Public Viewing zum Dritten

Von Anatol Stefanowitsch

Wie gesagt, Sprach­nör­gler inter­essieren sich nicht beson­ders für Tat­sachen, und darum war es vorherse­hbar, dass sie sich auch durch ein repräsen­ta­tives Kor­pus nicht von ihrer mor­biden Inter­pre­ta­tion des Begriffs Pub­lic View­ing abbrin­gen lassen würden.

Tom S. Fox, der schon im Bre­mer Sprach­blog aus­giebig getrollt hat und vor eini­gen Wochen unter dem Namen A. Nonym auch im Sprachlog angekom­men ist, nen­nt in seinem Kom­men­tar zu diesem Beitrag zwei Quellen, die er für gewichtiger hält als ein 100-Mil­lio­nen-Wörter-Kor­pus: Den amerikanis­chen Autor John Madi­son, der das Blog „Noth­ing for Ungood“ betreibt, und einen nicht genan­nten Fre­und, dem er eine E‑Mail geschrieben hat.

John Madi­son behauptet das in der Tat. Allerd­ings ver­di­ent er nun ein­mal sein Geld damit, Deutschen einzure­den, er beschreibe „[d]eutsche Selt­samkeit­en aus amerikanis­ch­er Per­spek­tive“ (so der Unter­ti­tel seines Buch­es zum Blog). Dabei liegen die Selt­samkeit­en sehr häu­fig einzig und allein an sein­er Überzeu­gung, dass er ganz per­sön­lich der Maßstab dafür sei, wie die Amerikan­er denken, sprechen und han­deln. Mit anderen Worten, er ist eine Art Bas­t­ian Sick für in Deutsch­land lebende Amerikan­er. Man mag das, was er schreibt, amüsant find­en (über Humor lässt sich ja lei­der nur schw­er stre­it­en), aber man sollte seine Glossen nicht mit Tat­sachenbeschrei­bun­gen verwechseln.

Übri­gens sollte man sich unbe­d­ingt die Kom­mentare unter Madis­ons Beitrag durch­le­sen: darunter sind amerikanis­che Kom­men­ta­toren, die allen Ern­stes das Recht für sich beanspruchen, selb­st dann als absolute Authorität für die englis­che Sprache zu gel­ten, wenn man sie mit authen­tis­chen Bele­gen kon­fron­tiert, die ihre Mei­n­ung wider­legen — nur ein­er von vie­len Grün­den, warum die Mei­n­ung einzel­ner Mut­ter­sprach­ler mit Vor­sicht zu behan­deln ist.

Das gilt natür­lich auch für die Mei­n­ung des einzel­nen Mut­ter­sprach­lers, die der a.nonyme Tom S. Fox ange­blich per E‑Mail einge­holt haben will — lei­der, denn auch wenn Tom S. Fox das nicht merkt, bestätigt sie ja genau das, was ich in meinen bei­den vor­ange­hen­den Beiträ­gen zu diesem The­ma gesagt habe: dass der Begriff Pub­lic View­ing sich auf jede Art öffentlich­er Betra­ch­tung von etwas beziehen kann, darunter natür­lich auch, aber eben nicht auss­chließlich, auf aufge­bahrte Leichen.

Assoziationen mit den Wörtern <em>Public Viewing</em>

Assozi­a­tio­nen mit den Wörtern Pub­lic Viewing

Einen inter­es­san­teren Ansatz hat Volk­er Weber in seinem Blog vowe.net gewählt. Er hat über Twit­ter englis­che Mut­ter­sprach­ler gebeten, im zu tweet­en, was ihnen bei den Wörtern pub­lic view­ing als erstes in den Sinn kommt und dann die Antworten veröf­fentlicht. Zählt man alle Antworten zusam­men (ein­schließlich der­er, die in sein­er Time Line, aber nicht auf sein­er Liste auf­tauchen), so ergibt sich tat­säch­lich eine knappe Mehrheit von 56 Prozent für den Begriff „Funer­al“, 32 Prozent denken an Kun­st oder andere Ausstel­lun­gen, und 12 Prozent an andere Dinge.

Diese Umfrage ist natür­lich nicht repräsen­ta­tiv, vor allem, weil die Befragten die vor­ange­hen­den Antworten ken­nen (und sich zum Teil sog­ar auf diese beziehen), aber immer­hin zeigt sie, dass es einen nicht zu ver­nach­läs­si­gen­den Teil englis­ch­er Mut­ter­sprach­ler geben kön­nte, die bei Pub­lic View­ing zuerst oder auss­chließlich an Beerdi­gun­gen denken.

Das wider­spricht den Bele­gen aus dem British Nation­al Cor­pus, auf die ich in meinem let­zten Beitrag ver­linkt habe und unter denen sich kein einziges entsprechen­des Beispiel find­et. Deshalb fand ich fol­gen­den Kom­men­tar eines John Lind­say unter Volk­er Webers Beitrag inter­es­sant, der sich fragt, ob es sich hier möglicher­weise um einen dialek­tal­en Unter­schied zwis­chen britis­chen und amerikanis­chen Vari­etäten des Englis­chen han­deln könnte:

I was won­der­ing why you were ask­ing that. I must admit funer­al would­n’t have occurred to me … It would be inter­est­ing to know how many of the peo­ple that respond­ed funer­al were Amer­i­cans cos some of the names I recog­nise as being Amer­i­can — is it an Amer­i­can fig­ure of speech?

Um John Lind­says Ver­dacht zu über­prüfen, habe ich eine Stich­probe des Such­be­griffs “pub­lic view­ing” von britis­chen und US-amerikanis­chen Web­seit­en genom­men, wobei ich alle Tre­f­fer, die sich in irgen­dein­er Weise auf Sportereignisse bezo­gen, wegge­lassen habe (auf den amerikanis­chen Web­seit­en war das ein einziges Beispiel, auf den Britis­chen war es eine Hand­voll). Das Ergeb­nis bestätigt tat­säch­lich Lind­says Vermutung:

Verwendung des Wortes <em>Public Viewing</em>

Ver­wen­dung des Wortes Pub­lic Viewing

Die Ver­wen­dung des Wortes Pub­lic View­ing für das öffentliche Zurschaustellen von Leichen ist in den USA offen­sichtlich deut­lich ver­bre­it­eter als in Großbri­tan­nien (und inter­es­san­ter­weise bezo­gen sich die Beispiele auf den britis­chen Web­seit­en größ­ten­teils auf Michael Jack­son, kön­nten also aus der amerikanis­chen Presse über­nom­men sein).

Aber trotz­dem ist diese Bedeu­tung nicht die häu­fig­ste: Sie ist genau­so häu­fig wie die Bedeu­tung „Ausstel­lung“ und macht, wie diese, nur knapp über ein Drit­tel der Belege aus. Amerikan­er, die ern­sthaft immer erst an Beerdi­gun­gen denken, wenn sie Pub­lic View­ing hören, müssen also nicht nach Deutsch­land fahren, um mor­bide Ver­wirrung zu erleben: Ihnen begeg­nen auch zu Hause genü­gend Anlässe. Man kann sich das bild­haft vorstellen: „Was, ein Tot­er im Muse­um? Ach, gott­sei­dank, nur ein Bild … Was, ein Tot­er im The­ater? Ach, nur eine Pre­miere, und ich dachte schon … Was? Ein Tot­er im Rathaus? Ach, es liegen nur Bau­pläne aus, na, da hast du mir aber einen Schreck­en einge­jagt … Was? Das Bestat­tungsin­sti­tut zeigt einen Film? Ach, dies­mal ist es wirk­lich eine Leiche, wie trau­rig und ver­wirrend zugleich…“.

Ich bleibe deshalb bei mein­er Mei­n­ung, die inzwis­chen für jeden, der irgend­wie für empirische Evi­denz zugänglich ist, als abgesichtert gel­ten dürfte: Die Beze­ich­nung Pub­lic View­ing ist auch im inter­na­tionalen Kon­text unprob­lema­tisch. Dass sie in den USA nie und in Großbri­tan­nien sel­ten für öffentliche Über­tra­gun­gen von Fußball­spie­len ver­wen­det wird, kann man inter­essiert zur Ken­nt­nis nehmen, aber wed­er die USA noch Großbri­tan­nien haben zu entschei­den, wie sich englis­che Begriffe im inter­na­tionalen Sprachge­brauch entwickeln.

Dass es möglicher­weise Men­schen gibt, die darauf beste­hen, dass jedes Wort nur eine Bedeu­tung und dieses hier nur die Bedeu­tung „Auf­bahrung“ haben darf, soll­ten wir nicht zu unserem Prob­lem machen.

Und selb­st wenn wir es täten, kön­nten wir den Begriff bedenken­los weit­er ver­wen­den: Die Spiele der US-amerikanis­chen Fußball­na­tional­mannschaft der Män­ner erin­nern in Dynamik und Spielauf­bau ja ohne­hin stark an die öffentliche Zurschaustel­lung von Leichen

 

[Nach­trag: Wer mir nicht glaubt, glaubt vielle­icht der englis­chen Mut­ter­sprach­lerin und lizen­zierten Über­set­zerin Mar­garet Marks, die in ihrem Trans­blawg über das Wort schreibt.]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

35 Gedanken zu „Public Viewing zum Dritten

  1. J. Martin

    Die unendliche Geschichte …
    Mir fällt bei so etwas immer Otto ein, aus sein­er mit­tler­weile prähis­torischen Humor­phase: „Ach, erzählen Sie mir doch nichts von Tat­sachen! Das sind Fak­ten, meine Damen und Herren!“

  2. MM

    Ich (Englän­derin) bin eben­falls erstaunt über die große Aufre­gung. Vor Jahren, als ich “Handy” zuerst auf Deutsch hörte, war ich leicht verärg­ert, aber ich sehe ein, dass Lehn­wörter verän­dert wer­den. Ich über­sah, dass nicht nur Englän­der sich darüber aufre­gen kön­nen, son­dern vor allem Deutsche. Es scheint, als ob nie­mand davon ablassen kön­nte, zu sagen “Ich weiß es! es bedeutet öffentliche Auf­bahrung” — aber es sind ein­fach ein Adjek­tiv und ein Sub­stan­tiv, und die Bedeu­tung im Fußball bürg­ert sich eben ein. Ich habe die Sache auch etwas lang­wierig gebloggt.

  3. Michael Khan

    Look who’s talking .…
    Offen­bar sind einige der Kommenator(inn)en, die dem Her­rn Madi­son so eifrig Beifall zollen, in der englis­chen Sprache weniger sat­telfest als sie meinen:
    http://nothingforungood.com/…ewing/#comment-1449
    Das verb “to pro­cras­ti­nate” bedeutet näm­lich keineswegs das, was die Dame offen­bar meint.
    Ist mir ja im Grunde egal, und ich wäre der Let­zte, der es jeman­dem übel nimmt, wenn man Anderen mit “big words” impräg­nieren will, aber das fiel mir dort ger­ade auf.
    Übri­gens: “Author­ität”? War das Absicht? (Und: nein, ander­swo als im Sprachlog — den ich sehr schätze — würde ich so eine Bemerkung nicht machen)

  4. Jürgen Bolt

    Autorität
    Autorität schreibt man anders als ‘authen­tisch’ ohne h: “…als absolute Author­ität für die englis­che Sprache zu gel­ten, wenn man sie mit authen­tis­chen Bele­gen kon­fron­tiert, die ihre Mei­n­ung wider­legen…” Das stört mich in dem Satz ein bißchen. Wahrschein­lich weil ich ihm, wie dem ganzen Beitrag, zus­tim­men möchte. Okay, über Geschmack läßt sich sowenig stre­it­en wie über Humor.
    Übri­gens habe ich auch eine amerikanis­che Mut­ter­sprach­lerin und studierte Anglistin nach ‘pub­lic view­ing’ gefragt, näm­lich meine Fre­undin. Sie sagte, sie kenne den Aus­druck aus Ameri­ka über­haupt nicht.
    Und damit verg­ing mir die Lust, weit­ere Erkundi­gun­gen in mein­er amerikanisch-englisch-franzö­sisch-ostafrikanisch-japanisch-deutschen Patch­work-Fam­i­lie zu betreiben. Mir scheint, es gibt wichtigere Dinge als Sprach­nörgeln. Wie ich mal vor Jahrzehn­ten irgend­wo las: “Was ist schon die Wel­trev­o­lu­tion gegen eine angeschnit­tene Flanke.”

  5. ohno

    Prokrasti­na­tion
    @Michael Khan: Das mit dem “pro­cras­ti­nat­ing” hätt ich jet­zt aber schon gerne erk­lärt. Die Frau ver­plem­pert ihre Zeit — in der sie wohl was wichtigeres zu tun hat­te — mit dem Lesen von “noth­ing for ungood”. Ist das keine Prokrastination?

  6. Michael Khan

    @ohno: to procrastinate
    Wird das Wort “to pro­cras­ti­nate” richtig ver­wen­det, erwarte ich schon, dass sich aus dem Kon­text ergibt, dass da etwas Wichtiges wil­lentlich hin­aus­geschoben wurde, denn das Wort bedeutet nicht ein­fach “Zeit ver­plem­pern”, son­dern “zögern und etwas, was getan wer­den sollte, wil­lentlich hinausschieben”.
    http://www.merriam-webster.com/…ry/procrastinate
    http://www.woxikon.de/eng/procrastinate.php
    http://en.wikipedia.org/wiki/Procrastination
    http://www.dict.cc/?s=to+procrastinate
    … usw.
    Wenn diese Bedeu­tung im zitierten Kom­men­tar besagter Dame wirk­lich gewollt war, ver­ste­he ich nicht, was sie damit sagen wollte, denn ohne Angabe dessen, was sie wil­lentlich hin­auss­chob, macht ihre Aus­sage keinen Sinn.
    Natür­lich hat jed­er Men­sch immer etwa Wichtigeres zu tun. Insofern wäre wirk­lich jedes Ver­plem­pern von Zeit eine Prokrasti­na­tion. Aber das ist ja nun wirk­lich etwas dünn.
    Ich gehe daher davon aus, dass sie das wirk­lich nur im Sinne von “Zeit ver­plem­pern” meinte. Dann passt allerd­ings dieses Verb nicht.
    So ein Fehler ist ja auch nicht weit­er schlimm. Aber er fällt deswe­gen auf, weil es sich um einen zus­tim­menden Kom­men­tar zu einem Blog-Artikel han­delte, der sich über die falsche Benutzung englis­ch­er Worte mok­ierte. Son­st hätte ich dazu nichts weit­er gesagt.

  7. Frank Oswalt

    Immer­hin ist A. Nonym hier wenig­stens mal auf den Inhalt des Beitrags einge­gan­gen anstatt nur seine schlechte Laune hinzukotzen.
    Übri­gens, nette Grafiken!

  8. Gareth

    Mein Vater ist Englän­der und kan­nte das Wort vor der WM 2006 nach eigen­er Aus­sage auch nicht. Es stört ihn aber so wenig, dass er es jet­zt auch im Englis­chen für öffentliche Fußbal­lüber­tra­gun­gen nutzt.

  9. Armin Quentmeier

    So ein sinnlos­es Wortgeklingel…
    zur Vertei­di­gung von „Pub­lic view­ing“ – das ist schon erstaunlich, wom­it manche Leute so ihren Tag ver­brin­gen! Ist es denn so schw­er, eine halb­wegs grif­fige deutsche For­mulierung für das Anschauen von Fußball­spie­len auf Großlein­wän­den zu find­en? Vor vier Jahren hat­te ich mich wun­der­bar über den Aus­druck „Rudel­guck­en“ gefreut, den ich bei Stu­den­ten aufgeschnappt hatte!
    Über 50 % der Deutschen sprechen über­haupt kein Englisch, und vom Rest ist nur ein klein­er Anteil fähig, sich wirk­lich gut und fließend auf Englisch auszu­drück­en. Ich erwarte daher, in meinem Land in der Öffentlichkeit, auf Behör­den und von Unternehmen, die mir etwas verkaufen wollen, in mein­er Mut­ter­sprache ange­sprochen zu wer­den! Ich ertrage es ein­fach nicht, immer häu­figer mit irgendwelchen Parolen aus Wer­be­fuzzi-Hir­nen sprach­lich zugemüllt zu wer­den. Die Flut englis­ch­er Aus­drücke offen­bart doch vor allen einen erschreck­enden Man­gel an Kreativ­ität –und eine abstoßende Ger­ingschätzung, ja Ver­ach­tung gegenüber der nicht Englisch sprechen­den Mehrheit in Deutschland.
    Ich möchte keineswegs – auch wenn mir das sich­er einige übereifrige Anglizis­men –Fre­unde unter­stellen wer­den – eine Ver­ban­nung aller englis­chen Aus­rücke, aber hier wie über­all gilt: „Es kommt auf die Dosis an, ob ein Stoff giftig wirkt“.
    PS. Wie wird eigentlich „Pub­lic view­ing“ z. B. in Frankre­ich und in Spanien genannt?

  10. Dierk

    Rudelkuck­en’*, wirk­lich? Klar, ich habe einen nicht immer ganz gesun­den Humor, aber wollen wir als “offiziellen” Begriff wirk­lich einen, der von Such­maschi­nen wegen sein­er Nähe zu ‘Rudel­bum­sen’ geban­nt würde?
    Die — zuge­s­tanden: sehr alberne — Debat­te um die Bedeu­tung von ‘pub­lic view­ing’, Herr Quent­meier, wurde nicht von den Apolo­geten Englisch erscheinen­der Wörter los­ge­treten. Es waren einige Pseu­do-Sprach­schützer oder Men­schen, die sich clever geben woll­ten, die ganz ein­fach Blödsinn als Wahrheit aus­geben. Dann wird das ein wenig aufge­bauscht, diejeni­gen, die es immer schon gewusst haben, schürzen ihre Mund­winkel zu hämis­chem Grinsen.
    Klar, die Mech­a­nis­men sind offen­sichtlich und immer gle­ich. Wer sich allerd­ings den Dep­pen [sic!] nicht in den Weg stellt, sollte sich nicht wun­dern, wenn sie die Diskurse dominieren. Wenn der klügere nachgibt, zer­stören die Dum­men die Welt.
    Wir müssen nicht über ‘pub­lic view­ing’ disku­tieren, eben­so wenig wie über ‘blaue Hem­den’. Lei­der haben eine Hand­voll Herr- und Damschaften sich aus­gerech­net diesen Neol­o­gis­mus — auf der Basis ein­er ein­fachen NP mit attribu­tiv genutztem Adjek­tiv vor nom­i­nal­isiertem Verb ohne neue, eigen­ständi­ge Bedeu­tung — aus­ge­sucht, um mal wieder einen Popanz zum Ein­reißen aufzubauen.
    *Ich bin Ham­burg­er, ich lasse mir von Süd­deutschen nicht sagen, wie das geschrieben wird.

  11. Michael Khan

    @Armin Quent­meier
    zur Vertei­di­gung von „Pub­lic viewing“
    Es ging im Artikel doch gar nicht um die “Vertei­di­gung” des Begriffs. Nicht gelesen?

  12. Gareth

    Über 50 % der Deutschen sprechen über­haupt kein Englisch, und vom Rest ist nur ein klein­er Anteil fähig, sich wirk­lich gut und fließend auf Englisch auszu­drück­en. Ich erwarte daher, in meinem Land in der Öffentlichkeit, auf Behör­den und von Unternehmen, die mir etwas verkaufen wollen, in mein­er Mut­ter­sprache ange­sprochen zu werden!

    Noch viel weniger Deutsche sprechen Franzö­sisch oder gar Latein und trotz­dem benutzen Sie fröh­lich Wörter, die aus diesen Sprachen entlehnt wur­den. Das soll­ten Sie sofort unter­lassen, denn erfahrungs­gemäß sind Lehn­wörter wie Restau­rant, Balkon, Baguette oder Ren­dezvous für Men­schen, die nicht Roman­is­tik studiert haben, völ­lig unver­ständlich und wer­den stets als Affront aufgefasst!

  13. suz

    Armin Quent­meier
    Okay, lassen wir die qua­si Belei­di­gung (“übereifrige Anglizis­men­fre­unde”) mal unter den Tisch fallen.
    Sie erliegen lei­der dem Irrglauben, das Ver­ständ­nis von Anglizis­men hätte etwas mit Sprachken­nt­nis­sen zu tun. Hat es nicht (oder nur sehr eingeschränkt). Ein Beispiel: ich bin im ale­man­nis­chen Sprachraum groß gewor­den. Dort benutzt man oft (aber nicht immer) ‘iiläse’ (ein­le­sen) wenn man etwas ein­scan­nt. Meine Oma weiß gar nicht wovon wir sprechen, und das, obwohl wir die schöne deutsche Entsprechung eines Anglizis­mus ver­wen­den. Der Punkt ist doch der: zwar ist meine Oma nicht mit Englis­chken­nt­nis­sen aus­ges­tat­tet, aber viel entschei­den­der ist, dass sie auch keine Com­put­erken­nt­nisse hat. Deshalb ist es völ­lig schnurz, ob wir einen Anglizis­mus ver­wen­den oder seine deutsche Übersetzung.
    Ähn­lich ist es mit ‘pub­lic view­ing’ — wenn ich nicht weiß, was es beze­ich­net, nutzen mir meine Deutschken­nt­nisse bei ‘Rudel­guck­en’ her­zlich wenig.
    Nun mag man die “Anglizis­men­flut” der Wer­be­branche doof find­en, das bleibt Ihnen unbenom­men. Aber die Werbe­sprache ist und bleibt Werbe­sprache — und mein Gefühl ist, dass ihr Ein­fluss auf die All­t­agssprache doch recht begren­zt ist.

  14. Peer

    Rudel­guck­en?
    Ehrlich? Da soll ich wis­sen, dass das was harm­los­es ist? Was hat das mit Fernse­hen oder Fuss­ball zu tun?
    @ Garteh wg.französisch: Da gebe ich Ihnen 100% recht! Die Schreib­weisen machen einen zu dem doch zu schaffen… 😉

  15. Armin Quentmeier

    Eingeschränk­te Lesefähigkeit?
    Einige Disku­tan­ten haben offen­bar große Schwierigkeit­en, einen kurzen Text zu lesen und dann auch noch zu verstehen:
    @Gareth: „Ich möchte keineswegs – auch wenn mir das sich­er einige übereifrige Anglizis­men –Fre­unde unter­stellen wer­den – eine Ver­ban­nung aller englis­chen Aus­rücke, aber hier wie über­all gilt: „Es kommt auf die Dosis an, ob ein Stoff giftig wirkt“.“
    Hal­lo, es geht um das Über­maß an (pseudo-)englischen Aus­drück­en und Redewen­dun­gen, nicht um eine zwang­hafte Sprachreini­gung. Das gilt natür­lich auch für Fremd­wörter aus allen anderen Sprachen!
    Und was das „Rudel­guck­en“ ange­ht, auch hier noch eine Anmerkung für die etwas Schw­er­fäl­ligeren und alle anderen, die bewußt etwas mißver­ste­hen wollen: Zitat: „Vor vier Jahren hat­te ich mich wun­der­bar über den Aus­druck „Rudel­guck­en“ gefreut, den ich bei Stu­den­ten aufgeschnappt hat­te!“ Eigentlich ist dieser Satz selb­sterk­lärend, aber noch mal zur Sicher­heit: Ich will dieses Wort nun wirk­lich nicht als allein zuläs­si­gen Aus­druck für „pub­lic view­ing“ ver­wen­det sehen; ich habe mich aber sehr über die sprach­liche Kreativ­ität junger Leute gefreut, denen das „pub­ling view­ing“- Gefasel offenkundig auf die Ner­ven ging.
    @ suz: „die qua­si Belei­di­gung (“übereifrige Anglizis­men­fre­unde”)“: Sie sind aber ein Sen­si­belchen! Denken Sie doch bitte mal über „Scherz, Satire, Ironie und tief­ere Bedeu­tung“ nach — wenig­stens ein bißchen!
    … und der große Khan liest am besten noch mal den ganzen Artikel und denkt noch mal ein bißchen nach!

  16. Michael Khan

    @Armin Quent­meier
    … und der große Khan liest am besten noch mal den ganzen Artikel und denkt noch mal ein bißchen nach!
    Ich denke, von uns bei­den bin ich der­jenige, der bei­des getan hat.
    Im Artikel geht es nicht darum, “Pub­lic View­ing” ein vertei­di­genswert­er oder ver­dammenswert­er Begriff sei. Es geht allein um die Frage, ob die von Einzel­nen aufgestellte Behaup­tung zutrifft, “pub­lic view­ing” würde im englis­chen Sprachraum als “Leichenbeschau” ver­standen. Dies scheint nicht so zu sein, wofür reich­lich Belege geliefert werden.
    Anlass zu ein­er Gen­er­al­abrech­nung mit Anglizis­men, ob über­flüs­sig oder nicht, sehe ich im gegebe­nen Kon­text nicht. Ich habe nach wie vor nicht den Ein­druck, sie hät­ten den Artikel gele­sen. Zumin­d­est aber disk­tu­tieren Sie über ein ganz anderes Thema.
    Ich selb­st kön­nte dur­chaus auf den einen oder Anglizis­mus verzicht­en. Wenn es darum gin­ge, wür­den Sie bei mir offene Türen einrennen.
    Aber davon schreibt Herr Ste­fanow­itsch zumin­d­est hier nichts, es geht hier allein darum, ob eine konkrete seman­tis­che Behaup­tung zutrifft oder nicht. Solche Fragestel­lun­gen sind in einem Blog mit der Beze­ich­nung “Sprachlog” dur­chaus gut aufgehoben.
    Wenn Sie mich kurz aufk­lären kön­nten, was an mein­er Darstel­lung unzutr­e­f­fend ist und welche Stelle des Artikels ich fehlin­ter­pretiert habe (d.h., wo sich meine eingeschränk­te Lese­fähigkeit und die der Anderen man­i­festiert) wäre ich Ihnen dankbar.

  17. Wentus

    Ren­dezvous
    @Gareth ich kann mich der Ver­wun­derung nur anschließen, warum sich nie­mand über franzö­sis­che Wörter im deutschen aufregt. “Ren­dezvous” wäre doch auch ein schönes Beispiel für eine falsche Ver­wen­dung. In Frankre­ich bedeutet es irgen­deinen Ter­min — also auch mit dem Zah­narzt — während es im Deutschen immer in der Bedeu­tung “ren­dezvous amoureux” ver­wen­det wird.
    Liegt die man­gel­nde Aufre­gung daran, dass sich selb­st Sprach­nör­gler an die große Menge dieser Wörter gewöh­nt haben, weil sie schon ein paar Jahrzehnte länger benutzt werden?

  18. Michael Khan

    @Gareth
    Noch viel weniger Deutsche sprechen Franzö­sisch oder gar Latein und trotz­dem benutzen Sie fröh­lich Wörter, die aus diesen Sprachen entlehnt wurden.
    Um auf das The­ma des Blog-Artikels Bezug zu nehmen: Da ging es ja darum, dass jemand behauptet hat, “pub­lic view­ing” habe in Deutsch­land eine ganz andere Bedeu­tung als in der Herkun­ftssprache — wobei diese Behaup­tung im gegebe­nen fall anscheinend nicht zutrifft.
    Es stimmt, dass die es in der deutschen Sprache viele franzö­sis­che Lehn­wörter gibt.
    Viele Fran­zosen machen sich darüber lustig, dass die meis­ten Deutschen diese Lehn­wörter falsch aussprechen (“Acces­soire”), ein­fach frech das Geschlecht ändern (das Restau­rant, die Garage) oder eine andere Seman­tik unter­stellen als im Franzö­sis­chen oder Bedeu­tun­gen weglassen, die das Wort im Franzö­sis­chen hat (“der Amateur”).
    Aber was soll’s, das ist halt so, wenn ein Wort von der einen in die andere Sprache übergeht.
    Inter­es­sant finde ich vielmehr, wie dieser Über­gang von­stat­ten geht, ob er wirk­lich von einem Wer­be­treiben­den erdacht wird wie das unlängst hier disku­tierte “Call-a-bike” oder von Schicht­en der Gesellschaft, beispiel­sweise Ein­wan­der­ern oder Urlaubern importiert wird.
    Auf­fäl­lig ist, dass oft Lehn­worte für Sachver­halte ver­wen­det wer­den, die beliebig schwammig sind. Wer kann denn schon genau beschreiben, was ein Acces­soire oder ein Lifestyle-Pro­dukt genau ist? Darunter ver­ste­ht doch jed­er, was er will.
    Es ist aber beleibe nicht so, dass in solchen Fällen der Schwammigkeit, wo gar nicht klar ist, was nun über­haupt gemeint ist, immer nur Fremd­wörter her­hal­ten müssen. Beispiel: Das Mod­e­wort “Nach­haltigkeit”. Das hat­te früher eine ganz klare Bedeu­tung: “das wird unsere Geschäfts­beziehun­gen nach­haltig schädi­gen”, heute aber sehe ich es täglich in unter­schiedlichen Bedeu­tun­gen, u.a. “nachwach­send”, “nicht ver­schmutzend”, “wiederver­w­ert­bar” und noch vieles Anderes mehr — wie’s ger­ade passt.
    Der englis­che Begriff “sus­tain­able”, an den sich dieser Begriff wohl anlehnen soll, hat im Englis­chen eine deut­lich klar­er umris­sene Bedeu­tung. “Sus­tain­able growth” ist dort Wach­s­tum, das so angelegt ist, dass es die vorhan­de­nen Ressourcen nutzt, ohne sie zu überfordern.
    Ich ver­mute, wenn “sus­tain­able” nicht so ausse­hen würde, als sei es schw­er auszus­prechen, dann hätte man es ein­fach über­nom­men. So aber hat man ein­fach ein existieren­des deutsches Wort genom­men und ihm statt ein­er klaren mehrere schwammige Bedeu­tun­gen gegeben.
    Das finde ich schon eher prob­lema­tisch — Sprache dient der Kom­mu­nika­tion und bed­ingt, dass sowohl der Sprech­er oder Schreiber als auch der Hör­er oder Leser ein gegebenes Wort gle­ich auf­fassen, also unter ein­er Katze ein kusche­liges Klein­raubti­er und unter einem Ele­fan­ten einen großen Dick­häuter mit langem Rüs­sel ver­ste­hen. Da wäre es der Kom­mu­nika­tion sog­ar ent­ge­gengekom­men, hätte man das Fremd­wort importiert.

  19. Armin Quentmeier

    @ Michael Khan
    … und der große Khan liest am besten noch mal den ganzen Artikel und denkt noch mal ein bißchen nach!
    Tut mir leid, noch mal zurück auf los: jet­zt lesen Sie den Artikel noch mal in aller Ruhe; dazu auch noch den ersten Teil des Her­rn Ste­fanow­itsch („Pub­lic view­ing oder die Rück­kehr der Leichenbeschauer“), acht­en Sie auf dessen Attack­en gegen die (ange­blichen) „Sprach­nör­gler“ und die nicht beson­ders gelun­genen Ver­suche, diese der Lächer­lichkeit preiszugeben – das Ganze ist eine eben­so wortre­iche wie haarspal­ter­ische Vertei­di­gung eines Begriffes, auf den man prob­lem­los hätte verzicht­en können.
    PS. Noch ein her­rlich­es „Fund­stück“: im online-Wörter­buch der TU Chem­nitz gibt es ein her­rlich­es Ergeb­nis, wenn man „Pub­lic View­ing“ eingibt:
    Deutsch: Großlein­wand-Über­tra­gung (f); „Pub­lic viewing“
    Englisch: out­door screening

  20. Michael Khan

    @Armin Quent­meier
    das Ganze ist eine eben­so wortre­iche wie haarspal­ter­ische Vertei­di­gung eines Begriffes
    Wortre­ich ja, haarspal­ter­isch … ja, wo denn? Und “Vertei­di­gung eines Begriffs”, das sehe ich nach wie vor nicht, ich sehe da nichts als die fundierte Auseinan­der­set­zung mit ein­er Behaup­tung zur Seman­tik eines englis­chen Begriffs. Also etwas, was Leser in einem lin­guis­tis­chen Blog erwarten.
    Aber gut, Ihnen sei Ihre Mei­n­ung belassen, auch wenn Sie sie nicht begrün­den mögen.

  21. Achim

    Rudelkuck­en
    Wenn ich mal etwas mehr Zeit haben sollte (vor dem Urlaub wird das aber nichts mehr, und dann bin ich erst mal weg ;-), ver­suche ich die unter­schiedlichen Kon­no­ta­tio­nen von “Pub­lic View­ing” und “Rudelkuck­en” so zu beschreiben, dass vllt. auch dem Her­rn Quent­meier klar wird, warum das keine Syn­onyme sind.
    Ich finde viele pseu­do­englis­che Wer­be­texte auch blöd. Ich finde allerd­ings auch viele deutsche Wer­be­texte blöd. Und das wird nicht bess­er, solange die Her­steller dieser Texte überzeugt sind, dass diese Kon­struk­te den ihnen zugedacht­en Zweck erfüllen. Das ist so ähn­lich wie mit Dro­gen: Wenn man sie wirk­lich loswer­den will, muss man die Kon­sumenten von der Verderblichkeit ihres Tuns überzeugen.

  22. Gerhard

    @Peer
    Bei Paplick Fju­ing weiß aber jed­er sofort, dass es um Fernse­hen und Fußball geht?
    Im Ernst: Rudel­guck­en ist ja wohl ein net­ter Scherz gewe­sen, keine ern­st­ge­meinte Übersetzung.

  23. Peter Perrey

    Pub­lic Viewing
    Die Tat­sache, dass Wörter ver­schiedene Bedeu­tun­gen haben kön­nen, ist in der Tat eine banale und schon jedem Schüler zugänglich, der es lernt, mit einem Wörter­buch umzuge­hen. Insofern macht sich die Redak­tion ein­er viel gele­se­nen deutschen HP auch mehr als lächer­lich, wenn sie behauptet, die Ein­ladung eines amerikanis­chen Geschäftspart­ners zum “Pub­lic View­ing” während der WM führe zum Ende der Geschäfts­beziehun­gen, meinte doch jed­er Amerikan­er, er würde zur Beerdi­gung ein­ge­laden. Nein, was zu kri­tisieren ist, ist die erneute Ver­wen­dung eines englis­chen Begriffs ohne jegliche Notwendigkeit. Dabei kommt es dann — wie auch in anderen Fällen — zu Begriff­sein­schränkun­gen, weil der “neuen” Wen­dung eine seman­tis­che Fre­quenz zugeschrieben wird, die sie in der Orig­i­nal­sprache nicht hat. Man kann es fast nicht bess­er fassen als T. Buck in der Artikelüber­schrift von 1974: “Self­made-Eng­lish”: Seman­tic Pecu­liar­i­ties of Eng­lish Lone-mate­r­i­al in Con­tem­po­rary Ger­man. Wie üblich: Nichts als Sprachprotzerei!

  24. Jochen

    Quelle der Behaup­tung Aufgebahrung
    Im Bekan­ntenkreis habe ich “pub­lic view­ing” auch die Tage disku­tiert. Ein­er gab dann als Quelle seine Wis­sen die Wörter-Daten­bank Leo ein, und in der Tat, dort wird bei Eingabe von pub­lic view­ing (amerk.) “Ausstel­lung eines aufge­bahrten Leich­nams” angezeigt. Inter­es­sant auch die Diskus­sion­sthreads, die nur von Forderun­gen überquellen, ein deutsches Wort dafür zu finden.
    Ich halte Leo da für ein nicht uner­he­blichen Fak­tor für die Weit­er­ver­bre­itung gewiss­er Sprach­mythen. Ich nutze z.B. auch oft Leo, um mögliche Ein­gren­zun­gen von Wortbe­deu­tun­gen oder eben ein­fach Wörter zu find­en. Konkret für pub­lic view­ing liegt das Prob­lem darin, dass es nur eine Bedeu­tung genan­nt wird und damit erst recht manche Nutzer annehmen, es gibt nur diese eine Nutzung.

  25. Dierk

    LEO sollte wirk­lich nur von Men­schen genutzt wer­den, die es eigentlich nicht benöti­gen, die nur schnell einen Denkanstoß brauchen oder eine Rechtschreib­hil­fe. Der Nutzer muss ein sehr gutes Sprachge­fühl und ’ne ganze Menge Ahnung haben; oft fehlen Stan­dard­über­set­zun­gen, dafür sind eher selt­same Nebenbe­deu­tun­gen erfasst.
    Eine kleine Ergänzung zu mein­er weit­er oben zu lesenden Analyse von ‘pub­lic view­ing’, die Cam­bridge Gram­mar of the Eng­lish Lan­guage unter­schei­det zwis­chen ‘com­pos­ite nom­i­nals’ und ‘com­pound nouns’ [Seite 448 ff, §14.4], wobei das inzwis­chen berüchtigte, hier disku­tierte Beispiel ersteres ist. Nur um die Ter­mi­nolo­gie in die Mod­erne zu bringen …

  26. Marc

    Amerikan­er ver­ste­hen unter “Pub­lic view­ing” etwas anderes als wir? Kun­st­stück, sie ver­ste­hen ja auch unter “Foot­ball” etwas anderes als wir.

  27. Dierk

    Ein wenig mehr Empirie
    Habe mir mal die Zeit genom­men, den typ­is­chen Sprach­nör­gler-Lack­mustest zu machen — also zwei Mut­ter­sprach­ler befragt. Eine US Amerikaner­in über 80, ein Südenglän­der über 50, bei­de leben in ihren jew­eili­gen Geburt­slän­dern, sind dort auch nie weg gewe­sen [für länger].
    Frage: What do you under­stand when a friend tells you he’s going to a ‘pub­lic viewing’?
    Answer E: [H]e’s going to an open gallery and any­one can go. A pri­vate view­ing would be by invi­ta­tion only.
    Answer US: I under­stand that it’s some­thing to see that’s open to the gen­er­al pub­lic. Like, per­haps, a paint­ing dis­played in an art museum.
    Aus Eng­land bekam ich auch dies noch: There can be a “pub­lic view­ing” of a corpse, yes, but the term “Pub­lic View­ing” is not spe­cif­ic to that and is more often asso­ci­at­ed with an exhi­bi­tion at a gallery (when used with­out context)

  28. Katharina

    Inter­es­sant ist doch: Warum find­en / erfind­en wir englis­che , oder früher eher franzö­sis­che Lehnwörter?
    Nun gut , vieles, was sich oft langfristig eh nicht bewährt, mag aus der Wer­bung kom­men… aus ein­er jew­eils momen­ta­nen Mode her­aus geboren sein.….
    aber warum hat sich z.B das Wort „Event“ für das der VDS als deutsche Alter­na­tive „Ereig­nis“ oder „Ver­anstal­tung“ vorschlägt , so etabliert?
    Weil das Wort „Event“ eben so wie wir es ver­wen­den, eine spezielle Kon­no­ta­tion hat. Es bedeutet eben nicht ein­fach nur , wie im Englis­chen „Ereig­nis“ ‑man würde nicht sagen „die Geburt mein­er Tochter war eines der größten Events in meinem Leben“- und auch die „Ver­anstal­tung „ ist keine Alter­na­tive: Das Som­mer­fest der frei­willi­gen Feuer­wehr Büdin­gen ist vielle­icht eine Ver­anstal­tung „Sound of Frank­furt“ o.ä.… mit vie­len Büh­nen, DJ´s, Bands, Tanz, aufwendi­ger Tech­nik, Light­shows usw… ist ein „Event“…das ist chic, das ist cool, das ist groovy (um ein paar weit­ere Lehn­wörter zu ver­wen­den, für die mir so recht kein deutsch­er Ersatz ein­fall­en will)
    Das deutsche Wort „Ver­anstal­tung“ ent­behrt jed­er Sinnlichkeit und klingt bürokratisch… kein Wun­der, dass sich da „Event“ als Beze­ich­nung für bes­timmte Ver­anstal­tun­gen erfol­gre­ich etabliert hat.… und wenn es es nur daran liegt , das uns die englis­che Sprache, was Pop­kul­tur bet­rifft, grif­figer und sinnlich­er erscheint.
    Ähn­lich ist es mit dem „Ren­dezvous“, was ja im Franzö­sis­chen wohl auch ein­fach nur „Tre­f­fen“ heisst, hierzu­lande aber ein amourös­es Tre­f­fen bedeutet, weil wir Deutschen das Franzö­sis­che ‑warum auch immer- mit Amour und Sinnlichkeit verbinden.
    Sehr inter­es­sant in diesem Zusam­men­hang ist das englis­che Lehn­wort „Baby“ . Dafür haben wir im Deutschen das „Neuge­borene“, das „Kleinkind“, den „Säugling“ Auch wenn das Saugen an der Mut­ter­brust sowohl für das Kind als auch für die Mut­ter eine zutief­st sinnliche Erfahrung ist, sind all diese Begriffe, ähn­lich, wie die „Ver­anstal­tung“ unsinnlich und technokratisch.
    Ein liebkosendes Wort wie „Baby“ ist den Deutschen wohl nie einge­fall­en (warum eigentlich nicht?) und deshalb haben wir gerne das Wort „Baby“ in unsere Sprache inte­gri­ert und meines Wis­sens hat sich über dieses Wort auch noch kein Sprachör­gler aufgeregt

  29. Klaus Deistung

    @ Marc
    Das mit dem “Foot­ball” war mir bekan­nt. Ich habe mich aber nie gefragt, was die Amerikan­er jet­zt in Südafri­ka spielen?

  30. Mueller

    Schön, dass Sie die Leute über den US-amerikanis­chen Sprachge­brauch aufk­lären. Aber müssen Sie wirk­lich klis­chee­haften Unsinn über den US-amerikanis­chen Soc­cer ver­bre­it­en, nur um einen mageren Schlussgag abzu­greifen? Ich sage nur Viertel­fi­nale 2002.
    Haben Sie wom­öglich den Schied­srichter im Spiel Slowe­nien-USA 2010 bestochen, um die These zu belegen? 🙂

  31. Igel-Blog

    ARD macht sich um die Demokratie ver­di­en­tEine der Schein­gründe für das Ausweit­en der Rund­funkge­bühr auf alle Haushalte und Betriebe ist die Bedeu­tung des Rund­funks für die Demokratie. Dies beherzi­gend überträgt die ARD die Bun­de­spräsi­den­ten­wahl nicht nur live, sie ver­anstal­tete vor dem Reichst

  32. Jens

    und ich hab auch immer noch ein Handy in der Tasche und kein Mobile. Weil unge­fähr 90% der leute denen ich sage, daß mein Handy klin­gelt wis­sen, was das ist.

  33. Kalef

    Durch­hal­ten, Sprachnörgler…
    Noch sieben Jahre, dann kön­nt Ihr das große Jubiläum “400 Jahre Gegen­wehr” feiern! Hat­te doch 1617 irgend ein Groß­grundbe­sitzer Lud­wig von Köthen-Anhalt bere­its einen Schutzwall gegen Lehn­wörter gegrün­det und Gelehrte wie Mar­tin Opitz um sich geschart. Und welch hässliche Wörter sind uns Dank dieses jahrhun­derte­lan­gen Kampfes erspart geblieben: Ganz zu Anfang schon Über­flüs­sigkeit­en wie “Nase” und “Fen­ster” — erfol­gre­ich abgewehrt. Etwas später dann (wieso nehmen die Kom­men­ta­toren eigentlich stets nur Beispiele, die immer noch offen­sichtlich franzö­sisch klin­gen?) Unange­bracht­es wie “Elan” und “Büro” — erfol­gre­ich aus der deutschen Sprache fer­nge­hal­ten. Mann, was haben wir gelacht über den Spin­ner, der als erster aus bureau das absurde “Büro” machte! Und auch heute wieder: da schre­it doch die ganze Welt auf, weil wir so unpassend “Pub­lic View­ing” sagen. Da muss das ja wieder verschwinden!
    Also los, Ihr Spracheifer­er, auf in den Kampf; Cer­vantes schaut Euch aus dem Grab wohlwol­lend zu!

  34. Marc Wirbeleit

    Pub­lic Viewing®
    Die Diskus­sion, ob man den Begriff straf­los benutzen kann, hat sich möglicher­weise erledigt, nach­dem sich die Magde­burg­er Fir­ma Screen Rent Pub­lic View­ing als Marke hat ein­tra­gen lassen:
    http://www.screen-rent.com/…#/de/pub­lic-view­ing/

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