Sprachlicher Imperialismus

Von Anatol Stefanowitsch

Im let­zten Beitrag hat­te ich verse­hentlich nicht auf das Inter­view mit Ver­fas­sungsrichter Di Fabio ver­linkt, son­dern auf einen Gastkom­men­tar meines Würzburg­er Kol­le­gen Nor­bert Richard Wolf in der Main­post. Da dieser Kom­men­tar äußerst lesenswert ist, hole ich hier offiziell eine nicht-verse­hentliche Ver­linkung nach.

Wolf drückt zunächst Zweifel an der Sinnhaftigkeit ein­er Ver­ankerung der deutschen Sprache im Grundge­setz aus und weist dann noch darauf hin, dass „Die anderen machen es aber auch“ in diesem Fall kein gutes Argu­ment ist:

Man mag nun ein­wen­den, dass andere Staat­en, etwa Frankre­ich oder Öster­re­ich die Lan­dessprache in der jew­eili­gen Ver­fas­sung fest­gelegt hät­ten. Doch muss man die Sit­u­a­tion, in der solche Fes­tle­gun­gen ent­standen sind, bedenken. Die kleine Repub­lik, die nach dem Ende der Öster­re­ichisch-Ungarischen Monar­chie ent­stand, wollte sich auch für die deutsch Sprechen­den in anderen Teilen, etwa in der Tsche­choslowakei, zuständig fühlen; zudem weist die öster­re­ichis­che Ver­fas­sung auch auf weit­ere Sprachen, die im Land gesprochen wer­den, hin.

In Frankre­ich wur­den durch den Satz, dass die Sprache der Repub­lik Franzö­sisch sei, andere Sprachen bewusst unter­drückt, und es macht immer noch Schwierigkeit­en, Min­der­heit­en­sprachen anzuerken­nen. Solch­es kann und darf doch nicht das Ziel des deutschen Grundge­set­zes sein.

Kurz gesagt: Wenn Sprachen in Ver­fas­sun­gen fest­geschrieben wer­den, steckt meis­tens ein nach innen oder sog­ar nach außen gerichteter sprach­lich­er Impe­ri­al­is­mus dahin­ter. Dass Deutsch­land den nötig hat, und dass er angemessen wäre, darf bezweifelt werden.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

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