Viermal Anglizismen

Von Anatol Stefanowitsch

Die Neue West­fälis­che hat das Wort Back-Fac­to­ry ent­deckt:

Noch ver­rück­ter, wenn Deutsch und Englisch ver­mis­cht wer­den zu Denglisch. So hat der Mann lange Zeit an ein­er großen Bäck­erei in einem Nach­barort den Namen Back­fac­to­ry gele­sen. Im Laden hat er nach der „Rück­en­fab­rik“ gefragt. Kopf­schüt­teln war das Ergebnis.

Kopf­schüt­teln auch von mir, darüber, dass die Neue West­fälis­che jeman­den bezahlt, um diese olle Kamelle der Sprach­nör­gler zum drei­hun­dert­sten Mal zu verwursten.

Die Wiener Zeitung berichtet über die Schulpsy­cholo­gin Mathilde Zeman, die die abstruse Behaup­tung ver­tritt, dass Jugendliche, die viel chat­ten, auf­grund der in Chats üblichen orthografis­chen Kon­ven­tio­nen eine Rechtschreib­schwäche entwick­eln kön­nten. Außer­dem mag sie keine „Anglizis­men“:

Die Ver­schiebung des Wortschatzes in Anglizis­men geht sog­ar soweit, dass Duden und öster­re­ichis­ches Wörter­buch um englis­che Aus­drücke der Com­put­er­sprache erweit­ert wor­den sind“, sagt sie und schlägt die Worte „ein­loggen“ und „down­load­en“ nach.

Ja, es ist eine Tragödie, dass durch diese neu­modis­chen Lehn­wörter die altherge­bracht­en Wörter ver­drängt wor­den sind, die uns seit den Zeit­en des Althochdeutschen so treu gedi­ent haben. Vor allem, weil diese Wörter doch tra­di­tionelle, urdeutsche Gebräuche bezeichnen.

Die Thüringis­che Lan­deszeitung rezen­siert einen Auftritt des Kabaret­tis­ten Bernd-Lutzt Lange. Der ist neben­bei auch Sprachnörgler:

Schmer­zlich für ihn ist, das der säch­sis­che Dialekt immer weniger gesprochen wird — selb­st in Leipzig. „Denglisch“ macht ihn rasend. „Denken Sie, es gibt in Lon­don einen Flower-Shop der Blu­men­laden heißt?!“

In Lon­don vielle­icht nicht, aber in New Glarus, Wis­con­sin schon. Man sollte die Besitzerin unbe­d­ingt darauf hin­weisen, dass sie hier die englis­che Sprache zerstört!

Dabei kön­nen Anglizis­men wirk­lich unfrei­willig komisch sein, wenn man sich die Mühe macht, etwas Abseits von den ewig gle­ichen Beispie­len zu suchen. Die Augs­burg­er All­ge­meine fasst die gestrige Folge von „Germany’s Next Top Mod­el“ zusam­men:

Zunächst mussten sich alle Mod­els clean machen, will heißen: abschminken. Dann ging es munter in Denglisch weit­er. Star­fo­tograf Maik Azza­to im Dia­log mit Maria: „Ich will, dass du beim Laufen smilst!“ „Ich bin nicht so der Smile­typ.“ „Magst du Smile­fo­tos?“ „Nein.“ Später erk­lärte sie der nervösen Sari­na die Auf­gabe: „Ein­mal großes Smile und dann so ein biss­chen lächlen.“ Dann stellte der Fotograf bei ihr noch einen ver­dreht­en Rück­en fest und Klum fol­gen­des: „Far­bige sind nicht so kom­merziell wie Weiße.“

Die Komik liegt allerd­ings weniger in den Lehn­wörtern selbst…

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

18 Gedanken zu „Viermal Anglizismen

  1. Dierk

    Immer­hin eines haben die Sprach­nör­gler bewiesen: Auch wer, mehr oder weniger, auf Anglizis­men und Co. verzichtet, kann völ­li­gen Unsinn von sich geben. Daraus fol­gt meine steile Behaup­tung, dass halb­wegs tra­di­tionelles Deutsch nicht vor Faul­heit und geistigem Quark schützt.

    Kürz­er: Dummheit ist epi­demisch — unab­hängig vom Ausdruck.

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  2. Unbiter

    Irgend­wie find ich flower-shop aber auch Scheiße ._.

    Das zer­stört die Sprache natür­lich nicht, aber eine Mei­n­ung zu haben, bedeutet ja nicht unbe­d­ingt sie begrün­den zu müssen. Sprache hat für den nor­malen Bürg­er ja auch mehr mit Gefühl zu tun als mit Seman­tik und Phonetik und was ein Sprach­wis­senschaftler nicht alles noch macht.

    Nur so als klein­er Zwischengedanke.

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  3. Patrick Schulz

    Unbiter hat geschrieben:

    […]Sprache hat für den nor­malen Bürg­er ja auch mehr mit Gefühl zu tun als mit Seman­tik und Phonetik[…]

    was ich ehrlich gesagt ziem­lich schlecht finde… Aber das ist meine Meinung.

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  4. Nörgler

    Über Leute, die sich solche Wort­miß­bil­dun­gen wie Back-Fac­to­ry oder Back-Shop aus­denken, kann man ja nicht häu­fig genug spot­ten — von mir aus auch mehr als drei­hun­dert­mal. Lei­der scheinen dies drei­hun­dert aber doch stark über­trieben. Geht an man ans Ende der Google-Tre­f­ferliste, ver­wan­deln sich die ange­blich 337 Fund­stellen auf wun­der­same Weise plöt­zlich in nur noch 63, wobei Google ver­sucht hat, Mehrfach­nen­nun­gen auszu­son­dern. Selb­st in den 63 scheinen mir aber immer noch Mehrfachzäh­lun­gen oder nicht ein­schlägige Fund­stellen zu stecken.

    Dabei ist die Zahl 63 aber eigentlich erstaunlich niedrig, da es sich um ein sog. “Fran­chis­ing” han­delt und es allein in NRW etwa 20 Back-Fac­to­ries (oder Back-Fac­to­rys?) gibt.

    Der Erfind­er dieses Namens wollte, wie er sagt, ursprünglich den Namen “Back­fab­rik” ver­wen­den; das Paten­tamt habe diesen Namen — weil “zu all­ge­mein gehal­ten” — aber nicht schützen wollen. Also ein behördlich verord­neter Anglizis­mus? Das wäre ja noch schön­er! Mit ein wenig Nach­denken wäre einem aber vielle­icht auch ein besser­er Anglizis­mus einge­fall­en, vielle­icht sog­ar — hor­ri­bile dic­tu — ein deutsch­er Name?

    Die Über­set­zung “Rück­en­fab­rik” ist zwar nicht falsch, aber m.E. nicht sehr nahe­liegend. Wegen der Analo­gie zu back room würde ich eher an ein Hin­terz­im­mer denken, in dem etwa Rauschgift hergestellt wird. Bei Back-Shop denke ich an ein Hin­terz­im­mer eines Zeitungsladens, wo die Schmud­del­ware ange­boten wird.

    Der Flower-Shop ist ja nicht gar so absurd, wenig­stens ordentlich­es Englisch, aber in Deutsch­land doch völ­lig überflüssig.

    Der “Blu­men­laden” in den USA gehört übri­gens ein­er Frau Bren­da Siegen­thaler und liegt in der Gemeinde New Glarus, Wis­con­sin, die von einge­wan­derten Schweiz­ern aus dem Kan­ton Glarus gegrün­det wurde. Die Ortschaft beze­ich­net sich selb­st als “Lit­tle Switzer­land” und ist sehr bemüht, ihre schweiz­erischen Tra­di­tio­nen zu bewahren. Dort gibt es auch ein “Hotel & Landhaus”.

    Falls ein Herr Bill Smith in ein­er von US-Ein­wan­der­ern gegrün­de­ten deutschen Gemeinde Neu-Wis­con­sin einen Flower-Shop eröff­nen sollte, dann ließe ich mir das gerne gefallen.

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  5. Dierk

    Nör­gler, ver­ste­he ich das richtig, wenn Unternehmen in Deutsch­land bei der Entwick­lung von Namen [übri­gens ein ganz wichtiges Charak­ter­is­tikum in diesem Zusam­men­hang] kreativ und pro­duk­tiv vorge­hen, ist das doof. Wenn in den USA oder Eng­land am toitschen Wesen … ‘tschuldigung, da geht das immer mit mir durch … also, wenn in den USA oder Großbri­tan­nien deutsche Wörter benutzt wer­den, ist das i.O.? Zumin­d­est, wenn mehr oder weniger deutschsprach­stäm­mige Bürg­er “ihre” Kul­tur erhal­ten wollen?

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  6. Gareth

    Ich muss bei Back-Shop auch immer an ein Hin­terz­im­mer eines Zeitungsladens denken, in dem ille­gale Machen­schaften stat­tfind­en, v.a. wenn draußen große Wer­betafeln für Brötchen und Brot ange­bracht sind… Das ist doch echt albern.

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  7. Dierk

    Dierk, ich glaube, Du musst mal einen Schritt zurück­treten und tief Luft holen. Es ging Nör­gler nicht ums deutsche, son­dern um Schweiz­er Wesen – und eigentlich darum, dass beim USA-Beispiel sog­ar sin­nvolle Namen („Blu­men­laden“ – nicht etwa: ‘Flower-Fab­rik’ oder ‘Blu­men Plant’ [was wenig­stens sprachver­spielt wäre]) ver­wen­det wer­den, während in Deutsch­land nur „kreative“ (Deine Ansprüche sind beachtlich!) Namen vorkom­men, die insofern schlecht kon­stru­iert sind, als – wenn sie etwas bedeuten – es Unfug ist. Erin­nert an die alte Geschichte vom Mit­subishi Pajero und andere „kreative Unfälle, oder? 

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  8. Dierk

    Stiehlt da jemand meine ID absichtlich?

    Tat­säch­lich habe ich Nör­gler nicht ver­standen und möchte wis­sen, was eigentlich seine Ziel­rich­tung ist.

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  9. pamfil

    Nun ja, der Dis­put über wieviel Anglizis­men es in ein­er Sprache geben darf, ist fast schon selb­st ein Hype geworden.

    Darf ich mal (sozus. zur Entspan­nung) auf drei witzige com­mer­cials – äh, TV-Wer­bung-Spots – ver­weisen, die ein rumänis­ch­er Spartensender (etwa Bloomberg ähn­lich) mal pro­duzierte? Der eine Werbespot wurde natür­lich nie gesendet, dafür haben Fem­i­nistin­nen schon gesorgt.

    In allen geht es um zwei sogen. cor­po­rates, die im Café bzw. in der Kneipe oder im Taxi mit englis­chen Begrif­f­en aus dem Busi­ness-Slang um sich schmeißen, während nor­males Pro­leten-Volk sie für Aus­län­der hält, die es natür­lich zu prellen gilt.

    Hier erst­mal die Links mit html-tags, ob die hier angezeigt wer­den, wer­den wir gle­ich sehen, wenn nicht, mit copy- paste – par­don, Kopieren-Auss­chnei­den anguck­en. (Eine pre­view, meinetwe­gen Vorschau, kön­nten man schon ein­bauen lassen.) 

    Da die Leser dieses Blogs ver­mut­lich kein Rumänisch ver­ste­hen, – geschweige denn halb­wegs rumänisierte Wörter aus dem Englis­chen – nun ein paar Erk­lärun­gen zu den Spots:

    In der Reklame Nr. 1 fragt eine Pros­ti­tu­ierte die andere (bei­de beobacht­en die „geschniegel­ten“ Her­ren mit­tleren Alters), was denn „Feed­back“ hieße. „Es von hin­ten treiben, du Kuh!“, antwortet die andere, worauf die erste sofort auf Anmache geht, indem sie den bei­den verblüfften Män­nern gle­ich „Feed­back is 50 (€)“ unter die Nase reibt.

    In der 2. Reklame hält der Kell­ner die bei­den eben­falls für Aus­län­der und begin­nt gle­ich schlecht­es Englisch zu zwitsch­ern, in dem er die rumänis­che Vari­ante der Cevap­ci­ci (rum. mici od. mititei) als „Smalls“ über­set­zt und feil hält (was die bei­den Wörter im Rumänis­chen tat­säch­lich auch heißen können).

    Im Werbespot Numero 3 ist der Taxi-Fahrer beson­ders fies: Bevor er näm­lich „First time in Roma­nia?“ raunt, switcht er schnell am hel­l­licht­en Tage auf Nacht­tarif um… 

    Man sage und schreibe – mit Zohan – „is good, my friend“.

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  10. Jonathan

    Vielle­icht ver­ste­hen wir alle die Genial­ität der Back­fab­rik nicht. Denn lese ich den Press­espiegel auf der Fir­men­seite (der wiederum ein “Medi­en­magazin” der Deutschen Evan­ge­lis­chen Allianz zitiert) richtig, dann ist die Dop­peldeutigkeit zumin­d­est gewollt. Oder dem Unternehmen ist jed­er Stuss recht, um unter “Press­espiegel” etwas auf­führen zu können.

    Press­espiegel: http://tinyurl.com/backfabrik

    Orig­i­nalar­tikel: http://tinyurl.com/deallianz

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  11. Matthias

    Ganz groß ist momen­tan die im Fußball neu einge­führte “Europa League”. Mich stören Anglizis­mens grund­sät­zlich her­zlich wenig, aber zumin­d­est entschei­den kön­nte man sich doch. “Europali­ga” tut doch nicht weh. Und wenn’s nun­mal nicht deutsch geht, ja dann in Her­rgottsna­mens doch bitte Europe League, aber nicht so ein Verquirlen.

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  12. Wortgourmet

    Für einige Begriffe wie “briefen” beispiel­sweise, ist es schon schw­er eine deutsche über­set­zung zu find­en, ich per­sön­lich ziehe dann doch eine deutsche umschrei­bung vor, wie kurze absprache … aber es gibt viele men­schen, die so etwas sam­meln und sich damit echt “upto­date” / mod­ern vorkommen.

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  13. Jens

    Wer­bung ist Wer­bung und wenn wir über ihre Blöd­heit anhand von konkreten Namen und Marken und Claims sprechen, dann hat die Wer­bung schon gewonnen.

    Der Sprache ist das allerd­ings völ­lig egal. Selb­st ein mor­phol­o­gisch regel­widriges Wort wie “unka­put­tbar” (immer­hin kein Anglizis­mus) kann zu einem rel­a­tiv etablierten Teil der Sprache wer­den — und die Sprache sel­ber zeigt sich demge­genüber unkaputtbar.

    Auf Men­schen und die von ihnen kom­mu­nizierend aus­ge­sende­ten Sig­nale bezo­gen, müsste eine aufgek­lärte Ansicht doch wohl so lauten:

    Wer (pseudo)-englische Wörter ohne Sinn und Ver­stand und Dif­feren­zierungsver­mö­gen benutzt, ist ein Idiot. Ich per­sön­lich appre­ci­ate so etwas jeden­falls nicht. Wer allerd­ings alle Anglizis­men durch urdeutsche Wörter erset­zen will, ist auch ein Idiot. Ich bleibe beim Keks, Plätzchen passt halt nicht immer. Und dazwis­chen, da ist sehr viel Raum für per­sön­liche Ansicht­en, Geschmacks­fra­gen und mehr oder weniger erhel­lende Diskus­sion. Nur: Sprach­wis­senschaftler haben da (jen­seits der Polemik…) wenig zu suchen, finde ich.

    Ich jeden­falls habe hier die endgültige Antwort auf die lei­di­ge Anglizis­mendiskus­sion gefunden:

    Ein­mal ein großes Smile und dann ein biss­chen Lächeln!”

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  14. Thomas

    Übri­gens noch viel schlim­mer, in Nord­deutsch­land gibt es eine Bäck­ereikette die sich “Dat Back­hus” nen­nt, das vielle­ich kein denglisch aber immer­hin plattdeutsch, das ver­ste­ht doch kein Rhein­län­der (von West­falen wollen wir an dieser Stelle schweigen, denn die kön­nen teil­weise Platt.)

    Das ist ganz, ganz böse von der Bäck­erei, die doch tat­säch­lich wagt sich über den Namen von anderen Bäck­erei zu unter­schei­den. Aber Ver­ständlichkeit im Bun­des­ge­bi­et muss vor­rang haben! Ich bin an dieser Stelle für die Ein­rich­tung ein­er Ver­ständlichkeit­skom­mis­sio­nen, Men­schen dür­fen nur noch Wörter benutzen die von allen Deutschen ohne ein Wörter­buch ver­standen wer­den können.

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  15. Thomas

    @Matthias: Seit wann sind “Europa” und “Liga” deutsche Wörter? Übri­gens hat man auch den UEFA Cup oft UEFA-Pokal genannt.

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  16. Gareth

    in Nord­deutsch­land gibt es eine Bäck­ereikette die sich “Dat Back­hus” nen­nt, das vielle­ich kein denglisch aber immer­hin plattdeutsch, das ver­ste­ht doch kein Rheinländer

    Auf Kölsch hieße es doch haar­ge­nau­so, nur dass die ’normierte’ Schreib­weise huus wäre.

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