Der Nikolaus in Namen

Von Kristin Kopf

Hat­te keinen Fam­i­li­en­na­men: Heiliger Niko­laus. (Rechte: Zen­odot, The Yor­ck Project, GNU FDL)

Hon­ick­el, Nigg, Nitz, Clah­sen, Nück­el, Niggel­er, Köl­la, Glauss, Klaus­mann, Lauser, Mitschke, Läuseli, Gleissle, Kle­sen, Less­ing, Klose, Globus, Klaue, Klages, Klein­lagel, Gläwe, Nitschke, Gleuel, Kleps, Klo­mann, Loes,

All diese Nach­na­men haben eine gemein­same Quelle: Den Ruf­na­men Niko­laus. Er find­et sich, mehr oder weniger ver­steckt, in zahlre­ichen deutschen Fam­i­li­en­na­men wieder – aktuell doku­men­tiert sind rund 4.000 ver­schiedene For­men. ((Dräger (2011:270) ))

Leute, die mit Fam­i­li­en­na­men nach dem Niko­laus heißen, sind natür­lich nicht nach dem Niko­laus benan­nt, son­dern nach irgen­deinem. Nikoläuse gab es näm­lich zur Entste­hungszeit der Fam­i­li­en­na­men (ab dem 12. Jh.) Unmen­gen: Es war der zwei­thäu­fig­ste Män­ner­name im deutschen Sprachraum, in den extrem­sten Gegen­den hieß ein Vier­tel der Män­ner so. ((Dräger (2011:270) )) Das hat­te natür­lich mit dem Chris­ten­tum zu tun, das en vogue war: Man benan­nte Kinder enorm gerne nach Heili­gen, und dieser hier war zu allem Über­fluss auch noch ihr Schutz­pa­tron! ((Der belieb­steste Heili­gen­name war übri­gens Johannes.))

Gerufen wur­den diese ganzen Nikoläuse allerd­ings ganz unter­schiedlich. Heute noch existierende deutsche Ruf­na­men­vari­anten von Niko­laus sind z.B. Claus, Klaas, Niklas, Niko, Nico­las und Nick. Darüber hin­aus gab es noch zahlre­iche weit­ere For­men, die dialek­tal stark vari­ierten. ((Für Bay­ern gibt es den fan­tastis­chen Sprechen­den Sprachat­las, der auf der Karte für Niko­laus und ver­gle­ich­bare Win­tergestal­ten zahlre­iche Hör­beispiele vereint.))

Von diesen allen kon­nte man nun also Fam­i­li­en­na­men ableit­en – logisch, dass sich let­ztlich eine große Menge Niko­laus­na­men ergab. Dass ein Ruf­name die Basis für einen Fam­i­li­en­na­men bildete, war keine Sel­tenheit. Der Grund dafür liegt darin, dass Leute zu der Zeit, zu der es noch keine fes­ten Fam­i­li­en­na­men gab, oft einen Beina­men beka­men, um sie klar iden­ti­fizier­bar zu machen. Das war in vie­len Fällen der Ruf­name des Vaters. Später wur­den diese Beina­men dann  unverän­dert weit­ergegeben, ab diesem Zeit­punkt spricht man von Fam­i­li­en­na­men. Fam­i­li­en­na­men, die Ruf­na­men als Quelle haben, nen­nt man in der Ono­mas­tik »Patronyme« (wörtl. ‘Vater­sna­men’). Sie kön­nen ein­fach iden­tisch mit dem Ruf­na­men sein, aber auch anders auf ihn Bezug nehmen, zum Beispiel durch den Bestandteil -sen ‘Sohn’ oder eine (dialek­tale) Verkleinerungs­form. Ein paar aus­gewählte Nikolausnamen:

  • Nico­lassen ‘Sohn von Nico­las’, Clasen ‘Sohn von Claas’
  • Kleisle ‘klein­er Klaus, wörtl. Kläuslein’, Nitschke ‘klein­er Nitz (< Nicolaus)’
  • Klausmann – hier wurde das mann zur Beze­ich­nung des Sohnes benutzt (vgl. auch Heine­mann, Till­mann, Ber­tels­mann (von Bartholomäus), Christ­mann (von Chris­t­ian), …)

Klaus­mann

Die ver­schiede­nen Vari­anten sind region­al sehr unter­schiedlich verteilt. Ganz typ­isch für Süd­west­deutsch­land ist zum Beispiel Klaus­mann, der, gemessen an der Bevölkerungs­dichte, im Land­kreis Emmendin­gen am häu­fig­sten auftritt. ((Karten via Geogen, Dat­en nach Tele­fo­nan­schlüssen. Mehr Geogenkarten im Sprachlog gibt es hier, hier und hier.))

Nitschke

Viel weit­er ver­bre­it­et sind hinge­gen die Nitschkes (und die fast iden­tis­chen Nitsches), die beson­ders in den neuen Bun­deslän­dern wohnen.

Wenn sich Namen so an der Gren­ze ballen, lohnt sich oft ein Blick über ebendiese. In diesem Fall gibt das Reich­stele­fon­buch von 1942 Auf­schluss. ((Via gen-evolu.de.)) Tat­säch­lich ging es ein­mal östlich des heuti­gen Nitschke-Kernge­bi­ets weit­er, wie auf der Karte klar zu erken­nen ist.

Schaut man in ein Namen­buch, z.B. Bahlow,  dann wird dort auch bestätigt, dass es sich bei Nitschke um eine schle­sisch-ost­mit­teldeutsche Kurz­form von Niko­laus handelt.

Eine andere schle­sisch-ost­mit­teldeutsche Vari­ante ist Mitschke. Hier sieht man fremd­sprachi­gen Ein­fluss: In eini­gen slaw­is­chen Sprachen hat der Name näm­lich einen m-Anlaut, so z.B. im Pol­nis­chen. ((Nicht aber im Rus­sis­chen, man ken­nt ja genü­gend Zaren namens Niko­lai.)) Entsprechend heißt Niko­laus Kopernikus in Polen auch Mikołaj Kopernik.

Die von Niko­laus abstam­menden Fam­i­li­en­na­men sind übri­gens so vielfältig und vari­anten­re­ich, dass man darüber eine ganze Dok­torar­beit schreiben kann. Das hat eine Freiburg­er Kol­le­gin, Kathrin Dräger, auch getan. Wenn ich recht informiert bin, ist sie mit der Pro­mo­tion let­ztes Jahr am 6.12. fertiggeworden.

Quellen:

  • Bahlow, Hans (1953): Schle­sis­ches Namen­buch. Kitzingen/Main.
  • Dräger, Kathrin (2011): Fam­i­li­en­na­men aus dem Ruf­na­men Niko­laus in Deutsch­land. In: Rita Heuser, Damaris Nübling und Mir­jam Schmuck (Hgg.): Fam­i­li­en­na­men­geo­gra­phie. Ergeb­nisse und Per­spek­tiv­en europäis­ch­er Forschung. Berlin, New York. 269–281.
  • Kun­ze, Kon­rad (2004): dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Fam­i­li­en­na­men im deutschen Sprachge­bi­et. 5. Aufl. München.

4 Gedanken zu „Der Nikolaus in Namen

  1. Evanesca Feuerblut

    Danke für den beson­ders für mich Wel­tenbauerin sehr infor­ma­tiv­en Artikel — wenn ich Nach­na­men erfind­en muss, werde ich daran zurückdenken.
    Es ist aber in der Tat erstaunlich, wie viele ver­schiedene Namen sich auf “Niko­laus” zurück­führen lassen — da habe ich doch gestaunt!

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  2. Sprachenverwender

    Vie­len Dank, hochin­ter­es­sant. Ich hat­te keine Ahnung dass Patronyme im Deutschen der­art ver­bre­it­et sind. Sie sprin­gen einem nicht so sehr ent­ge­gen wie in manchen skan­d­i­naw­is­chen Laen­dern oder wie im englis­chen oder tuerkischen.
    Damit und mit von Berufen abgeleit­eten Namen duerften ja so einige abgedeckt sein. Gibt es noch weit­ere Muster zur Namens­bil­dung die eine ver­gle­ich­bar grosse Rolle spielen?

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  3. Carsten

    Es gibt vier häu­fige Grund­prinzip­i­en der Namensbildung:
    Wie schon erwähnt
    1. aus Ruf­na­men abgeleit­ete (siehe Beitrag)
    2. von Berufen aus­ge­hende (z.B. die berühmten Mey­er, Müller, Schulze)
    3. Herkunfts‑, bzw. Ort­sna­men — also auf Vor­fahren, die dort gewohnt haben, bzw. von dort aus an einen anderen Ort gezo­gen sind, West­phal, Neustädter, etc.)
    4. Eigen­schaften des ursprünglichen Namen­strägers: Krumm­fuß etc.

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