Inklusive aller Personen – ein bißchen Terminologie

Von Kristin Kopf

Wahrschein­lich weiß jed­er von Euch, dass man bei der Kon­ju­ga­tion eines Verbs die “Per­so­n­en” berück­sichti­gen muss. Da gibt es eine 1. Per­son Sin­gu­lar (ich), eine 2. (du), eine 3. (er/sie/es), und dann gibt’s die alle auch noch ein­mal im Plur­al (1. wir, 2. ihr, 3. sie). Woran liegt es aber, dass es zweimal bis drei geht? Warum sagt man nicht ein­fach 1., 2., 3., 4., 5. und 6. Per­son, und gut ist?

Das Prinzip ist sehr ein­fach, aber in meinem Leben vor der Uni war’s mir nicht wirk­lich klar – vielle­icht ist es also auch für jeman­den von Euch noch erhellend.

Das Konzept der “Per­son” benutzen wir, um das Ver­hält­nis von Sprecherin und “Besproch­en­em” zu beschreiben. Sie kommt im Satz als Per­son­al­pronomen (ich, du, sie) oder Nom­i­nal­gruppe (der müde Mann) vor. Und im Deutschen richt­en sich die Ver­ben nach der Per­son des Sub­jek­ts, daher sind die Per­so­n­en auch für die Kon­ju­ga­tion relevant.

Wenn man sie sich gut anschaut, haben die bei­den 1. Per­so­n­en (Sin­gu­lar und Plur­al) etwas gemein­sam, genau­so die 2. und die 3.

2009-08-16-Personen

Sin­gu­lar

Das sind die drei Per­so­n­en im Singular.

  • 1. Per­son: Die Sprecherin meint sich selb­st – Ich schreibe grade einen Blo­gein­trag.
  • 2. Per­son: Die Sprecherin meint den Hör­er – Du kön­ntest mir auch mal helfen!
  • 3. Per­son: Die Sprecherin meint jemand anders, der nicht am Gespräch beteiligt ist – Er geht mir ja sowas von auf die Nerven!

Im Plur­al ist es ähn­lich – bei der 1. Per­son ist immer die Sprecherin dabei, bei der 2. immer der Hör­er, und bei der 3. irgendwelche anderen Leute, die nicht am Gespräch beteiligt sind:

1. Person Plural

Die Sprecherin meint sich selb­st und diejeni­gen, die zu ihrer Gruppe gehören – Wir gehen nach­her noch was trinken. 

Allerd­ings ist das Deutsche da nicht ganz so präzise wie manch andere Sprache. Es bleibt näm­lich offen, was das genau für Leute sind, die zur Wir-Gruppe gehören. Da gibt es zwei Möglichkeiten:

a) Ich spreche für mich und min­destens eine weit­ere Per­son, meine aber meinen Gesprächspart­ner nicht mit. Das ist die “exk­lu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen darf nicht mit in die Kneipe kommen:

1. Person Plural (exklusiv)

1. Per­son Plur­al (exk­lu­siv)

b) Mein Gesprächspart­ner ist auch Teil mein­er Gruppe, er ist in das Wir eingeschlossen. Das ist die “inklu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen kommt auch mit in die Kneipe:

1. Person Plural (inklusiv)

1. Per­son Plur­al (inklu­siv)

Diese Unter­schei­dung muss man im Deutschen durch den Kon­text tre­f­fen, was nicht immer gelingt. Andere Sprachen haben ver­schiedene Pronomen für ein exk­lu­sives und ein inklu­sives Wir. Hier die entsprechen­den Wörter in Motu, ein­er ozeanis­chen Sprache Papua Neuguineas:

  • 1. Per­son Sin­gu­lar: lau ‘ich’
  • 1. Per­son Plur­al inklu­siv: ita ‘ich und du (und evtl. Dritte)’
  • 1. Per­son Plur­al exk­lu­siv: ai ‘ich und Dritte (ätschbätsch, du nicht!)

2. Person Plural

Die Sprecherin meint den Hör­er und die Leute, die zu sein­er Gruppe gehören. Das kann auch wieder auf zwei Arten geschehen, allerd­ings ist der Unter­schied nicht so gravierend:

a) Die Sprecherin spricht nur eine Per­son aus der Gruppe an (z.B. weil die anderen nicht anwe­send sind, oder eine andere Sprache sprechen, oder weil sie unhöflich ist …), es gibt also nur einen Hörer.

b) Die Sprecherin spricht alle Per­so­n­en aus der Gruppe gle­ichzeit­ig an, es gibt also mehrere Hörer.

2. Person Plural

2. Per­son Plural

3. Person Plural

Bei der drit­ten Per­son Plur­al sind Leute gemeint, die nicht am Gespräch beteiligt sind. Im Gegen­satz zum Sin­gu­lar jet­zt eben min­destens zwei.

3. Person Plural

3. Per­son Plural

Hier müssen aber nicht unbe­d­ingt Men­schen (oder Tiere) gemeint sein, die Gemein­ten reden ja eh nicht mit. Es kann also auch um Dinge oder abstrak­te Konzepte gehen.

2009-08-16-sie-dinge

3. Per­son Plural

Die 1. Per­son umfasst also immer die Sprecherin, die 2. immer den Hör­er und die 3. unbeteiligte Per­so­n­en oder Dinge. Im Sin­gu­lar immer nur eine Entität, im Plur­al min­destens zwei. (Und natür­lich ist die Min­destzahl für den Plur­al in Sprachen, die den Dual haben, drei.)

6 Gedanken zu „Inklusive aller Personen – ein bißchen Terminologie

  1. Patrick

    begin{klugscheissen}
    Naja, gehen wir doch mal von der direk­ten Rede aus: „Er sagte zu mir: ´du kannst mich mal´“ 

    Wer sind jet­zt die Sprechaktanten?
    end{klugscheissen}

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      *hehe* Ich habe ver­sucht, es auf einem ein­fachen Niveau zu hal­ten, ich verzettle mich ja sowieso immer.
      Bei direk­ten Zitat­en gilt natür­lich die Sprech­si­t­u­a­tion, in der das Zitat gefall­en ist, nicht die, in der ich zitiere — danke fürs Klugscheißen 😉

      Und die ganze 1.-Person-Plural-Sache wird auch noch ganz witzig, wenn man auch schriftliche Texte berück­sichtigt — z.B. welche, die mehrere Unterze­ich­ner­In­nen haben. Da gibt es ja wirk­lich eine Sit­u­a­tion, in der die gesamte Gruppe Sprecherin ist, nicht eine Per­son. Oder gilt das nur, wenn auch wirk­lich alle an der Entste­hung des Textes beteiligt waren, andern­falls war die Schreiberin eben das, was son­st die Sprecherin ist, und der Akt des Unterze­ich­nens ist dem Akt des Dabeis­te­hen-und-sich-nicht-Dis­tanzierens gle­ichzuset­zen? Oder sollte man von solchen Ver­gle­ichen lieber die Fin­ger lassen?

      Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Danke für den Link — sehr schöne Beobach­tun­gen. Dieser Fall scheint allerd­ings rein prag­ma­tisch zu sein, in der Gram­matik hat er sich wohl nir­gends niedergeschlagen.

      Ana­tol Ste­fanow­itsch zitiert zwar das Beispiel des Max­akali, aber das finde ich eher wack­e­lig. Selb­st wenn man die genan­nten Pronomen für Sit­u­a­tio­nen ver­wen­den kann, in denen man nicht dabei war, wie “wir Max­akali wohnen seit tausenden von Jahren hier”, ist “wir ohne mich” hier nicht wirk­lich grammatikalisiert: 

      a) Es ist nicht in allen Sit­u­a­tio­nen oblig­a­torisch, in denen es um eine Gruppe geht, der der Sprech­er ange­hört, bei deren konkreter Aktion er aber nicht dabei war. Son­st gäbe es diese Pronomen nicht nur in Bezug auf das Volk.

      b) “wir Max­akali” kann vielle­icht benutzt wer­den, wenn man selb­st nicht dabei war, es bedeutet aber nicht automa­tisch, dass man nicht dabei war. (“Wir Max­akali sprechen eine Erga­tivsprache” — der Sprech­er auch.)

      Antworten
  2. Ev-Kathrin

    Lieber Blog-Schreiber,

    Dein Ein­trag hat mir sehr geholfen. Ich unter­richte in ein­er Flüchtling­sein­rich­tung Deutsch und kon­nte die Frage nicht beant­worten, was der Unter­schied zwis­chen 2. und 3. Per­son Plur­al ist. Jet­zt kann ich es — Danke!

    Ev-Kathrin

    Antworten
  3. Christoph Päper

    Die 1. und 2. Per­son treten im Übri­gen nur als Pronomen auf, während alle anderen Sub­jek­te und Objek­te eines Satzes der 3. Per­son entsprechen, daher auch die enge Ver­wandtschaft zwis­chen bspw. es, er, sie, sie und das, der, die, die.

    Das Deutsche scheint außer­dem eine engere Ver­wandtschaft zwis­chen 1. und 3. Per­son anzunehmen, da das kon­gru­ente Verb fast immer gle­ich flek­tiert, nur im Präsens Sin­gu­lar nicht (ich sage, es sagt, aber wir sagen, sie sagen und ich sagte, es sagte sowie Kon­junk­tiv ich sage, es sage), während die . Das würde sys­temisch für ein exk­lu­sives Default-wir sprechen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Wolfgang Hömig-Groß Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.