Keine Durchfahrt

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen war ich auf ein­er Kon­ferenz im Süden Eng­lands und beim Zwis­chenaufen­thalt in Lon­don ist mir dieses Schild aufgefallen:

ROAD-AHEAD-CLOSED-Schild in London

ROAD-AHEAD-CLOSED-Schild in London

Aufge­fall­en ist mir das Schild wohl deshalb, weil die gram­ma­tis­che Struk­tur der War­nung für mich unge­woht klingt. Ich habe einige Jahre in Texas gelebt und von dort ist mir dieses Schild vertraut:

ROAD-CLOSED-AHEAD-Schild in Texas (USA)

ROAD-CLOSED-AHEAD-Schild in Texas (USA)

Wörtlich über­set­zt bedeutet das Lon­don­er Schild „Die Straße voraus ist geschlossen“ (es ist eine verkürzte Form von The ROAD AHEAD is CLOSED), das Schild aus den USA bedeutet „Die Straße ist weit­er vorne geschlossen“ (ver­gle­iche The ROAD is CLOSED AHEAD). Streng genom­men ist das nicht genau das gle­iche: das Lon­don­er Schild weist darauf hin, dass eine Straße, die vom Leser aus gese­hen irgend­wo voraus liegt, geschlossen ist — die Struk­tur der Auf­schrift legt nicht zwin­gend nahe, dass es die Straße sein muss, auf der man sich ger­ade befind­et. Das tex­anis­che Schild weist dage­gen ein­deutig daraufhin, dass die Straße, auf der man sich ger­ade befind­et, weit­er vorne geschlossen ist.

Ich bin eigentlich davon aus­ge­gan­gen, dass bei­de Schilder genau die gle­iche Funk­tion haben, näm­lich, dass sie soviel bedeuten wie „Keine Durch­fahrt“. Meine Ver­mu­tung war, dass sich Verkehrs­plan­er in den bei­den Län­dern mehr oder weniger zufäl­lig zwei ver­schiedene For­mulierun­gen aus­ge­sucht haben, um das­selbe zu erreichen.

Bei der Suche nach Bildern für diesen Beitrag bin ich dann aber auf dieses Schild gestoßen, fotografiert in Eng­land, aber mit der gram­ma­tis­chen Struk­tur des amerikanis­chen Schildes:

ROAD-CLOSED-AHEAD-Schild in England

ROAD-CLOSED-AHEAD-Schild in England

Nun frage ich mich, ob das eine zufäl­lige Vari­a­tion ist oder ob die bei­den Schilder aus Eng­land tat­säch­lich etwas unter­schiedlich­es bedeuten. Außer­dem frage ich mich, ob es irgend­wo in der englis­chsprachi­gen Welt auch die dritte mögliche Wort­stel­lungsvari­ante gibt: CLOSED ROAD AHEAD („Geschlossene Straße voraus“). Ken­nt sich unter den Sprachblogleser/innen zufäl­lig jemand mit Verkehrss­child­ty­polo­gie aus?

Bild­nach­weise:

Road Ahead Closed: © 2008 Ana­tol Ste­fanow­itsch (Cre­ative Com­mons BY-NC‑2.5)

Road Closed Ahead (US) © 2007 Mark Nor­man Fran­cis (Cre­ative Com­mons BY-NC‑2.0) [Flickr]

Road Closed Ahead (UK) © 2007 Any­hoo (Cre­ative Com­mons BY-NC‑2.0) [Flickr]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

7 Gedanken zu „Keine Durchfahrt

  1. MM

    Ich finde das Schild zwar nicht im High­way Code (offizielle Straßen­verkehrsvorschriften), aber unter Signs and mark­ings — Warn­ing signs (PDF) gibt es mehrere andere Schilder, die alle das Wort “ahead” als let­ztes haben

    High­way Code

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  2. Mister Bernie

    Also eine kurze, natür­lich anfecht­bare Google-Image-Suche sug­geriert schon, dass es sich dabei wahrschein­lich doch um einen US/UK-Unter­schied han­delt, wenn auch keinen sehr schar­fen — “road ahead closed” liefert primär Schild­händler mit co.uk-Top-Level-Domain, bei “road closed ahead” dominieren dafür com-Sites.

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  3. Chris Waigl

    Spon­tan erschien mir die erste Ver­sion sin­nvoller, aber das kann ganz ein­fach daher kom­men, dass ich in Lon­don lebe und mit der Ver­sion ver­traut bin. Der Unter­schied in der Bedeu­tung ist sich­er the­o­retisch vorhan­den — es ist aber zweifel­haft, ob in der Prax­is da eine bewusste Wahl erfolgt.

    Flickr hat ein paar Vari­a­tio­nen zu dem The­ma, mit bei­den Vari­anten von bei­den Seit­en des Atlantik. Dieses Schild illus­tri­ert, dass “ahead” ein Min­dest­maß an zugänglich­er Straße erfordert. Außer­dem gibt’s zahre­iche Beispiele von “X closed ahead” (oder natür­lich “X ahead”) mit X != “road”. Das ist ja wohl die Vor­lage, die für solche Schilder dient. 

    Closed Road” ist unwahrschein­lich­er, da es ja ein Wech­sel von Ver­bal- zu Nom­i­nal­stil wäre. Im Deutschen ist der ja ver­bre­it­et, wohinge­gen das Englis­che diesel­ben Kon­ven­tio­nen wie für Schlagzeilen und Über­schriften anwen­det. Ein ander­er Unter­schied: Im deutschsprachi­gen Raum ist der Hin­weis auf die Umleitung nor­maler­weise das, was am meis­ten ins Auge springt. (Soweit ich mich erinnere.)

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  4. Sven Türpe

    Zur Klärung der sprach­lichen Frage kann ich nichts beitra­gen. Aber der Inge­nieur in mir sagt: wenn unter­schiedliche Seman­tik beab­sichtigt ist und irgend etwas von der richti­gen Inter­pre­ta­tion abhängt, sollte man den Unter­schied tun­lichst deut­lich­er darstellen. Die Wort­stel­lung alleine ist ver­mut­lich auch für Mut­ter­sprach­ler nicht klar genug, um Fehler unwahrschein­lich zu machen.

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  5. Carsten

    Der aktuelle Blog-Ein­trag erin­nert mich an ein US-Verkehrss­child, das warnte:

    SLOW

    CHILDREN

    z.B.

    http://farm1.static.flickr.com/204/441576332_0bf70eab25.jpg?v=0

    habe ich nie ver­standen. Ich meine, die langsamen Kinder sind doch nicht das Prob­lem, son­dern die schnellen, oder? 😉

    Lange habe ich auch das Schild: 

    PED X‑ING

    http://images.jupiterimages.com/common/detail/27/40/23304027.jpg

    nicht ver­standen, bis es mir eines Tages wie Schup­pen aus den Haaren fiel und ich vor Lachen fast vom Fahrrad. Muss amn erst mal drauf kom­men. Aber: echt kreativ­er Umgang mit Sprache. 

    Gibts sowas in Deutsch­land auch?

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  6. P.Frasa

    bei “slow chil­dren” dachte ich jet­zt sog­ar an eine dritte Möglichkeit — “Ver­langsamen Sie die Kinder!”. Was dann ganz beson­ders absurd wäre.

    Ped Xing klingt auch irgend­wie nach China.

    Ich würde auch behaupten, daß der Unter­schied let­zten Endes nicht auf einem wirk­lichen konzeptuellen Unter­schied benutzt. Wieder so ein Beispiel dafür, daß es ver­schiedene Wege gibt, etwas zu sagen — bzw. daß manche logisch-seman­tis­chen Ambivalen­zen gar nicht wirk­lich reale Ambivalen­zen darstellen.

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  7. Zetterberg

    Bei­des weist hun­dert­prozentig auf den gle­ichen Sachver­halt hin. Die gram­ma­tis­che Struk­tur stört weniger, wenn man statt “voraus” “ger­ade aus” oder “weit­er vorne” benutzt.

    Straße ger­ade aus geschlossen. Die Straße ist ger­ade aus geschlossen.

    Es kann doch auch heißen “This Road (fur­ther) Ahead is Closed”. Es ist auf jeden Fall ein sprach­lich­es “Dead End” in das wir hier hine­in­fahren :D, denn die Erk­lärung dessen, was sich hier abspielt, liegt im Unter­be­wusst­sein eines Schildemach­ers oder seines Auf­tragge­bers, der nicht ger­ade in Oxbridge studiert hat. Ganz klare “Assozi­a­tion­ssache”.

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