein Import­wort sehr oft einen pos­i­tiv­eren und pro­fes­sionelleren “Sinn” hat als sein alteinge­sessen­er Ver­wandter, der das Selbe ref­eren­ziert? Anglizis­men strahlen eben für viele den Glanz des transat­lantisch Mod­er­nen aus. Ich glaube, dieser Effekt ist vor allem im Werbe- und Mar­ket­ing­sprech verbreitet.

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  3. Zetterberg

    Mir ist aufge­gallen, dass Jugendliche (wer son­st?) häu­fig das Fremd­wort “Equip­ment” benutzen, wenn sie eigentlich “Gear” meinen. Ver­mut­lich weil sich “Gear” nicht einge­bürg­ert hat.

    Equip­ment” bezieht sich meis­tens auf Arbeits­geräte (z.B. Camp­ingkocher, Bohrer).

    Gear” bezieht sich nor­maler­weise auf Aus­rüs­tung (z.B. Wan­der­schuhe, Segeljacke).

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  4. P. Frasa

    Uff, aber hier wird’s natür­lich kom­plex — die Frage, was Bedeu­tung ist, wo sie zu lokalisieren ist, wie Sinn/Bedeutung/Denotation/Extension/Intension usw. zusam­men­hän­gen, ist nach wie vor eine sehr umstrit­tene Angele­gen­heit. Und Frege halt eben in dem Sinne (!) ein Mentalist.

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  5. Ma

    Aktionäre:

    Ich hätte einen Vorschlag zur Tit­ulierung der Her­ren von der Aktion ster­benssteifes Deutsch. Ein Aktionär ist ja jemand der in das jew­eilige Objekt investiert, was ich hier nicht erken­nen kann. Vielmehr sehe ich in diesen Leuten Toten­gräber¹ der deutschen Sprache und würde sie als Aktion­is­ten beze­ich­nen, das klingt so hyb­sch nach Aktion­is­mus

    Chillen:

    Spon­tan fällt mir hier relax­en als Wort mit deut­lich­er Bedeu­tungsüber­schnei­dung ein 😉 Was mich zur Frage bringt, vor welchem Jahr denn ein Lehn­wort Ein­gang in den Sprachge­brauch gefun­den haben muss, damit es für die Aktion­is­ten hin­re­ichend deutsch ist? Gilt für Reim­porte eine verkürzte Frist, viele Worte ger­man­is­chen Ursprungs haben sich im englis­chen ja bess­er gehal­ten als im Hochdeutschen?

    Equip­ment:

    Ich denke, dass die Argu­men­ta­tion anhand der Ver­wen­dung für höher­w­er­tiges angreif­bar ist, da dies let­z­tendlich nur belegt, dass Mar­ket­ing-Abteilun­gen mit höher­er Wahrschein­lichkeit zu den neuen Lehn­wörtern greifen als andere. 

    Ich sehe den Bedeu­tung­sun­ter­schied hier eher darin, dass z.B. die im Begriff mitschwin­gen­den Adjek­tive equipped und aus­gerüstet eine etwas andere Bedeu­tung — und vor allem andere Kon­no­ta­tio­nen — haben.

    1) Ich (und viele mein­er Kol­le­gen) machen inzwis­chen — unter anderem wegen Nör­glern im Geiste dieser Aktion­is­ten — auch vor deutschem Pub­likum Vorträge auf Englisch, da bei so Com­put­erzeugs eine gewisse Anzahl englis­ch­er Begrif­f­en nicht ver­mei­den ließe.

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  6. Nörgler

    Man kann bekan­ntlich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Man kann bei der banalen Frage, ob “Aus­rüs­tung” und “Equip­ment” im “Deutschen” unter­schiedliche Bedeu­tung haben, bei Pon­tius und Pila­tus anfan­gen. Man kann auch schwierige logisch-philosopis­che Fra­gen berühren. Wo wir schon ein­mal dabei sind, schlage ich vor, noch etwas Quine und etwas Wittgen­stein hineinzugeben und kräftig umzurühren.

    Allerd­ings leuchtet mir hier die Unter­schei­dung zwis­chen Ref­erenz und Bedeu­tung sowieso nicht ein. Aus­rüs­tun­gen für Pro­fes­sionelle und für Ama­teure sind meis­tens unter­schiedliche Dinge. Wenn “Aus­rüs­tung” und “Equip­ment” tat­säch­lich die behauptete unter­schiedliche Bedeu­tung hät­ten, dann ref­eren­zierten sie auch Unter­schiedlich­es. Fälle wie “Mor­gen­stern” und “Abend­stern” oder “der Autor von ‘Waver­ley’ ” und “Wal­ter Scott” sind doch gän­zlich anders gelagert.

    Mit dem Googeln ist es auch so eine Sache. Suche ich auf deutschen Seit­en in deutsch­er Sprache finde ich mehr Tre­f­fer für “Equip­ment” als für “Aus­rüs­tung”. Das sagt natür­lich nicht allzu­viel aus, weil man bei “Equip­ment” auch mehrsprachige Seit­en, englis­che Zitate, Wörter­buchein­träge usw. findet.

    Ander­er­seits finde ich gut 18.000 Tre­f­fer für “Berg­steig­er­aus­rüs­tung”, aber weniger als 100 für “Berg­steigerequip­ment”. Da würde einem ja angst und bange, kön­nte man daraus schließen, daß sich die meis­ten Berg­steiger mit ama­teurhafter Aus­rüs­tung in die Fel­swände wagen. Oder sind die Berg­steiger ein­fach so kon­ser­v­a­tiv, haben sie die Zeichen der Zeit nicht erkan­nt, haben sie alle ein geistiges Alter von über 80 Jahren, sind sie wom­öglich — Gott bewahre! — gar deutschnational?

    Wäre die behauptete Bedeu­tung­sun­ter­schei­dung tat­säch­lich all­ge­mein ver­bre­it­et, warum neigen dann so viele zu dem Pleonas­mus “Profiequip­ment” oder zu der con­tra­dic­tio in adiec­to “Profi­aus­rüs­tung”? Man kann nie­man­dem rat­en, ein­fach “Equip­ment” zu sagen und zu glauben, daß die Leute schon wis­sen, daß damit eine Profi­aus­rüs­tung gemeint ist. Wer auf der sicheren Seite sein will, der drücke sich bess­er klar aus und sage, ob er sich an Pro­fes­sionelle oder an Ama­teure wen­det. Dann kann er auch gle­ich bei der alt­be­währten “Aus­rüs­tung” bleiben. Insofern hat die Aktion Lebendi­ges Deutsch ja wirk­lich ein­mal recht.

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  7. Anatol Stefanowitsch

    Nör­gler (#6), Sie sprechen von Kanonen und Spatzen, wenn man zur Beant­wor­tung ein­er sprach­wis­senschaftlichen Frage sprach­wis­senschaftliche (bzw. ‑philosophis­che) Mod­elle her­anzieht? Was dacht­en Sie denn, wozu solche Mod­elle da sind? Man kön­nte natür­lich argu­men­tieren, dass es hier nicht um eine Unter­schei­dung von Sinn und Ref­erenz son­dern um eine Unter­schei­dung zwis­chen Deno­ta­tion und Kon­no­ta­tion geht, aber Kanonen wären das aus Ihrer Sicht ver­mut­lich trotzdem.

    Ihre Schätzung für die Basishäu­figkeit­en der Wörter Equip­ment und Aus­rüs­tung ist falsch, die Gründe nen­nen Sie selb­st. Ich habe bei mein­er Schätzung eine Rei­he von ver­schiede­nen Tricks ver­wen­det, um englis­che Textpas­sagen auf deutschen Seit­en auszuschließen, deshalb traue ich an der Stelle lieber mein­er Schätzung.

    Ihre Diskus­sion von Berg­steig­er­aus­rüs­tung ist nicht unin­ter­es­sant, aber sie krankt etwas daran, dass Sie mein Argu­ment nicht ganz ver­standen haben: nur weil Equip­ment auf dem Weg zu ein­er Bedeu­tungsspezial­isierung ist, muss Aus­rüs­tung sich nicht eben­falls spezial­isieren. Ich gehe in meinem Beitrag davon aus, dass Aus­rüs­tung nicht näher spez­i­fiziert, ob die ver­wen­de­ten Gerätschaften Profiniveau haben. Daraus fol­gt auch, dass Profi­aus­rüs­tung kein logis­ch­er Wider­spruch ist. Hob­bye­quip­ment wäre da schon eher wider­sprüch­lich, aber Bedeu­tungsspezial­isierun­gen geschehen nicht über Nacht und Wortbe­deu­tun­gen kön­nen immer durch den Kon­text bee­in­flusst wer­den. Deshalb habe ich sta­tis­tisch und nicht kat­e­gorisch argumentiert.

    Ma (#5): hochw­er­tiges Equip­ment schlägt tatäch­lich hochw­er­tige Aus­rüs­tung (3950 zu 2660, p<0.001). Ob das auf Mar­ket­ing­sprache zurück­zuführen ist, oder auf den von mir pos­tulierten Bedeu­tung­sun­ter­schied, lässt sich ohne genauere Betra­ch­tung nicht sagen — inter­es­sant ist es alle­mal. Die Kon­no­ta­tio­nen von equipped und (aus)gerüstet passen gut zur Profi/A­ma­teur-Unter­schei­dung.

    Zetter­berg (#3): Das ist inter­es­sant. Wir soll­ten also zusät­zlich das Wort Gear entlehnen…

    Feigen­blatt (#2): Ob Lehn­wörter grund­sät­zlich pos­i­tiv kon­notiert sind, kann ich nicht sagen, aber das hohe Pres­tige, dass durch die englis­che Sprache trans­portiert wird, kann hier tat­säch­lich die Ursache für die Rich­tung der Bedeu­tungs­d­if­feren­zierung sein (im Englis­chen ist bei ger­man­isch-roman­is­chen Dou­blet­ten nor­maler­weise auch das franzö­sis­chstäm­mige Lehn­wort in irgen­dein­er Weise pos­i­tiv­er konnotiert).

    Thomas Paulwitz (#1): Babyaus­rüs­tung schlägt Babye­quip­ment hun­dert zu eins auf deutschen Web­seit­en (3190:31). Einen besseren Beleg für die von mir pos­tulierte Bedeu­tungs­d­if­feren­zierung kann ich mir kaum vorstellen. Ja, Sprache ist lebendig, und sie verän­dert sich durch den Gebrauch, und nicht durch sprach­nör­g­lerische Vere­ine (oder Zeitschriften).

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  8. dibbedabb

    Sie schreiben, dass “chillen” soviel heißt, wie “mit anderen zusam­men in ein­er entspan­nen­den Umge­bung rumhän­gen”. Ich habe das Wort aber schon öfters in Zusam­men­hän­gen gehört wie “ich hock mich vor den Fernse­her und chill ein biss­chen ab” oder “ich geh auf mein Zim­mer zum chillen”. 

    Man kann natür­lich immer irgendwelche Unter­schiede kon­stru­ieren. Die greif­baren Bedeu­tung­sun­ter­schiede tendieren aber m.E. häu­fig dazu, sich zu ver­wis­chen, indem in der sprach­lichen Real­ität “chillen” eben doch prak­tisch immer durch “entspan­nen” oder “rumhän­gen” und “Equip­ment” durch “Aus­rüs­tung” erset­zt wer­den kön­nte. Die Kon­no­ta­tion, da haben Sie natür­lich recht, ist eine unter­schiedliche. Englis­che Begriffe haben, son­st wür­den sie ja nicht von jun­gen gebilde­ten Leuten so häu­fig ver­wen­det wer­den, prak­tisch immer die Kon­no­ta­tion +cool, +jung, +trendy, während die deutschen Wörter besten­falls neu­tral wirken.

    Aber lassen Sie doch den Sprach­hegern und ‑pflegern ihr Hob­by. Die haben in unser­er vielfälti­gen Gesellschaft einen genau­so wichti­gen Platz wie, Verzei­hung, Besser­wiss­er, die Blogs schreiben.

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  9. Nörgler

    Sehr geehrter Herr Stefanowitsch,

    ich habe ja nichts gegen die Unter­schei­dun­gen Sinn, Bedeu­tung, Ref­erenz, Kon­no­ta­tion, Deno­ta­tion usw. Ganz im Gegen­teil, ich finde sie aus logisch-philosophis­ch­er Sicht sehr inter­es­sant. Über ihre lin­guis­tis­che Bedeu­tung (Frege war ja kein Lin­guist) will ich mir kein Urteil erlauben.

    Nur in diesem Zusam­men­hang sehe ich nicht, was sie zur Klärung beitra­gen kön­nen. Sie scheinen mir eher zur Ver­wirrung beizu­tra­gen. Sie sagen, daß “Aus­rüs­tung” und “Equip­ment” das­selbe beze­ich­nen, aber Unter­schiedlich­es bedeuten. Da kann ich Ihnen nicht fol­gen. Ich danke für die Klarstel­lung, daß Sie “Aus­rüs­tung” als Ober­be­griff und “Equip­ment” als Unter­be­griff für “Profi­aus­rüs­tung” auf­fassen. Es gibt doch in der Regel einen recht klaren Unter­schied zwis­chen ein­er Profi­aus­rüs­tung und irgen­dein­er Aus­rüs­tung. Dann beze­ich­nen aber bei­de Wörter Unter­schiedlich­es und nicht das­selbe. Anders aus­ge­drückt wäre in Ihrem Ver­ständ­nis die Exten­sion von “Equip­ment” eine Unter­menge der Exten­sion von “Aus­rüs­tung”.

    Sie sagen selb­st, daß “Equip­ment auf dem Weg zu ein­er Bedeu­tungsspezial­isierung ist”. Also kann man noch nicht von ein­er klaren Bedeu­tung­sun­ter­schei­dung im all­ge­meinen Sprachge­brauch sprechen. Ich empfinde diese Unter­schei­dung nicht, und Sie selb­st räu­men ein, daß Ihre Google-Ergeb­nisse auch andere Deu­tun­gen zulassen (Kon­no­ta­tion, Werbe­sprache). In diesem Lichte halte ich Ihren Vor­wurf, die Aktion Lebendi­ges Deutsch lege “ein sehr verküm­mertes Ver­ständ­nis von Bedeu­tung” an den Tag für — mit Ver­laub gesagt — maß­los übertrieben.

    Aber lassen wir doch diese logisch-philosophisch-lin­guis­tis­chen Begriff­sspiel­ereien bei­seite. Die eigentliche Frage ist doch die: Müssen wir wirk­lich für jede denkbare begrif­fliche Unter­schei­dung unter­schiedliche “Wörter” ver­wen­den? Wozu haben wir denn Attribute? Wenn ich “Profi­aus­rüs­tung” meine, warum sollte ich nicht ein­fach auch “Profi­aus­rüs­tung” sagen? Warum sollte ich dafür “Equip­ment” sagen, zumal ich ja — zumin­d­est derzeit — gar nicht wis­sen kann, ob andere das auch so verstehen?

    Deshalb halte ich das Wort “Equip­ment” im Deutschen für völ­lig über­flüs­sig, und in diesem Sinne gebe ich der Aktion Lebendi­ges Deutsch vol­lkom­men recht.

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  10. Anatol Stefanowitsch

    Nör­gler (#9), Sie haben also nichts gegen eine dif­feren­zierte Sicht von Bedeu­tung, sie möcht­en nur nicht, dass man diese Sicht auf tat­säch­liche sprach­liche Prob­leme anwen­det. Bei tat­säch­lichen sprach­lichen Prob­le­men möcht­en Sie sich lieber darauf berufen, was Sie für „über­flüs­sig“ hal­ten. Dann wer­den Sie an diesem Blog nicht viel Spaß haben, aber das haben Sie sich­er schon selb­st bemerkt.

    Meine ursprüngliche Hypothese (die ich immer noch für plau­si­bel halte), war, dass es sich bei Ausrüstung/Equipment um einen Ref­eren­z/Sinn-Unter­schied han­delt, dass also nicht wichtig ist, was ein Gegen­stand tat­säch­lich ist, son­dern wer ihn in welchem Kon­text ver­wen­det. Meine Canon EOS 400D ist keine Profikam­era, aber wenn ein Profi sie richtig ein­set­zt, kön­nte sie dadurch zum Equip­ment wer­den. Für mich ist sie, ganz neu­tral, ein Teil mein­er Fotoaus­rüs­tung (oder von mir aus auch ein teures Spielzeug). Dann habe ich die alter­na­tive Hypothese ins Spiel gebracht, dass es ein Deno­ta­tion/Kon­no­ta­tion-Unter­schied ist (wobei es abhängig von der ver­wen­de­ten seman­tis­chen The­o­rie ist, ob das über­haupt eine alter­na­tive Hypothese ist, oder nicht eigentlich dieselbe). Dann hat Ma (#5) die Hypothese ins Spiel gebracht, dass die bei­den Begriff aus unter­schiedlichen Vari­etäten stam­men. Dann kön­nen sie ohne­hin nicht gegeneinan­der aus­ge­spielt wer­den. Nun fügen Sie noch die Hypothese hinzu, dass zwis­chen den Wörtern ein hyponymis­ches Ver­hält­nis beste­ht (ich habe das nicht gesagt oder gemeint, aber ich halte es für möglich — das würde die ersten zwei Hypothe­sen allerd­ings noch nicht auss­chließen). Die Frage nach der Bedeu­tung der bei­den Wörter ist also noch viel reich­haltiger und kom­plex­er als von mir dargestellt; die Aktion Lebendi­ges Deutsch hat nicht nur eine, son­dern gle­ich vier Unter­schei­dun­gen ignori­ert. Und daraus schließen Sie, es sei „maß­los über­trieben“, der Aktion Lebendi­ges Deutsch ein ver­armtes Ver­ständ­nis von Bedeu­tung vorzuw­er­fen? Wenn Sie diese Argu­men­ta­tion überzeugt, ist das Ihre Sache.

    Aber lassen wir doch diese logisch-philosophisch-lin­guis­tis­chen Begriff­sspiel­ereien beiseite. 

    Sehen Sie, sie haben es immer noch nicht ver­standen: das sind keine Begriff­sspiel­ereien, das ist ein Vok­ab­u­lar zur Beschrei­bung der sprach­lichen Realität.

    Die eigentliche Frage ist doch die: Müssen wir wirk­lich für jede denkbare begrif­fliche Unter­schei­dung unter­schiedliche “Wörter” verwenden?

    Ach, das ist die eigentliche Frage? Naja, das entschei­den aber nicht Sie oder die Aktionäre, son­dern die Sprachge­mein­schaft. Das ist für einen Sprach­nör­gler sich­er hart, aber so ist das Leben.

    Wozu haben wir denn Attribute? Wenn ich “Profi­aus­rüs­tung” meine, warum sollte ich nicht ein­fach auch “Profi­aus­rüs­tung” sagen?

    Das kön­nen Sie gerne tun. Und dann kön­nen sich andere Sprach­nör­gler über über­flüs­si­gen Sil­ben­bal­last beschweren.

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  11. Thomas Müller

    @#9

    »Die eigentliche Frage ist doch die: Müssen wir wirk­lich für jede denkbare begrif­fliche Unter­schei­dung unter­schiedliche “Wörter” verwenden?

    Wenn das die eigentliche Frage ist, gehen Ihre nach­fol­gen­den Aus­führun­gen am The­ma vorbei.

    Ihr Schluss ist, dass das Wort “Equip­ment” über­flüs­sig sei. Das aber hat mit der Frage, um die es Ihnen zufolge eigentlich geht, über­haupt gar nichts zu tun. Wenn wir die Frage näm­lich verneinen, dann fol­gt lediglich, dass wir “Equip­ment” nicht ver­wen­den müssen. Wir kön­nen auch “Aus­rüs­tung” sagen. Deswe­gen ist es aber noch lange nicht über­flüs­sig. Erstens kann es sehr wohl Bedeu­tung­sun­ter­schiede geben, die nicht zwin­gend sind, zweit­ens kann “Equip­ment” in bes­timmten Sprach­spie­len (um dem Wittgen­stein-Wun­sch zu entsprechen) oder von bes­timmten Sprech­ern aus ästhetis­chen Grün­den vorge­zo­gen wer­den, und drit­tens wäre auch eine Syn­onymität noch kein hin­re­ichen­der Beleg für Über­flüs­sigkeit. Wenn dem so wäre, dann wären 50% aller Syn­onyme über­flüs­sig. Na, da wür­den sich Jour­nal­is­ten und Schrift­steller und so manch ander­er aber bedanken.

    Sie machen den üblichen Nör­gler­fehler: Sie argu­men­tieren ins Blaue hinein, und schließen dann auf etwas, das aus der Argu­men­ta­tion über­haupt nicht fol­gt, näm­lich auf die Extrap­o­la­tion Ihrer eige­nen ästhetis­chen Vorlieben.

    Sprachkri­tik­er und Sprach­pfleger kön­nten in der Tat mehr Frege und Wittgen­stein lesen, dann brächt­en sie vielle­icht auch ein paar mehr schlüs­sige Argu­mente und weniger Fehlschlüsse zustande.

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  12. Tim

    Darf ich auch mal nörgeln? Es ist in diesem Fall sehr prob­lema­tisch, von einem “sta­tis­tisch höchst sig­nifikan­ten” Unter­schied zu sprechen. Dies dürfte man nur, wenn die Stich­probe repräsen­ta­tiv wäre. Davon kann man bei ein­er Google-Suche aber aus ver­schiede­nen Grün­den nicht aus­ge­hen. Ohne gesicherte Repräsen­ta­tiv­ität darf man aber streng genom­men nicht auf Sig­nifikanz testen, auch wenn sich prak­tisch nie­mand daran hält.

    Und zum Unter­schied “beze­ich­nen” vs. “bedeuten”: Wenn sich “Equip­ment” eher auf Profi-Aus­rüs­tung bezieht und “Aus­rüs­tung” eben auf Aus­rüs­tung all­ge­mein, +beze­ich­nen+ bei­de Wörter eben ver­schiedene Dinge. Warum die unnötige Verkom­plizierung mit Beze­ich­nung und Bedeutung?

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  13. P. Frasa

    Sauber­er fänd ich die Argu­men­ta­tion eh, wenn man hier nicht mit inten­sion­al vs. exten­sion­al argu­men­tieren würde, son­dern eher mit Deno­ta­tion und Kon­no­ta­tion. Daß also “Equip­ment” per default mit Pro­fes­sion­al­ität kon­notiert wird.

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  14. Ich

    Chillen gibt es aber dur­chaus auch in der Ein­zahl, das wäre dann wohl “abschal­ten”, wenn man aber mit Fre­un­den meint “chillen” zu müssen, ist es “rumhän­gen” oder “abhän­gen”, ich find das Wort sowieso däm­lich (Und ich bin gewiss noch recht jung ;)) 

    Ein Wort was die Welt nicht braucht, also zum nächsten:

    Ich kon­nte mit dem Wort “Equip­ment” noch nie etwas anfan­gen, weiß dem­nach auch jet­zt erst was das heißt, die Leute haben ein­fach Schwierigkeit­en mit ihrem deutsch. 

    Wer sagt den das “Aus­rüs­tung” nun keine “Profi-Aus­rüs­tung” meint? “Aus­rüs­tung” heißt für mich, das man aus­gerüstet ist, also gewapp­net ist, da ist es mir ehrlich gesagt voll­ständig egal wie Profi­haft man sich nun ausrüstet…

    Aus­rüs­tung” kommt dem schon sehr nahe,

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  15. Anatol Stefanowitsch

    Ich (#14): „ich find“, „ich kon­nte mit … noch nie etwas anfan­gen“, „heißt für mich“, „ist es mir … voll­ständig egal“ — erken­nen Sie das Muster?

    Tim, P.Frasa (#12, #13): ich habe doch in meinem Kom­men­tar #10 erk­lärt, warum ich eine Analyse mit Sinn und Ref­erenz vorgeschla­gen habe und dass man auch Denotation/Konnotation her­anziehen kön­nte. Tim (#12), auf Sig­nifikanz testen kann man immer, aber in der Tat ist die Inter­pre­ta­tion der Ergeb­nisse nur dann rel­a­tiv ein­fach, wenn die unter­suchte Stich­probe repräsen­ta­tiv ist und sie wird dann unmöglich, wenn die Stich­probe völ­lig verz­er­rt ist. Natür­liche Dat­en liegen immer irgend­wo zwis­chen diesen Extremen und das muss man bei der Inter­pre­ta­tion berück­sichti­gen. Ich denke, es gibt in diesem Fall keinen Grund anzunehmen, der Sprachge­brauch im Inter­net sei irgend­wie in Rich­tung mein­er Hypothese verz­er­rt, deshalb halte ich die Anwen­dung infer­en­tieller Ver­fahren für zuläs­sig. Da ich ja deduk­tiv vorge­he, kann ich aber auch gerne auf Sig­nifikanztests verzicht­en, stattdessen eine Vorher­sage speziell für das deutschsprachige Inter­net for­mulieren und dann die Daten­er­he­bung als eine Voller­he­bung betra­cht­en. Am Ergeb­nis ändert das nichts: ich kann die Null­hy­pothese ablehnen und da die Dat­en in Rich­tung mein­er Hypothese abwe­ichen diese Hypothese beibehal­ten (bis jemand einen Gegen­be­weis liefert, der nicht auf „ich finde“ beruht…).

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  16. Ich

    @15: Wie schön sie doch Wörter umdrehen kön­nen, “chillen” den Aus­drück halte ich für vol­lkom­men nichtig im deutschen Sprachge­brauch, weil es etwas beschreibt, was man nicht beschrieben haben muss bzw. eine Steigerung von etwas beschreibt, was es nicht gibt! Es ist nun­mal “entspan­nen, aus­ruhen, rumhän­gen, abhän­gen” und einige andere Wörter… (Ist halt vari­abel wie man das anwen­den möchte, manch­mal benutzt man es als vorhan­denes Wort und manch­mal als qua­si nicht vorhan­dene Steigerung)

    Und komis­cher­weise komme ich ohne “chillen” auch aus in meinem Wortschutz. 

    Deswe­gen ist es mir aber nicht egal oder son­stiges, denn son­st hätte ich meine Mei­n­ung auch sein lassen kön­nen, oder?

    Zu “Aus­rüs­tung” da ist die Frage: Wann wird eine Aus­rüs­tung zur qua­si “Profi-Aus­rüs­tung”? Für mich bedarf es nun­mal kein Steigerung von ein­er Aus­rüs­tung, denn man ist aus­gerüstet, man hat also alles was man braucht, hätte man es nicht, hätte man etwas vergessen.

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  17. Ich

    Ja und? Ist doch meine Sache ob ich schreib “Ich komm damit aus” wie es mit anderen ist, weiß ich nicht, einige wollen es ja auch gar­nicht, aber kön­nen tuen eigentlich sicher­lich alle, son­st würde ich das hier nicht veröffentlichen… 😉

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  18. Mister Bernie

    @Ich: Chill mal n bissal!

    (Tschuldigung, aber bei so ner schö­nen Vor­lage kann ich ein­fach nicht wiederstehen.)

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  19. suse

    Ich glaube, ‘chillen’ hat auch im Deutschen schon eine Bedeu­tungser­weiterung hin zum all­ge­meinen ‘rumhän­gen, abhän­gen, relax­en’ erfahren (in den 60er oder 70ern hat man das ‘gam­meln’ genan­nt). Aber zum ganz kor­rek­ten 🙂 chillen gehört eigen­lich vorneweg dazu, daß man vorher z.B. in der Dis­co ‘abge­hot­tet’ hat (auch ver­al­tet, wie heißt das eigentlich heute?) und sich dann in der ‘chill-out zone’ abkühlt, ‘auschillt’ halt.(Mir fällt ger­ade auf, daß das Wort aus-chillen zusam­mengeschrieben total blöd aussieht und mit Binde­strich nicht bess­er). Aber gesprochen ist es hüb­sch und auch, finde ich, sinnvoll:“Ich muß jet­zt mal ein bißchen (aus)chillen” — impliziert: weil ich so erhitzt bin vom Tanzen oder von ein­er anderen Anstren­gung, daß ich abkühlen muß. So gese­hen hat ‘chillen’ auch etwas von ‘Feier­abend’ in sich. 

    Merke: Früher hat man ein­fach nur so rumgegam­melt, heute muß man sich das erst­mal durch vorherige Anstren­gung verdienen…

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  20. gyokusai

    WENN

    Und komis­cher­weise komme ich ohne “chillen” auch aus in meinem Wortschutz.

    DANN

    chillen” den Aus­drück halte ich für vol­lkom­men nichtig im deutschen Sprachgebrauch

    WEIL

    es etwas beschreibt, was man nicht beschrieben haben muss bzw. eine Steigerung von etwas beschreibt, was es nicht gibt!

    ERGO

    komme ich ohne “chillen” auch aus in meinem Wortschutz.

    ERGO

    Ein Wort was die Welt nicht braucht

    Dem läßt sich wenig hinzufü­gen. Was ich noch atem­ber­auben­der finde als die ins­ge­samt darge­botene sprach­wis­senschaftliche Igno­ranz oder den fes­ten Glauben, daß Sätze automa­tisch mit Beweiskraft aus­gerüstet sind, sobald ihnen ein „weil“ oder „deswe­gen“ umgeschnallt wird, ist die phan­tastis­che Arro­ganz, die sich hier präsen­tiert: Was ich nicht brauche, dessen Sinn sehe ich nicht, also braucht es auch nie­mand anders. Und da ich es nicht schön finde, wenn in den Nach­bargärten Pflanzen wach­sen, die ich für häßlich oder nut­z­los oder gar für Unkraut halte, gründe ich eine Pflegeini­tia­tive mit dem Ziel, alle anderen so lange mit mein­er per­sön­lichen Gartenäs­thetik unter Druck zu set­zen, bis sie ihre Fleckchen Erde wieder kon­form zu mein­er Vorstel­lung gestalten.

    Oh, und das let­zte Wort im ersten Zitat finde ich in sein­er erheit­ern­den Unfrei­willigkeit sehr passend gewählt.

    ^_^J.

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  21. Ich

    Dankeschön für den Hin­weis, dies war natür­lich nicht beab­sichtigt, aber unfrei­willig komisch. ^^

    Das U sollte ein A sein, nein jed­er kann gerne so schreiben wie er will, aber ich per­sön­lich brauche dafür kein eigenes Wort, wie es mit anderen ist sieht man ja, anscheinend doch (Son­st wäre ja diese Aktion erst gar­nicht angefangen)

    @suse: abge­hot­tet? Ist das sowas wie in der Diskothek abge­hen oder wie? 

    Außer­dem stelle ich mir die Frage, wieso über­haupt “chillen”? Wieso nicht direkt anpassen wie “tschillen” oder “schillen”?

    Aber naja das kann mir eh kein­er mehr beant­worten. xD

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  22. Nörgler

    Ich will jet­zt nicht darüber reden, wer was “immer noch nicht ver­standen” hat. Auch nicht darüber, wer hier “ins Blaue hinein” argu­men­tiert. Immer­hin sind wir ja jet­zt schon bei vier Hypothe­sen zu “equip­ment” ange­langt. Aber man darf natür­lich keine Gele­gen­heit aus­lassen, der Aktion Lebendi­ges Deutsch eins auszuwis­chen. Also schließt man messer­scharf, daß die Aktion — hor­ri­bile dic­tu — nicht nur eine, son­dern vier Hypothe­sen ignoriert.

    Unter­schiedliche Wörter unter­schei­den sich zumeist irgend­wie, etwa in Bedeu­tung, Sinn, Ref­erenz, Kon­no­ta­tion, Deno­ta­tion, pos­i­tiv­en und neg­a­tiv­en Assozi­a­tio­nen usw. usw.; sie kön­nen ver­schiede­nen Sprachebe­nen ange­hören, von ver­schiede­nen Sprachge­mein­schaften benutzt oder gemieden wer­den; sie kön­nen auch genutzt wer­den, um ganz banalen Gedanken einen hochwis­senschaftlichen Anstrich zu geben. Das weiß jed­er, der sich auch nur ober­fläch­lich mit Sprache beschäftigt. Und das würde ich zunächst auch den Mit­gliedern der Aktion Lebendi­ges Deutsch und anderen “Sprach­nör­glern” unterstellen.

    Ich will auch nicht darauf einge­hen, ob es “die Sprachge­mein­schaft” gibt und in welchem Sinn sie irgend etwas “entschei­det”. Aber wenn es so ist, warum dann nicht alles dieser Sprachge­mein­schaft über­lassen? Warum immer wieder und immer mit den gle­ichen ermü­den­den Argu­menten auf die Aktion ein­dreschen? Über­lassen sie sie doch wirk­lich ein­fach sich selbst.

    Über eines möchte ich aber schon reden: Über die auf­fal­l­ende Aggres­siv­ität viel­er Beiträge diese Blogs. Ein Beispiel ist die her­ablassende Arro­ganz, mit der “Ich” hier abge­fer­tigt wird. Natür­lich, über Geschmack, Stil und Höflichkeit läßt sich stre­it­en. Das sind wohl auch keine “wis­senschaftlichen” Begriffe, auch wenn sie im täglichen Leben eine nicht unwichtige Rolle spielen.

    Einige der Teil­nehmer an diesem Blog scheinen die Men­schen in zwei Grup­pen einzuteilen: in Sprach­wis­senschaftler und Dep­pen. Die Oberdep­pen sind natür­lich die “Sprach­nör­gler”, die von nichts eine Ahnung haben, noch nie Frege oder Wittgen­stein gele­sen haben. Dieser Begriff ist ja ganz offenkundig absichtlich wegen sein­er neg­a­tiv­en Assozi­a­tio­nen gewählt wor­den. All das ist wenig geeignet, den Ein­druck wis­senschaftlich­er Objek­tiv­ität zu erweck­en. Ganz im Gegen­teil, daraus spricht eine ger­adezu pen­e­trante ide­ol­o­gis­che Voreingenommenheit.

    Zum Abschluß noch ein Zitat, das zeigt, daß ein Sprach­wis­senschaftler auch anders über diese Dinge reden kann (Peter Eisen­berg bei der Ver­lei­hung des Konrad-Duden-Preises):

    Immer wieder pack­en den nor­malen Sprachteil­haber Zorn und Ekel, wenn er sich der Sprach­macht igno­ran­ter, prä­ten­tiös­er, eitler und bewußt irreführen­der Lancierung von Anglizis­men gegenüber­sieht, sei er nun Sprach­wis­senschaftler oder nicht. Einem Diskurs, der sich dieser Sprach­macht ent­ge­gen­stellt, wün­sche ich allen Erfolg.“

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  23. marvinn

    Eine Frage, die mir, halb OT, beim Lesen (nicht nur) dieser Diskus­sion ein­fällt: gab es vor etwa 200 Jahren, als die deutsche Sprache stark franzö­sisch bee­in­flusst wurde, auch vergleichbar[1] heftige Wider­stände wie heute gegen die englis­chsprachi­gen Einflüsse? 

    [1] “ver­gle­ich­bar” man­gels Massen­me­di­en natür­lich nur mit Abstrichen.

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  24. Thomas Müller

    @marvinn

    Da fällt mir, auch wenn es weit länger als 200 Jahre her ist, die Frucht­brin­gende Gesellschaft ein, die neulich erst wieder neu gegrün­det wurde. http://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbringende_Gesellschaft

    Sprach­pflege gab es also auch damals schon in organ­isiert­er Form. Wobei man freilich den gän­zlich anderen Kon­text beacht­en muss, die Sprach­pfleger von damals also nicht unbe­d­ingt mit der Aktion Lebendi­ges Deutsch oder dem VDS, bzw. deren Zie­len, ver­gle­ich­bar ist.

    @Nörgler

    Jet­zt lassen wir Argu­mente mal ganz bei­seite und reden uns stattdessen in die Opfer­rolle? Oder ver­ste­he ich Sie falsch?

    Dieses Blog hier würde es in der jet­zi­gen Aus­rich­tung sicher­lich nicht geben, wenn es nicht die Sprach­nör­gler wären, die zuerst ihre Mit­men­schen mit ihrem Präskrip­ti­vak­tion­is­mus ner­ven wür­den. Gle­ich­es gilt für mein eigenes Blog.

    Sofern solche “sprachkri­tis­chen” Ansätze auf rein ästhetis­ch­er Ebene vor­ge­tra­gen wer­den, habe ich für meinen Teil über­haupt nichts dage­gen. Mich stören Anglizis­men schließlich auch häu­figer als sie mir gefall­en. Aber wenn aus ästhetis­chen Vor­lieben Nor­men gestrickt wer­den sollen, wenn z.B. andere Sprech­er dafür kri­tisiert wer­den, dass sie andere Aus­druck­sweisen schön find­en, dann kann ich das nicht dulden. Und dann gibt es auch deut­liche Worte.

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  25. gyokusai

    Nör­gler, diese Art der Zita­tion aus der Rede von Peter Eisen­berg ist eine boden­lose Frech­heit und über­schre­it­et schwungvoll die Gren­ze zur mutwilli­gen Täuschung. Weswe­gen ver­mut­lich auch die Quel­lenangabe (PDF) fehlt. Denn die Dar­bi­etung in dieser Form erweckt den Ein­druck, als han­dle es sich um die per­sön­liche und uneingeschränkt ern­sthafte Ansicht von Peter Eisen­berg. Tat­säch­lich lautet der Absatz im Kon­text wie folgt:

    Für die These vom Sprachver­fall durch schlecht­en Sprachge­brauch spie­len die Anglizis­men nach wie vor die promi­nen­teste Rolle. Immer wieder pack­en den nor­malen Sprachteil­haber Zorn und Ekel, wenn er sich der Sprach­macht igno­ran­ter, prä­ten­tiös­er, eitler und bewusst irreführen­der Lancierung von Anglizis­men gegenüber­sieht, sei er nun Sprach­wis­senschaftler oder nicht. Einem Diskurs, der sich dieser Sprach­macht ent­ge­gen­stellt, wün­sche ich allen Erfolg. Allerd­ings hat der Homo politi­cus Vor­be­halte gegenüber bes­timmten Aus­prä­gun­gen dieser Debat­te, etwa wenn nicht präsent bleibt, dass man Auswirkun­gen der Glob­al­isierung nicht am sprach­lichen Symp­tom kuri­eren kann. Erweckt jemand diesen Ein­druck, han­delt es sich um ver­sucht­en poli­tis­chen Betrug. […]

    Wir ver­fü­gen über eine Rei­he von Stu­di­en über das Ver­hal­ten von Anglizis­men im Deutschen, deren Ergeb­nisse man so zusam­men­fassen kann: Die gram­ma­tis­che Inte­gra­tion von Anglizis­men ver­läuft im All­ge­meinen prob­lem­los. […] Struk­turelle Auswirkun­gen des Gebrauchs von Anglizis­men sind bish­er so gut wie nicht erkennbar. […] Was die Wort­bil­dung bet­rifft, ist das Deutsche dabei, mit eini­gen Wort­bausteinen aus dem Englis­chen pro­duk­tiv umzuge­hen, d.h. selb­st Wörter zu bilden. […] Weniger prob­lem­los ver­läuft die Inte­gra­tion der Orthografie und in der Phonetik, wenn auch aus ganz unter­schiedlichen Grün­den. [S.13–15, siehe Link. Alle zitierten Stu­di­en im Orig­i­nal mit Quellenangaben.]

    Gefol­gt von Eisen­bergs Faz­it zum The­menkom­plex „Deng­lish“:

    Schließlich ver­wahren wir uns als Sprach­wis­senschaftler gegen einen beliebten Kat­e­gorien­fehler, der die Sprache selb­st an die Stelle des Sprachge­brauchs set­zt, meist eines rhetorischen Effek­tes wegen, z.B.: „Eine starke Beschädi­gung dieser Folie ver­min­dert die Sprachkom­pe­tenz des Einzel­nen, und in ihrer Gesamtheit ver­wüstet sie die deutsche Sprache …“ „Die englis­chen oder pseu­do­englis­chen Aus­drücke kom­men näm­lich nicht ein­fach hinzu … Sie ver­drän­gen vielmehr die natür­liche Wort­bil­dung des Deutschen.“ „Es geht bergab mit der Sprache, machen wir uns nichts vor.“ „Schreck­lich­es … Symp­tom der kranken Sprache aber ist jenes modis­che Pseu­do-Englis­che“. „Die Sprache ist in Not.“ Und vielle­icht am gefährlich­sten: „Die Lexik ein­er Sprache ist der (genokul­turelle) Code der­jeni­gen ‚Kul­tur, die sich sein­er bedi­ent‘. Zu viele Muta­tio­nen auf ein­mal zer­stören den Phäno­typ. So entste­ht zur Zeit in Deutsch­land Sprach­bruch namens Denglisch …“.

    Schw­er vorstell­bar, dass jeman­dem das Deutsche am Herzen liegt, der Der­ar­tiges unter seinen Sprech­ern ver­bre­it­et. Mit dem Zus­tand unser­er Sprache hat es nichts zu tun. Die größte Sprache der Europäis­chen Union ist nicht das Kleinkind, das sich irgend­wie von der großen Schwest­er Englisch abgren­zen müsste. [S.16–17, siehe Link. Zitate im Orig­i­nal mit Quellenangaben.]

    Dem Vor­wurf der Unwis­senschaftlichkeit mit ein­er Zitatver­fälschung durch Aus­lassen von Quel­lenangabe und Kon­text ent­ge­gen­zutreten, hm, was läßt sich dazu sagen. 

    Jäm­mer­lich“ käme in den Sinn.

    ^_^J.

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  26. Bla

    Aber ist “chillen” nicht eher ein “Jugend­wort”? Wer mal in die Ver­gan­gen­heit schaut, wird fest­stellen, dass die anderen Mod­ewörter auch heute nie­mand mehr ken­nt. Außer­dem ver­suchen doch grade die Jugendlichen sich anders auszu­drück­en, damit sie nicht ver­standen wer­den, D.H. man sucht für etwas ein Wort, was vlt. in 5–10 Jahren eh vor­bei ist. Dann geht ein anderes Wort ins Ren­nen, außer­dem spie­len die auch mit deutschen Wörtern (Gibt ja genü­gend Büch­er zu dem The­ma) was aber dann auch kein Men­sch ver­ste­hen kann. 

    Das einzige was Aus­rüs­tung hin­dert und einige ander­er Wörter, ist dass sie lang­weilig klin­gen, bzw. aus Wort­fet­zen beste­hen, die man tausend mal hört würde man ohne Fremd­wörter leben (Und nach eini­gen Leuten wohl zuoft schon hört, weil son­st wäre diese Flut an Anglizis­men nicht da).

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  27. Nörgler

    @gyokusai

    Ihr Beitrag bestätigt meinen Ein­druck, daß in eini­gen Beiträ­gen in diesem Blog eine auf­fal­l­ende, mir schw­er ver­ständliche Aggres­siv­ität zum Aus­druck kommt.

    Gegenüber “Ich” haben Sie sich ja in dieser Hin­sicht auch schon beson­ders hervorgetan.

    @Thomas Müller

    Ich weiß nicht so recht, was Sie mit “Opfer­rolle” meinen. Ich habe jeden­falls nicht davon gesprochen. Ich weiß deshalb auch nicht, ob Sie mich falsch ver­ste­hen. Wenn ja, würde ich Ihnen jeden­falls nicht sagen: “Haben Sie es denn immer noch nicht verstanden?”

    Sie sagen, daß Sie nichts gegen ästhetis­che Urteile haben, son­dern nur etwas gegen den sog. “Präskrip­tivis­mus”. Der Vor­wurf des Präskrip­tivis­mus kann wohl mit gewis­sem Recht gegen den Duden und gegen Bas­t­ian Sick, der sich sein­er­seits ja häu­fig auf den Duden stützt, erhoben wer­den. Dort wim­melt es ja von Aus­sagen zu “richtig” oder “falsch”. Bei der Frage der Anglizis­men oder der Fremd­wörter all­ge­mein geht es aber nicht darum, son­dern um Angemessen­heit, Ver­ständlichkeit, Schön­heit, also in der Tat über­wiegend um Wer­turteile oder ästhetis­che Urteile.

    Ger­ade deshalb halte ich die hier immer vor­ge­tra­ge­nen Argu­mente, dieser oder jen­er Anglizis­mus habe doch eine andere Bedeu­tung oder andere Assozi­a­tio­nen als ähn­liche deutsche Wörter für so gegen­stand­s­los. Sie wider­legen jeden­falls nicht die Wer­turteile der “Sprach­nör­gler”, denen ich, jeden­falls bis zum Beweis des Gegen­teils, unter­stellen würde, daß sie sich über diese banale Tat­sache dur­chaus im klaren sind. Es geht in diesen Fällen eben um eine Güter­ab­wä­gung: Was wiegt schw­er­er, die emp­fun­dene “Häßlichkeit” eines Wortes oder die mit ihm ver­bun­dene Bedeu­tungs­fein­heit? Rein “wis­senschaftlich” läßt sich das eben nicht entschei­den. Und wenn ich ein Wort für “über­flüs­sig” halte, weil ich meine, daß alle mit ihm ver­bun­de­nen Bedeu­tungs­fein­heit­en oder Assozi­a­tio­nen sich auch anders aus­drück­en lassen, geht es am The­ma vor­bei, diese Aus­sage als “unwis­senschaftlich” zu beze­ich­nen. Das Argu­ment “ich benutze das Wort ‘Equip­ment’, weil ich es so schön finde” habe ich dage­gen in diesem Blog nicht gefun­den. Es wäre ja auch vol­lkom­men unwissenschaftlich.

    Nun ist Sprache ja eine gesellschaftliche Erschei­n­ung, und die Men­schen sprechen nicht nur mit sich selb­st. Deshalb halte ich es für ganz natür­lich, daß diejeni­gen, die ein Über­maß an Anglizis­men für unschön hal­ten, auch andere Men­schen von ihrer Auf­fas­sung zu überzeu­gen ver­suchen, in der Öffentlichkeit für ihre Mei­n­ung Wer­bung machen. Warum sollte son­st die Aktion Lebendi­ges Deutsch (ALD) eine Inter­net­seite unter­hal­ten? Sie ver­sucht ja auch, argu­men­ta­tiv vorzuge­hen, etwa indem sie deutsche Wörter als Alter­na­tiv­en anbi­etet. Viele dieser Vorschläge scheinen mir allerd­ings wenig geglückt, andere ver­ste­hen sich von selb­st. So braucht wohl nie­mand die Hil­fe der ALD um zu wis­sen, daß man für “Equip­ment auch “Aus­rüs­tung” sagen kön­nte. Mag sich auch die ALD gele­gentlich zu Übertrei­bun­gen hin­reißen lassen oder sich im Ton ver­greifen, ist das wirk­lich ein so schreck­lich­er “Präskrip­tivis­mus”? Schließlich braucht sich ja nie­mand darum zu scheren.

    Ob die deutsche Sprache über­haupt erhal­tenswert ist, ist natür­lich auch eine Wert­frage. Wenn man sie bejaht, kann man sich aber auch Fra­gen nicht rein ästhetis­ch­er Natur stellen: Welchen Ein­fluß haben Anglizis­men etwa auf den Auf­bau und die Entwick­lung des deutschen Wortschatzes; auf die inter­na­tionale Stel­lung des Deutschen; auf die Ver­ständi­gung zwis­chen ver­schiede­nen Sprecher­grup­pen und zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen; auf die sprach­lichen Erschei­n­ungs­for­men von sozialen und Bil­dung­sun­ter­schieden? Wenn die Sprach­wis­senschaft über­haupt in der Lage ist, Antworten auf solche Fra­gen zu geben: Wären das nicht lohnende Forschungs­the­men? Wenn nicht, dann sollte die Sprach­wis­senschaft in der Frage, um die es hier geht, bess­er schweigen.

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  28. Thomas Müller

    Wieso nehmen Sie an, dass die Sprach­wis­senschaft sich um diese fra­gen nicht küm­mert? Mein Mag­is­ter­ar­beit­s­the­ma geht jeden­falls in Rich­tung Ihrer Fra­gen. Und Herr Ste­fanow­itsch ver­di­ent sein Geld ja nun auch nicht primär damit, die Umtriebe der Aktion Lebendi­ges Deutsch zu kommentieren.

    Ihre Argu­men­ta­tion davor ver­ste­he ich ehrlich gesagt nicht. Mir ist nicht klar gewor­den, welche Posi­tion sie in Sachen Deskriptivismus/Präskriptivismus/ästhetik nun eigentlich vertreten. Sorry! 🙂

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  29. Rushputin

    Zum The­ma “chillen”: Ich denke, hier hat man es wohl ein­fach damit zu tun, daß sich Wörter ger­ade dann schneller wan­deln als andere, wenn das, was sie beschreiben, stark von der entsprechen­den Gruppe und Gen­er­a­tion abhängt.

    In anderen Worten: Die heutige Jugend (und bemüht oder tat­säch­lich Jungge­bliebene) hat andere Vorstel­lun­gen davon, was es heißt, sich zu entspan­nen oder in ruhiger Atmo­sphäre Spaß zu haben, als es früher der Fall war — deswe­gen sagen sie eben nor­maler­weise nicht “auss­pan­nen” oder “relax­en”. Für die meis­ten jün­geren Men­schen dürften diese Wörter auch eher mit Mit­dreißigern beim Diges­tivtrinken, älteren Saunagängern oder ähn­lichem ver­bun­den sein, nicht mit was immer auch es ist, das die ver­zo­ge­nen jun­gen Lüm­mel derzeit so anstellen.

    Deswe­gen halte ich auch nicht viel davon, irgendwelche “neuen” Wörter als über­flüs­sig zu beze­ich­nen. Die Sache mit den mehr oder weniger sub­tilen Bedeu­tung­sun­ter­schieden wird hier im Blog ja zur Genüge ange­sprochen, und wenn man sprach­liche Verän­derun­gen nicht akzep­tiert, dann spricht man sich indi­rekt auch gegen Wan­del in Kul­tur und Ansicht­en aus. Ob die Sprach­nör­gler das unbe­wusst oder ganz gezielt tun, sei jet­zt mal dahingestellt.

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  30. gyokusai

    Nör­gler nörgelt:

    Ihr Beitrag bestätigt meinen Ein­druck, daß in eini­gen Beiträ­gen in diesem Blog eine auf­fal­l­ende, mir schw­er ver­ständliche Aggres­siv­ität zum Aus­druck kommt.

    Gegenüber “Ich” haben Sie sich ja in dieser Hin­sicht auch schon beson­ders hervorgetan.

    Selb­st etwas rauhere Auseinan­der­set­zun­gen schaden sel­ten dem wis­senschaftlichen Prozeß. Falsches Zitieren schon.

    Aber mir ist natür­lich klar, daß ger­ade diejeni­gen, die dabei erwis­cht wer­den, wie sie sich die läng­ste Nase wach­sen lassen, gle­ichzeit­ig die delikat­esten, empfind­sam­sten Seelchen haben. Und dies für andere, wohl um der Gesellschaft willen, auch gle­ich mit — andere, so ist zu bemerken, die erfrischen­der­weise bis­lang keine der­ar­ti­gen Krokodil­stränchen in eigen­er Sache zu vergießen hatten.

    ^_^J.

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  31. Nörgler

    @Thomas Müller

    Ich weiß natür­lich, daß auch Sprach­wis­senschaftler sich mit Anglizis­men, Fremd­wörtern usw. beschäfti­gen. In der Preisrede von Peter Eisen­berg ist ja auch von Unter­suchun­gen über die gram­ma­tis­che Inte­gra­tion der Anglizis­men die Rede. Das ist aber eher ein Neben­schau­platz. Über­haupt sind durch­schla­gende Ergeb­nisse solch­er Arbeit­en jeden­falls nicht ein­er bre­it­eren Öffentlichkeit bekanntgeworden.

    Ich habe auch nicht angenom­men, daß Ana­tol Ste­fanow­itsch seinen Leben­sun­ter­halt mit diesem Blog bestre­it­et. Ander­er­seit­sa finde ich in der Liste sein­er wis­senschaftlichen Veröf­fentlichun­gen nur zwei Beiträge, die erkennbar mit dieser Dikus­sion in einem gewis­sen Zusam­men­hang ste­hen: “Loan­words in a usage-based mod­el” und “Bilin­gual puns and the sta­tus of Eng­lish in Germany”.

    Sie sagen, Ihnen sei nicht klarge­wor­den, welche Posi­tion ich in der Frage Deskriptivismus/Präskriptivismus/ästhetik vertrete. Es tut mir leid, falls ich mich nicht klar genug aus­ge­drückt haben sollte. Ander­er­seits wäre es wohl nicht ganz am Platze, hier einen erken­nt­nis­the­o­retis­chen Auf­satz einzustellen. Für bess­er hielte ich es, wenn Sie mir sagen wür­den, welche mein­er Aus­sagen Ihnen unklar erscheinen.

    In aller Kürze nur fol­gen­des: Ich halte reine Sach- und Wer­taus­sagen für inkom­men­su­ra­bel. Die Wis­senschaft kann nur Sachaus­sagen liefern. Sie kann nur sagen, was ist, aber nicht, was sein sollte, was wün­schenswert oder was schön ist. Das heißt aber auch, daß die Wis­senschaft reine Wer­turteile nicht wider­legen kann.

    Im wirk­lichen Leben sind allerd­ings Wert- und Sachaus­sagen häu­fig eng verquickt und nur mit gewis­sem ana­lytis­chen Aufwand auseinan­derzuhal­ten. Es ist natür­lich sinn- und ver­di­en­stvoll, offene oder ver­steck­te Sachaus­sagen (etwa über die englis­che Bedeu­tung von “pub­lic view­ing”) auf ihren Wahrheits­ge­halt zu über­prüfen und ggf. zu widerlegen.

    Ander­er­seits lassen sich aus ein­er Verbindung von Sach- und Wer­taus­sagen weit­ere Wer­taus­sagen ableit­en. Wenn etwa die Medi­zin fest­stellt, daß ein bes­timmter Stoff kreb­ser­re­gend wirkt, so drängt sich die präskrip­tive Aus­sage, diesen Stoff bess­er zu mei­den, ja ger­adezu auf, weil die meis­ten Men­schen auf Gesund­heit und langes Leben großen Wert leg­en. In diesem Sinne ist eben die Wis­senschaft nicht abso­lut “wert­frei”.

    Zum Abschluß noch zwei Zitate aus einem Auf­satz von Gisela Zifo­nun, Sprach­wis­senschaft­lerin am Insti­tut für deutsche Sprache, die sicher­lich keine aus­gemachte “Sprach­nör­g­lerin” ist:

    Zum Recht auf die eigene Sprache

    gehört selb­stver­ständlich auch das Recht zur Kri­tik am

    Sprachge­brauch ander­er. Wo wir durch den Sprachgebrauch

    ander­er im Ver­ständ­nis des Kom­mu­nizierten behindert

    wer­den, wehren wir uns mit Recht. Wenn der

    Sprachge­brauch ander­er uns manip­u­la­tiv oder auch nur

    gram­ma­tisch inko­r­rekt, stilis­tisch ver­quer oder schlicht

    unschön erscheint, brauchen wir damit nicht hin­ter dem

    Berg zu halten.”

    Zum Sprachge­brauch von Telekom und Deutsch­er Bahn:

    Dass hier, zumin­d­est wo es um Infor­ma­tion und

    Ori­en­tierung für die Bürg­er geht, nicht wenig­stens zweisprachig

    ver­fahren wird, also Auskun­ft neben meinetwegen

    Ser­vi­ce­Point, ist und bleibt ärg­er­lich und zeugt von Überheblichkeit.

    Dass der Bürg­er zumin­d­est auf Deutsch zur

    Kasse gebeten wer­den muss, scheint inzwis­chen angekommen

    zu sein, schaut man sich die Telekom-Rechnungen

    an.”

    Dis­claimer”: Natür­lich zitiere ich sehr selek­tiv das, was mir in diesem Zusam­men­hang von Bedeu­tung erscheint. Wer den ganzen Auf­satz lesen möchte, der gehe zu http://www.ids-mannheim.de/pub/laufend/sprachreport/pdf/sr02‑3.pdf.

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  32. P. Frasa

    @Nörgler: Ich finde nicht, daß man den Sprachge­brauch ander­er nicht kri­tisieren darf. Wenn ein Unternehmen englis­che Wer­bung macht und nicht begreift, daß sie damit ihre Kun­den wohl ver­grault, weil die diese mißver­ste­hen, dann ist das Dummheit und Unfähigkeit, inno­v­a­tiv, aber ziel­gerichtet zu kom­mu­nizieren. Wenn ein Men­sch in sein­er Bewer­bung zu einem Job umgangssprach­liche For­mulierun­gen benutzt, dann weiß er nicht, wie er die Sprache stil­gerecht benutzen muß, um an sein Ziel zu gelangen.

    Das sind aber alles Fälle, wo es um einzelne Men­schen geht, die den gel­tenden kul­turellen Kodex nicht beherrschen. Die gab es immer und das wird auch immer so sein. (Und das ist auch nicht wirk­lich schlimm.)

    Vol­lkom­men irrsin­nig ist es aber z.B. über den all­ge­meinen Sprachge­brauch ein­er ganzen Gesellschaft (oder Schicht­en davon) so urteilen zu wollen — denn dann han­delt es sich nicht mehr um Einzelinkom­pe­tenz, son­dern um einen Wan­del in der Sprache.

    Und natür­lich kann hier die Wis­senschaft nicht “werten”. Ich kann the­o­retisch behaupten, es sei grauen­haft und furcht­bar, daß wir keinen Loka­tiv haben und nie­mand kann mir das Gegen­teil beweisen, weil das Geschmackssache ist. Aber was man mit großer Wahrschein­lichkeit wider­legen kann, ist daß der Gen­i­tivver­lust, die fehler­hafte Apos­tro­phen­schrei­bung, usw. zu geistiger Ver­ar­mung und/oder dem Nieder­gang unser­er Kul­tur sor­gen wer­den; denn ver­gle­ich­bare Fälle hat es zu Tausenden gegeben, und sowas ist nie einge­treten. Und genau auf der Ebene wird ja meist argumentiert.

    Und außer­dem mag ich keine Wind­müh­lenkämpfer, egal ob sie ästhetisch oder son­st wie argu­men­tieren. Wenn ich die und jene sprach­liche Form schön oder zweck­mäßig oder präzise finde — gut. Aber ich werde nie den Sinn im Mis­sion­ieren verstehen.

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