Der Verein Deutsche Sprache produziert ja so schnell und ausdauernd so viel Unsinn, dass Deutschland eine Goldmedallie sicher wäre, wenn Unsinn eine olympische Disziplin wäre. Aber dass Sprachnörgelei (noch) nicht olympisch ist, hindert die Sprachnörgler natürlich nicht daran, die Olympischen Spiele trotzdem zu nutzen, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.
Zu diesem Zweck hat man in der Dortmunder Schaltzentrale des deutschen Sprachnörglertums eigens einen neuen Negativpreis ausgetüftelt: den Dschammeeka-Preis. Mit diesem Preis sollen, so der Verein, Reporter ausgezeichnet werden, die „bei sportlichen Großereignissen am konsequentesten die deutsche Aussprache von Orts‑, Länder- und Personennamen vermeiden“.
Erster Preisträger und namenstiftende Muse für den Preis ist ARD-Reporter Wilfried Hark. Der spreche nämlich statt von Jamaika (das man beim VDS gerne ausgesprochen sähe, wie man es schreibt, also etwa YA-MAY-KAH [jaˈmaɪ̯ka]) von „Dschammeeka“. Und das, so der VDS, würden „vor allem Amerikaner sagen“. Ein klares Zeichen, dass man sich hier „dem angelsächsischen Ausland … unterwürfig anbiedern“ wolle. Wenn nicht deutsch, so der Verein, solle man Länder gemäß ihrer Landessprache aussprechen, was bei Jamaika dann aber etwa wie „Dschömeika“ klingen würde (womit vermutlich DSCHÖ-MEY-KAH, mit weichem SCH und sehr schwach betontem Ö gemeint ist – [dʒəˈmeɪkə]).
Nun ist es keine schlechte Werbestrategie, den Sprachgebrauch von Journalist/innen zu kritisieren, um andere Journalist/innen dazu zu bekommen, darüber zu berichten. Allerdings würde es nicht schaden, wenn man selbst etwas vom Thema verstünde. Aber das passt bekanntlich nicht zum Selbstbild des VDS, und so hat man in schönster Sprachnörglermanier einfach mal ins Blaue hinein fabuliert.
Zunächst: Im Deutschen sind zwei Aussprachevarianten üblich, die man sich auf der Webseite des Duden anhören kann: Das oben schon erwähnte YA-MAY-KAH sowie das sanft am Englischen orientierte DSCHA-MAY-KAH (mit weichem SCH – [dʒaˈmaɪ̯ka]). Hier hat der VDS also zwar nicht die ganze, aber doch die Wahrheit gesagt.
Der Rest ist dann leider nicht nur falsch, sondern um 180 Grad falsch. Der Landesname Jamaica wird in der Landessprache, dem jamaikanischen Englisch beinahe exakt so ausgesprochen, wie es Hark angeblich getan hat: DSCHA-MEE-KAH ([dʒaˈmeːkə], natürlich auch mit weichem SCH). Wer das nicht glaubt, kann sich die Aussprache eines berühmten Muttersprachlers dieser Varietät anhören: Bob Marley singt es so in der letzten Strophe der Album-Version von „Buffalo Soldier“ (siehe hier bei Minute 3:38).
Die von Krämer vorgeschlagene Variante DSCHÖ-MEY-KAH dagegen entspricht der Aussprache im britischen und amerikanischen Standardenglisch (anzuhören z.B. hier). Wenn überhaupt, wäre diese Variante also eine unterwürfige Anbiederung an den angelsächsischen Sprachgebrauch, und eine Delegitimation des jamaikanischen Englisch.
Wilfried Hark sollte also stolz zu seiner Aussprache stehen. Stattdessen geht er in eine sprachnörglerisch konditionierte Abwehrhaltung: „Ich war das nicht“, zitiert ihn die dpa.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Mit Verlaub: Die Vermeidung “sinnloser”, weil “überflüssiger” Anglizismen, für die es gute deutsche Entsprechungen gibt, ist ein sinnvolles Anliegen. Der Dschammeeka-Preis aber ist ein Füller für das Sommerloch. Dafür gibt es nur – Pardon – ein Wort: uncool.
Das habe ich heute auch auf dem PONS Deutschblog gesagt.
Und wie steht es um die Vermeidung “sinnloser”, weil “überflüssiger” deutscher Begriffe, für die es total okaye Anglizismen gibt?
Die macht doch auch Sinn, oder?
okaye
Beim deklinieren von “okay” rollen sich mir die Fußnägel hoch 😉
Dabei ist das das perfekte Beispiel für die gelungene Eindeutschung eines mehr als okayen Anglizismus!
@cebewee, @impala
Das “okaye” kommt bestimmt aus dem gleichen Sprachraum (Flensburg?), der auch die “zue Tür”, den “abben Knopf”, die “nicht mehr so gut zu fußen älteren Leute” oder die “andersrumme Strecke” kennt.
Ich weiß nicht, ob okay nicht mittlerweile im gesamten deutschen Sprachraum flektiert wird. Ich weiß nicht, wie das mit der Flexion in Flensburg aussieht, aber ich habe die ersten 19 Jahren meines Lebens im Ruhrgebiet verbracht und für mich sind die zue Tür, der abbe Arm (in der Aussprache mit [p]) und der durche Typ völlig normaler Sprachgebrauch. Dass das nicht standardsprachlich ist, weiß ich, aber ein okayer Vorschlag würde ich im Schriftgebrauch auch akzeptieren. Das Adjektiv gay, was denselben Auslaut hat, wird ja auch meist flektiert, z.B. ein gayes Lied.
@Okay-Debatte
Also hier im Fränkischen gibt’s das “okaye” schon seit mindestens 20 Jahren, vom “abben Arm” habe ich allerdings noch nix gehört und die geschlossene ist hier eher eine “zune” Tür, die “zue” gibt’s zwar auch, aber das klingt hier eher nach “Hochdeutsch” 😉
Gern wüsste ich noch die etymologische Wurzel. Was bedeutet Jamaika? “Land der schnellen Beine”? “Insel, die man schnell umrundet”?
Die Arawak unter Arafat auf dem Ararat
Die Antwort, die Wikipedia auf Frank Rawels Frage gibt, lautet: “Der Name leitet sich vom arawakischen Xaymaca oder Chaymakas ab, was so viel wie Quellenland oder Holz- und Wasserland bedeutet.”
Was arawakisch ist, finden Sie jetzt aber bitte selber heraus.
Danke
Danke für die Aufklärung!
Sehe ich das richtig?
Die angeblich typisch amerikanische Aussprache von Hark enthielt tatsächlich ein e:, wie in “Schnee”? Einen Laut also, den es im amerikanischen wie im britischen Englisch gar nicht gibt, und der dessen Sprechern m.W. so notorisch schwer beizubringen ist, daß er selbst bei recht geübten oft noch zum Diphthong wird?
Wie verhält es sich denn mit der Vermeidung “sinnloser”, weil “überflüssiger” Kommentare. Ist die auch ein sinnvolles Anliegen?
Anstatt immer zu auf diejenigen unserer Nachbarn zu zeigen, welche fremde geographische Bezeichnungen noch rigoroser nach Art ihrer eigenen Sprache aussprechen als die Deutschen, könnte man ja auch mal diejenigen erwähnen, die noch “unterwürfiger” als die Deutschen die fremde Aussprache oder sogar die abweichende Eigenbezeichnung beherzigen. Ohne es mehr als anekdotisch belegen zu können, glaube ich, dass die Norweger hier gute Kandidaten wären.
Ich erlebte mal, wie sich deutsche in Anwesenheit sehr gut Deutsch sprechender Norweger über Nizza unterhielten. Die Norweger wunderten sich,dass sie von dieser anscheinend berühmten Stadt noch nie etwas gehört hatten, bis sie merkten, dass damit “Nice” gemeint war.
Wie findet ihr eigentlich das Wort “benamsen”? Ich höre das vor allem in der Firma immer häufiger. “Wir müssen das Ding dann noch benamsen” heißt es dann zum Beispiel. Warum sagen die Leute nicht “benennen”? Ist das der richtige Ausdruck, wenn ich einer Sache einen Namen geben will?