Ahnungslos lahme Denglischjäger

Von Anatol Stefanowitsch

The unspeak­able in pur­suit of the ined­i­ble“ — die Unsäglichen auf der Jagd nach dem Unge­nießbaren –, so hat Oscar Wilde ein­mal die Fuch­s­jagd beschrieben. Die Jagd der Aktion Lebendi­ges Deutsch nach Alter­na­tiv­en zu englis­chen Lehn­wörtern kön­nte man ana­log als „die Unbelehrbaren auf der Jagd nach dem Unnöti­gen“ definieren.

Jeden Monat beglück­en die vier Aktionäre die deutsche Sprachge­mein­schaft mit Wortschöp­fun­gen, die die Welt nicht braucht (denn anders als der Wortist suchen sie immer nur nach Beze­ich­nun­gen für Dinge, für die es bere­its etablierte Begriffe gibt).

Aktualisieren auf dem Mac

Aktu­al­isieren auf dem Mac

Diesen Monat haben sie sich ein Steck­enpferd der Sprach­nör­gler vorgenom­men und präsen­tieren voller Stolz ihre Lösung:

Warum kön­nen wir statt „updat­en“ nicht „aktu­al­isieren“ sagen? fragt die Aktion Lebendi­ges Deutsch. Das ist zwar drei Sil­ben länger, aber es erspart uns die alber­nen For­men „upge­datet“ oder „geup­dat­ed“, und jed­er ver­ste­ht es. Unter den 420 einge­gan­genen Vorschlä­gen fan­den auch „auf­frischen“, „aufmö­beln“, „nachrüsten“ die Sym­pa­thie der Jury.

Aktualisieren auf Ubuntu

Aktu­al­isieren auf Ubuntu

Die Sym­pa­thie der Jury ist natür­lich wieder ein­mal völ­lig fehlgeleit­et. Erstens bedeutet updat­en im All­ge­meinen, eine neue Ver­sion ein­er bere­its instal­lierten Soft­ware durch eine Ver­sion zu erset­zen, die Fehler, Sicher­heit­slück­en etc. behebt. Auf­frischen, aufmö­beln und nachrüsten wür­den eher ein Upgrade beze­ich­nen, bei dem der Soft­ware auch neue Funk­tio­nen hinzuge­fügt wer­den. Wenn man sich um die deutsche Sprache sorgt, dann sollte man lieber dafür sor­gen, dass mehr Nutzer die Wörter Update und Upgrade unter­schei­den und kor­rekt anwenden.

Aktualisieren auf Windows

Aktu­al­isieren auf Windows

Aber die Jurys­ten sind mit mod­ern­er Infor­ma­tion­stech­nik offen­sichtlich ohne­hin über­fordert: das Wort, das sie „vorschla­gen“, ist auf allen großen Betrieb­ssys­te­men der all­ge­mein akzep­tierte und unstrit­tige Begriff für den betr­e­f­fend­en Vor­gang. Aus sprach­puris­tis­ch­er Sicht ist es also nicht das Verb, das Schwierigkeit­en macht, son­dern das Sub­stan­tiv Update, denn hier fehlt ein grif­figes deutsches Wort.

Auch mit ihrem eige­nen Vorschlag bedi­enen die vier Frageze­ichen eher die eigene Fan­tasie als die sprach­liche Realität:

Ihr Ange­bot des Monats lautet: Wie wäre es, wenn wir die modis­che „Copy“ in die gute alte „Kopie“ zurückverwandelten?

?

???

Die modis­che Copy? Ist mir da etwas ent­gan­gen? Ist das Wort Kopie tat­säch­lich in Gefahr, ver­drängt zu wer­den (egal wäre es mir, da bei­de Wörter genau den sel­ben Ursprung haben — das bedeu­tungs­gle­iche lateinis­che copia). Nein, eine Google-Suche zeigt, dass hier keine Gefahr beste­ht. Ger­ade ein­mal 584 Tre­f­fer find­et die Such­mas­chine für die Phrase eine Copy von — das all­ge­mein gebräuch­liche eine Kopie von liefert dage­gen 72.000 Treffer.

Meinten Sie: eine <b><em>Kopie</em></b> von?

Mein­ten Sie: eine Kopie von?

Selb­st Google weiß außer­dem, dass (bis­lang) nie­mand ern­sthaft eine Copy von sagt. Wen es inter­essiert, der sollte sich die Google-Ergeb­nisse ein­mal genauer anse­hen: Copy beze­ich­net ten­den­ziell eher ein Rep­likat ein­er CD oder DVD, ist also dabei, sich gegenüber der Kopie zu spezial­isieren und damit zur Bedeu­tungs­d­if­feren­ziertheit der deutschen Sprache beizutragen.

Und im laufend­en Monat ver­suchen die vier Unbelehrbaren wieder ein­mal, ein Lehn­wort zu erset­zen, dass pho­nol­o­gisch und orthografisch voll in die deutsche Sprache inte­gri­ert ist und eigentlich unmöglich irgend­je­man­den stören kann (und die gewün­schte Antwort liefern sie auch gle­ich mit):

Bis zum 23. Sep­tem­ber sucht die Aktion ein saftiges deutsches Wort für „top­pen“ — wo es nicht See­mannssprache ist, son­dern nur „übertr­e­f­fen“ bedeutet.

Leser/in Ma hat übri­gens beim let­zten Mal vorgeschla­gen, die Aktionäre doch lieber Aktion­is­ten zu nen­nen, da ein „Aktionär ja jemand [ist,] der in das jew­eilige Objekt investiert, was ich hier nicht erken­nen kann“. Dem Wortis­tik­er gefällt das nicht, da er „beim Aktion­is­ten eher Bau­mu­marmer, Tier­schützer und Haus­be­set­zer als vier ältere Her­ren in Sorge um die deutsche Sprache“. Er schlägt deshalb den Begriff des Aktion­a­tors, den Mey­ers Großes Kon­ver­sa­tion­slexikon von 1905 als „Kläger; Mak­ler“ definiert. Mein­er Mei­n­ung nach ist das der Ehre zuviel, denn es klingt so, als klagten die vier älteren Her­ren zu Recht jeman­den an oder ver­mit­tel­ten gar drin­gend benötigtes Wortgut an die Sprachge­mein­schaft. Ich sehe aber ein, dass der Begriff Aktionär es nicht wirk­lich tut. Ich werde deshalb angesichts der wieder­holt zur Schau gestell­ten all­ge­meinen Ahnungslosigkeit der Aktionäre in Zukun­ft das Kof­fer­wort Aktioneur (aus Aktionär/-ist und Ama­teur) ver­wen­den.

[Update: Ich sehe ger­ade, dass Klaus Jar­chow im „Stil­stand“ sich die Aktioneure heute mor­gen schon vorgeknöpft hat. Wortist Detlef Gürtler hat sich dem Bewor­tungsvorschlag Aktioneure angeschlossen (siehe Kom­mentare unten), wom­it der Begriff nun offizielle Nomen­klatur ist.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

11 Gedanken zu „Ahnungslos lahme Denglischjäger

  1. Julius

    Daß da jemand nicht ver­standen hat, wie Sprache funk­tion­iert, ste­ht für mich außer Frage. Wirk­lich ärg­er­lich finde ich, wenn sich jemand dann auch noch die Kom­pe­tenz anmaßt, bes­tim­men zu wollen, was mir dann als Norm gel­ten soll — und dann auch noch mit ein­er Kampf­polemik, die ange­bliche Tat­sachen behauptet, die man in der Real­ität nicht wiederfind­et (“Aktu­al­isierung”).

    Ob sich diese ange­blichen Sprach­puris­ten (eigentlich pfuschen sie ja oft genug an etablierten Begrif­f­en rum) hin­set­zen und freie Soft­ware ins Deutsche über­set­zen, wage ich stark zu bezweifeln — aber eigentlich kann man eher hof­fen, daß sie das lassen.

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  2. ramses101

    Wenn mich ein Englän­der fragt, was ich beru­flich mache, sage ich ihm, dass ich Copy­writer bin. Muss ich das zukün­ftig in Kopi­en­schreiber zurück­über­set­zen oder darf ich mich auch weit­er­hin Wer­be­tex­ter nennen? 

    *Bang hof­fend ab*

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  3. Jan Wohlgemuth

    Dem Aktioneur ist Deutsch zu schweur. — oder so. 

    Die lieben Don Qui­chottes der Anglizis­men­bekämp­fung soll­ten ein­mal innehal­ten und darüber nach­denken, ob ihr Alter­na­tivvorschlag so viel bess­er ist. aktu­al­isieren beste­ht näm­lich über­wiegend eben­falls aus Lehngut. Und Aktion ist auch nicht so wirk­lich ein deutsches Wort, wenn man mal ehrlich ist.

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  4. Bla

    Ich dachte nun kommt mal was tolles bei raus und dann kommt sowas, wie wäre es mit überschreiben? 

    Übri­gens ich sag vor­raus top­pen da kommt bei denen übertr­e­f­fen raus. 😛

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  5. Achim

    Schö­nen Mit­tag zusammen,

    wer erzählt den Aktivis­ten von der Aktion Lustiges Deutsch mal, dass sie mit Kopie für copy im Zweifels­fall selb­st eine ver­fälschende Lehnüber­set­zung benutzen? In etwa der Hälfte (naja, vielle­icht auf etwas weniger 😉 ) der Kon­texte, wo man auf Englisch copy sagt, sagt man auf Deutsch näm­lich Exem­plar oder ähn­lich­es. Frühe Ver­sio­nen gängiger Bürosoft­ware haben dem Sprachge­brauch der Her­ren wahrschein­lich Vorschub geleis­tet, aber selb­st MS Word ken­nt inzwis­chen den richti­gen Ausdruck.

    Wieder ein Fall, wo eine 1:1‑Entsprechung zwis­chen zwei Lem­ma­ta ver­sucht wird.

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