Danebenliegende Sprachnörgelnde

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurz­er Nachgedanke, der im Beitrag vom Fre­itag keinen Platz mehr hat­te. Joffe geißelt in sein­er Kolumne die „Sprach-Ver­schlin­gun­gen durch ‚Gen­der-Main­stream­ing‘“ und ver­weist auf Max Goldt, der diese Ver­schlin­gun­gen „anhand der Phrase ‚ster­bende Studierende‘ (nach einem Uni-Mas­sak­er)“ aufzeige: „Wie kann man gle­ichzeit­ig ster­ben und studieren?“

Max Goldt ist ein inter­es­santes Phänomen. Er hat bril­liante Momente (hier dür­fen Ver­weise auf Katz und Goldt und Ich und mein Staub­sauger nicht fehlen), aber wenn er sich dem The­ma Sprache zuwen­det, wie in der von Joffe angeris­se­nen Pas­sage, bleibt von sein­er Bril­lianz nichts übrig:

Men­schen, die an ein­er Uni­ver­sität einem Studi­um nachge­hen, heißen Stu­den­ten. Möglicher­weise gibt es noch ganz vere­inzelte Stu­di­engänge, die als klas­sis­che Män­ner­fäch­er gel­ten, z.B. an den Berg­bau-Uni­ver­sitäten in Freiberg (Sach­sen) und Clausthal-Zeller­feld. Wenn man in diesen Aus­nah­me­fällen darauf hin­weisen möchte, daß auch Frauen dort studieren, muß man Stu­den­ten und Stu­dentin­nen sagen. Wie lächer­lich der Begriff Studierende ist, wird deut­lich, wenn man ihn mit einem Par­tizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen bier­trink­ende Studierende. Oder nach einem Mas­sak­er an ein­er Uni­ver­sität: Die Bevölkerung beweint die ster­ben­den Studieren­den. Nie­mand kann gle­ichzeit­ig ster­ben und studieren. [Goldt 2002: 56]. 

Das ist Bas­t­ian-Sick-Niveau. Zum Vergleich:

Nicht jed­er, der sein Brot in Forschung und Lehre ver­di­ent, hält es durch, ständig von „Stu­dentin­nen und Stu­den­ten“, von „Dok­torandin­nen und Dok­toran­den“, von „Assis­tentin­nen und Assis­ten­ten“ zu sprechen. So machte man sich auf die Suche nach Plu­ral­wörtern, die bere­its bei­de For­men enthal­ten — und wurde auch fündig: Kurz­er­hand machte man aus „Stu­dentin­nen und Stu­den­ten“ die „Studieren­den“. Das war deut­lich kürz­er und trotz­dem noch poli­tisch kor­rekt. Lei­der allerd­ings ein gram­matikalis­ch­er Miss­griff: „Studierend“ ist nur, wer im Moment auch wirk­lich studiert, so wie der Lesende ger­ade liest und der Arbei­t­ende arbeit­et. Ein Leser kann auch mal fernse­hen, und ein Arbeit­er Pause machen. Der Lesende aber ist kein Lesender mehr, wenn er das Buch aus der Hand legt, und so ist auch der Studierende kein Studieren­der mehr, wenn er zum Beispiel auf die Straße geht, um gegen Spar­maß­nah­men zu demon­stri­eren. [Sick 2004] 

Wenn Sick und Goldt mit Ihrem sprach­lichen Argu­ment Recht hät­ten, wäre das zwar noch kein Grund, Stu­dentin­nen die masku­line Form Stu­dent überzustülpen und ihnen mitzuteilen, dass sie eben mit­ge­meint seien. Aber es wäre möglicher­weise ein Grund, eine andere geschlecht­sneu­trale Form zu find­en. Nur haben sie eben nicht Recht: Ein nom­i­nal­isiertes Par­tizip I muss keineswegs jeman­den beze­ich­nen, der die durch das Par­tizip aus­ge­drück­te Tätigkeit im Moment des Sprechens ausführt.

Wenn das so wäre, würde die Goldt-Sicksche Logik näm­lich auch für fol­gende ana­log zu Goldt kon­stru­ierte Pas­sage funktionieren:

Men­schen, die einem Vor­stand vor­sitzen, heißen Chef. Möglicher­weise gibt es noch ganz vere­inzelte Fir­men­grup­pen, bei denen Frauen nor­maler­weise nur niedere Arbeit­en erledi­gen, z.B. alle deutschen Großkonz­erne. Wenn man in diesen Aus­nah­me­fällen darauf hin­weisen möchte, dass eine Frau sich in die Chefe­tage verir­rt hat, muss man Chefs und Chefinnen sagen. Wie lächer­lich der Begriff Vor­sitzende ist, wird deut­lich, wenn man ihn mit einem Par­tizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Hotel­bar sitzen zigar­ren­rauchende Vor­standsvor­sitzende. Oder nach einem Mas­sak­er bei ein­er Aktionärsver­samm­lung: Die Bevölkerung beweint die ster­ben­den Vor­standsvor­sitzen­den. Nie­mand kann gle­ichzeit­ig ster­ben und einem Vor­stand vorsitzen. 

Die Pas­sage funk­tion­iert aber nicht. Jed­er weiß, dass jemand einem Vor­stand vor­sitzen kann, ohne in jedem einzel­nen Moment mit den Tätigkeit­en eines/r Vor­standsvor­sitzen­den beschäftigt zu sein. Und eben­so kann man studieren, ohne Tag und Nacht in Hörsäälen und Bib­lio­theken herumzusitzen. Wenn mich früher jemand gefragt hat „Und was machst du?“, habe ich selb­stver­ständlich geant­wortet „Ich studiere Sprach­wis­senschaft“, auch wenn ich tat­säch­lich ger­ade bier­trink­end in der Kneipe saß. Und nie­mand würde behaupten, dass daran irgen­det­was merk­würdig oder unl­o­gisch wäre, nicht ein­mal Goldt oder Sick. Wenn ich aber bier­trink­end in der Kneipe sitzen und von mir sagen kann, dass ich „studiere“, kann ich auch sagen, ich sei ein „Studieren­der“.

Eben­so kann jemand ein/e Alleinerziehende/r sein, auch wenn er/sie sich einen Moment lang erschöpft zurück­lehnt und das erziehen sein lässt oder wenn sich kurzfristig mal die Oma in die Erziehung ein­mis­cht. Reisende kön­nen auf dem Bahn­hof auf einen ver­späteten Zug warten ohne den die Reise gar nicht begin­nen kann. Und ein/e Vorsitzende/r ist auch dann Vorsitzende/r, wenn er/sie eigentlich ger­ade Golf spielt oder schläft.

Die Nom­i­nal­isierung von Par­tizip­i­en ist eine her­vor­ra­gende, mit den Regeln der deutschen Sprache voll kon­forme Art, geschlecht­sneu­tral ver­wend­bare Beze­ich­nun­gen für die Ausüben­den von Berufen und anderen Tätigkeit­en zu schaf­fen. Ob diese Tätigkeit im Augen­blick oder gewohn­heitsmäßig aus­geübt wird, ergibt sich im Zweifels­fall aus dem Gespräch­szusam­men­hang oder der Art der Tätigkeit selb­st. Wer anderes behauptet, ist dabei kaum von der Sorge um die deutsche Sprache getrieben, son­dern von der Angst vor der sprach­lichen Gle­ich­be­hand­lung ein­er tra­di­tionell an den Rand gedrängten Mehrheit.

 

Goldt, Max (2002) Wenn man einen weißen Anzug anhat. Rowohlt Verlag.

Joffe, Josef (2010) Neusprech und Gut­denk, Zeit Online, 16. April 2010. [Link]

Sick, Bas­t­ian (2004) Liebe Gläu­big­in­nen und Gläu­bige. Zwiebelfisch/Spiegel Online vom 2. Juni 2004. [Link]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

47 Gedanken zu „Danebenliegende Sprachnörgelnde

  1. Dierk

    Tja, die ver­armte deutsche Sprache. Nicht nur besitzt sie ger­ade mal 4 Fälle, von denen min­destens ein­er auch noch unter ständi­ger Attacke der Faulen ste­ht, es fehlen ihr Ver­laufs­form und Gerundi­um. Loben wir uns das Englis­che, denn dort gibt’s das alles!
    Zu mein­er Unizeit — wenige Jahre vor dem des Autors — gab es noch dieses unsägliche Binnen‑I. Kon­nte ich mich nur zu Zweck­en sarkastis­ch­er Satire für erwär­men. Aber ‘Studierende’ fand ich immer gut, auch wenn es sich erst nach meinem Abschluss durchge­set­zt hat.
    Übri­gens, inwieweit, nach Mei­n­ung Goldts, Sicks und Joffes, wäre ‘Stu­dent’ eigentlich bess­er? Meinen die ern­stlich, der Bierkrug Schwin­gende bemühe sich ger­ade um Wis­sen — ich habe den Ein­druck er strebt mehr, seinen Durst zu löschen.

  2. amfenster

    Leis­er Wider­spruch zu den wartenden Reisenden: Ich würde nicht sagen, dass ein Reisender nicht reist, während er auf den ver­späteten Zug wartet, son­dern empfinde es vielmehr so, dass der Frame ‘Reise’ dur­chaus die Hand­lung “auf ein ver­pätetes Verkehrsmit­tel warten” mit einschließt.
    Anson­sten: Brilliant!

  3. Carsten

    nicht ganz einverstanden
    Der Text klingt mal wieder sehr unter­halt­sam und nach­den­klich zugleich.
    Trotz­dem möchte ich hier einen Wider­spruch ein­wer­fen. Die Gle­ich­set­zung der Argu­men­ta­tion geht mir hier zu weit. Die Argu­men­ta­tion “ich studiere”=“ich bin Studieren­der” auch in der Kneipe entkräftet in der Tat Sicks Argumentation.
    Jedoch geht Goldt ja über die Pause­nar­gu­men­ta­tion hin­aus, da ja in der Tat die Tätigkeit des Studierens mit dem Ableben klar been­det ist. Allerd­ings macht es bei Goldt auch keinen Sinn, wenn er von den “ster­ben­den” Studierenden/Studenten spricht, da sie im Moment der Trauer ja wed­er ster­ben noch studieren. Also auch nicht zu Ende gedacht.
    Allerd­ings ist auch mein Sprachge­fühl bei “toten Studieren­den” nicht ganz ein­ver­standen, aber ver­ständlich ist es allemal.
    Ablschließend noch eine Bitte:
    Lieber Herr Ste­fanow­itsch. Bitte lassen sie sich nicht auf Debat­ten ein, was nach den “Regeln der Deutschen Sprache” geht und was nicht. Die Stärke der Sprach­wis­senschaft sollte es doch ger­ade sein hier deskrip­tiv vorzuge­hen und aufzuzeigen, dass diese Aus­drücke erstens ver­wen­det und zweit­ens ver­standen wer­den und nicht vorschreibend mit Regel­büch­ern zuwinken.

  4. Makri

    Die ster­ben­den Studieren­den sind in der Tat ein wenig prob­lema­tisch. Die gehen nur dann, wenn man “Studieren­der” bere­its als Sub­stan­tiv lexikalisiert hat. Wer es aber nach pro­duk­tiv­en Regeln immer als Nom­i­nal­isierung eines Par­tizips auf­fasst, der wird die ster­ben­den Studieren­den komisch find­en. Ich gehöre anscheinend auch zur let­zteren Gruppe.

  5. jitpleecheep

    Schön argu­men­tiert.
    +1 für den Nachtritt in “Möglicher­weise gibt es noch ganz vere­inzelte Fir­men­grup­pen, bei denen Frauen nor­maler­weise nur niedere Arbeit­en erledi­gen, z.B. alle deutschen Großkonz­erne.”, hihi.

  6. wunderlicher

    Wer anderes behauptet, ist dabei kaum von der Sorge um die deutsche Sprache getrieben, son­dern von der Angst vor der sprach­lichen Gle­ich­be­hand­lung ein­er tra­di­tionell an den Rand gedrängten Mehrheit.”
    … oder er will ein­fach irgen­det­was bess­er wis­sen und sich als Besser­wis­sender (der er auch bleibt wenn er denn mal bier­trinkt, den Bietrink­ende sind oft­mals großar­tige Besser­wis­sende) ver­mark­ten. Damit wird er denn auch zu einem Ver­mark­ten­den, denn er ver­mark­tet sich selb­st und gle­ichzeit­ig die nie totzubek­om­mende Vorstel­lung, unsere Sprache ver­arme, wenn nicht jed­er Deutsche schul­meis­ter­lich daherrede und die Gram­matiken nor­ma­tiv betra­chte… danke für diesen Artikel

  7. Kristin

    Bril­lant …
    … hat ja schon wer gesagt. Ich schließe mich an.
    Nur mar­gin­al zum The­ma: Ich lerne grade für eine Klausur zu deutsch­er Wort­bil­dung und habe diese Woche die inter­es­sante Mei­n­ung gele­sen, dass das Par­tizip I keine ver­bale Flex­ions­form (mehr) sei, son­dern vielmehr ein Wort­bil­dungsmuster für Adjek­tive. (Bei Eisen­berg, “Das Wort”.)

  8. suz

    @Kristin: den Gedanken hat­te ich auch — schön, dass er so — äh — belegt ist. Also dass das Par­tizip I prinzip­iell keine Tätigkeits­beschrei­bung ist (fußte auf meinem Sprachge­fühl). Zudem ist es ver­mut­lich eine rein the­o­retis­che Über­legung — ich meine auch, dass wenn wir ster­bende Studierende sehen wür­den, dass auch eine Beschrei­bung von “der ster­bende Stu­dent” oder “die ster­bende Stu­dentin” denkbar wäre.
    Ich per­sön­lich mag “Studierende” nicht beson­ders — nun mag ich ein­er­seits ein Quer­denker oder ander­er­seits ein Reak­tionär sein, aber gut; ich mag die lange Form “Stu­den­ten und Stu­dentin­nen” per­sön­lich lieber. Außer­dem frage ich mich, ob “Studierende” wirk­lich so gen­derneu­tral ist: wenn ich sage “Ich bin Studierende” ist das weib­lich, “Ich bin Studieren­der” ist es männlich. Auch als “wirk­lich­es” Sub­stan­tiv im Sin­gu­lar ist der Aus­druck doch generell maskulin, wenn nicht eine weib­liche Per­son gemeint ist (“Der Studierende”), oder?

  9. Kai Hiltmann

    stu­dens
    wo ist das Prob­lem? “Stu­dent” heißt doch exakt “Studieren­der”. Was bringt der Ersatz des Einen durch das Andere? Man ver­mei­det noch nicht ein­mal ein Fremd­wort (was bei der Tra­di­tion des Hochschul­we­sens sich­er auch nicht erwün­scht wäre). Im Gegen­teil ist “Stu­dens / Stu­dentes” sog­ar geschlechtsneutral.
    Ich mache diesen Quatsch nicht mit.

  10. Anatol Stefanowitsch

    @suz: Der Vorteil an Studierende/r ist, dass die Plu­ral­form geschlecht­sneu­tral ist. Außer­dem erscheint es mir auch bei den geschlechtsspez­i­fizierten Sin­gu­lar­for­men vorteil­haft, dass die fem­i­nine Form keine Markiertheitsmerk­male aufweist.
    @Kai Hilt­mann: In wiefern ist es weniger Quatsch, wenn man statt eines deutschen Par­tizip Präsens ein lateinis­ches verwendet?

  11. Gerhard

    Jet­zt frägt sich bloß, ob es evtl. auch hier und da schon Studierendin­nen und Studierende gibt.
    So wie ich neulich tat­säch­lich irgend­wo die Formel “Kinderin­nen und Kinder” (hörte sich allerd­ings an wie “Kindernkinder”) miter­leben durfte.

  12. Anatol Stefanowitsch

    StudierendIn­nen
    @Gerhard: Es find­et sich eine Rei­he von Tre­f­fern für StudierendIn­nen, die meis­ten davon sind scherzhaft verwendet.
    Diese hier kön­nte aber verse­hentlich ent­standen sein:

    D: In Vere­in­barung mit der Medi­zinis­chen Fakultät der Uni­ver­sität Bern find­et in mein­er Prax­is der Unter­richt von StudierendIn­nen in der Grund­ver­sorgung statt. Aus diesem Grund wird zeitweise ein(e) Medi­zin­stu­dentIn (zur Zeit Frau Viviane Brauer) in mein­er Sprech­stunde anwe­send sein. [Link]

  13. Christoph Päper

    Gener­isches Maskulinum
    Hätte »Studierende« einen wirk­lichen soziopsy­chol­o­gis­chen Effekt, dann hätte Whorf ja doch recht gehabt.
    Mich stört das Wort vor allem deswe­gen, weil es nicht nur gestelzt wirkt, son­dern inzwis­chen auch für den Sin­gu­lar adap­tiert wird, wo es genau­so gut oder schlecht funk­tion­iert wie »Stu­den­ten«: »Lieber Studieren­der, liebe Studierende« ist ein­fach Sprach­müll, der abso­lut keinen Vorteil gegenüber »Lieber Stu­dent, liebe Stu­dentin« (oder »Liebe Stu­den­ten«) hat.
    Let­ztlich ist das Genus­prob­lem (sowie das ver­wandte Pronomen­prob­lem) der politko­r­rek­tisierten Sprache nicht, dass es ein gram­ma­tis­ches Geschlecht gibt, das bei­de biol­o­gis­chen Geschlechter beze­ich­nen kann, son­dern dass es daneben nicht für bei­de Sexus einen eige­nen Genus gibt. Wenn wir also neben dem weib­lichen Suf­fix­en (-in/-innen) auch männliche hät­ten, kön­nten wir die soge­nan­nte »masku­line« Ver­sion ohne Anhängsel bequem für die viel häu­figer vork­om­menden all­ge­meinen Fälle benutzen, in denen das biol­o­gis­che Geschlecht nicht näher spez­i­fiziert wird, weil es impliz­it, unbe­deu­tend oder unbekan­nt ist. Texte blieben les­bar­er und Red­ner wür­den sich nicht lächer­lich machen, wenn sie in Ansprachefloskeln das »-innen« verschlucken.
    Lin­guis­ten sind somit die eigentlichen Sex­is­ten, weil sie den Gen­era Namen gegeben haben, die nach Sexus klingen.
    PS: Ich weiß nicht, wie solch ein Suf­fix aussähe: de Stu­dent, die Stu­dentin, der *Studenton/*Studentan/*Studenter; die Stu­den­ten, die Stu­dentin­nen, die *Studentonnen/*Studentannen/*Studenterren?

  14. Wentus

    aktive und pas­sive Regeln
    @ Carsten: er hat recht, dass man sich als Mut­ter­sprach­ler nicht an den Regeln dieser Sprache messen lassen muss.
    Denn als Physik­er weiß ich sehr gut, dass es zwei Arten von Regeln gibt: diejeni­gen, die man meint, in ein­er gegebe­nen Struk­tur erken­nen zu kön­nen (bei der physis­chen Welt beschäftigt sich damit die Physik), und diejeni­gen, die man fest­set­zt, um die Welt damit zu bee­in­flussen (damit bechäfti­gen sich die Juristen).
    Die sprach­lichen Regeln gehören zur ersten, zur beobachteten Gruppe. Sie sind keines­falls fest, weil sich das beobachtete Objekt ständig ändert.

  15. Patrick Schulz

    Sprach der Che­farzt: Liebe Kranken­schwest­ern und ‑schwes­t­erin­nen…
    oO

  16. Andreas H.

    Qui bono?
    Für wen wer­den diese geschlecht­sneu­tralen Beze­ich­nun­gen ein­gentlich einge­führt? Ich kenne haufen­weise Akademik­erin­nen, denen es völ­lig egal ist, solange man sie fach­lich ernst nimmt. Und waren es nicht die Frauen selb­st, die eine der let­zen Berufs­beze­ich­nun­gen, die nicht aus masku­lin­er Form plus Suf­fix “in” abgeschafft haben — Friseuse?

  17. Martine

    Die Diskus­sion ist deshalb inter­es­sant und rel­e­vant, weil sie schlicht müßig und ver­logen ist. Es geht hier allem Anschein zum Trotz keine Sekunde um die Ablehnung des Kon­struk­ts, es geht um den Sinn und Unsinn gewalt­sam fest­gelegter “kor­rek­ter” For­mulierun­gen, deren Notwendigkeit nur in den Köpfen der­er ent- und beste­ht, die selb­st in ihrer Per­sön­lichkeit so unsich­er sind, dass sie sie nötig zu haben glauben. In anderen Län­dern (z.B. in Frankre­ich) hat der Ver­such, weib­liche Berufs­beze­ich­nun­gen einzuführen, zu einem regel­recht­en Auf­s­tand der weib­lichen Bevölkerung geführt, die Begriffe wie “Kom­mis­sarin, “Autorin” usw. als Belei­di­gung emp­fand: Man wolle Frauen also unter­stellen, sie seien in diesen Berufen anders als Män­ner, sprich: nicht gle­ich­w­er­tig, also schlechter, hieß es. Dass ein Wort in der masku­li­nen Form als Ober­be­griff diskri­m­inierend sein soll und nicht als das genom­men wer­den kann, was es tat­säch­lich ist, näm­lich nur ein Sam­mel­wort ohne geschlechtsspez­i­fis­che Bedeu­tung, ist eine Per­ver­sion unser­er Zeit, die jedem und allen diskri­m­inierende Absicht­en unter­stellt, und sollte nicht auf sprach­lich­er, son­dern auf sozi­ol­o­gisch-psy­chol­o­gis­ch­er Ebene disku­tiert wer­den. “Studierende” ist nicht bess­er oder schlechter als “Stu­den­ten und Stu­dentin­nen” oder “Stu­dentIn­nen”, es ist gle­icher­maßen dumm und über­flüs­sig. Solche Wort­bil­dun­gen spiegeln nicht die Notwendigkeit­en ein­er sich verän­dern­den Zeit wider (es gab vor 30 Jahren auch mehr Stu­dentin­nen als Stu­den­ten und nie­mand hat sich um den Begriff geschert), sie spiegeln die Überempfind­lichkeit ein­er verun­sichert­er Gesellschaft wider, die aus Angst, etwas Ver­fänglich­es zu sagen, ein­fach lieber gar nichts mehr sagt. Es gibt keine Hunde- und Hündin­nen­zwinger, keine Kater- und Katzen­fut­ter, keine Ham­mel- Mut­ter­schafs- und Lamm­wolle, und es hat keine Lob­by ver­langt, dass das Holz und der Wald umbe­nan­nt wer­den, weil DIE Esche und DIE Eiche son­st diskri­m­iniert wür­den. Es ist mir als Frau vol­lkom­men egal, wie meine Berufs- oder Grup­pen­beze­ich­nung lautet und ob ihr “der”, “die” oder “das” vor­ange­ht. Gle­iche Rechte und Bezahlung wären mir wichtiger. Die Diskus­sion auf sprach­lich­er Ebene führen zu wollen ver­lei­ht iht eine Bedeu­tung, die sie nicht haben dürfte. Es ist Jar­gon, und somit nicht Sprache.

  18. Andreas H.

    @Martine: Das kommt daher, dass sich Tiere und Pflanzen an solchen Diskus­sio­nen nicht beteili­gen kön­nen, bzw. man sie nicht nach deren Mei­n­ung gefragt hat.
    Vorschlag: In allen Jahren mit ger­ad­er Jahreszahl wer­den immer nur die weib­lichen For­men ver­wen­det, in allen anderen Jahren die männlichen. 😉

  19. Martine

    @Andreas H.
    Sag es nicht zu laut, son­st set­zt das eines tages jemand wirk­lich um …

  20. kreetrapper

    Eigentlich wollte ich einen län­geren Kom­men­tar zu diesem The­ma schreiben, da ich eine sehr dezi­dierte Mei­n­ung dazu habe. Beson­ders als taz-Leser wird man mit diesem The­ma sehr viel häu­figer kon­fron­tiert als einem lieb ist. Zum zum Glück hat Mar­tine meine Mei­n­ung allerd­ings bere­its exakt wiedergegeben. Und das so elo­quent, daß ich es wohl kaum genau­sogut hin­bekom­men hätte. Vie­len Dank dafür.

  21. Achim

    Studierende und Lehrende…
    Min­destens in den von mein­er Hochschule erstell­ten Satzun­gen (Prü­fung­sor­d­nun­gen etc.) ist durchgängig von “Stu­dentin­nen und Stu­den­ten” die Rede, im Sg. dann als “hat die Stu­dentin oder der Stu­dent es ver­säumt…” usw. Auch nicht so beson­ders toll.
    Meine in Schwe­den lebende Kusine legt Wert darauf, “lärare” zu sein und nicht “lärarin­na”. Let­zteres evoziert bei Schwe­den offen­bar das Bild ein­er ältlichen Dame mit Dutt. Deckt sich mit dem Hin­weis von Martine.
    Aus meinem Studi­um erin­nere ich mich noch daran, dass Demon­stra­tivpronom­i­na und Artikel im Plur­al bei gemis­cht­en Grup­pen ins Neu­trum geset­zt wurden.

  22. Achim

    N. Pl.
    öh — bei den Artikeln im Plur­al ging es um Altisländisch. Nur so der Voll­ständigkeit halber…

  23. Daniel

    @martine: Genau ander­srum wird ein Schuh draus. die Diskus­sion gibt es nur, weil Leute wie Sie sich gegen For­mulierun­gen bzw. Vok­a­beln wehren, die Ihnen eigentlich völ­lig­gle­ichgültig sein kön­nten. Wem das Wort Studierende nicht gefällt, benutzt es eben nicht, Ende der Geschichte.
    Die Prob­leme fan­gen (wie bei eigentlich aller Sprach­nörgelei) dann damit an, dass sie dieses Wort als sprach­lichen Vertreter ihnen missliebiger Geis­te­shal­tun­gen anse­hen, die es zu bekämpfen gilt. Das ist aber nur ein Taschen­spiel­er­trick, weil man die eigentliche Diskus­sion (z.B. über Sin­nd und Unsinn von LGle­ich­berech­ti­gung, Fem­i­nis­mus, polit­i­cal cor­rect­ness etc.) auf ein Niveau herun­terzieht wo man schon recht haben kann wenn man sagt dass es sich Scheisse anhört. Und sowieso, diese ver­dammten Linken!

  24. Leviathan

    »Mar­tine + Kon­sorten: Trau­rig, daß es in der Mitte der Bevölkerung immer noch Sym­pa­thiepunk­te bringt, sich über polit­i­cal cor­rect­ness zu mok­ieren. Natür­lich reicht es nicht, sich an die Beze­ich­nun­gen zu hal­ten — die Ein­stel­lun­gen und Erwartun­gen müssen sich ändern. Aber ich halte das unbe­d­ingte Fes­thal­ten an alter Ter­mi­nolo­gie nicht für wün­schenswert: es ist ein­fach ein Proxy für die man­gel­nde Wertschätzung der benötigten Veränderung.

  25. David

    Wem das Wort Studierende nicht gefällt, benutzt es eben nicht, Ende der Geschichte.”
    Dann ist man aber doch Reaktionär.
    Danke im Übri­gen für dieses schöne Beispiel eines freien Interrogativsatzes!

  26. Nörgler

    Vor­standsvor­sitzen­der
    Hat sich jemand schon mal daran gestoßen, daß ein Vor­standsvor­sitzen­der eigentlich ein ste­hen­der Sitzen­der ist?

  27. Jens

    @Daniel: Ganz so ein­fach ist es ja nicht. Wenn man von Stu­den­ten spricht, bilden sich Leute, die „Studierende“ oder „Stu­den­ten & Stu­dentin­nen“ gewohnt sind, ja mitunter auch ein Bild von einem. Man erscheint damit eventueller schlechter, als es eigentlich gemeint ist.
    Und wenn man eine solche Ange­wohn­heit schon aufgeben soll, sollte das doch wenig­stens gut begrün­det sein. Gute Gründe finde ich dafür im Plur­al nicht, da für mich der Plur­al ohne -in eher gener­isch als maskulin ist.

  28. Martine

    @Daniel und Leviathan
    Es geht wohl kaum um die grund­sät­zliche Ablehnung von Neol­o­gis­men, um das krampfhafte Fes­thal­ten an alter Ter­mi­nolo­gie oder um eine kri­tis­che Hal­tung gegenüber poli­tisch-sozi­ol­o­gis­chen Denkmustern. Es geht um die Tat­sache, dass die Diskus­sion über den Begriff “Studierende” keine Diskus­sion um Sprach­lich­es ist, son­dern höch­stens eine Diskus­sion über die Berech­ti­gung zum Miss­brauch eines Jar­gons als All­t­ags­ge­gen­stand. Jede sprach­be­zo­gene Diskus­sion über Diskri­m­inierung ist deshalb müßig, weil sie nicht um die Begriffe geführt wird, son­dern um die Inhalte. Sozi­olek­te (juris­tis­che, tech­nis­che …) sind aus rein sprachQUAL­I­TA­TIV­ER Sicht nicht rel­e­vant. Die Diskus­sion um den Begriff “Studierende” ist in kein­er Form eine Diskus­sion über Sprachqual­ität, denn Jar­gons haben per se keine. Es ist eine Diskus­sion über poli­tisch-sozi­ol­o­gis­che Ten­den­zen und Mei­n­un­gen – und hat als solche in einem Sprach­blog nichts zu suchen – es sei dann, man würde hier auch Dinge wie “Inau­gen­schein­nahme” oder “Auf­maß” unter­suchen wollen. Dies find­et nicht statt, denn solche Jar­gons berühren nur mar­gin­al den All­t­ag. Bei “Studierende” ist es eben anders. Nichts­destotrotz: Bespricht man hier solche Begriffe, führt man keine Diskus­sion über Sprachqual­ität, son­dern man schenkt einem Jar­gonbe­griff aus dem sozi­ol­o­gis­chen und poli­tis­chen Bere­ich eine Bedeu­tung, die er nicht haben sollte.
    (Dass nie­mand gezwun­gen ist, Begriffe wie “Studierende” zu ver­wen­den, ist übri­gens nicht ganz kor­rekt, Daniel. Sie sind in der Ver­wal­tungsar­beit einiger Uni­ver­sitäten Vorschrift und in der akademis­chen Veröf­fentlichung­sprax­is mehr als nur gern gesehen.)

  29. jgo

    Geschlecht­sneu­trale Plurale…
    … im Spracher­werb — eine Anek­dote vom Frühstückstisch:
    Ich heute mor­gen zu meinem achtjähri­gen Sohn: Wer ist denn eigentlich zur Zeit dein Lieblingslehrer?
    Er: Also, Lehrer kann ich dir da eigentlich nur einen sagen, näm­lich Her­rn XYZ.
    Ich: Das ist dein Lieblingslehrer?
    Er: Na, es gibt ja nur einen Lehrer.
    (Zur Erläuterung: Er geht auf eine Grund­schule — mit sehr vie­len Lehrerin­nen, aber eben nur einem Lehrer.)
    DAS hat mich wirk­lich ein wenig über­rascht, denn bis gestern habe auch ich noch geglaubt, wenn man “Lehrer” sagt, dann meint man auf jeden Fall bei­de Geschlechter, und so habe ich das Wort in mein­er Frage ja auch gebraucht. Auch ich hätte bish­er gesagt, dass es mir als Frau nichts aus­macht, bei masku­li­nen Plu­ralen mit­ge­meint zu wer­den — und im Prinzip macht es mir auch weit­er­hin nicht viel aus — aber die Annahme, dass man tat­säch­lich automa­tisch mit­ge­meint ist, die finde ich jet­zt ein­deutig weniger plau­si­bel als vorher.
    Insofern, Martine:
    “Dass ein Wort in der masku­li­nen Form als Ober­be­griff diskri­m­inierend sein soll und nicht als das genom­men wer­den kann, was es tat­säch­lich ist, näm­lich nur ein Sam­mel­wort ohne geschlechtsspez­i­fis­che Bedeu­tung, ist eine Per­ver­sion unser­er Zeit, die jedem und allen diskri­m­inierende Absicht­en unter­stellt” — diskri­m­inierende Absicht vielle­icht nicht (immer), aber ein Sam­mel­wort ohne geschlechtsspez­i­fis­che Bedeu­tung eben wohl auch nicht, jeden­falls nicht für alle.

  30. Jens

    Hätte er das wohl auch so gesagt, wenn die Frage gewe­sen wäre, wer denn zur Zeit seine Lieblingslehrer sind?
    Ich wage, zu behaupten: Er hätte auch die Namen von ein paar Lehrerin­nen genannt.

  31. jgo

    Lieblingslehrer

    @ Jens:

    Zugegeben, ich habe in diesem Fall (glaube ich rück­blick­end) nicht mal einen Plur­al benutzt, weil ich sog­ar den masku­li­nen Sin­gu­lar in diesem Fall als “geschlecht­sneu­tral” betra­chtet hat­te, möglicher­weise weil “LieblingsX” eine Menge an Xen, aus denen man auswählen kann, voraus­set­zt. Aber ich hätte den Kom­men­tar trotz­dem “Geschlecht­sneu­trale Berufs­beze­ich­nun­gen” nen­nen sollen.

    Die Behaup­tung ist jet­zt also, dass die Frage “Wer SIND zur Zeit deine Lieblingslehrer?” eine grund­sät­zlich andere Antwort eliz­itieren kann als “Wer IST zur Zeit dein Lieblingslehrer?” Eine inter­es­sante Hypothese, aber als Empirik­er würde ich nicht “wagen zu behaupten”, son­dern über­prüfen. Vielle­icht mache ich das, ich brauche natür­lich eine Rei­he geeigneter Ver­suchsper­so­n­en — näm­lich solche, die auf die Frage nach EINEM LieblingsX (-lehrer, ‑poli­tik­er, ‑musik­er, ‑schaus­piel­er) auf jeden Fall NUR eine männliche Per­son nen­nen, auch wenn sie eigentlich Fans von weib­lichen Per­so­n­en sind. Denen kön­nte man dann die Frage mit einem Verb in Plu­ral­form stellen.

    Ich muss noch ein­mal über ein möglich­es Design nach­denken. Ich werde jeden­falls das Ergeb­nis hier berichten.

  32. Tim

    Ich erin­nere mich an eine Rede (ich glaube von ein­er Bil­dungspoli­tik­erin), welche mit den Worten
    “Liebe Studierende und Studierendin­nen” begann.
    In ein­er Rede vor dem Bun­destag in der let­zten Woche sprach eine Poli­tik­erin der Linken von “Kranken­schwes­t­erin­nen”
    Immer wieder stoße ich auf ähn­liche Beispiele. Ger­ade in der Poli­tik scheinen die Men­schen so sehr darum bemüht zu sein, poli­tisch kor­rekt zu sein, dass sie der deutschen Sprache unnötige Qualen auf­bür­den. Ver­suchen Sie sich in “kor­rek­ten” Deutsch (im Sinne Sicks), wer­den die Sätze unver­ständlich, lang und unnötig kom­pliziert. Dazu ein Beispiel aus einem Leit­faden für Schulleitun­gen im Lande Bre­men zum Thema“Delegation und Koordination”:“Der Schulleit­er oder die Schullei­t­erin überträgt im Benehmen mit seinem oder ihrem Stel­lvertreter oder sein­er oder ihrer Stel­lvertreterin durch Geschäftsverteilungsplan
    einzelne ihm oder ihr zugewiesene Auf­gaben sein­er oder ihrer Stellvertretung.”
    Die Prü­fung­sor­d­nun­gen der Uni­ver­sität Bre­men sind zum Teil durchgängig in der weib­lichen Form geschrieben. Dies erhöht die Les­barkeit und bish­er habe ich noch nie­man­den nach gener­ischem Maskulin oder geschlecht­sneu­traler Schreib­weise rufen hören.

  33. TMP

    @jgo
    Man kön­nte auch sagen, das Beste­hen auf die getren­nten For­men, lässt die Kinder diese For­men eben als klar getren­nt lernen.
    Da aber wohl in der Umgangssprache immer noch vorzugsweise die ein­fachere, gram­matikalisch männliche Form ver­wen­det wird statt ein­er Nen­nung bei­der Seit­en, kann man dur­chaus bezweifeln, dass das explizite Nen­nen der weib­lichen Mit­glieder ein­er Gruppe, um den “male bias” zu bekämpfen ins­ge­samt von Vorteil ist.
    Man darf mich ruhig reak­tionär nen­nen, aber ich halte nichts davon zu ver­suchen, Sprache zu verän­dern um damit Poli­tik zu machen. Eine Änderung des “male bias” (um das mal zu erk­lären, die Tat­sache das bei Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen meist von ein­er männlichen Per­son aus­ge­gan­gen wird), muss, bzw. kann nur gesellschaftlich erfol­gen, ich ver­weise dafür auch mal auf den Beitrag hier zum “McJob”.
    Gibt es/gab es zu diesem “male bias” eigentlich auch im deutschen Sprachraum Stu­di­en? Meines Wis­sens stützt sich die fem­i­nis­tis­che Lin­guis­tik im Deutschen ja vorallem auf Stu­di­en aus dem englis­chsprachi­gen Raum.

  34. Kai Weber

    Max Goldt diskreditiert?
    Herr Ste­fanow­itsch, Ihre Argu­men­ta­tion ist mal wieder voll und ganz überzeu­gend. Nur eine Sache hat mich doch sehr gestört, näm­lich die sehr pauschale Aussage:
    “aber wenn er [Goldt] sich dem The­ma Sprache zuwen­det, wie in der von Joffe angeris­se­nen Pas­sage, bleibt von seiner
    Bril­lianz nichts übrig”
    Das behan­delte Beispiel ist Sick-Niveau, das ste­ht außer Frage, und es gibt von Goldt auch ziem­lich unsägliche Pas­sagen zu echt­en oder ver­meintlichen Anglizis­men. Den­noch: Dass er niemals bril­lant sei, wenn er sich dem The­ma Sprache zuwende, ist eine meines Eracht­ens viel zu starke Stig­ma­tisierung. Ken­nen Sie seinen Essay “Mein Nach­bar und der Zynis­mus”? Eine vir­tu­ose Med­i­ta­tion über die begrif­fliche Abren­zung der Worte “Zynis­mus” und “Sarkas­mus”. Das ist weit über Sick-Niveau! Bitte seien Sie Her­rn Goldt gegenüber fair!

  35. Frank

    Mit den eige­nen Waf­fen geschla­gen. Geschickt argu­men­tiert sage ich da nur! Die Beze­ich­nung Studierende ist mir noch nie unan­genehm aufge­fall­en und Her­rn Goldts Texte mag ich zum Teil sehr. Daher finde ich diesen Beitrag sehr inter­es­sant und ein­mal mehr bringt er mehr Ruhe in das The­ma Sprachnörglerei.

  36. Ottmar Kaiser

    Die Köni­gin und der Prinz
    Man mag es mit dem gener­ischen Maskulinum hal­ten, wie man mag, man kann die Kon­struk­tio­nen, die zu sein­er Ver­mei­dung so bemüht wer­den, auch unäs­thetisch find­en, denn über Geschmack lässt sich bekan­ntlich nicht stre­it­en. Indes zu behaupten, das Nach­denken darüber sei ganz und gar über­flüs­sig, weil doch Frauen seit jeher im gener­ischen Maskulinum aufge­hoben wären, ist der Wirk­lichkeit nicht angemessen.
    So wies das Schweiz­er Bun­des­gericht im Jahre 1887 die Annahme, dass der Artikel 4 der Bun­desver­fas­sung (“Alle Schweiz­er sind vor dem Geset­ze gle­ich”) sich per genereschem Maskulinum auch auf Frauen beziehe, als “eben­so neu als kühn” zurück. Aber das nur als Episode am Rande.
    Inter­es­san­ter wird es, wenn man sich sprach­liche Ver­schiebun­gen ansieht, die stat­tfind­en, wenn Män­ner in klas­sis­che Frauen­berufen auf­tauchen. Es gibt keine männlichen Hebam­men, son­dern Geburtshelfer. Männliche Kranken­schwest­ern heißen Krankenpfleger und das Pen­dant der Hure wahlweise Strich­er, Ein­tänz­er, Call-Boy, niemals aber Hure, wobei meine Wahrnehmung da doch eine sehr ent­fer­nte ist. Natür­lich kann man auch weib­liche Studierende als Stu­den­ten beze­ich­nen, aber eigentlich hätte auch der Hebam­men­beruf noch Platz für Män­ner gehabt, oder?
    Dass das alles nicht so egal ist zeigen auch die Beze­ich­nun­gen bes­timmter, sprach­lich und real beson­ders behan­del­ter Per­so­n­en: Prinzen und Prinzessin­nen, Fürsten und Fürstin­nen, Könige und König­in­nen lassen sich zu keinem gener­ischen Plur­al zusam­men­fassen, zumin­d­est empfän­den das wohl die meis­ten Leute als irgend­wie selt­sam. Warum? Ich ver­mute, dass das daran liegt, dass ein­er Köni­gin ein­fach zuste­ht, als solche auch genan­nt zu wer­den und nicht ein­fach hin­ter einem masku­li­nen Sam­mel­be­griff zu verschwinden.
    Dass sich hier eine bes­timmte soziale Real­ität auf sprach­lich­er Ebene zeigt, ist kaum zu leug­nen. Die Annahme, das erste sei durch Kor­rek­tur des zweit­en zu verän­dern, darf get­rost bezweifelt wer­den. Dass allerd­ings verän­derte soziale Real­itäten sich irgend­wie sprach­lich nieder­schla­gen wer­den, darf eben­so get­rost angenom­men werden.

  37. TMP

    Die doofe Soft­ware hat lei­der meinen län­geren Kom­men­tar geschluckt, hier also die Kurzversion:
    @Ottmar Kaiser
    Mein­er kurzen Recherche nach wies das Gericht keineswegs die Klage ab, weil der Gle­ich­heits­grund­satz Frauen nicht ein­schließt, son­dern weil die aktuellen Regelun­gen diesem Gle­ich­heits­grund­satz nicht wider­sprechen würde.
    Dass das gener­ische Maskulinum zumin­d­est üblich war wird schon daraus ersichtlich, dass die Klägerin eben das Gesetz auch auf Frauen bezo­gen hat — das Gericht hat dem keineswegs wiedersprochen.

  38. Peter Maas

    Die Nom­i­nal­isierung von Partizipien
    ” … ist eine her­vor­ra­gende […] Art, geschlecht­sneu­tral ver­wend­bare Beze­ich­nun­gen für die Ausüben­den von Berufen und anderen Tätigkeit­en zu schaffen.”
    Tat­säch­lich? Bei der näch­sten Jahreskon­ferenz der Bäck­er-Innung heißt es im Gruß­wort also “Liebe Back­ende”? Diese Meth­ode funk­tion­iert nur in Aus­nah­me­fällen und führt meis­tens zu lächer­lichen Ergeb­nis­sen oder ist gar nicht anwend­bar, weil das Sub­stan­tiv kein ver­wandtes Verb hat, das man für diese Notlö­sung miss­brauchen kann.
    Ich halte es auch für Blödsinn, immer alle Geschlechter run­terzuleiern. Kom­plexere Sätze mit geschlechtsab­hängi­gen Bezü­gen zu Rel­a­tivpronom­i­na etc. wer­den dadurch bis zur Unken­ntlichkeit entstellt. Bei ras­sis­tis­chem Sprachge­brauch (“Neger”) ste­he ich auf Ihrer Seite, aber da muss man ja nur einzelne Begriffe erset­zen. Beim Sex­is­mus (oder was man dafür hält) kol­li­diert man aber mit der Gram­matik, die es nun mal nicht zulässt, ein Sub­stan­tiv ohne Fes­tle­gung des Geschlechts auszusprechen.
    Ich ver­wende weit­er­hin das Maskulinum als pars pro toto und habe dabei über­haupt kein schlecht­es Gewis­sen, weil ich mir sich­er bin, dass das ‑Innen-Mantra nicht die ger­ing­ste Auswirkung auf Posi­tion und Ver­hält­nis der Geschlechter in unser­er Gesellschaft hat. Außer­dem gibt es doch eine ganz ein­fache Lösung: wir nen­nen das Maskulinum Utrum, machen es also offiziell zum Beze­ich­n­er für bei­de Geschlechter. Dann sind Frauen sog­ar ein wenig im Vorteil, weil sie ein Genus nur für sich haben. Ich bin gern bere­it, dieses kleine “Opfer” zu brin­gen, wenn ich dafür nicht ständig von X‑en und X‑innen sprechen muss.

  39. Feminist

    Poli­tis­che Korrektheit
    Was machen wir eigentlich mit dem Begriff ‘der Men­sch’, der ja lei­der die Hälfte der Men­schheit auss­chließt. ‘Die Per­son’ geht nicht, denn das schließt die andere Hälfte aus.
    Ana­log zu ‘der/die Studierende’ fällt mir dazu ein: ‘Der/die Lebende’
    “Lebende aller Län­der, vere­int euch!”
    Klingt doch super.

  40. notwendig

    lebende
    moin, feminist.
    “lebende” find ich im ansatz gut, vefüge aber über eine leben­den hund. der ist nun wed­er men­sch noch per­son. außer­dem nenn ich einen gum­mibaum — lebend — mein eigen.

  41. HomerJay

    Reha­bil­i­tierung Max Goldt
    Leute, es gibt da einen Unter­schied. Die Begriffe “Vor­sitzen­der” und “Reisender” sind Auswe­ich­slö­sun­gen, weil “Vor­sitzer” und “Reis­er” offen­sichtlich nicht gehen. Es würde doch auch keine® von sich behaupten, er/sie sei “Brief­tra­gende®” oder “Tax­i­fahrende®”.

  42. James

    Nun ja
    Stimmt schon, “Studierende” ist nicht sprach­lich falsch. Nur halt ein­fach ein über­flüs­siges und unschönes Syn­onym für “Stu­den­ten”. Und das aus dem sim­plen Grund, daß das Wort “Studierende” deut­lich kom­plex­er aufge­baut und länger ist.
    Dabei wäre das Wort ansich noch nich das Prob­lem. Es ist die Häu­fung solch­er “poli­tisch kor­rek­ten” Wörter die einen Text schwere les­bar machen.
    Wer es nicht glaubt lese mal eines der Stu­den­ten­pam­phlete aus der “Innen”-Zeit. Die Texte waren schlußendlich zweimal so lang wie nötig und unlesbar.
    Ich hab genau in dieser “Innen”-Zeit studiert und nur noch die Augen ver­dreht — wie viele Stu­dentin­nen ebenfalls.
    Daraus nährt sich auch meine Abnei­gung gegen solche Begriffe. Sprach­liche Kor­rek­theit ist mir näm­lich egal, solange Sprache gut funktioniert!

  43. Studierendenfutter

    stu­dent
    “Wenn Sick und Goldt mit Ihrem sprach­lichen Argu­ment Recht hät­ten, wäre das zwar noch kein Grund, Stu­dentin­nen die masku­line Form Stu­dent überzustülpen und ihnen mitzuteilen, dass sie eben mit­ge­meint seien. Aber es wäre möglicher­weise ein Grund, eine andere geschlecht­sneu­trale Form zu finden.”
    Sie schreiben doch in anderen Artikeln über den recht zügig vostat­ten gehen­den Bedeu­tungswan­del von Begrif­f­en und befür­worten diesen. Wieso sollte der Begriff “Stu­dent” sich nicht dahinge­hend wan­deln, dass er Män­ner und Frauen MEINT. Nicht aber Frauen mit-meint. Heutzu­tage weiß jed­er, dass in einem Stu­den­ten­wohn­heim nicht nur Män­ner wohnen und in der Stu­den­tenkneipe nicht nur Män­ner feiern. Wieso lehnen Sie hier das Akzep­tieren eines Bedeu­tungswan­dels zu Gun­sten eines unnatür­lichen Wor­tungetüms “Studierende”, dass seine Legit­i­ma­tion allein aus der polit­cal cor­rect­ness gener­iert, ab?

  44. Sandra

    Studierende” sind etwas anderes als “Stu­den­ten”.
    Stu­den­ten müssen an ein­er Uni­ver­sität eingeschrieben sein. Studierende sind Stu­den­ten, die an anderen Insti­tu­tio­nen studieren. Beispiel­sweise darf sich ein Stu­dent für Dol­metschen an ein­er Fachakademie offiziell nicht Stu­dent nen­nen, son­dern er ist ein Studierender.
    Damit gehen auch andere Rechte ein­her. Beispiel­sweise ist es nur Stu­den­ten erlaubt, Hochschul­sport in Anspruch zu nehmen, aber nicht Studierenden.
    Es ist also keine Wortk­lauberei und kein Syn­onym, son­dern es sind zwei ver­schiedene Sachen, die ihre jew­eilige Beze­ich­nung brauchen.

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